Bundesgerichtshof
UWG § 1
1. Kommt für eine ausgefallene Gestaltung eines Erzeugnisses wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz in Betracht, obliegt es dem Beklagten, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, daß die Gestaltungsmerkmale einzeln oder in der fraglichen Verbindung bereits vorbekannt waren oder inzwischen üblich geworden sind.
2. Zur Dauer des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes von Modeneuheiten.

BGH, Urteil vom 6. 11. 1997 – I ZR 102/95 – Trachtenjanker; OLG Nürnberg (lexetius.com/1997,388)

[1] Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 16. Februar 1995 aufgehoben.
[2] Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[3] Tatbestand: Die Klägerin entwirft Trachtenmode für Damen und stellt nach ihren Entwürfen entsprechende Kleidungsstücke her. Anfang Februar 1991 stellte sie eine Lodenjacke vor, die eine umlaufende Lederpaspelierung, Knebelknöpfe, mit Leder eingefaßte Knopflöcher und überschnittene, gerade eingesetzte Ärmel aufweist. Dieser Janker zeichnet sich dadurch aus, daß auf den beiden seitlich in Hüfthöhe aufgesetzten Taschen jeweils eine weitere Tasche in Form eines kleinen Lederrucksacks aufgenäht ist; dieser aus weichem Leder gefertigte Rucksack läßt sich mit einem Deckel und einer daran befestigten Lasche sowie einer Schnalle verschließen; außerdem befindet sich auf dem Rucksack eine ebenfalls verschließbare kleine Vortasche. Dieses Modell wurde ab August 1991 an den Handel ausgeliefert. Ferner brachte die Klägerin ein Leinenmodell mit entsprechenden Merkmalen auf den Markt.
[4] Die Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagte), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2 und zu 3 sind, stellt ebenfalls Trachtenmode her. Zumindest seit September 1993 beliefert sie den Handel, vornehmlich Warenhäuser und Textilkaufhäuser, mit einer Trachtenjacke aus Lodenstoff, die in den beschriebenen Merkmalen mit der Jacke der Klägerin übereinstimmt. Eine Leinenversion dieser Jacke ist jedenfalls seit März 1994 im Handel.
[5] Während die beiden Jacken der Beklagten für 349 DM und 399 DM verkauft wurden, lagen die Preise der Modelle der Klägerin deutlich darüber: der Lodenjanker kostete im Einzelhandel ca. 1.400 DM, das Leinenmodell nach ihrer Darstellung ca. 1.300 DM, eine Lederversion ca. 2.500 DM.
[6] Die Klägerin hat die Trachtenjacken der Beklagten als unzulässige Nachahmung beanstandet und die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Rechnungslegung in Anspruch genommen. Sie hat vorgetragen, sie werde durch die Plagiate der Beklagten im Absatz ihrer Jacken behindert, von denen sie von Herbst 1991 bis Sommer 1992 etwa 600 Stück, von Herbst 1992 bis Sommer 1993 etwa 450 Stück und in der anschließenden Saison 1993/94 noch etwa 100 Stück verkauft habe.
[7] Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben behauptet, die Jacken der Klägerin seien ihnen nicht bekannt gewesen und hätten daher nicht als Vorbild für ihre eigenen Trachtenjacken gedient. Sie haben die Ansicht vertreten, den Modellen der Klägerin fehle die wettbewerbliche Eigenart. Das Anbringen eines Rucksacks sei nicht neu und stamme auch nicht von der Klägerin. Bereits zu Beginn der achtziger Jahre habe ein bedeutender Tiroler Hersteller von Trachtenmoden einen Janker angeboten und bis 1989 in großen Stückzahlen auch in Deutschland verkauft, bei dem im Taschenbereich ein kleiner Rucksack aufgenäht gewesen sei.
