Bundesfinanzhof
EStG § 13
1. Zur stillschweigenden Begründung einer Mitunternehmerschaft zwischen Landwirts-Ehegatten genügt es nicht, daß der Grund und Boden dem einen und das Inventar dem anderen Ehegatten gehört.
2. Eine Nutzungsüberlassung gegen Versorgungsleistungen ist auch dann als Wirtschaftsüberlassungsvertrag zu beurteilen, wenn der Hof nicht dem künftigen Hoferben überlassen wird und die Versorgungsleistungen an einen Angehörigen des Hofeigentümers zu erbringen sind.

BFH, Urteil vom 26. 11. 1992 – IV R 53/92 (lexetius.com/1992,433)

[1] Gründe: I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Landwirte und leben als Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Kläger bewirtschaftete einen etwa 38 ha großen Hof, den er im Jahre 1954 von seinen Schwiegereltern gepachtet hatte und der im Eigentum der Schwiegermutter des Klägers stand. Das lebende und tote Inventar wurde dem Kläger als eisernes Inventar übergeben. Auf dem Hof wurde etwas Ackerbau, vorwiegend aber Rinderzucht betrieben. Seit dem Wirtschaftsjahr 1961/62 ermittelte der Kläger seinen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft durch Bestandsvergleich. In seiner zum 1. Juli 1961 erstellten Anfangsbilanz hatte der Kläger neben baulichen Anlagen verschiedene andere Wirtschaftsgüter aktiviert und als Schuld u. a. eine Verbindlichkeit an die Verpächter für den eisernen Viehbestand passiviert.
[2] Nachdem der Hof im Jahre 1965 mit einer Altenteils- und Erbabfindungsverpflichtung auf die Klägerin übertragen worden war, vereinbarten die Kläger am 25. Juni 1965, daß das Pachtverhältnis übernommen werde. Als "Pacht" hatte der Kläger nunmehr die Versorgung der Schwiegermutter und die Erbabfindung an die Schwägerin zu übernehmen. In den Steuererklärungen gaben die Kläger als Beruf "Landwirt bzw. Landwirtin" an. Der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft wurde stets als Einkünfte des Klägers erklärt und diesem vom FA auch zugerechnet. Daß auch die Klägerin an der Erzielung der Einkünfte beteiligt war, ergibt sich weder aus den Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen noch aus dem Auftreten im Geschäftsverkehr. So pachtete der Kläger allein Weideflächen hinzu und unterhielt Bankkonten, für die der Klägerin Vollmacht eingeräumt war. Die Klägerin hatte lediglich das Melken, nicht aber die Aufzucht oder Fütterung der Tiere übernommen.
[3] Im Jahre 1985 wurde der Hof an den Sohn der Kläger verpachtet. Den Pachtvertrag vom 30. Juni 1985 schlossen die Kläger als Verpächter. Unter vorzeitiger Auflösung dieses Pachtverhältnisses wurden der Grund und Boden sowie die Gebäude am 1. März 1986 an einen anderen Landwirt verpachtet. Das zum Hof gehörende Inventar wurde weitgehend veräußert und im übrigen in einen vom Kläger neu eröffneten Gewerbebetrieb überführt, der die Übernahme von Lohnarbeiten mit Maschineneinsatz für die Landwirtschaft zum Gegenstand hat. Der Kläger begehrte für die im Jahre 1986 aus der Veräußerung des Inventars erzielten Gewinne die steuerliche Vergünstigung der §§ 14, 16 Abs. 4, 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dies lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA -) im Rahmen einer die Streitjahre 1985 und 1986 umfassenden Betriebsprüfung mit der Begründung ab, die Kläger unterhielten eine Ehegattengesellschaft, die ohne Betriebsaufgabe fortgeführt worden sei. Der Pachtvertrag sei mangels eindeutiger Gegenleistung steuerlich nicht anzuerkennen. Die Gewinne aus der Veräußerung des Inventars seien daher als laufende Gewinne der Wirtschaftsjahre 1985/86 und 1986/87 zu behandeln. Das FA erließ die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide.
[4] Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage mit der Begründung statt, eine gesonderte Feststellung sei im Streitfall nicht durchzuführen, weil die Kläger keine gemeinschaftlichen Einkünfte erzielt hätten. Der Kläger habe den landwirtschaftlichen Betrieb aufgrund des mit seinen Schwiegereltern im Jahre 1954 geschlossenen Pachtvertrages als Pachtbetrieb gegründet, diesen geführt und sei nach außen hin als Pächter aufgetreten. Neben den gepachteten Wirtschaftsgütern habe er ihm gehörendes Betriebsvermögen geschaffen und u. a. auch Gebäude errichtet. An dieser rechtlichen Stellung des Klägers habe sich durch die Hofübergabe der Schwiegermutter des Klägers an die Klägerin nichts geändert.
