"Hausmann" muß Unterhalt zahlen

BGH, Mitteilung vom 14. 3. 1996 – 8/96 (lexetius.com/1996,498)

[1] Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß ein geschiedener Mann seiner früheren Frau auch dann Unterhalt zahlen muß, wenn er in zweiter Ehe nur im Haushalt tätig ist. Der geschiedene, in zweiter Ehe wiederverheiratete Kläger erstrebt die Herabsetzung seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau, die wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes derzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Nach seiner Wiederheirat und der Geburt seines Kindes aus zweiter Ehe hat er seine bisherige vollschichtige Erwerbstätigkeit aufgegeben und in Absprache mit seiner zweiten Ehefrau die Rolle des Hausmannes übernommen. Seine jetzige Frau, die annähernd gleichviel verdient wie er zuvor, bestreitet den Unterhalt der neuen Familie.
[2] Zu beurteilen war die Frage, ob die Beklagte, die wegen der Betreuung des gemeinschaftlichen Kindes unterhaltsbedürftig ist und einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB hat, den Rollenwechsel des Klägers, der in der früheren Familie der Ernährer war und nunmehr in zweiter Ehe den Haushalt führt, hinnehmen muß. Zur Beantwortung dieser Frage hat der Bundesgerichtshof die Grundsätze herangezogen, die er zum Verhältnis eines Unterhaltspflichtigen zu seinen erstehelichen minderjährigen Kindern entwickelt hat. Er hält die Heranziehung einmal deshalb für gerechtfertigt, weil der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte den Kindern unterhaltsrechtlich im Range gleichsteht. Zum andern erscheint die Heranziehung gerade dann geboten, wenn der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten, wie hier, aus § 1570 BGB folgt, aus der Bestimmung also, die im Interesse des Kindeswohls sicherstellen soll, daß das Kind nach der Trennung der Eltern nicht auch noch auf die Betreuung durch den sorgeberechtigten Elternteil verzichten muß. Danach muß der bislang Barunterhaltspflichtige bei der Rollenwahl in der neuen Familie ebenso wie auf das Kindeswohl des erstehelichen Kindes auch auf die Interessen des geschiedenen Ehegatten Rücksicht nehmen. Die Gestaltungsfreiheit der Partner der neuen Ehe rechtfertigt nicht die Entlassung des geschiedenen, zur Unterhaltsleistung grundsätzlich verpflichteten Ehegatten aus dem Pflichtenverhältnis, das durch die erste Familie entstanden ist. Vielmehr ist von dem Ehegatten, der vorher durch seine Erwerbstätigkeit für den finanziellen Familienunterhalt gesorgt hat, bei einer Änderung seiner Tätigkeit besondere Rücksichtnahme zu fordern. Deshalb stellen die Fälle, in denen die Übernahme der Haushaltsführung und Kindesbetreuung im Vergleich zur Tätigkeit in der früheren Ehe mit einem Rollenwechsel verbunden ist, eine besondere Kategorie dar, in denen die Gründe, die einen solchen Rollentausch rechtfertigen, besonders eng und restriktiv zu fassen sind. Man mag sogar hinterfragen, ob es dafür ausreicht, wenn die Rollenverteilung zu einer deutlich günstigeren Gestaltung der Einkommenssituation in der neuen Familie führt. Warum soll sich der Verpflichtete gegenüber dem Berechtigten auf die Möglichkeit berufen können, in der neuen Partnerschaft einen höheren Lebensstandard zu erlangen, wenn das dazu führt, daß er sich gleichzeitig gegenüber dem Berechtigten auf eine damit einhergehende Leistungsunfähigkeit beruft. Das konnte aber hier dahinstehen, da derartige wirtschaftliche Gründe nicht im Spiele waren. Jedenfalls reicht es nicht aus, daß der Kläger nicht zielgerichtet zum Nachteil seiner früheren Familie, sondern zur Entwicklung intensiver Beziehungen zu seinem Kind aus der neuen Ehe handelt. Auf seine individuellen Wünsche und Vorstellungen kommt es insoweit nicht entscheidend an. Vielmehr kann der Kläger, wie jeder andere voll erwerbstätige Elternteil im Regelfall auch, sein Kind in seiner Freizeit betreuen, erziehen und eine Beziehung zu ihm entwickeln. Eine Beurteilung, die es dem Kläger allein aufgrund seiner Motive, die Beziehungen zu dem Kind aus der neuen Ehe zu intensivieren, gestatten würde, seine Fürsorge allein dem Kind aus zweiter Ehe zu widmen und gleichzeitig seinem erstehelichen Kind faktisch die Mutter als Betreuungsperson zu entziehen, stände nicht mehr im Einklang mit Art. 6 GG. Die damit verbundene Verkürzung des Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau wäre auch aus dem Gesichtspunkt ihres unterhaltsrechtlichen Vorranges gegenüber der neuen Ehefrau bedenklich.
[3] Danach muß sich der Kläger in dem Maße als leistungsfähig behandeln lassen, als wenn er weiterhin sein volles Erwerbseinkommen hätte. Eine gänzliche Abweisung der Abänderungsklage kam dennoch nicht in Betracht.
[4] Denn mit der Geburt des Kindes aus zweiter Ehe hat sich insofern eine Änderung der unterhaltsrelevanten Verhältnisse ergeben, als ein weiterer Unterhaltsberechtigter hinzugeboren ist, wodurch sich eine Verringerung der Unterhaltsansprüche der bisher Berechtigten ergeben kann. Deshalb war die Sache an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen, damit geprüft werden kann, inwieweit der Unterhaltsanspruch der Beklagten wegen des Hinzutritts des zweitehelichen Kindes herabzusetzen ist.
BGH, Urteil vom 13. 3. 1996 – XII ZR 2/95