Bundesgerichtshof
BGB § 315; ZPO § 840; AGBG §§ 8, 9 (Bl)
a) Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten, in denen für die Bearbeitung einer Pfändung gegen Kunden von diesen ein Entgelt gefordert wird, verstoßen gegen § 9 AGBG.
b) Einseitige Bestimmungsvorbehalte für Entgelte sind mit dem Transparenzgebot nur vereinbar, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind sowie Anlaß, Richtlinien und Grenzen der Ausübung möglichst konkret angeben.
c) § 840 Abs. 1 ZPO ist mit Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG vereinbar.

BGH, Urteil vom 19. 10. 1999 – XI ZR 8/99; OLG Köln (lexetius.com/1999,1161)

[1] Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 1999 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Schramm, Dr. van Gelder, Dr. Müller und Dr. Joeres für Recht erkannt:
[2] Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Dezember 1998 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
[3] Tatbestand: Der klagende Verbraucherschutzverein hat nach seiner Satzung die Aufgabe, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Die beklagte Bank verwendet gegenüber ihren Kunden Allgemeine Geschäftsbedingungen, die in den Ziffern 1. 7 und 5. 1 des Preisverzeichnisses folgende Klauseln enthalten: "Bearbeitung einer Pfändung eines Giroguthabens bis zu DM 75, 00; Bearbeitung einer Pfändung eines Sparguthabens bis zu DM 75, 00"
[4] Gegen diese Klauseln wendet sich der Kläger mit der Unterlassungsklage aus § 13 AGBG. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht (WM 1999, 633) hat ihr stattgegeben. Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
[5] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet.
[6] I. Das Berufungsgericht hat der Unterlassungsklage im wesentlichen mit folgender Begründung stattgegeben:
[7] Die angegriffenen Klauseln enthielten Preisnebenabreden, so daß § 8 AGBG einer Inhaltskontrolle nicht entgegenstehe. Dieser Kontrolle hielten die Klauseln nicht stand, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar seien und private Bankkunden in unangemessener Weise benachteiligten (§ 9 Abs. 1 und 2 AGBG). Zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehöre, daß jedermann seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen habe, ohne dafür ein Entgelt verlangen zu können. Entgelte könnten nur für Leistungen erhoben werden, die Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht würden. Da die angegriffenen Klauseln die entgeltpflichtigen Tätigkeiten nicht präzise bezeichneten, sei nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung davon auszugehen, daß sämtliche Tätigkeiten der Beklagten bei der Bearbeitung einer Pfändung entgeltpflichtig sein sollten. Demnach erfaßten die Klauseln auch Tätigkeiten im Interesse der Beklagten oder der Vollstreckungsgläubiger, für die der Bankkunde als Vollstreckungsschuldner der Beklagten nach dem Gesetz kein Entgelt schulde. Die durch diese Tätigkeiten verursachten Kosten seien allgemeine, nicht auf die Kunden abwälzbare Betriebskosten der Beklagten. Ein unmittelbarer Anspruch der Beklagten gegen private Kunden auf Vergütung dieser Tätigkeiten könne auch nicht mit der Annahme gerechtfertigt werden, die Beklagte habe einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675, 670 BGB gegen die Vollstreckungsgläubiger, die ihrerseits gemäß § 788 ZPO oder § 286 BGB die Vollstreckungsschuldner in Anspruch nehmen könnten. Es verstoße gegen § 9 Abs. 1 AGBG, wenn die Beklagte versuche, durch eine Auswechslung der Schuldner leichter an ihre Kosten zu kommen.
[8] II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
[9] 1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die angegriffenen Preisklauseln der Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG unterliegen (§ 8 AGBG).
[10] a) Die Klauseln enthalten keine – der Inhaltskontrolle entzogenen – Preisvereinbarungen für Haupt- und Nebenleistungen, sondern legen ein Entgelt fest, obwohl eine Leistung für den Vertragspartner nicht erbracht wird. Da der Begriff der Leistung nicht zur Disposition des Verwenders Allgemeiner Geschäftsbedingungen steht, unterliegen Abreden mit (mittelbaren) Auswirkungen auf Preis und Leistung, an deren Stelle bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung dispositives Gesetzesrecht treten kann, der Inhaltskontrolle (BGHZ 91, 316, 318; 93, 358, 360 f.; 95, 362, 370; 106, 42, 46; 106, 259, 263; 114, 330, 333; 116, 117, 119; 124, 254, 256; 136, 261, 264; 137, 27, 29; 137, 43, 46; Senat, Urteil vom 18. Mai 1999 – XI ZR 219/98, WM 1999, 1271, 1272). Um solche zumeist – etwas mißverständlich – als Preisnebenabreden bezeichnete Abreden handelt es sich bei Gebührenklauseln für die Bearbeitung von Pfändungen, weil ein Anspruch des Drittschuldners gegen den Schuldner auf Vergütung dieser Arbeit im Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl. dazu näher Senatsurteil vom 18. Mai 1999 aaO, m. w. Nachw.; zustimmend Walker LM AGBG § 8, Nr. 35).
