Bundesgerichtshof
HOAI § 10 Abs. 1; BGB § 134
a) Die für die anrechenbaren Kosten des Objektes gemäß § 10 Abs. 1 HOAI maßgeblichen Kosten werden durch den Vertragsgegenstand bestimmt und begrenzt.
b) Eine Vergütungsvereinbarung, die vorsieht, daß zu den anrechenbaren Kosten des Vertragsgegenstandes Kosten eines Objektes der Berechnung des Honorars zugrunde gelegt werden sollen, das nicht Gegenstand des Auftrages ist, ist unwirksam.

BGH, Urteil vom 6. 5. 1999 – VII ZR 379/97; OLG Naumburg (lexetius.com/1999,878)

[1] Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Hausmann und Dr. Wiebel für Recht erkannt:
[2] Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 1. Oktober 1997 aufgehoben, soweit zu Lasten der Beklagten über die Klage entschieden worden ist.
[3] Die Sache wird in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[4] Tatbestand: I. Der Kläger, ein selbständiger Architekt, verlangt von der Beklagten Architektenhonorar aus einem Subunternehmervertrag. Die Widerklage ist nicht Gegenstand der Revision.
[5] II. Vor Beginn ihrer Zusammenarbeit vereinbarten die Parteien am 23. März 1993 "Liefervorschriften/Auftragsbedingungen", die unter anderem vorsehen, daß die Abrechnung des Honorars nach den tatsächlichen Kosten unter Beachtung des § 10 HOAI erfolgen solle und daß die für die Endabrechnung erforderlichen Kosten durch den Objektbetreuer, die RCS, ermittelt werden sollten.
[6] Im März 1993 schlossen die Parteien einen Vertrag über Planungsleistungen des Klägers für das Landratsamt Saalkreis. Der Umfang des Auftrages ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger behauptet, er sei mit der Planung für die Fenster- und Fassadenerneuerung beauftragt worden. Die Beklagte behauptet, sie habe den Kläger nur mit der Planung der Fenstererneuerung beauftragt, er habe auch nur die Planung der Fenstererneuerung erbracht. Folglich könne der Kläger lediglich die Kosten der Fenstererneuerung in Höhe von 478.000 DM seiner Honorarabrechnung zugrunde legen. Der Kläger hat sein Honorar auf der Grundlage von anrechenbaren Gesamtkosten für die Fenster- und Fassadenerneuerung in Höhe von 16.399,03 DM auf der Grundlage von 1.383.699 DM berechnet.
[7] III. Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Kläger sei berechtigt, sein Honorar auf der Grundlage der Gesamtkosten zu berechnen. Der Einwand der Beklagten, anrechenbare Kosten seien nur die Kosten der Fenstererneuerung, sei treuwidrig. Die Beklagte habe durch die Abschlagszahlungen, deren Berechnung der Kläger ebenfalls die Gesamtkosten zugrunde gelegt habe, zu erkennen gegeben, daß sie von einer entsprechenden Verpflichtung ausgegangen sei.
[8] Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
[9] Entscheidungsgründe: I. Die Revision der Beklagten hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[10] II. 1. Das Berufungsgericht hat der Klage mit folgenden Erwägungen stattgegeben:
[11] Der Kläger sei aufgrund der Auftragsbedingungen vom 23. März 1993 berechtigt, für die Straßenfront des Landratsamtes 60 % der Leistungsphase 5 auf der Grundlage der Kosten der Fenstererneuerung und Fassadensanierung in Höhe von 1.383.699 DM abzurechnen. Die Maßgeblichkeit der Gesamtkosten ergebe sich nicht aus der ursprünglichen Vereinbarung vom 23. März 1993, sondern aus einer individuellen Vereinbarung der Parteien, aufgrund derer der Kläger berechtigt sei, die Planungsleistungen zur Fenstererneuerung auf der Basis der Gesamtkosten der Fenstererneuerung und der Fassadensanierung abzurechnen. Diese Vereinbarung ergebe sich daraus, daß dem Kläger die Kostenermittlung der Objektbetreuerin, der RCS, vom 14. Oktober 1993, die die Gesamtkosten ausweise, übermittelt worden sei, und daß die Beklagte die Abschlagsrechnung, die auf den Gesamtkosten beruhe, hinsichtlich des Kostenansatzes nicht beanstandet habe.
