Großbank verletzt mit ihrem Informationsdienst Autorenrechte

BGH, Mitteilung vom 17. 1. 1997 – 4/97 (lexetius.com/1997,498)

[1] Die Beklagte, eine bundesdeutsche Großbank, unterhält seit vielen Jahren ein Archiv über Wirtschaftsdaten. Sie sammelt darin Zeitungsausschnitte vornehmlich aus dem Wirtschaftsteil bestimmter Zeitungen. Sie erschließt die Artikel mit Stichwörtern, welche sie in ihre Datenbank gibt. Seit einigen Jahren nutzt sie dieses Archiv nicht mehr nur hausintern. Sie bietet ihren Informationsdienst auch interessierten Dritten an. Gegen Entgelt führt sie Recherchen zu einem bestimmten, vom Kunden vorgegebenen Thema durch. Sie stützt sich dabei auf die in ihrer Datenbank gespeicherten Informationen und wertet die Zeitungsausschnitte aus. Im Rahmen der Recherche fertigt die Bank auf Wunsch von den einschlägigen Zeitungsartikeln auch Kopien, die sie dem Kunden überläßt.
[2] Zwei Verlage haben diese Kopiertätigkeit der Beklagten als Verletzung der Urheberrechte ihrer Autoren beanstandet. Die vor verschiedenen Instanzgerichten durchgeführten Musterprozesse führten zu unterschiedlichen Berufungsurteilen. Der für Urheberrechtsfragen zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr über beide Revisionen entschieden und die Rechtseinheit wiederhergestellt.
[3] Danach kann sich die Bank, welche in einem Servicepaket Recherche- und Kopierdienste außenstehenden Dritten anbietet, nicht auf das Vervielfältigungsprivileg des § 53 Abs. 2 Nr 4a UrhG berufen. Nach der genannten Vorschrift dürfen zwar Dritte zum eigenen Gebrauch einzelne Beiträge aus Zeitungen und Zeitschriften kopieren, ohne die Zustimmung des Autors einholen zu müssen. Sie dürfen die Kopien dabei auch von einem anderen beispielsweise einer Kopieranstalt, herstellen lassen; auch dessen Kopiertätigkeit stellt das Gesetz in diesem Zusammenhang vom urheberrechtlichen Verwertungsverbot frei. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs kommt der beklagten Bank dieses "Kopierprivileg" aber nicht zu. Sie geht mit ihrem Recherche- und Kopierdienst über eine rein mechanisch-technische Vervielfältigungshandlung im Auftrag des Kunden hinaus. Wer für einen anderen Kopien erstellt, hat an dessen gesetzlicher Privilegierung nur teil, soweit er sich auf die reine Kopiertätigkeit beschränkt, gleichsam dessen Kopiergerät ersetzt. Ein anderes Verständnis der urheberrechtlichen Schrankenbestimmung des § 53 UrhG würde die Interessen des Urhebers unangemessen beeinträchtigen. Ein solches Verständnis ist weder von den Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Schaffung der genannten Bestimmung getragen noch ist es zur Wahrung des Informationsinteresses der Allgemeinheit geboten. Die Übermittlung von Wirtschaftsdaten und von Fakten, die als solche keinem urheberrechtlichen Schutz unterliegen, bleibt selbstverständlich frei.
BGH, Urteil vom 16. 1. 1997 – I ZR 9/95