[5] Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision, mit der das FA die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das FG habe zu Unrecht eine Mitunternehmerschaft zwischen den Ehegatten abgelehnt. Der fehlgeschlagene Pachtvertrag könne nicht in einen Wirtschaftsüberlassungsvertrag umgedeutet werden, weil damit der Grundsatz aufgegeben würde, daß Verträge zwischen Ehegatten steuerlich nur anerkannt werden könnten, wenn sie klar und eindeutig vereinbart seien und nachgewiesen werden könnten. Bei Würdigung aller Umstände sei im Streitfall aber eine Innengesellschaft durch konkludentes Handeln zustande gekommen. Beide Ehegatten hätten Leistungen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes erbracht. Darin liege eine berufliche Zusammenarbeit, die die familiären Beziehungen überlagere.
[6] II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Das Finanzgericht (FG) hat zutreffend entschieden, daß zwischen den klagenden Ehegatten keine Mitunternehmerschaft bestanden hat und die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide daher zu Unrecht ergangen sind.
[7] 1. Nach dem Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) wird eine steuerliche Mitunternehmerschaft nur durch ein Gesellschaftsverhältnis oder ein wirtschaftlich damit vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis begründet, das den Mitunternehmern ein Unternehmerrisiko auferlegt und Unternehmerinitiative einräumt.
[8] Auch Ehegatten sind danach nur Mitunternehmer eines Betriebs, wenn zwischen ihnen ein Gesellschaftsvertrag zustande gekommen ist, der den gleichen Anforderungen genügt, die nach der Rechtsprechung des BFH an alle Verträge zwischen nahen Angehörigen zu stellen sind. Steuerlich können solche Verträge nur berücksichtigt werden, wenn sie rechtswirksam zustande gekommen sind, einem Fremdvergleich standhalten und tatsächlich vollzogen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 14. August 1986 IV R 341/84, BFHE 147, 449, BStBl II 1987, 23, m. w. N.).
[9] Nach der Rechtsprechung des Senats kann danach zwar der stillschweigende Abschluß einer Ehegatten-Innengesellschaft, wie er in der Rechtsprechung der Zivilgerichte anerkannt ist, im Steuerrecht nicht ohne weiteres berücksichtigt werden (BFH in BFHE 147, 449, BStBl II 1987, 23); denn diese Entscheidungen dienen der Ausfüllung von Lücken im ehelichen Güterrecht (vgl. zuletzt Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 14. März 1990 XII ZR 98/88, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht – NJW-RR – 1990, 736). Der BFH ist jedoch in ständiger Rechtsprechung auch dann von einer Mitunternehmerschaft zwischen Landwirts-Eheleuten ausgegangen, wenn kein ausdrücklicher Gesellschaftsvertrag und auch kein der Personengesellschaft wirtschaftlich vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis vorliegt, der land- und forstwirtschaftliche Grundbesitz jedoch entweder den Eheleuten gemeinsam oder jedem Ehegatten zu einem erheblichen Teil zu Alleineigentum oder zu Miteigentum gehört und die Eheleute in der Landwirtschaft gemeinsam arbeiten (grundlegend BFH-Urteil vom 10. Mai 1960 I 14/60 U, BFHE 71, 206, BStBl III 1960, 326, und Urteile vom 7. Oktober 1982 IV R 186/79, BFHE 136, 537, BStBl II 1983, 73; vom 30. Juni 1983 IV R 206/80, BFHE 138, 561, BStBl II 1983, 636, und zuletzt vom 2. Februar 1989 IV R 96/87, BFHE 156, 163, BStBl II 1989, 504).
[10] Diese Rechtsprechung beruht auf der besonderen Funktion des Grund und Bodens für die Landwirtschaft, der bei bestimmungsgemäßer Nutzung nicht nur Gebrauchsvorteile, sondern vor allem Früchte i. S. von § 99 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hervorbringt, die dem Eigentümer zufallen, wenn dieser nicht einem anderen die Aneignung gestattet hat (§§ 953, 956 BGB).
[11] 2. Im Streitfall liegen die dargestellten Besonderheiten bei der Nutzung land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes jedoch nicht vor. Der Senat hat es bisher schon abgelehnt, die Grundsätze zur Ehegatten-Innengesellschaft aufgrund Bewirtschaftung gemeinsamer Eigentumsflächen auf andere Fallgestaltungen zu übertragen. So genügt es nicht, daß der eine Ehegatte die in seinem Alleineigentum stehenden landwirtschaftlichen Flächen dem anderen zur Bewirtschaftung überläßt, während dieser nur seine Arbeitskraft und Kapitalbeiträge einbringt oder an Stelle eigenen Grundvermögens landwirtschaftliche Flächen hinzupachtet; in solchen Fällen kann eine Mitunternehmerschaft zwischen Eheleuten nur anerkannt werden, wenn sie ernsthaft und klar einen Gesellschaftsvertrag abgeschlossen und tatsächlich durchgeführt haben (BFH in BFHE 136, 537, BStBl II 1983, 73). Dies gilt auch für den Fall, daß der eine Ehegatte für eine Bewirtschaftung des Hofes nur das Inventar zur Verfügung stellen könnte, nicht aber über ein originäres Fruchtziehungsrecht verfügt.
