Bundesgerichtshof
BGB § 286; BauGB § 123
Zum Schadensersatzanspruch eines Bauunternehmers wegen verzögerter Abrechnung einer Erschließungsanlage.

BGH, Urteil vom 17. 6. 1999 – III ZR 183/98; OLG Hamm (lexetius.com/1999,912)

[1] Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dr. Kapsa für Recht erkannt:
[2] Auf die Revision der Beteiligten zu 1 wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Senats für Baulandsachen (16. Zivilsenat) des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. Juni 1998 im Kostenpunkt – mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2 und 3 – und insoweit aufgehoben, als darin der gegen den Beteiligten zu 4 gerichtete Feststellungsantrag abgewiesen worden ist; jedoch bleibt die Abweisung des Feststellungsantrags aufrechterhalten, soweit dieser die Kosten des Prozesses 1 O 574/94 LG Bochum/34 U 21/97 OLG Hamm betrifft.
[3] Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen, jedoch hat die Beteiligte zu 1 die den Beteiligten zu 2 und 3 im Revisionsrechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.
[4] Tatbestand: Die Beteiligte zu 1, ein Wohnungsbauunternehmen, erhielt im Laufe des Umlegungsverfahrens "Kranzplatte L." durch Vorabregelungen des Umlegungsausschusses (Beteiligter zu 3) vom 11. Dezember 1980 und 15. Juli 1982 Grundflächen von insgesamt nahezu 8000 qm mit der Maßgabe zugeteilt, daß die Anschließung aufgrund eines von der Stadt (Beteiligter zu 2) mit dem Beteiligten zu 4 als Unternehmer abzuschließenden Erschließungsvertrages erfolgen und die Zahlung der Aufschließungskosten zwischen der Beteiligten zu 1 und dem Beteiligten zu 4 geregelt werden sollte. Durch Vertrag vom 18. März 1983 übertrug die Beteiligte zu 2 dem Beteiligten zu 4 die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen in einem Teilbereich des Bebauungsplans "Kranzplatte L." auf eigene Kosten außer einer Beteiligung der Stadt in Höhe von 10 % des von dem Beteiligten zu 4 nach Fertigstellung der Anlagen nachzuweisenden, gemäß der zu diesem Zeitpunkt gültigen Satzung beitragsfähigen Erschließungsaufwandes. Am 25. August 1983 faßte der Beteiligte zu 3 – auf der Grundlage eines Entwurfs, den am 15. Juli 1983 sowohl die Beteiligte zu 1 als auch der Beteiligte zu 4 unterzeichnet hatten – einen Beschluß mit folgenden "Festlegungen zur Aufschließung" der Grundstücke der Beteiligten zu 1: Die Beteiligte zu 1 wurde verpflichtet, die auf sie entfallenden anteiligen Aufschließungskosten an den Beteiligten zu 4 zu zahlen. Insoweit hatte sie eine – anschließend auch getätigte – Vorauszahlung von 531.846 DM zu leisten. Die endgültige Höhe der Aufschließungskosten, deren auf die Beteiligte zu 1 entfallender Anteil sich in Anlehnung an die Satzung der Beteiligten zu 2 für die Erhebung des Erschließungsbeitrags nach Maßgabe des Bebauungsplans und der Grundstücksgrößen zum Zeitpunkt der Schlußabrechnung berechnen sollte, war nach Fertigstellung und Abrechnung der gesamten für das Aufschließungsgebiet vorgesehenen Maßnahmen festzulegen. Innerhalb von vier Wochen nach Schlußabrechnung hatte die Beteiligte zu 1 einen etwa noch offenen Restbetrag an den Beteiligten zu 4 zu zahlen oder der Beteiligte zu 4 der Beteiligten zu 1 eine etwaige Überzahlung zu erstatten.
