Bundesarbeitsgericht
Nichtzulassungsbeschwerde bei Doppelbegründung
ArbGG § 72, § 72 a
1. Betrifft der Rechtsstreit mehrere prozessuale Ansprüche, muß die unbeschränkt eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde dann nicht für jeden prozessualen Anspruch begründet werden, wenn das Landesarbeitsgericht die Klage aus einem einzigen allen gemeinsamen Grund abgewiesen hat; dann genügt die Auseinandersetzung mit diesem Grund.
2. Ausführungen im berichtenden Teil einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts enthalten keine Rechtsausführungen des Gerichts und damit keinen zur Begründung einer erfolgreichen Divergenzbeschwerde geeigneten Rechtssatz.
3. Beruht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auf einer Doppelbegründung, ist die Revision sowohl im Falle der Divergenz- wie der Grundsatzbeschwerde nur zuzulassen, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde beide Begründungen des Landesarbeitsgerichts angegriffen werden und die Rügen gegen jede der beiden Begründungen für sich betrachtet begründet sind. Dabei kann die Beschwerde hinsichtlich einer Begründung auf Divergenz, hinsichtlich der anderen auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt werden (Fortführung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Beschluß vom 23. Juli 1996 – 1 ABN 18/96 – AP Nr. 33 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz und z. B. Beschluß vom 28. September 1989 – 6 AZN 303/89BAGE 63, 58 = AP Nr. 38 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz). Entsprechendes gilt bei Entscheidungen mit mehr als zwei tragenden Begründungen.

BAG, Beschluss vom 10. 3. 1999 – 4 AZN 857/98; LAG München (lexetius.com/1999,2482)

[1] In Sachen pp. hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts in der Sitzung vom 10. März 1999 durch den Vorsitzenden Richter Schliemann, die Richter Dr. Friedrich und Bott sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Sponer und Schmalz beschlossen:
[2] 1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. April 1998 – 6 Sa 240/97 – wird zurückgewiesen.
[3] 2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
[4] 3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 74.747,40 DM festgesetzt.
[5] Gründe: A. Die Parteien streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden monatlichen Gehalts sowie über von ihm geforderte Vergütung von Mehrarbeit.
[6] Der Kläger war in der Zeit vom 1. April 1993 bis zum 30. Juni 1993 aufgrund einer befristeten Förderungsmaßnahme des Arbeitsamtes München bei der Beklagten tätig, deren Geschäftsgegenstand die Herstellung sportlicher Kleidung ist. Mit Schreiben vom 9. Juni 1993 bot die Beklagte dem Kläger die Weiterbeschäftigung "auf der Grundlage der Arbeitslosenvergütung" an. Dieses Angebot nahm der Kläger mit Schreiben vom 16. Juni 1993 an. In dem "Dienstvertrag" vom 29. Juni 1993 vereinbarten die Parteien dann, daß der Kläger "am 01. 07. 1993 als Buchhalter in die Dienste" der Beklagten tritt, sowie ein monatliches Gehalt in Höhe von 2.550,00 DM brutto. Seit dem 1. Januar 1994 erhält der Kläger monatlich 2.700,00 DM brutto.