[8] Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es hat die Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Trachtenjacken für Damen aus Lodenstoff, Leder oder Leinenstoff herzustellen, anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, die durch folgende Merkmale gekennzeichnet sind: – umlaufende Lederpaspelierung, – Knebelknöpfe, – mit Leder eingefaßte Knopflöcher, – überschnittener, gerade eingesetzter Ärmel, – seitlich aufgesetzte Taschen in Hüfthöhe, wenn beidseitig auf die Taschen wiederum je eine als kleiner Lederrucksack ausgebildete Tasche aufgesetzt ist, dieser kleine Lederrucksack eine Vortasche hat und der Lederrucksack eine Lasche aufweist, die mit einer Schnalle verschließbar ist, insbesondere wenn die Trachtenjacke gemäß den folgenden Abbildungen gestaltet ist: … (in Lodenstoff) Im Original befindet sich an dieser Stelle die entsprechende Abbildung. … (aus Leinenstoff) Im Original befindet sich an dieser Stelle die entsprechende Abbildung.
[9] Ferner hat das Landgericht die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt und die Beklagten zur Rechnungslegung verurteilt (hinsichtlich des Beklagten zu 3 jeweils beschränkt für die Zeit ab 11. 10. 1993).
[10] Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
[11] Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[12] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes bejaht und hierzu ausgeführt:
[13] Die fraglichen Trachtenjacken der Klägerin wiesen eine wettbewerbliche Eigenart auf, weil sie in ästhetischer Hinsicht durch die Kombination üblicher, für sich genommen nicht eigenartiger Merkmale (umlaufende Lederpaspelierung, Knebelknöpfe, mit Leder eingefaßte Knopflöcher, überschnittene, gerade eingesetzte Ärmel, seitlich in Hüfthöhe aufgesetzte Taschen) mit den auf beiden Taschen aufgesetzten, jeweils als kleine Lederrucksäcke ausgebildeten Taschen geprägt seien. Die Verwendung einer weiteren, einem altmodischen Lederrucksack nachempfundenen Tasche sei eine überraschende und pfiffige Gestaltung, die die Modelle der Klägerin aus der breiten Masse vergleichbarer Kleidungsstücke heraushebe und den Jacken insgesamt eine nicht nur auf die Besonderheit des Erzeugnisses, sondern auch auf die betriebliche Herkunft hinweisende Eigenart verleihe.
[14] Daß die in Rede stehende Merkmalskombination im Zeitpunkt der Markteinführung allgemein üblich gewesen oder später üblich geworden sei, hätten die Beklagten nicht ausreichend dargetan und unter Beweis gestellt. Hinsichtlich eines von den Beklagten entgegengehaltenen Modells gelte, daß es nach Beanstandung durch die Klägerin zurückgezogen worden sei (sog. M.-Modell). Bei einem anderen Modell fehle es an Vortrag dazu, wann das Modell auf den deutschen Markt gekommen sei (Lederjacke "Mode und Tradition K."). Die vorgelegte Lederjacke der Beklagten aus dem Jahre 1989 unterscheide sich in Ausstattung und Schnitt erheblich von den Klagemodellen; vor allem gebe es dort nur ein Lederrucksäckchen, das an einen der Reversknöpfe gehängt werden könne, also nicht aufgenäht sei. Die Lodenjacke "Froschkönig" der Firma G. sei zwar – nach dem zu unterstellenden Vorbringen der Beklagten – in großen Stückzahlen, aber nur bis zum Jahre 1989 in Deutschland vertrieben worden; außerdem müsse davon ausgegangen werden, daß dieses Modell ein anderes Aussehen gehabt habe als das von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorgelegte Muster. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, daß die Eigenart der Klagemodelle verloren gegangen sei; hinsichtlich des Modells einer Lodenjacke aus dem H.-Katalog 1994/95, die alle Merkmale des Klagemodells aufweise, liege der Verdacht nahe, daß diese Jacke aus der Produktion der Beklagten stamme; außerdem mache ein solches Angebot das wettbewerblich eigenartige Erzeugnis der Klägerin noch nicht zur Dutzendware. Erst recht gelte dies von dem Modell aus dem O.-Katalog 1994/95, das sich in mehrfacher Hinsicht von den Klagemodellen unterscheide.