[5] Nach der Fertigstellung der Aufschließungsanlagen durch den Beteiligten zu 4 hat die Beteiligte zu 1 – soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse – in dem vorliegenden, vom Verwaltungsgericht an das Baulandgericht verwiesenen Prozeß u. a. den Beteiligten zu 4 verklagt, ihr eine nachprüfbare Abrechnung über die Aufschließungskosten zu erteilen, die nach dem Beschluß der Beteiligten zu 3 zu Lasten der Beteiligten zu 1 gehen, sowie die Feststellung begehrt, daß der Beteiligte zu 4 ihr alle bisher entstandenen und künftig noch entstehenden Schäden daraus zu ersetzen habe, daß der Beteiligte zu 4 die von ihm geschuldete Abrechnung bisher nicht erteilt habe. Das Landgericht (Kammer für Baulandsachen) hat u. a. unter Abweisung des Feststellungsantrags der Beteiligten zu 1 den Beteiligten zu 4 zur Erteilung einer nachprüfbaren Abrechnung über die Aufschließungskosten verurteilt. Seine gegen diese Verurteilung gerichtete Berufung hat der Beteiligte zu 4 zurückgenommen. Er hat im Laufe des Berufungsverfahrens eine Abrechnung vorgelegt, deren Ordnungsgemäßheit und Richtigkeit die Beteiligte zu 1 allerdings in Abrede stellt. Das Oberlandesgericht (Senat für Baulandsachen) hat u. a. die gegen die Abweisung des gegen den Beteiligten zu 4 gerichteten Feststellungsantrags der Beteiligten zu 1 gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der – nur insoweit vom Senat angenommenen – Revision verfolgt die Beteiligte zu 1 den betreffenden Feststellungsantrag weiter.
[6] Entscheidungsgründe: Die Revision führt in dem Umfang, in dem sie vom Senat angenommen worden ist, zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Diese Entscheidung ergeht trotz der Säumnis des Beteiligten zu 4 in der Revisionsverhandlung als kontradiktorisches Endurteil (§ 227 Abs. 1 Satz 2 BauGB).
[7] I. Ausgangspunkt für die Prüfung des von der Beteiligten zu 1 in der Form eines Feststellungsbegehrens der Sache nach geltend gemachten Schadensersatzanspruchs gegen den Beteiligten zu 4 wegen Verzugs (vgl. § 286 BGB) mit der Abrechnung der durchgeführten Aufschließungsmaßnahmen ist, daß der Beteiligte zu 4 der Beteiligten zu 1 nach Fertigstellung der Anlage eine solche Abrechnung – sei es aufgrund des Beschlusses des Beteiligten zu 3 vom 25. August 1983, sei es im Hinblick auf einen zwischen den beiden Beteiligten durch Unterzeichnung des Beschlußentwurfs zustande gekommenen Vertrag – schuldete. Das folgt schon aus der im Berufungsverfahren eingetretenen Rechtskraft der Verurteilung des Beteiligten zu 4 zur Erteilung der Abrechnung (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 21. Aufl. vor § 322 Rn. 24, 27). Auf die Rechtsnatur dieses Anspruchs braucht daher nicht näher eingegangen zu werden.
[8] II. Das Berufungsgericht hält den Feststellungsantrag des Beteiligten zu 1 gegen den Beteiligten zu 4 für unbegründet: Eventuelle Ersatzpflichten wegen verzögerter Abrechnung seien nicht schlüssig dargelegt. Ein Zeitpunkt für die von dem Beteiligten zu 4 zu erstellende Schlußabrechnung sei in dem Beschluß des Beteiligten zu 3 vom 25. August 1983 nicht festgelegt. Bis zur Erhebung der vorliegenden Klage habe sich die Beteiligte zu 1 mit einer von dem Beteiligten zu 4 erteilten Rechnung vom 1. September 1993 über den Vorauszahlungsbetrag zufriedengegeben. Soweit die Beteiligte zu 1 diese nach ihrem eigenen Vortrag unzulängliche Rechnung vergeblich zur Grundlage für die gerichtliche Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegen ihre Vertragspartner (Grundstücks- bzw. Erbbaurechtserwerber, für die die Beteiligte zu 1 Wohnhäuser errichtete) gemacht habe, habe sie die daraus folgenden Nachteile selbst zu verantworten.