[11] b) Anders als die Revision meint, wird der Anspruch auf Vergütung der Bearbeitung von Pfändungen in den genannten Preisklauseln, nicht nur in der nicht angegriffenen Nr. 13 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vereinbart. Gemäß Nr. 13 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit Satz 3 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann die Beklagte für Maßnahmen und Leistungen, die auf Zwangsmaßnahmen Dritter gegen den Kunden beruhen, die Höhe der Entgelte nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) bestimmen. Auch vor dem Hintergrund dieser Regelung legen die angegriffenen Klauseln nicht lediglich die Obergrenze eines in Nr. 13 Abs. 1 Sätze 3 und 4 dem Grunde nach vereinbarten und gemäß § 315 BGB der Höhe nach festzusetzenden Entgelts für alle Tätigkeiten der Beklagten im Zusammenhang mit Pfändungen auf 75 DM fest. Aus dem Kontext der angegriffenen Klauseln als Teil eines umfangreichen Preisverzeichnisses ergibt sich vielmehr, daß sie selbst die Berechnung eines Entgelts für die Bearbeitung von Pfändungen vorsehen und damit einen von § 315 BGB und Nr. 13 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unabhängigen Regelungscharakter haben.
[12] 2. Die Berechnung eines Entgelts für die Bearbeitung von Pfändungen ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG) und benachteiligt die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 9 Abs. 1 AGBG). Dies gilt gleichermaßen für Pfändungen von Giro- und von Sparguthaben.
[13] a) Zu den wesentlichen Grundgedanken auch des dispositiven Rechts gehört, daß jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Wenn ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten im Gesetz nicht vorgesehen ist, können diese Kosten nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Dritte abgewälzt werden. Entgelte können nur für Leistungen verlangt werden, die auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen Kunden erbracht werden. Jede Entgeltregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sich nicht auf eine solche Leistung bezieht, sondern Aufwendungen für die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht des Verwenders offen auf dessen Kunden abzuwälzen versucht, stellt nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung dar und verstößt gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG (BGHZ 114, 330, 335; 124, 254, 260; 136, 261, 266; 137, 43, 45 f.; Urteil vom 18. Mai 1999, aaO, S. 1273).
[14] Durch die Bearbeitung von Pfändungen erbringt der Drittschuldner – wie der Senat in seinem Urteil vom 18. Mai 1999 (aaO, S. 1273 f. m. w. Nachw.) im einzelnen dargelegt hat – keine Dienstleistungen für den Vollstreckungsschuldner auf rechtsgeschäftlicher Grundlage, sondern handelt vorrangig im eigenen Interesse zur Erfüllung einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung. Die Auskunftspflicht des Drittschuldners gemäß § 840 Abs. 1 ZPO ist eine vom Gesetzgeber aus der allgemeinen Zeugnispflicht abgeleitete staatsbürgerliche Pflicht und dient der Gewährleistung einer im Interesse der Allgemeinheit liegenden funktionsfähigen Forderungsvollstreckung. Ihre Erfüllung durch Abgabe der sogenannten Drittschuldnererklärung, die hierzu erforderlichen Vorarbeiten, die Prüfung der Wirksamkeit der Pfändung und deren weitere Bearbeitung liegen nicht im Interesse des Vollstreckungsschuldners, sondern im Interesse des Vollstreckungsgläubigers und des Drittschuldners selbst, der eigene Schäden im Zusammenhang mit der Pfändung, etwa durch Zahlungen ohne befreiende Wirkung oder durch die Belastung mit Schadensersatzansprüchen des Vollstreckungsgläubigers gemäß § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO, vermeiden will. Für den mit der Erfüllung der staatsbürgerlichen Pflicht gemäß § 840 Abs. 1 ZPO verbundenen Arbeitsaufwand kann der Drittschuldner vom Vollstreckungsschuldner kein Entgelt verlangen. Die Festsetzung eines solchen Entgelts ist deshalb mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar.
[15] b) Der Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG wird durch die konkrete Ausgestaltung der beanstandeten Preisklauseln noch verstärkt. Nach der "kundenfeindlichsten" Auslegung, von der für die Inhaltskontrolle nach §§ 9, 13 AGBG auszugehen ist (BGHZ 114, 238, 241), fällt das Entgelt bis zu einer Höhe von 75 DM ohne Rücksicht darauf an, ob die Pfändung wirksam, unberechtigt oder fehlerhaft ist. Die Einbeziehung unwirksamer und rechtswidriger Pfändungen zeigt deutlich, daß das Entgelt von einer Dienstleistung für die Kunden völlig unabhängig ist. Dies ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar.