[12] 2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand:
[13] a) Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob das Berufungsgericht seiner Entscheidung den Vortrag des Klägers oder den Vortrag der Beklagten zum Umfang des Auftrages zugrunde gelegt hat.
[14] b) Auf der Grundlage des bestrittenen Vortrags des Klägers, er sei mit der Gesamtplanung der Fenstererneuerung und Fassadensanierung beauftragt worden, ist die vom Berufungsgericht angenommene nachträgliche Vergütungsvereinbarung über die Einbeziehung der Kosten der Fassadensanierung in die anrechenbaren Kosten sinnlos. Nach seinem eigenen Vortrag wäre der Kläger berechtigt, diese Kosten seiner Honorarabrechnung ohne zusätzliche Vereinbarung über die Vergütung als anrechenbare Kosten zugrunde zu legen.
[15] c) Auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten zum Umfang des Auftrages, der in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen ist, ist der Klaganspruch deshalb nicht begründet, weil die Parteien nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine nachträgliche Vergütungsvereinbarung getroffen haben (1.) und weil eine derartige Vergütungsvereinbarung unwirksam wäre (2.).
[16] (1.) Die Feststellungen des Berufungsgerichts bieten keine hinreichende Grundlage für eine nachträgliche konkludente Änderung der ursprünglichen Vergütungsvereinbarung. Die Umstände, daß die Beklagte den Kostenansatz der Abschlagsrechnungen nicht beanstandet hat und daß der Klägerin die Kostenermittlung der RCS zugegangen ist, sind nicht ausreichend für die Annahme der für eine Änderungsvereinbarung erforderlichen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen, des Angebots und der Annahme. Die genannten Umstände bieten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung treffen wollten.
[17] Außerdem fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts, aus welchem Rechtsgrund die Parteien die ursprüngliche Vergütungsvereinbarung zugunsten des Klägers geändert haben könnten. Ein kausales Schuldanerkenntnis kommt als Rechtsgrund nicht in Betracht, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen insgesamt nicht vorliegen (zu den Voraussetzungen eines kausalen Schuldanerkenntnisses vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1994 – VII ZR 215/93 = ZfBR 1995, 82 = BauR 1995, 232).
[18] (2.) Die vom Berufungsgericht zu Unrecht angenommene Vereinbarung über die anrechenbaren Kosten wäre gemäß § 134 BGB unwirksam, weil sie den zwingenden Preisvorschriften des § 10 HOAI und des § 4 Abs. 4 HOAI widersprechen würde. Durch eine derartige Vereinbarung würde die Vergütung des Architekten mittelbar dadurch erhöht, daß Kosten in die Berechnungsgrundlage einbezogen werden, die ein Objekt betreffen, das nicht Gegenstand des Auftrages ist. Die Systematik des § 10 HOAI i. V. m. der DIN 276 (1981) und die Preisbegrenzungsfunktion dieser Vorschrift sowie die Regelung der Mindest- und Höchstsätze setzen voraus, daß die anrechenbaren Kosten durch den Vertragsgegenstand bestimmt und begrenzt werden.
[19] Die Vereinbarung würde außerdem gegen die Mindestsatzfiktion des § 4 Abs. 4 HOAI verstoßen. Da die Parteien nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei Auftragsvergabe keine schriftliche Vergütungsvereinbarung getroffen haben, stehen dem Kläger lediglich die Mindestsätze zu. Eine nachträgliche Änderung der Vergütungsvereinbarung, die zu einer Überschreitung der Mindestsätze führt, ist unwirksam.