[12] 3. Mangels eines ausdrücklich abgeschlossenen Gesellschaftsvertrags kann daher im Streitfall nicht von einer Mitunternehmerschaft zwischen den Klägern ausgegangen werden. Als solcher Vertrag kann auch die Vereinbarung zwischen den Klägern vom 25. Juni 1965 nicht gewertet werden, denn damit hat die Klägerin dem Kläger lediglich die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen überlassen.
[13] a) Im Streitfall bedarf die Frage keiner Entscheidung, ob ein unüblich niedriger Pachtzins – von dem FA und FG ausgehen – der steuerlichen Anerkennung eines Pachtvertrages entgegensteht, oder ob die Grundsätze zur Anerkennung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen anzuwenden sind; danach wäre eine teilentgeltliche Nutzungsüberlassung unschädlich, sofern aus dem Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht auf einen mangelnden Bindungswillen zu schließen ist (BFH-Urteil vom 28. Juli 1983 IV R 103/82, BFHE 139, 376, BStBl II 1984, 60; s. auch BFH-Urteil vom 22. März 1990 IV R 115/89, BFHE 160, 463, BStBl II 1990, 776). Wie das FG zutreffend angenommen hat, ist das ursprünglich vereinbarte Pachtverhältnis vielmehr zu einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag umgewandelt worden, nachdem der Hof im Jahre 1965 auf die Klägerin übertragen worden war. Mit der Übernahme der ursprünglich seine Ehefrau treffenden Verpflichtung zu Versorgungsleistungen zugunsten seiner Schwiegermutter, der Hofübergeberin, ist der Kläger eine Verpflichtung eingegangen, die für die Vereinbarung einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung in Gestalt eines Wirtschaftsüberlassungsvertrages charakteristisch ist. Dabei steht es der Annahme eines Wirtschaftsüberlassungsvertrages nicht entgegen, daß nicht die Versorgung des Hofeigentümers und Nutzungsüberlassenden vereinbart wurde, sondern altenteilsähnliche Leistungen an einen Angehörigen des Hofeigentümers zu erbringen sind.
[14] b) Auch die übrigen Voraussetzungen eines Wirtschaftsüberlassungsvertrages sind im Streitfall erfüllt. So stand dem Kläger im gleichen Umfang wie nach dem zuvor abgeschlossenen Pachtvertrag das alleinige Nutzungsrecht am land- und forstwirtschaftlichen Betrieb für einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum zu; er verfügte über das Eigentum am lebenden und toten Inventar und ihm war die alleinige Entscheidungsbefugnis über sämtliche zur Führung des Betriebs erforderlichen Maßnahmen übertragen (BFH-Urteile vom 24. Juli 1975 IV R 99/72, BFHE 116, 364, BStBl II 1975, 772, und vom 5. Februar 1976 IV R 31/74, BFHE 118, 37, BStBl II 1976, 335). Diese Entscheidungsbefugnis hat der Kläger nach den Feststellungen des FG auch ausgeübt, denn er ist im Geschäftsverkehr als der landwirtschaftliche Unternehmer aufgetreten, hat Bankkonten unterhalten, Darlehen beantragt und Weideflächen hinzugepachtet.
[15] Entgegen der Auffassung des FA ist ein Wirtschaftsüberlassungsvertrag auch nicht allein bei der Nutzungsüberlassung an den künftigen Hoferben anzuerkennen. Derartiges hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zum Wirtschaftsüberlassungsvertrag nicht gefordert (BFH-Urteile in BFHE 116, 364, BStBl II 1975, 772, und BFHE 118, 37, BStBl II 1976, 335) und daher auch einen Wirtschaftsüberlassungsvertrag anerkannt, den der minderjährige Hofeigentümer mit seinen Eltern geschlossen hatte (Senatsbeschluß vom 17. Juli 1989 IV R 84/87, BFH/NV 1990, 623). Auch ein Zwischenwirtschaftsvertrag, der den Zeitraum bis zur Hofübergabe an die Kinder lediglich überbrücken soll, kann ein Wirtschaftsüberlassungsvertrag sein, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind; denn er dient der Vorbereitung der Hofesnachfolge. So liegen die Verhältnisse im Streitfall, in dem die Nutzungsüberlassung an den Kläger dadurch beendet wurde, daß der Hof dem Sohn verpachtet wurde.
[16] Landwirtschaftlicher Unternehmer war danach allein der Kläger. Der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid konnte daher keinen Bestand haben.