[16] c) Die Vorschrift des § 840 Abs. 1 ZPO, die zur Gewährleistung einer im Interesse der Allgemeinheit liegenden funktionsfähigen Forderungsvollstreckung Auskunftspflichten von Drittschuldnern begründet, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie ist eine zulässige Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben (vgl. hierzu BVerfGE 30, 292, 310 ff.; 44, 103, 104). Gegenüber der Beklagten hat sie die Wirkung einer mit Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG vereinbaren Berufsausübungsregelung, die im Interesse des Gemeinwohls erforderlich ist und Drittschuldner nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar belastet (vgl. BVerfGE 30, 292, 316; 44, 103, 104). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß Drittschuldner die in § 840 Abs. 1 ZPO verlangten Informationen in der Regel leicht und ohne größeren Aufwand erteilen können. An der Pflicht, die durch den Arbeitsaufwand entstehenden Kosten selbst zu tragen, ändert sich auch dann nichts, wenn das einmal nicht der Fall ist oder Drittschuldner, wie etwa Kreditinstitute oder größere Arbeitgeber, häufiger Pfändungen ausgesetzt sind (Senat, Urteil vom 18. Mai 1999, aaO, S. 1273; BVerwG Rpfleger 1995, 261). Diese stärkere Inanspruchnahme und die damit verbundenen Kosten begründen keine strukturellen Unterschiede zwischen den betroffenen Drittschuldnern, denen der Gesetzgeber durch differenzierte (Entgelt-) Regelungen Rechnung tragen müßte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BVerfGE 30, 292, 327). Da das in den angegriffenen Klauseln vereinbarte Entgelt, wie dargelegt, von einer Dienstleistung für den Kunden unabhängig ist, stellt es einen Beitrag zu den Gemeinkosten des von der Beklagten betriebenen Giro- und Einlagengeschäfts dar, die aus den im freien Wettbewerb erzielbaren Leistungspreisen erwirtschaftet werden können (BGHZ 136, 261, 266; Senat, Urteil vom 18. Mai 1999, aaO, S. 1274). Angesichts dieser Möglichkeit ist die gesetzliche Regelung, die ein gesondertes Entgelt für die Bearbeitung von Pfändungen nicht vorsieht, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
[17] d) Die Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung indiziert eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten. Gründe, die die Klauseln gleichwohl nicht als unangemessen erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Die Klauseln können nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, im materiellen Ergebnis werde der Vollstreckungsschuldner nicht unangemessen belastet, weil er aufgrund der Klauseln lediglich mit Beträgen belastet werde, die die Beklagte vom Vollstreckungsgläubiger verlangen könne, dem der Vollstreckungsschuldner diese Kosten nach § 788 ZPO zu erstatten habe. Die Beklagte hat gegen die Vollstreckungsgläubiger keinen Vergütungs-, sondern allenfalls einen an ihren tatsächlichen Aufwendungen orientierten Ersatzanspruch, wenn sie eine Drittschuldnererklärung abgibt (Senat, Urteil vom 18. Mai 1999, aaO, S. 1274). Zudem kann der Vollstreckungsgläubiger vom Vollstreckungsschuldner im Falle unwirksamer und rechtswidriger Pfändungen keine Erstattung der ihm vom Drittschuldner auferlegten Kosten verlangen.
[18] 3. Die konkrete Ausgestaltung der beanstandeten Klauseln verstößt unabhängig davon auch gegen das sich aus § 9 AGBG ergebende Transparenzgebot. Danach sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (grundlegend: BGHZ 106, 42, 49 f.; 106, 259, 264 f.). Deshalb verstoßen Anpassungsklauseln, die dem Verwender ein uneingeschränktes Änderungsrecht vorbehalten, ohne daß der Kunde vorhersehen kann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ihn höhere oder weitere Gebühren treffen, gegen das Transparenzgebot und sind unwirksam (BGHZ 136, 394, 402). Auch einseitige Bestimmungsvorbehalte können nur hingenommen werden, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind und den Anlaß, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben (Brandner, in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 8. Aufl. § 9 Rdn. 100).
[19] Diesen Anforderungen genügen die angegriffenen Klauseln nicht. Sie betreffen nicht ungewisse Entwicklungen, sondern bekannte Tatbestände, die konkret geregelt werden können. Die aus Anlaß einer Pfändung durchzuführenden Maßnahmen, etwa die Abgabe der Drittschuldnererklärung, sind der Beklagten im einzelnen bekannt und können zusammen mit genau bezifferten und den jeweiligen Maßnahmen zugeordneten Gebühren im Preisverzeichnis detailliert ausgewiesen werden. Es entbehrt deshalb jeder Rechtfertigung, die Kunden durch die pauschale Vereinbarung einer Rahmengebühr für die Bearbeitung von Pfändungen darüber im unklaren zu lassen, für welche konkreten Tätigkeiten der Beklagten sie in welcher Höhe in Anspruch genommen werden sollen.
[20] III. Die Revision der Beklagten war daher in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.