[7] Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe gegen die Beklagte Anspruch auf die tarifgerechte Vergütung. Zur Begründung hat er ausgeführt, einschlägig für seinen Gehaltsanspruch sei der am 1. Dezember 1992 für allgemeinverbindlich erklärte Gehaltstarifvertrag (GTV) für die kaufmännischen Angestellten und Auszubildenden sowie für die technischen Angestellten der Bekleidungsindustrie Bayerns vom 10. Juni 1992 (nachfolgend: GTV 1992). Zwar sei dieser durch den von denselben Tarifvertragsparteien am 30. Juni 1993 mit Rückwirkung zum 1. Mai 1993 abgeschlossenen Gehaltstarifvertrag abgelöst worden, der nicht mehr für allgemeinverbindlich erklärt worden sei. Die rückwirkende Beseitigung der Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages sei nicht möglich. Die Rechtsnormen des GTV 1992 hätten daher für das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 30. Juni 1993 unmittelbar und zwingend gegolten. Denn das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten sei zum 1. April 1993 begründet worden. Auch der Abschluß des Vertrages am 29. Juni 1993 falle noch in die Zeit der Allgemeinverbindlichkeit des GTV 1992. Da eine andere Abmachung i. S. v. § 4 Abs. 5 TVG nicht getroffen worden sei, gälten die Normen des GTV 1992 nachwirkend weiter. Er erfülle die Anforderungen für den Anspruch auf Vergütung nach Gehaltsklasse C Stufe "über 11. Berufsjahr". Selbst wenn der GTV 1992 das Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar und zwingend erfaßt hätte, stehe ihm die geforderte Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB als übliche Vergütung zu. Denn die Gehaltsvereinbarung mit der Beklagten sei sittenwidrig und wucherisch und damit nichtig. Für die Zeit von Juli 1993 bis April 1997 belaufe sich seine Gehaltsnachforderung auf 67.278,00 DM. Außerdem fordert er für geleistete Mehrarbeit für 76, 5 Stunden 2.363,09 DM brutto. Diese Beträge hat er zuletzt mit seiner Zahlungsklage gefordert. Außerdem hat er die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten erstrebt, an ihn bis zum Inkrafttreten eines neuen allgemeinverbindlichen GTV ein Gehalt von 4.143,00 DM brutto im Monat zu zahlen.
[8] Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im übrigen zur Zahlung von 252,60 DM brutto verurteilt und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner auf Divergenz der anzufechtenden Entscheidung zu dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 – (BVerfGE 44, 322), zu den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Januar 1962 – 1 AZR 147/61 – (BAGE 12, 194 = AP Nr. 11 zu § 5 TVG), vom 11. Januar 1973 – 5 AZR 322/72 – (AP Nr. 30 zu § 138 BGB), vom 19. April 1978 – 4 AZR 721/76 – (BAGE 20, 229 = AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT 1975) und vom 27. November 1991 – 4 AZR 211/91 – (BAGE 69, 119 = AP Nr. 22 zu § 4 TVG Nachwirkung) sowie auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
[9] B. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
[10] I. Sie ist hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 1.293,44 DM mangels Begründung unzulässig.
[11] Betrifft der Rechtsstreit mehrere Streitgegenstände (Ansprüche im prozessualen Sinne), muß die unbeschränkt eingelegte Beschwerde für jeden Streitgegenstand begründet werden. Fehlen Ausführungen zu einem Streitgegenstand, ist die Nichtzulassungsbeschwerde insoweit grundsätzlich unzulässig (z. B. BAG Beschluß vom 6. Dezember 1994 – 9 AZN 337/94BAGE 78, 373 = AP Nr. 32 zu § 72 a ArbGG 1979). Etwas anderes gilt dann, wenn die Vorinstanz mehrere prozessuale Ansprüche aus einem einzigen, allen gemeinsamen Grund abgewiesen hat; dann genügt die Auseinandersetzung mit diesem Grund (so zur gleichliegenden Problematik bei der Berufungsbegründung: BGH, NJW 1994, 2289, 2290).
[12] Nach diesen Grundsätzen ist die Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 1.293,44 DM unzulässig. Zu diesem Streitgegenstand macht der Kläger in der Beschwerdebegründung keine Ausführungen. Die Abweisung der Klage auf Mehrarbeitsvergütung in Höhe dieses Betrages durch das Landesarbeitsgericht beruht auf einem anderen Grund als die Abweisung der in der Beschwerdebegründung behandelten tariflichen Ansprüche und desjenigen auf Zahlung der üblichen Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB. Denn das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung – berechnet auf der Grundlage des vereinbarten Gehalts – für 64 Stunden mit der Begründung abgewiesen, diesen Anspruch habe der Kläger nicht ausreichend i. S. d. arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlußfrist geltend gemacht. Die Abweisung der tariflichen Ansprüche und desjenigen auf Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB hingegen hat das Landesarbeitsgericht damit begründet, diese Ansprüche seien nicht zur Entstehung gelangt.