[15] Die Merkmale, die die Klagemodelle auszeichneten, seien bei den Jacken der Beklagten nahezu identisch verwirklicht. Unterschiede ergäben sich nur hinsichtlich der Qualität des Lodenstoffes und des verwendeten Leders, im Farbton und in der Innenfütterung; die Lederrucksäckchen differierten lediglich geringfügig in der Form. Aus dem hohen Grad der Übereinstimmung folge die Gefahr, daß die Kunden über die betriebliche Herkunft getäuscht würden; diese Gefahr werde durch die unterschiedlichen Etiketten nicht ausgeräumt. Daß man bei der Beklagten die Jacken der Klägerin gekannt habe, sei im Hinblick auf die festgestellten Übereinstimmungen aufgrund der Lebenserfahrung zu vermuten.
[16] Der Klägerin sei für ihre hochpreisigen Trachtenmodelle ein über den Schutz kurzlebiger Modeneuheiten hinausgehender Schutz zu gewähren, der auch über den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hinausreiche.
[17] II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.
[18] 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die besonderen Merkmale der Klagemodelle begründeten die Eignung, auf die betriebliche Herkunft der Waren hinzuweisen. Es hat dementsprechend den Anspruch der Klägerin aus § 1 UWG auf eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft gestützt. Die Revision rügt mit Erfolg, daß das Berufungsgericht bei dieser Beurteilung erhebliches Vorbringen der Beklagten zu vorbekannten Gestaltungen unberücksichtigt gelassen hat.
[19] a) Mit Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß für die Trachtenjacken der hier in Rede stehenden Art ein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz in Betracht kommen kann, der – anders als der Schutz kurzlebiger Modeneuheiten – nicht von vornherein einer zeitlichen Beschränkung unterworfen ist.
[20] aa) Die Möglichkeit eines – zeitlich begrenzten – Schutzes für Modeneuheiten (dazu unter II. 2.) schließt es nicht aus, daß dem Verkehr die besonders originelle Gestaltung eines Modeerzeugnisses als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dient. Ist dies der Fall, kann gegen eine Nachahmung – im allgemeinen unter dem Gesichtspunkt einer vermeidbaren Herkunftstäuschung – vorgegangen werden. Bestehen die Schutzvoraussetzungen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter fort, besteht für eine zeitliche Begrenzung des Schutzes kein Anlaß; denn anders als die allgemeine Gütevorstellung, die an das Besondere und häufig gerade an das Neue eines Erzeugnisses anknüpft, verliert sich im allgemeinen der Herkunftshinweis, den der Verkehr der Eigenart eines Produkts entnimmt, nicht bereits nach kurzer Zeit (vgl. Kur, GRUR 1990, 1, 12 f.; Erdmann in Festschrift Vieregge, S. 197, 212; Sambuc, Der UWG- Nachahmungsschutz, Rdn. 238 u. 240; ferner OLG Düsseldorf GRUR 1983, 748, 750).
[21] bb) Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Merkmale der in Rede stehenden Trachtenjacken der Klägerin seien grundsätzlich geeignet, den Verkehr auf die betriebliche Herkunft dieser Erzeugnisse hinzuweisen, begegnet entgegen der von der Revision geäußerten Ansicht keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Berufungsgericht hat dargelegt, daß die als zusätzliche Taschen aufgenähten Lederrucksäcke als eine pfiffige, besonders gelungene Gestaltung empfunden werden, die die Trachtenjacken der Klägerin aus der Menge vergleichbarer Produkte hervorzuheben geeignet sind. Unter der Voraussetzung, daß es sich bei den aufgenähten Rucksäckchen um ein für den Verkehr überraschendes Stilmittel handelt, ist auch die weitere tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts naheliegend, daß der Verkehr der Kombination der verschiedenen Merkmale den Hinweis auf einen bestimmten Hersteller entnimmt.
[22] b) Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht Vorbringen der Beklagten zu vorbekannten Gestaltungen unberücksichtigt gelassen hat.