[9] Es sei auch nicht schlüssig dargetan, daß die Beteiligte zu 1 wegen der auch noch nach der Klageerhebung im vorliegenden Prozeß verzögerten Abrechnung überhaupt einen Schaden erlitten habe bzw. noch zu erleiden habe. Die Auffassung der Beteiligten zu 1, daß ihr auf der Grundlage einer von dem Beteiligten zu 4 zu erteilenden prüffähigen Abrechnung gegenüber ihren Vertragspartnern Nachforderungen zustünden, die sie bislang nicht habe geltend machen können und deshalb habe zwischenfinanzieren müssen, treffe nicht zu. Nach dem aus einem Vorprozeß bekannten Inhalt der Vereinbarungen mit den Erwerbern kämen solche Nachforderungen nicht in Betracht. Die Beteiligte zu 1 könne nämlich hiernach Mehrbeträge von den Erwerbern nur fordern, wenn die Abrechnung der Erschließungsmaßnahme ergebe, daß "der Erschließungsbeitrag" von 30 DM pro Quadratmeter Grundstücksfläche überschritten werde. Ein solch weitergehender Erschließungsbeitrag könne hier jedoch weder nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 noch aufgrund der Abrechnung des Beteiligten zu 4 ermittelt werden, weil dieser gegenüber der Beteiligten zu 1 gerade nicht nach den eingeschränkten Kriterien des Erschließungsbeitragsrechts, sondern nach der vereinbarten Gesamtaufschließung abzurechnen habe. Der Umstand, daß die Beteiligte zu 1 es bei den Verträgen mit den Erwerbern versäumt habe, die von ihr nach dem Beschluß vom 25. August 1983 zu tragenden anteiligen "Gesamtaufschließungskosten" mit ihrem vom Begriff "Erschließungsbeitrag" abweichenden Inhalt in voller Höhe in die von den Erwerbern zu zahlenden Grundstückspreise einzukalkulieren, rechtfertige es nicht, der eindeutigen Wortwahl "Erschließungsbeitrag" in den Verträgen einen anderen und weitergehenden Inhalt zu geben, als er sich bei diesem im Rechtsleben feststehenden Begriff aus den gesetzlichen Voraussetzungen des Erschließungsbeitragsrechts ergebe. Insoweit hätten die Erwerber nach dem eindeutigen Wortlaut der mit ihnen abgeschlossenen Verträge darauf vertrauen können, daß außer (echten) Erschließungsbeiträgen im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts und Beiträgen nach dem Kommunalabgabengesetz, mit denen die Beteiligte zu 1 belastet würde und die sie auf sie – die Erwerber – sollte abwälzen können, keine weiteren Kosten auf sie zukommen würden, die im Zusammenhang mit der Baureifmachung ihrer Grundstücke durch Herrichtung der öffentlichen Flächen stünden.
[10] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
[11] 1. Mit Recht rügt die Revision als rechtsfehlerhaft, daß das Berufungsgericht Verzug des Beteiligten zu 4 mit der Abrechnung der Kosten der Aufschließungsanlage gegenüber der Beteiligten zu 1 erst von einem Zeitpunkt ab in Betracht zieht, nachdem der Beklagte zu 4 im vorliegenden Prozeß auf Vornahme der Abrechnung verklagt worden war (Rechtshängigkeit: 9. Dezember 1996). Wie die Revision aufzeigt, hat die Beteiligte zu 1 in den Tatsacheninstanzen hinreichend dargelegt, die Abrechnung bei dem Beteiligten zu 4 bereits mit Schreiben vom 6. Juli 1990 sowie Anwaltsschreiben vom 19. September 1990 und 5. November 1990 angemahnt zu haben, und zwar zumindest mit den beiden zuletzt genannten Schreiben zu einer Zeit, als nach der eigenen Mitteilung des Beteiligten zu 4 (Schreiben vom 28. August 1990) die Baumaßnahmen abgeschlossen und die einzelnen Gewerke von ihm abgerechnet und bezahlt waren, die Abrechnung der Aufschließungsanlage insgesamt mithin fällig war.
