Arztbescheinigung und Mitbestimmung des Betriebsrats

BAG, Mitteilung vom 21. 1. 1997 – 4/97 (lexetius.com/1997,426)

[1] Das Bundesarbeitsgericht (Erster Senat) hatte darüber zu entscheiden, ob der Betriebsrat mitzubestimmen hat, wenn ein Formular für Arztbesuche während der Arbeitszeit eingeführt werden soll. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Metallindustrie. Sie beschäftigt ca. 65 Arbeitnehmer und ist nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes. Seit 1995 verlangt sie von Arbeitnehmern, die während der Arbeitszeit einen Arzt aufsuchen, die Notwendigkeit dieses Besuchs vom Arzt auf einem von ihr entworfenen Formular bescheinigen zu lassen. Das Formular enthält Angaben über Zeitpunkt und Dauer sowie über die Dringlichkeit des Besuches während der Arbeitszeit.
[2] Der bei der Einführung nicht beteiligte Betriebsrat beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Formulare ohne seine Zustimmung nicht mehr zu verwenden. Er sieht darin eine mitbestimmungspflichtige Regelung der betrieblichen Ordnung. Die Arbeitgeberin hat demgegenüber eingewandt, es gehe allein um den Nachweis einer unvermeidbaren Arbeitsverhinderung, der den Arbeitnehmern ohnehin obliege. Das Arbeitsgericht hat dem Unterlassungsantrag des Betriebsrats stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat ihn abgewiesen.
[3] Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte Erfolg. Der Senat hat ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei Einführung und Verwendung des Formulars bejaht. Mitbestimmungsfrei sind nur arbeitsnotwendige Regelungen, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die Arbeitsleistung selbst beziehen. Um solche geht es aber bei der umstrittenen Nachweisregelung nicht. Indem die Arbeitgeberin einen formularmäßigen Nachweis von allen Arbeitnehmern fordert, hat sie eine verbindliche betriebliche Ordnung und damit einen Tatbestand geschaffen, der ein regelgerechtes Verhalten der Arbeitnehmer verlangt. Das Mitbestimmungsrecht ist hier auch nicht durch eine gesetzliche oder tarifliche Nachweisregelung ausgeschlossen.
BAG, Beschluss vom 21. 1. 1997 – 1 ABR 53/96; LAG Köln