[23] aa) Allerdings hat das Berufungsgericht die Beklagten zutreffend als darlegungs- und beweispflichtig dafür angesehen, daß eine wettbewerbliche Eigenart, die den fraglichen Trachtenjacken an sich zuzubilligen wäre, im Hinblick auf vorbekannte Gestaltungen nicht oder nur beschränkt besteht; ebenso tragen die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß eine zunächst vorhandene Eigenart durch später auf den Markt gekommene Erzeugnisse mit ähnlichen Merkmalen geschwächt oder beseitigt worden ist. Das Berufungsgericht hat sich in diesem Zusammenhang mit Recht auf die zum Urheberrecht ergangene Entscheidung "Stahlrohrstuhl II" des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 27. 5. 1981 – I ZR 102/79, GRUR 1981, 820, 822; vgl. auch BGHZ 112, 264, 273 – Betriebssystem) gestützt. Die dort angestellten Erwägungen zur Darlegungs- und Beweislast sind auf den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz übertragbar. Auch bei der Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes obliegt es zunächst dem Kläger, die klagebegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, insbesondere also die Merkmale darzutun, aus denen sich die wettbewerbliche Eigenart ergibt. Stützt er sich auf eine dem Erzeugnis innewohnende Eigenart, wird häufig die Vorlage des Produkts ausreichen, für das der Nachahmungsschutz begehrt wird; in anderen Fällen, in denen der Kläger nicht von einer allgemeinen Kenntnis der Marktverhältnisse ausgehen kann, gehört es zu einem schlüssigen Klagevorbringen, daß auch zu dem Abstand vorgetragen wird, den das fragliche Produkt zu vorbekannten Erzeugnissen und zu den Erzeugnissen der Wettbewerber hält. Ist der Kläger insoweit aber seiner Darlegungs- und Beweislast nachgekommen, ist es Sache des Beklagten, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, daß die in Rede stehenden Merkmale einzeln oder auch in der fraglichen Verbindung bereits vorbekannt oder inzwischen üblich geworden sind (vgl. zum Geschmacksmusterrecht BGH, Urt. v. 19. 12. 1979 – I ZR 130/77, GRUR 1980, 235, 236 = WRP 1980, 141 – Play-family).
[24] bb) Im Streitfall haben die Beklagten eine Reihe von Entgegenhaltungen vorgebracht, aus denen sich ergeben sollte, daß es sich bei den Rucksacktaschen um ein vorbekanntes Stilmittel handelte. Unter anderem haben sie sich – erstmals in der Berufungsbegründung – auf die Lodenjacke "Froschkönig" (Art. Nr. 12/31270) des Tiroler Trachtenmodenherstellers G. berufen, die auf einer Seite anstelle der Tasche einen aufgenähten Rucksack aufweise (vgl. Skizze Anlage B 1). Diese Jacke sei mit überdurchschnittlichem Erfolg von 1983 bis 1989 weltweit, nicht zuletzt in großen Stückzahlen in Deutschland, verkauft worden. Den damals noch als "N. N." bezeichneten leitenden Mitarbeiter der Fa. G., auf den sich die Beklagten zum Beweis ihrer Behauptung beriefen, haben sie mit Schriftsatz vom 10. Februar 1995, eingegangen am 13. Februar 1995, also drei Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, namhaft gemacht. In jenem Termin haben die Beklagten eine Kinderlodenjacke zu den Akten gereicht, die – wie sie vorgebracht haben – die Fa. G. nach der vorgelegten Skizze nachgeschneidert hat. Diese Jacke weist auf der rechten Seite als Tasche einen aufgenähten Lederrucksack auf, der mit einem Knopf verschlossen werden kann.
[25] Das Berufungsgericht ist diesem – von der Klägerin bestrittenen – Vorbringen der Beklagten nicht nachgegangen, und zwar aus zwei Gründen: Auch wenn man das Vorbringen der Beklagten als richtig unterstelle, mache – zum einen – das Modell "Froschkönig" die Merkmalskombination, die die Jacke der Klägerin aufweise, noch nicht zu einer allgemein üblichen Gestaltung, zumal das Modell nach 1989 nicht mehr vertrieben und das Lodenmodell der Klägerin erst 1991 auf den Markt gebracht worden sei. Zum anderen habe dem Vorbringen der Beklagten, insbesondere der Skizze Anlage B 1, nicht entnommen werden können, ob es sich bei dem Rucksackaufsatz wirklich um einen als Tasche verwendbaren dreidimensionalen Kleinrucksack oder nur um eine zweidimensionale Attrappe gehandelt habe. Aus diesem Grunde habe auch der angetretene Beweis nicht erhoben werden müssen. Soweit der Zeuge dafür benannt worden sei, daß die im Termin vorgelegte Jacke bereits in dem behaupteten Umfang vertrieben worden sei, sei der Beweisantrag als verspätet zurückzuweisen.