[12] Danach hat auch die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beteiligte zu 1 habe sich bis zur Erhebung der vorliegenden Klage auf eine ordnungsgemäße Abrechnung mit einer ihr von dem Beteiligten zu 4 erteilten Rechnung vom 1. September 1993 über den Vorauszahlungsbetrag "zufriedengegeben", keine Grundlage. Bei dieser Rechnung handelte es sich ersichtlich nicht um eine (prüffähige) Endabrechnung, sondern im wesentlichen nur um die Wiedergabe eines Betrages aus einem Kostenvoranschlag, auf dessen Grundlage die Vorauszahlung der Beteiligten zu 1 an den Beteiligten zu 4, wie in dem Beschluß des Beteiligten zu 3 vom 25. August 1983 niedergelegt, festgesetzt worden war. Der Umstand, daß die Beteiligte zu 1 mit Hilfe der Rechnung vom 1. September 1993 über den Vorauszahlungsbetrag – vergeblich – versucht hat, gegenüber ihren Vertragspartner eine Erschließungskostennachforderung gerichtlich durchzusetzen (Urteil des LG Bochum vom 24. Oktober 1996 – 1 O 574/94; Urteil des OLG Hamm vom 20. Januar 1998 – 34 U 21/97), besagt nicht, daß die Beteiligte zu 1 ihre dringende Aufforderung an den Beteiligten zu 4, die geschuldete Endabrechnung vorzunehmen, nicht weiter aufrechterhalten hätte.
[13] 2. Nicht frei von Rechtsfehlern sind die Ausführungen des Berufungsgerichts auch insoweit, als es die schlüssige Darlegung eines gegenwärtigen oder zukünftigen Schadens der Beteiligten zu 1 infolge des – vom Berufungsgericht ab Rechtshängigkeit des vorliegenden Prozesses angenommenen, bei zutreffender Sicht aber auch schon vorher gegebenen – Verzuges des Beteiligten zu 4 mit der Abrechnung vermißt.
[14] a) Wenn – wovon hier im Revisionsverfahren auszugehen ist – die grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch auslösende Verletzung eines Leistungsanspruchs feststeht, so setzt der Erlaß eines Feststellungsurteils über die Schadensersatzpflicht lediglich voraus, daß hieraus mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Schäden entstehen oder entstehen können (vgl. BGH Urteil vom 15. Juli 1997 – VI ZR 184/96NJW 1998, 160 für unerlaubte Handlungen nach § 823 Abs. 1 BGB). Die sachliche Abweisung einer solchen Feststellungsklage setzt voraus, daß das Gericht nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Schadens nicht als gegeben ansieht, sondern sich davon überzeugt, daß ein Schaden nicht entstanden ist bzw. nicht entstehen kann (vgl. BGH Urteil vom 24. Juni 1969 – VI ZR 48/67NJW 1969, 2014).
[15] b) Mit der Argumentation des Berufungsgerichts kann weder die Schlüssigkeit der Darlegungen der Beteiligten zu 1 zu ihrem Schaden infolge des Verzugs des Beteiligten zu 4 mit der Abrechnung insgesamt in Abrede gestellt, noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Beteiligte zu 1 infolge des Verzugs des Beteiligten zu 4 Schäden erlitten hat bzw. noch erleiden wird, verneint werden.
[16] aa) Nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 kann sich aus der – wie im Revisionsverfahren zu ihren Gunsten zu unterstellen ist: noch nicht in ordnungsgemäßer Form vorliegenden – Schlußabrechnung des Beteiligten zu 4 entweder ein Erstattungsanspruch der Beteiligten zu 1 gegen den Beteiligten zu 4 oder eine Nachforderung des Beteiligten zu 4 gegen die Beteiligte zu 1 ergeben. Für den ersteren Fall liegt ein Verzugsschaden der Beteiligten zu 1, wie sie dargelegt hat, darin, daß sie mangels früherer Durchsetzung des Erstattungsbetrages nicht in der Lage war, ihre Kredite entsprechend zurückzuführen. Möglicherweise schon für diesen Fall, insbesondere aber für den anderen Fall, daß sich eine Nachzahlungspflicht der Beteiligten zu 1 ergeben sollte, kann sich die fehlende Schlußabrechnung des Beteiligten zu 4 als Hindernis für die Durchsetzung von Erschließungskostennachforderungen der Beteiligten zu 1 gegenüber ihren Vertragspartnern (Wohnhauserwerbern) erweisen, was jedenfalls zu Zinsnachteilen der Beteiligten zu 1 führen kann.
