Teltow-Seehof: Grünflächen- und Straßenlandgrundstücke müssen nicht an die jüdischen Alteigentümer zurückgegeben werden

BVerwG, Mitteilung vom 16. 12. 1998 – 42/98 (lexetius.com/1998,1286)

[1] Die Kläger begehren die Rückübertragung eines an der Max-Sabersky-Allee in Teltow gelegenen Grünflächengrundstücks. Sie sind die Erbeserben der Brüder Max und Albert Sabersky, denen ein 84 Hektar großes, ca. 1870 erworbenes Gelände um den ehemaligen Gutshof Seehof gehörte. Dieses wurde mit Ausnahme des Gutshofs und einiger von der Familie bewohnter Grundstücke ab 1934 nach Abschluß eines Parzellierungsvertrags vom Oktober 1933 mit einem Unternehmer und eines Aufschließungsvertrags mit der Stadt Teltow parzelliert; in der Folgezeit wurden bis zum Jahr 1940 ca. 1000 Parzellen an Siedler verkauft. Das im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Grundstück gehört zu den im Aufschließungsvertrag an die Stadt Teltow als Gegenleistung für die Vermittlung der Bebaubarkeit für die übrigen Parzellen als Straßenland und Grünflächen abgetretenen Teilen des ursprünglichen Grundstücks.
[2] Die zuständigen Vermögensämter haben ebenso wie das später angerufene Verwaltungsgericht Potsdam den Rückübertragungsanspruch der Erben abgelehnt. Das Bundesverwaltungsgericht hat deren Revision mit Urteil vom heutigen Tag zurückgewiesen, weil ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust als gesetzliche Voraussetzung des geltend gemachten Rückerstattungsanspruchs nicht vorliege. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, daß die Abtretung der Grünflächenparzelle durch den Aufschließungsvertrag nach den tatsächlichen Umständen des vorliegenden Falles nicht aus rassischen Gründen zwangsweise erfolgt war. Zwar wird kraft Gesetzes für die Veräußerung von Vermögensgegenständen durch Juden während der Nazizeit nach den aufgrund des Vermögensgesetzes anwendbaren alliierten Rückerstattungsvorschriften eine Zwangslage wegen rassischer Verfolgung vermutet. Der Aufschließungsvertrag, aufgrund dessen der Vermögensverlust – die Abtretung des Grundstücks – eingetreten ist, ist eine solche Veräußerung. Die gesetzliche Vermutung kann aber nach dem maßgeblichen alliierten Recht bei Rechtsgeschäften im Jahr 1934 durch den Nachweis widerlegt werden, daß die Eigentümer eine angemessene Gegenleistung – hier durch die Ermöglichung der Bebauung – erhalten haben und darüber frei verfügen konnten. Dieser Nachweis ist der Behörde im vorliegenden Fall gelungen. Die Abtretung von Flächen entsprach der damaligen verfolgungsneutralen Gesetzeslage und dem im Berliner Umland allgemein üblichen Umfang. Die Kläger haben auch keine Tatsachen nachgewiesen, die gleichwohl für eine verfolgungsbedingte Veräußerung sprechen könnten. Das Grundstück muß daher nicht zurückgegeben werden.
[3] Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dürfte für ca. 100 vergleichbare Straßenland- und Grünflächenparzellen des Teltow-Seehof-Geländes von unmittelbarer Bedeutung sein; die Verfahren sind insoweit noch beim Verwaltungsgericht Potsdam anhängig. Über die Rückerstattung von Parzellen, die in den Jahren 1934 bis 1938 an Bauwillige verkauft worden sind, wird das Bundesverwaltungsgericht voraussichtlich im Februar 1999 entscheiden; insoweit sind mehrere hundert Verfahren ebenfalls noch beim Verwaltungsgericht Potsdam anhängig.
BVerwG, Urteil vom 16. 12. 1998 – 8 C 14.98