Verwendung von Name und Bild Marlene Dietrichs zu Werbezwecken – Bundesgerichtshof stärkt Schutz des Persönlichkeitsrechts nach dem Tode -

BGH, Mitteilung vom 2. 12. 1999 – 98/99 (lexetius.com/1999,2301)

[1] Der I. Zivilsenat des BGH hat gestern entschieden, daß gegenüber einer kommerziellen Verwertung der Persönlichkeit, insbesondere von Name und Bild, ein – über reine Abwehransprüche hinausgehender – Schutz in Gestalt von Schadensersatzansprüchen besteht, der nach dem Tode von den Erben wahrgenommen werden kann.
[2] Diese Frage stellte sich in zwei Verfahren, in denen es darum ging, ob die Tochter und Alleinerbin der Schauspielerin Marlene Dietrich wegen der kommerziellen Verwertung des Bildnisses und des Namens ihrer Mutter durch Dritte Schadensersatzansprüche geltend machen kann. In dem ersten, vom Kammergericht entschiedenen Fall, hatte der Produzent des 1993 in Berlin aufgeführten Musicals "Sag" mir, wo die Blumen sind", das sich mit dem Leben Marlene Dietrichs befaßt, dem Automobilhersteller Fiat gestattet, ein Bildnis Marlene Dietrichs und den Schriftzug "Marlene" für das Sondermodell eines Fahrzeuges zu verwenden; ferner hatte er dem Kosmetikhersteller Ellen Betrix erlaubt, in dem Programmheft des Musicals unter der Überschrift "Marlene-Look" mit einer Marlene Dietrich darstellenden Zeichnung für seine Produkte zu werben; außerdem hatte er sogenannte Merchandising-Artikel (Telefonkarten, Henkeltassen, T-Shirts, Armbanduhren und Anstecker) herstellen und verkaufen lassen, die mit einem Bildnis Marlene Dietrichs versehen waren. Im zweiten Fall, in der Vorinstanz vom Oberlandesgericht München entschieden, ging es um den "Blauen Engel", der heute als Umweltzeichen bekannt, zugleich aber der Titel eines berühmten Films mit Marlene Dietrich ist. Das beklagte Unternehmen hatte in einer Zeitungsanzeige mit der Schlagzeile "Vom Blauen Engel schwärmen, genügt uns nicht" für die Umweltverträglichkeit seiner Produkte geworben und dabei die Fotografie einer nachgestellten Szene aus dem Film "Der blaue Engel" verwendet, die im Original Marlene Dietrich zeigt und in dem Werbefoto mit einer ähnlich gekleideten Person nachgestellt ist.
[3] In beiden Fällen waren die Vorinstanzen der Ansicht, daß bei einer Verletzung postmortaler Persönlichkeitsrechte zwar Unterlassungsansprüche, nicht aber Schadensersatzansprüche gegeben sein könnten. Eine Verletzung postmortaler Persönlichkeitsrechte könne keine Schadensersatzansprüche auslösen, weil diese Rechte nur ideelle und nicht kommerzielle Interessen schützten.
[4] Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß die Erben nicht zuletzt zur Durchsetzung des fortbestehenden Achtungsanspruchs des Verstorbenen Schadensersatzansprüche gegen Dritte geltend machen können, die ohne Einwilligung Namen und Bildnis des Verstorbenen vermarkten. Ausgangspunkt der Überlegung war dabei, daß im Falle der ungenehmigten Vermarktung zu Lebzeiten neben reinen Abwehransprüchen auch Schadensersatzansprüche bestehen. Dies gilt auch für Prominente, die als Personen der Zeitgeschichte die Veröffentlichung ihres Bildnisses für Werbezwecke nicht hinnehmen müssen. Schon nach der bisherigen Gesetzeslage besteht dieses Recht am eigenen Bild nach dem Tode in der Weise fort, daß das Bildnis des Verstorbenen bis zum Ablauf von zehn Jahren nicht ohne Einwilligung der Angehörigen veröffentlicht werden darf. Im Falle ungenehmigter Verwendung des Bildnisses können die Angehörigen Unterlassung verlangen. Zur Stärkung dieser Rechtsposition hat der Bundesgerichtshof jetzt einen Schadensersatzanspruch bejaht, der den – mit den Angehörigen nicht notwendig identischen – Erben zusteht. Wer ohne Einwilligung handele, dürfe nicht besser stehen als derjenige, der sich die Verwendung von Name und Bild des Verstorbenen für kommerzielle Zwecke vom wahrnehmungsberechtigten Erben habe gestatten lassen. Dies sei vor allem auch deshalb erforderlich, weil ansonsten der durch die Leistungen des Verstorbenen geschaffene und in seinem Bild, seinem Namen oder seinen sonstigen Persönlichkeitsmerkmalen verkörperte Vermögenswert nach seinem Tode dem Zugriff eines jeden beliebigen Dritten preisgegeben werde anstatt ihn den Personen, die ihm zu Lebzeiten nahestanden, zukommen zu lassen. Unberührt bleibt davon die Auseinandersetzung mit bekannten Persönlichkeiten in den Medien, die selbstverständlich zulässig ist. So war auch in dem Berliner Fall unbestritten, daß die Erben von Marlene Dietrich es hinnehmen müssen, daß ihr Lebensbild zum Gegenstand eines Musicals gemacht worden war.
[5] Die Beklagten beider Verfahren haben nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die vermögenswerten Bestandteile am eigenen Bild und Namen Marlene Dietrichs verletzt und sind daher der Erbin zum Schadensersatz verpflichtet.
BGh, Urteil vom 1. 12. 1999 – I ZR 49/97