[17] bb) Was die Kosten des von der Beteiligten zu 1 bereits vergeblich geführten Prozesses gegen die Eheleute Kirsch (1 O 574/94 LG Bochum/34 U 21/97 OLG Hamm) angeht, ist allerdings die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die Beteiligte zu 1 diesen Vermögensnachteil "selbst zu verantworten" hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Da die Beteiligte zu 1 diesen Prozeß im Grunde sehenden Auges, noch über keine prüffähige Schlußrechnung des Erschließungsträgers zu verfügen, geführt hat, war das Ergebnis dieses Prozesses – die Abweisung der Klage als "zur Zeit nicht fällig" – voraussehbar. Unter diesen Umständen fehlt es an dem erforderlichen haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dieser Schadensposition und dem Verzug des Beteiligten zu 4 mit der Abrechnung, zumindest liegt insoweit ein wesentlich überwiegendes Mitverschulden der Beteiligten zu 1 vor (§ 254 Abs. 1 BGB; wegen der Prüfung des Mitverschuldens im Rahmen eines Feststellungsbegehrens vgl. BGH Urteil vom 25. November 1977 – I ZR 30/76WM 1978, 66 f). Bezogen auf diesen Schadensposten hat mithin das – im Ergebnis übereinstimmend mit dem Landgericht – den Feststellungsantrag der Beteiligten zu 1 abweisende Berufungsurteil Bestand.
[18] cc) Soweit das Berufungsgericht jedoch darüber hinaus annimmt, nach dem Inhalt der Vereinbarungen der Beteiligten zu 1 mit ihren Vertragspartnern (Hauserwerbern) kämen Erschließungskostennachforderungen gegen diese – und deshalb auch damit verknüpfte Verzugsschadensersatzansprüche der Beteiligten zu 1 gegen den Beteiligten zu 4 – überhaupt nicht in Betracht, kann ihm nicht gefolgt werden.
[19] (1) Aus der Abweisung der Klage der Beteiligten zu 1 gegen die Eheleute Kirsch (1 O 574/94 LG Bochum/34 U 21/97 OLG Hamm ergibt sich in dieser Richtung nichts, denn sie ist ausdrücklich nur als "zur Zeit nicht fällig" ausgesprochen worden, und zwar allein mit der Begründung (in dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Januar 1998), es fehle an einer vertraglich geschuldeten Gesamtabrechnung der Erschließungskosten.
[20] (2) Daß nach dem Inhalt der zwischen der Beteiligten zu 1 und ihren Vertragspartnern geschlossenen Verträge Nachforderungen über die vereinbarte Pauschale von 30 DM pro Quadratmeter Grundstücksfläche hinaus nur dann in Betracht kommen sollten, wenn höhere Aufschließungskosten – nur – als echte Erschließungsbeiträge im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts (vgl. §§ 127 ff BauGB) sowie der Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz anfallen würden, wie das Berufungsgericht meint, ist nicht für das Revisionsgericht verbindlich festgestellt. Die tatrichterliche Auslegung eines Vertrages kann vom Revisionsgericht nur begrenzt – auf Rechtsfehler – überprüft werden. Rechtsfehler liegen vor, wenn gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung. Ferner hat der Tatrichter den ihm vorliegenden Prozeßstoff bei der Auslegung auszuschöpfen, er darf also nicht wesentlichen Umstände unberücksichtigt lassen. Diese Grundsätze hat, wie die Revision mit Recht rügt, das Berufungsgericht verletzt.
[21] Es ist – da das Berufungsurteil insoweit lediglich pauschal auf das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. November 1997 Bezug nimmt – schon nach den eigenen Ausführungen des Berufungsgerichts unklar, von welchem genauen Vertragstext es ausgeht. In dem zitierten oberlandesgerichtlichen Urteil ist nur ein Teil der maßgeblichen Vereinbarung wörtlich niedergelegt. Wie sich aus dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Bochum vom 24. Oktober 1996 ergibt, lauten die hier interessierenden Passagen des § 12 des Vertrages vom 12. August 1985:
[22] "… Anliegerbeiträge oder Beiträge nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes NRW sind mit 30,00 DM pro Quadratmeter Grundstücksfläche von der Verkäuferin zu zahlen. Darüber hinausgehende Beträge hat der Erwerber aber selbst zu tragen, und zwar sowohl für das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück als auch für die von dem Erwerber erworbenen Grundstücksanteile. Die Gemeinde oder der von der Gemeinde beauftragte Erschließungsträger bzw. sonstige Unternehmer wird nach Fertigstellung der Erschließungsmaßnahme einschließlich Zuwegungen, Stichwege und Garagenzufahrten mit der Verkäuferin eine Abrechnung vornehmen. Ergibt die Abrechnung, daß der Erschließungsbeitrag von 30,00 DM/qm Grundstücksfläche überschritten wird, so ist der Erwerber zur Zahlung dieses Mehrbetrages an die Verkäuferin innerhalb 14 Tagen nach Vorlage der Abrechnung verpflichtet."
