Arbeitnehmerstatus von Versicherungsvertretern

BAG, Mitteilung vom 16. 12. 1999 – 83/99 (lexetius.com/1999,2227)

[1] In sechs Verfahren hatte der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts über die Arbeitnehmerstellung von Versicherungsvertretern zu entscheiden. Die fünf Kläger und eine Klägerin waren nach der Bezeichnung in ihren Verträgen sämtlich als selbständige Handelsvertreter und Versicherungsvermittler (§ 84 Abs. 1, § 92 HGB) tätig. Alle waren sog. Einfirmenvertreter, die nur für ihr eigenes Vertragsunternehmen Geschäfte vermitteln durften. Zum Teil war ihnen darüber hinaus die Aufnahme jedweder anderen Tätigkeit nur mit Zustimmung ihres Vertragsunternehmens gestattet. Die jeweils umfangreichen Vertragswerke enthielten ferner teilweise das Verbot der Telefonwerbung, der Weitergabe von Unterlagen an Dritte, Zustimmungsvorbehalte für Zeitungsanzeigen und Publikationen auf dem Gebiet des Versicherungswesens, Beschränkungen der Vertretungsmacht zur Abgabe von Willenserklärungen für das Vertragsunternehmen, das Gebot zur sofortigen Vorlage des Dienstausweises bei Kundenbesuchen, zur Abgabe von Besuchsberichten, zur sorgfältigen Antragsbearbeitung u. v. m. Die Betroffenen nahmen an Schulungen zur Einweisung in die zu vermittelnden Versicherungsprodukte teil. Zum Teil gab es die Anweisung, wöchentlich einmal auf der Geschäftsstelle zu erscheinen, und bestimmte Kundenlisten binnen zwei Monaten zu bearbeiten. Die Kläger und die Klägerin haben die Auffassung vertreten, sie seien abhängige Angestellte ihrer Vertragsunternehmen. Zwei von ihnen sind mittlerweile aus ihren Verträgen ausgeschieden. Die Arbeitsgerichte haben unterschiedlich entschieden, die Landesarbeitsgerichte haben die Klagen – bis auf eine – abgewiesen. Die dagegen von Klägerseite eingelegten Revisionen blieben ohne Erfolg. Die Revision einer der Beklagten betraf den Fall eines bereits ausgeschiedenen Mitarbeiters und war erfolgreich.
[2] Für die ausgeschiedenen Kläger der Verfahren – 5 AZR 168/99 und 5 AZR 457/98 – hat der Senat das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO für ihr Statusbegehren verneint. In den übrigen Fällen hat der Senat anhand der gesetzlichen Vorgaben in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB geprüft, ob die Klägerin und die Kläger im wesentlichen ihre Tätigkeit als Versicherungsmittler frei gestalten und ihre Arbeitszeit frei bestimmen konnten. Andere Kriterien zur Abgrenzung von selbständigen Handelsvertretern/Versicherungsvertretern und Angestellten im Außendienst sind gesetzlich nicht vorgesehen. Auf die Regelung in § 7 Abs. 4 SGB IV kommt es schon wegen der Bereichsausnahme für Handelsvertreter nicht an.
[3] Nach Maßgabe des § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB sind die Klägerin und die Kläger keine Arbeitnehmer. Ihre schriftlich vereinbarten und teilweise im Rahmen der tatsächlichen Vertragsdurchführung geringfügig erweiterten Verpflichtungen stellen ihre zeitliche und gestalterische Weisungsfreiheit nicht wesentlich in Frage. Überdies fehlte es insoweit an hinreichend substantiiertem Tatsachenvortrag. Die hier erhobenen Klagen hatten somit keinen Erfolg.
BAG, Urteil vom 15. 12. 1999 – 5 AZR 169/99; LAG Nürnberg