[26] Beide Begründungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[27] (1) Das Vorbringen der Beklagten kann – entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung – nicht als richtig unterstellt werden. Trifft es zu, daß der Lodenjanker "Froschkönig" der Fa. G. von 1983 bis 1989 in großen Stückzahlen in Deutschland verkauft worden ist, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, daß es sich bei den aufgenähten Lederrucksäckchen 1991, als die Klägerin ihre Modelle auf den Markt brachte, um ein für den Verkehr neues und überraschendes Stilmittel handelte. Daraus folgt zwar nicht, daß den Lodenjacken der Klägerin jegliche Eigenart abzusprechen wäre. Die Voraussetzungen, unter denen den gestaltenden Elementen eines Modeerzeugnisses ausnahmsweise eine Herkunftshinweisfunktion und damit ein nicht von vornherein zeitlich begrenzter wettbewerbsrechtlicher Schutz zugebilligt werden kann, liegen dann jedoch nicht mehr vor.
[28] (2) Die Revision wendet sich ebenfalls mit Erfolg gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dem Vorbringen der Beklagten habe nicht entnommen werden können, daß es sich bei der aufgesetzten Applikation um mehr als eine Attrappe gehandelt habe. Bereits der Berufungsbegründung (GA 135 bis 137) war – worauf die Revision zu Recht hinweist – mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß das Lederrucksäckchen der G.-Jacke bereits dreidimensional, also als Tasche ausgestaltet war. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß nach dem Vorbringen der Beklagten die Trachtenjacke aus dem Katalog 1994/95 des O.-Versands (Anlage B 3), die unzweifelhaft über aufgesetzte Rucksacktaschen verfügt, auf das G.-Modell zurückgeht. Doch auch wenn das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten zunächst mißverstanden hat, war dieses Mißverständnis spätestens aufgrund der mündlichen Verhandlung ausgeräumt, in der die mit einer dreidimensionalen Rucksacktasche versehene nachgeschneiderte G.-Jacke vorlag. Damit bestand Anlaß, dem bestrittenen Vorbringen der Beklagten durch Vernehmung des benannten Zeugen nachzugehen. Hiervon durfte das Berufungsgericht nicht mit der Begründung absehen, der Zeuge sei zunächst nicht namentlich benannt und erst verspätet namhaft gemacht worden. Denn die Benennung des Zeugen als "N. N." in der Berufungsbegründung hätte dem Berufungsgericht Anlaß für ein Vorgehen nach § 356 ZPO geben müssen (BGH, Urt. v. 16. 9. 1988 – V ZR 71/87, NJW 1989, 227, 228; Urt. v. 31. 3. 1993 – VIII ZR 91/92, NJW 1993, 1926, 1927).
[29] 2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend (§ 563 ZPO). Auf den zeitlich begrenzten Schutz einer Modeneuheit kann sich die Klägerin nicht berufen.