[23] Wie die Revision zutreffend hervorhebt, ergeben sich schon daraus, daß sich nach dem Zusammenhang des Vertragstextes der – gegebenenfalls 30 DM/qm Grundstücksfläche überschreitende – "Erschließungsbeitrag" aus "Anliegerbeiträgen" und Beiträgen nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes zusammensetzt, Zweifel, ob der Begriff "Erschließungsbeitrag" ausschließlich im Sinne des gesetzlichen Erschließungsbeitragsrechts gemeint ist. Bereits dies weckt Bedenken gegen das rein begriffliche Verständnis des Berufungsgerichts von der in Rede stehenden Vertragsklausel. Der entscheidende Rechtsfehler des Berufungsgerichts liegt aber, worauf die Revision ebenfalls hinweist, darin, daß es in seine Überlegungen nicht mit einbezieht, daß nach der vertraglichen Regelung die Fertigstellung und Abrechnung der "Erschließungsmaßnahme" gegebenenfalls auch durch einen von der Gemeinde beauftragten Erschließungsträger bzw. einen sonstigen Unternehmer in Betracht kam, in den Fällen der Übernahme der Erschließungskosten durch einen privaten Unternehmer Erschließungsbeiträge im eigentlichen Sinne aber überhaupt nicht mehr anfallen konnten. Mithin liegt die Auslegung nahe, daß die Vertragspartner der Beteiligten zu 1 auch dann an weitergehende Aufschließungskosten zu beteiligten sind, wenn die Abrechnung eines privaten Erschließungsunternehmens ergibt, daß der ursprünglich von der Beteiligten zu 1 kalkulierte "Erschließungsbeitrag" von 30 DM pro Quadratmeter Grundstücksfläche überschritten wird. Ob sich in einem solchen Fall die Nachzahlungspflicht der Vertragspartner der Beteiligten zu 1 uneingeschränkt nach dem Ergebnis der Kostenabrechnung des Beteiligten zu 4 gegenüber der Beteiligten zu 1 zu richten hat oder ob für die Höhe der von den Vertragspartnern der Beteiligten zu 1 gegebenenfalls zu erbringenden Nachzahlungen ein für den betreffenden Bereich fiktiv zu errechnender öffentlicher Erschließungsbeitrag die Obergrenze darstellt, kann offenbleiben; dies ist gegebenenfalls die Frage einer weiteren Auslegung des Vertrages zwischen der Beteiligten zu 1 und ihren Vertragspartnern. Unberührt hiervon bleibt, daß jedenfalls eine grundsätzliche Nachzahlungspflicht der Vertragspartner der Beteiligten zu 1 dieser gegenüber nach dem vorliegenden Prozeßstoff nicht ausgeschlossen werden kann.
[24] III. Hieraus folgt, daß die sachliche Abweisung des Feststellungsantrags der Beteiligten zu 1, soweit sie über die Ablehnung einer Schadensersatzpflicht des Beteiligten zu 4 für die Prozeßkosten der Beteiligten zu 1 aus dem von ihr geführten Rechtsstreit vor dem Landgericht Bochum/Oberlandesgericht Hamm hinausgeht, keinen Bestand haben kann.
[25] Im Umfang der danach erforderlichen Aufhebung des Berufungsurteils ist Entscheidungsreife im Revisionsverfahren schon deshalb nicht gegeben, weil die Reichweite der von der Beteiligten zu 1 beantragten Feststellung zeitlich nur bis zur Erteilung einer ordnungsgemäßen und richtigen Abrechnung des Beteiligten zu 4 über die Aufschließungskosten gehen kann. Ob die im Berufungsverfahren von dem Beteiligten zu 4 vorgelegte Abrechnung hierfür ausreicht, hat das Berufungsgericht offengelassen und muß der tatrichterlichen Beurteilung im erneuten Berufungsverfahren überlassen werden.