Raucherschutz bei betrieblichem Rauchverbot

BAG, Mitteilung vom 20. 1. 1999 – 2/99 (lexetius.com/1999,2158)

[1] Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte darüber zu entscheiden, ob Arbeitgeber und Betriebsrat ein Rauchverbot für alle Betriebsräume festsetzen dürfen.
[2] Die Beklagte ist ein Unternehmen der Elektronikindustrie. Ihr Betrieb in Hamburg besteht aus mehreren Gebäuden. Der Kläger ist Raucher. Nach einer bis 1996 geltenden Betriebsvereinbarung bestand ein Rauchverbot, von dem nur ein Teil der Kantine und Kurzpausenräume ausgenommen waren. Mit Wirkung zum 1. September 1996 beschlossen die Beklagte und der Betriebsrat zunächst ein Rauchverbot für das gesamte Betriebsgelände; später wurde das Rauchen auf dem Freigelände in einem begrenzten Bereich gestattet, auf dem ein überdachter Unterstand als Wetterschutz errichtet wurde.
[3] Der Kläger hat verlangt, ihm das Rauchen in einem geschlossenen Raum zu ermöglichen. Er hält ein generelles Rauchverbot in allen Betriebsräumen für unwirksam. Hierin liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in die auch von den Betriebspartnern zu achtende freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Soweit durch das Rauchverbot nichtrauchende Arbeitnehmer vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Belästigungen geschützt werden sollten, sei es dafür nicht erforderlich, das Rauchen ausnahmslos in sämtlichen Räumen zu verbieten. Produktionstechnische Belange verlangten ebenfalls kein so weitreichendes Verbot. Die Betriebspartner hätten auch kein Recht, ihn zu einer "gesünderen" Lebensführung anzuhalten. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
[4] Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg. Der Senat hat das Rauchverbot in allen Betriebsräumen für wirksam erachtet (nicht auf dem gesamten Betriebsgelände). Allerdings sind die Betriebspartner gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen. Hierunter fällt nicht nur ein Kernbereich der Persönlichkeit, sondern die Handlungsfreiheit in einem umfassenden Sinne, und zwar sowohl für Raucher wie für Nichtraucher. Bei Eingriffen in diesen Bereich haben die Betriebspartner das Übermaßverbot zu beachten. Das Rauchverbot beschränkt zwar die Handlungsfreiheit, verletzt aber unter den hier gegebenen Umständen dieses Übermaßverbot nicht. Die Freiheitsbeschränkung ist unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Ziels, nichtrauchende Arbeitnehmer vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen und vor Belästigungen durch Passivrauchen zu schützen, nicht unverhältnismäßig. Dabei geht es um die Abwägung der Belange von Rauchern und Nichtrauchern. Das Ergebnis hängt weitgehend von den Gegebenheiten des Betriebes und seiner Belegschaft ab, die zu beurteilen in erster Linie Sache der Betriebspartner ist. Unter Berücksichtigung des entsprechenden Gestaltungsfreiraums sind die den Rauchern auferlegten Beschränkungen nicht zu beanstanden, da das Rauchen hier unter annehmbaren Bedingungen gestattet bleibt. Ein geschlossener Raum muß dafür nicht zur Verfügung gestellt werden.
BAG, Urteil vom 19. 1. 1999 – 1 AZR 499/98; LAG Hamburg