[13] II. Im übrigen genügt die Beschwerde den gesetzlichen Zulässigkeitsanforderungen. Sie ist jedoch nicht begründet.
[14] 1. Die Divergenzbeschwerde ist begründet, wenn sich der anzufechtenden und der herangezogenen Entscheidung die behaupteten Rechtssätze entnehmen lassen, die Rechtssätze voneinander abweichen und die angegriffene Entscheidung auf der Abweichung beruht.
[15] 2. Diese Voraussetzungen sind bei keiner der vom Kläger behaupteten Divergenzen erfüllt.
[16] 2. 1 Die vom Kläger behaupteten Divergenzen in der Erstbegründung des Landesarbeitsgerichts für die Abweisung der Klage wegen der von ihm aus dem GTV 1992 abgeleiteten Ansprüche liegen nicht vor. Auf seine Angriffe gegen die Zweitbegründung für das Nichtbestehen dieser tariflichen Ansprüche, gestützt ebenfalls auf Divergenz sowie außerdem auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, kommt es daher nicht mehr an. Denn die nicht erfolgreich angegriffene Erstbegründung trägt die Entscheidung allein.
[17] 2. 1. 1 Das Landesarbeitsgericht hat für die Abweisung der auf tarifgerechte Vergütung gerichteten Zahlungs- und Feststellungsklage sowie auf Zahlung danach berechneter Mehrarbeitsvergütung zwei selbständige Begründungen gegeben: Es hat einmal die nachwirkende Geltung des GTV 1992 verneint (Erstbegründung), zum anderen "der Vollständigkeit halber" ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Anforderungen des Eingruppierungsmerkmals der Gehaltsklasse C Gehaltsstufe "über 11. Berufsjahr" (Zweitbegründung).
[18] 2. 1. 2 Ist die anzufechtende Entscheidung auf mehrere sie jeweils tragende Begründungen gestützt, so darf einer Nichtzulassungsbeschwerde nur stattgegeben werden, wenn sie hinsichtlich aller tragenden Begründungen zulässig und begründet ist. Denn die Nichtzulassungsbeschwerde soll dazu führen, daß das Bundesarbeitsgericht aufgrund der dann einzulegenden Revision oder Rechtsbeschwerde voraussichtlich mindestens über eine der divergierend beantworteten Rechtsfragen (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) entscheiden oder einen der Tarifbegriffe auslegen (§ 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG) bzw. eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung i. S. d. § 72 a Abs. 1 Nr. 1 und 3 ArbGG beantworten muß, auf die die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde abstellt. Dieses Ziel wird nicht erreicht, wenn das anzufechtende Urteil tragend auf einer Begründung beruht, die nicht erfolgreich Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde war. Denn dann könnte sich das Bundesarbeitsgericht jedenfalls im Fall der Zurückweisung des Rechtsmittels darauf beschränken, die nicht zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gewordene tragende Begründung zu bestätigen, ohne zur anderen Stellung zu nehmen (vgl. BAG Beschluß vom 9. Dezember 1980 – 7 AZN 374/80 – AP Nr. 3 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz).
