Mitbestimmung des Betriebsrats bei Maßnahmen der Unfallverhütung

BAG, Mitteilung vom 16. 6. 1998 – 36/98 (lexetius.com/1998,1102)

[1] Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte über die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Maßnahmen der Unfallverhütung zu entscheiden. Die bundesweit tätige Arbeitgeberin betreibt die Produktion und Montage von Aufzügen und Rolltreppen. Sie erteilt ihren Arbeitnehmern verbindliche Arbeits- und Sicherheitsanweisungen in Form eines Handbuchs. 1996 nahm sie in dieses fünf neue Anweisungen auf, die Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln für die Arbeit von Monteuren an Fahrstühlen und Rolltreppen betreffen. Hierüber hatte sie zuvor zwar den im Unternehmen bestehenden Gesamtbetriebsrat informiert, aber nicht dessen Zustimmung eingeholt.
[2] Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, es handele sich bei den Anweisungen um seiner Mitbestimmung unterliegende Maßnahmen des Arbeitsschutzes. Der nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erforderliche ausfüllungsbedürftige Rahmen ergebe sich aus den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften. Die Arbeitgeberin hat darauf erwidert, soweit die maßgebenden Vorschriften sich nicht auf allgemeine Programmsätze beschränkten, seien sie abschließend.
[3] Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben und die Arbeitgeberin verpflichtet, die Anweisungen aus dem Handbuch zu entfernen.
[4] Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin blieb ohne Erfolg. Der Senat hat ein Mitbestimmungsrecht des hier zuständigen Gesamtbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bejaht. Bei den Arbeitsanweisungen handelt es sich um Regelungen im Rahmen von Unfallverhütungsvorschriften. Einschlägige Rahmenvorschrift ist § 2 Abs. 1 VBG 1 (Unfallverhütungsvorschriften – allgemeine Vorschriften). Danach hat der Unternehmer zur Verhütung von Arbeitsunfällen Maßnahmen zu treffen, die den Bestimmungen der geltenden Unfallverhütungsvorschriften und den allgemein anerkannten sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Regeln entsprechen. Diese Vorschrift setzt als sog. Generalklausel einen ausfüllungsfähigen und -bedürftigen Rahmen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Soweit im Streitfall auch speziellere Unfallverhütungsvorschriften berührt sind, lassen diese gleichfalls Regelungsspielräume offen. Die Arbeitgeberin hat daher durch die Aufnahme der Anweisungen in das Handbuch das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats verletzt. Dieser kann die Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustandes verlangen.
BAG, Beschluss vom 16. 6. 1998 – 1 ABR 68/97; LAG Berlin