[30] Die wettbewerbliche Eigenart eines Modeerzeugnisses setzt zwar keine neuen Gestaltungsmerkmale voraus; vielmehr kann eine als neu empfundene Kombination vorbekannter Gestaltungsmerkmale ausreichen, um bei den angesprochenen Verkehrskreisen besondere Gütevorstellungen zu wecken. Doch fällt der beanstandete Vertrieb der Trachtenjacken durch die Beklagten nicht mehr in die Zeit des beschränkten Schutzes. Dies ist besonders deutlich hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs, der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (Februar 1995), also vier Jahre nach der ersten Präsentation der Lodenjacke der Klägerin, auf keinen Fall mehr bestand. Aber auch der die Vergangenheit betreffende Schadensersatzanspruch kann nicht auf den begrenzten Schutz einer Modeneuheit gestützt werden. Denn zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte ihre Lodenjacke auf den Markt brachte, lag die Einführung der entsprechenden Jacke der Klägerin bereits zwei Jahre zurück; ebenso verhält es sich mit der Leinenjacke. Zwar hat der Bundesgerichtshof bereits in der Entscheidung "Hemdblusenkleid" (Urt. v. 10. 11. 1983 – I ZR 158/81, GRUR 1984, 453, 454) zum Ausdruck gebracht, daß der Schutz einer Modeneuheit je nach den Besonderheiten des jeweiligen Erzeugnisses auch über eine Saison (Frühjahr/Sommer oder Herbst/Winter) hinausreichen kann (vgl. Erdmann aaO S. 202 f.; OLG Hamburg GRUR 1986, 83 f.); gerade bei Trachtenmoden mag eine längere Schutzdauer im Hinblick darauf naheliegen, daß es sich um klassische Formen handelt, deren Gestaltungsmerkmale keinem raschen Wandel unterworfen sind. Doch kommt zwei Jahre nach Markteinführung ein Modeneuheitenschutz nicht mehr in Betracht.
[31] 3. Eine endgültige Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt. Eine Klageabweisung kommt auch nicht aufgrund der weiteren Rügen, die die Revision gegenüber den getroffenen Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts erhebt, in Betracht.
[32] a) Entgegen der Ansicht der Revision kann ein wettbewerbsrechtlicher Schutz nicht mit der Begründung versagt werden, daß sich die Parteien mit ihren Trachtenjacken an verschiedene Käuferkreise wendeten. Auch wenn die Jacken der Beklagten in Waren- und Textilkaufhäusern zu einem wesentlich niedrigeren Preis angeboten worden sind als die Jacken der Klägerin, schließt dies eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft nicht aus, zumal viele Kaufhäuser erfahrungsgemäß über ein auch preislich breit gestreutes Sortiment verfügen und der Verkehr bei Modeartikeln mit erheblichen Preisschwankungen rechnet. Im übrigen kann eine vermeidbare Herkunftstäuschung auch dann vorliegen, wenn der Verkehr bei dem nachgeahmten Produkt annimmt, es handele sich um eine preiswertere Zweitmarke des Originalherstellers.
[33] b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht auch in subjektiver Hinsicht eine unlautere Nachahmung bejaht hat. Die unter Berufung auf die Lebenserfahrung getroffene Feststellung des Berufungsgerichts, aufgrund der vorhandenen Übereinstimmungen sei es praktisch auszuschließen, daß die Jacken der Beklagten ohne Kenntnis der Modelle der Klägerin entworfen worden seien, liegt auf tatrichterlichem Gebiet und ist der revisionsrechtlichen Überprüfung grundsätzlich entzogen. Das Berufungsgericht hat angenommen, es bestehe aufgrund der tatsächlichen Übereinstimmungen eine Vermutung der Kenntnis, die von den Beklagten nicht widerlegt worden sei. Auch diese Annahme enthält keinen zu Lasten der Beklagten gehenden Rechtsfehler; insbesondere ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang dem Vorbringen der Beklagten, wonach es schon früher Rucksacktäschchen als Applikationen gegeben habe, keine Bedeutung beigemessen hat.
[34] c) Schließlich ist der mögliche Unterlassungsanspruch der Klägerin entgegen der Ansicht der Revision nicht dadurch weggefallen, daß die Klägerin die Produktion ihrer Trachtenjacken eingestellt hätte. Zum einen geht die Revision von falschen tatsächlichen Voraussetzungen aus; denn nach den getroffenen Feststellungen ist lediglich die Fertigung des Lodenmodells, nicht jedoch die des Leinenmodells im Winter 1993/94 eingestellt worden. Zum anderen berührt eine Produktionseinstellung einen bestehenden Unterlassungsanspruch jedenfalls dann nicht, wenn sie nach dem Auftreten von Nachahmerprodukten erfolgt und sich daher als eine Reaktion auf die veränderte Marktsituation darstellen kann.
[35] III. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dort wird Gelegenheit bestehen, dem Vorbringen der Beklagten zu der "G.-Jacke" weiter nachzugehen.