[19] 2. 1. 3 Dies betrifft nicht nur die Fälle, in denen die Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich aller tragenden mehrfachen Begründungen nur auf Divergenz (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) oder nur auf (dieselbe der drei Arten) grundsätzliche (r) Bedeutung i. S. d. § 72 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ArbGG gestützt wird, sondern gleichermaßen auch die Fälle, in denen der Art nach unterschiedliche Gründe zur Zulassung der Revision bzw. der Rechtsbeschwerde führen sollen. Die Verschiedenartigkeit der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der mehrfachen tragenden Begründungen der anzufechtenden Entscheidung steht der Stattgabe der Nichtzulassungsbeschwerde für sich allein nicht entgegen. Vielmehr steht es der Zulassung nicht entgegen, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich einer tragenden Begründung des anzufechtenden Urteils auf Divergenz und hinsichtlich der anderen auf grundsätzliche Bedeutung gemäß einer oder mehrerer Fallgruppen des § 72 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ArbGG gestützt wird. Für die Stattgabe ist aber auch in solchen Fällen erforderlich, daß die Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich aller tragenden Begründungen der anzufechtenden Entscheidungen zulässig und begründet ist.
[20] 2. 1. 4 Dem steht nicht entgegen, daß das Bundesarbeitsgericht in Fällen der Doppelbegründung der anzufechtenden Entscheidung bei der Divergenzbeschwerde verschiedentlich formuliert hat, die Revision oder die Rechtsbeschwerde sei nur zuzulassen, wenn jede der beiden Begründungen einen Rechtssatz enthalte, der von einem solchen in einer divergenzfähigen Entscheidung abweiche (Beschluß vom 23. Juli 1996 – 1 ABN 18/96 – AP Nr. 33 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz; Beschluß vom 9. Dezember 1980 – 7 AZN 374/80 – AP, aaO; Senatsbeschluß vom 15. März 1989 – 4 AZN 54/89 – n. v.). Entsprechende Formulierungen finden sich zur Begründetheit einer Grundsatzbeschwerde (BAG Beschluß vom 28. September 1989 – 6 AZN 303/89BAGE 63, 58, 63 = AP Nr. 38 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz). Diese Formulierungen sind nur einzelfallbezogen gewählt worden. Sie sind nicht so zu verstehen, daß eine Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg haben könne, wenn hinsichtlich der einen Begründung Divergenz gerügt und hinsichtlich der anderen auf grundsätzliche Bedeutung abgestellt wird, wie der Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 28. September 1989 (- 6 AZN 303/89 – AP, aaO) zeigt.
[21] 2. 2 Die vom Kläger behaupteten Divergenzen in der Erstbegründung des Landesarbeitsgerichts für das Nichtbestehen der tariflichen Ansprüche liegen nicht vor.
[22] 2. 2. 1 Der Kläger sieht eine Divergenz der anzufechtenden Entscheidung zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 – (aaO) hinsichtlich der Frage, auf welche Weise die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages beendet wird. Die von ihm zitierten und von ihm als Rechtssatz verstandenen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dem genannten Beschluß sind jedoch Teil des Berichts jener Entscheidung. Der berichtende Teil einer Entscheidung enthält keine Rechtsausführungen des Gerichts und damit keinen Rechtssatz, der für eine erfolgreiche Divergenzrüge herangezogen werden kann.
[23] 2. 2. 2 Der Kläger rügt weiter, das Landesarbeitsgericht sei von Rechtssätzen des Bundesarbeitsgerichts in den Entscheidungen vom 19. Januar 1962 – 1 AZR 147/61 – (aaO) und vom 27. November 1991 – 4 AZR 211/91 – (aaO) zur Nachwirkung tariflicher Rechtsnormen nach § 4 Abs. 5 TVG und zur Beendigung der Nachwirkung abgewichen. Auch dies trifft nicht zu. Das Landesarbeitsgericht weicht nicht von dem in den genannten Entscheidungen aufgestellten Rechtssatz ab, daß nach Beendigung einer Allgemeinverbindlicherklärung die Normen des allgemeinverbindlich gewesenen Tarifvertrages auch für die Arbeitsverhältnisse von Außenseitern nachwirken. Vielmehr geht es ersichtlich von diesem Rechtssatz aus, wenn es zunächst feststellt, Tarifbindung kraft Organisationszugehörigkeit oder eine einzelvertragliche Bezugnahme auf die Gehaltstarifverträge lägen unstreitig nicht vor, und dann darauf eingeht, ob der GTV 1992 kraft Allgemeinverbindlichkeit für das Arbeitsverhältnis der Parteien gegolten habe. Dies verneint es nicht mit der Begründung, für die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG sei eine frühere Tarifgebundenheit kraft Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages nicht ausreichend, sondern wegen der konkreten Umstände des vorliegenden Falles, und zwar wegen der Begründung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nach Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit des GTV 1992.
