Bundesverfassungsgericht

BVerfG, Mitteilung vom 12. 1. 1996 – 2/92 (lexetius.com/1996,504)

[1] Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den Antrag von n-tv zurückgewiesen, im Wege der einstweiligen Anordnung Fernsehaufnahmen von dem Strafverfahren gegen Egon Krenz und andere wegen Totschlags an der innerdeutschen Grenze zu gestatten.
[2] Zwar scheitere der Antrag nicht schon daran, daß die von n-tv erhobene Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet sei. Die Verfassungsmäßigkeit des vollständigen Ausschlusses von Ton- und Filmaufnahmen aufgrund der Regelung des § 169 Satz 2 GVG werde vielmehr zur Zeit neu und kontrovers diskutiert. Die Entscheidung über den Eilantrag hänge damit von einer Abwägung der Folgen ab, die einträten, wenn einerseits die einstweilige Anordnung erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde später aber keinen Erfolg hätte, und andererseits die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte. Im ersten Fall wären der Beschwerdeführerin und der Öffentlichkeit Filmaufnahmen von hoher zeitgeschichtlicher Bedeutung unwiederbringlich entgangen. Im zweiten Fall wären womöglich der Ablauf des Strafverfahrens, die Interaktionen der Beteiligten und die im Strafverfahren angestrebte Wahrheitsfindung sowie Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, namentlich der Angeklagten, nachhaltig gestört. Beide Folgen stellen "schwere Nachteile" im Sinn des § 32 Abs. 1 BVerfGG dar. Doch überwiegen nach Auffassung der Kammer die Nachteile, die den von § 169 Satz 2 GVG geschützten Rechtsgütern drohen, diejenigen, welche die Beschwerdeführerin treffen.
BVerfG, Beschluss vom 11. 1. 1996 – 1 BvR 2623/95