Verurteilung des ehemaligen parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion Karl Wienand wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit rechtskräftig

BGH, Mitteilung vom 28. 11. 1997 – 88/97 (lexetius.com/1997,541)

[1] Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat den Angeklagten Wienand im Juni 1996 nach einer mehr als ein Jahr andauernden Hauptverhandlung wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und einen Betrag von 1. 000. 000, – DM als Wertersatz für erhaltenen Agentenlohn für verfallen erklärt. Es sah als erwiesen an, daß der Angeklagte spätestens seit Ende 1976 bis Oktober 1989 gegenüber einem Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS), dem Mitangeklagten V., sein Wissen von politischen Interna aus der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere aus der SPD, über das Verhältnis SPD-interner Gruppierungen zueinander, über Schwierigkeiten in der bis 1982 regierenden SPD/FDP-Koalition, über Äußerungen führender SPD-Politiker sowie über persönliche Einschätzungen der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation berichtet hat. Die insgesamt ca. neunzig Treffen mit dem Mitangeklagten V. haben aus Sicherheitsgründen nur im westeuropäischen Ausland stattgefunden; hierbei wurde dem Angeklagten Wienand als Agentenlohn jeweils Geld ausgehändigt.
[2] Der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht die Treffen mit dem Mitangeklagten V. eingeräumt, jedoch bestritten, vom MfS Geldzuwendungen erhalten zu haben; vielmehr sei er von V. unwissentlich abgeschöpft worden.
[3] Mit seiner Revision gegen das Urteil hat der Angeklagte u. a. geltend gemacht, daß die Tat teilweise verjährt und daß die im Rahmen der Plädoyers am Ende der Beweisaufnahme vor dem Oberlandesgericht von seinen Verteidigern beantragte zeugenschaftliche Einvernahme von weiteren Mitarbeitern des DDR-Geheimdienstes sowie die Vereidigung von einigen vernommenen Zeugen zu Unrecht unterblieben sei. Deshalb müsse über den Anklagevorwurf vor einem anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts neu verhandelt werden.
[4] Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Angeklagten verworfen, weil die Tat insgesamt nicht verjährt ist und mit den Verfahrensrügen keine Verfahrensfehler des Oberlandesgerichts dargetan worden sind. Die Sachrüge hatte keinen Erfolg, weil die Feststellungen des Oberlandesgerichts sowohl zum Schuldspruch, insbesondere dazu, daß der Angeklagte spätestens 1976 den nachrichtendienstlichen Hintergrund der Treffen mit V. erkannt hatte und in der Folgezeit als Gegenleistung vom MfS Geldbeträge erhielt, als auch zum Umfang des dem Angeklagten angelasteten strafbaren Verhaltens, auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung beruhen. Auch die Überprüfung der Strafzumessung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
BGH, Urteil vom 28. 11. 1997 – 3 StR 114/97