[24] 2. 2. 3 Hinsichtlich der Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers während der Geltung des GTV 1992 oder erst nach dessen Ablauf begründet worden ist, weicht das Landesarbeitsgericht ebenfalls nicht von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Januar 1962 – 1 AZR 147/61 – (aaO) – vom Kläger in diesem Zusammenhang fehlerhaft als Urteil vom 19. Januar 1992 – 1 AZR 147/71 – bezeichnet – ab. Denn den fallbezogenen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht der abstrakte Rechtssatz entnommen werden, bei zwei unmittelbar aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen sei für die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zur Zeit der Geltung des Tarifvertrages begründet worden sei, stets der Beginn des zweiten Arbeitsverhältnisses maßgebend. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten "vom 1. April bis 30. Juni 1993 aufgrund einer befristeten Förderungsmaßnahme des Arbeitsamtes München" könne "als Grundlage für eine Nachwirkung des Gehaltstarifvertrages vom 10. Juni 1992 nicht dienen oder genügen", vielmehr unter anderem damit begründet, "die klägerische Vergütung in diesem Förderungszeitraum erfolgte nicht durch die Beklagte". Es hat also keineswegs für alle Fälle des unmittelbaren Aufeinanderfolgens zweier Arbeitsverhältnisse den Rechtssatz aufgestellt, die Nachwirkung setze stets die Begründung des zweiten Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Tarifvertrages voraus.
[25] 2. 3 Für die Angriffe des Klägers gegen die Zweitbegründung des Landesarbeitsgerichts, mit denen er Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, kann unterstellt werden, daß diese für sich gesehen begründet sind. Denn auf diese kommt es nicht an. Der Senat wäre nach Eröffnung der Revisionsinstanz nicht gezwungen, die Rechtsfragen in der Zweitbegründung, auf die sich die Angriffe des Klägers beziehen, zu entscheiden. Er könnte sich darauf beschränken, die nicht erfolgreich angegriffene Erstbegründung des Berufungsgerichts zu bestätigen, und brauchte sich zu der Zweitbegründung nicht zu äußern.
[26] 3. Bei dem Anspruch auf Vergütung gem. § 612 Abs. 2 BGB liegt die behauptete Divergenz der anzufechtenden Entscheidung zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Januar 1973 – 5 AZR 322/72 – (aaO) betreffend die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit einer Vergütungsvereinbarung wiederum nicht vor. Der Kläger behauptet, das Landesarbeitsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, "daß bei der Prüfung des Vorliegens eines wucherischen und sittenwidrigen Arbeitsvertrages allein auf das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung abzustellen sei und sich der Wert der Gegenleistung nur an dem einschlägigen Gehaltstarifvertrag orientieren könne". Dies ist unzutreffend. Das Landesarbeitsgericht erwähnt bei der Prüfung der Voraussetzungen der §§ 138, 612 Abs. 2 BGB den GTV an keiner Stelle. Folglich sagt es auch nicht, Bezugsgröße für die Prüfung eines Mißverhältnisses zwischen Arbeitsleistung und vereinbarter Vergütung sei in letzterer Hinsicht allein der "einschlägige Gehaltstarifvertrag".
[27] C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
[28] D. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Sie geht von der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung des Streitwerts durch das Landesarbeitsgericht auf 75.000,00 DM aus, die um den dem Kläger rechtskräftig zuerkannten Betrag von 252,60 DM zu vermindern war.