Bundesgerichtshof
ZPO § 561, § 1063 Abs. 2, § 1065 Abs. 2 Satz 2
1. Die in § 1062 Abs. 1 Nr. 2 und 4 ZPO genannten Entscheidungen, gegen die die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof stattfindet, müssen grundsätzlich mit den für die rechtliche Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen versehen sein.
2. Zur Prüfungskompetenz des Bundesgerichtshofs als Rechtsbeschwerdegericht nach neuem Schiedsverfahrensrecht.
3. Zur Erforderlichkeit der mündlichen Verhandlung nach neuem Schiedsverfahrensrecht.

BGH, Beschluss vom 15. 7. 1999 – III ZB 21/98; OLG Oldenburg (lexetius.com/1999,969)

[1] Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Schlick, Dr. Kapsa und Dörr beschlossen:
[2] Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 21. August 1998 – 9 SchH 1/98 – wird zurückgewiesen.
[3] Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
[4] Streitwert: 3 Mio. DM.
[5] Gründe: I. Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, durch den festgestellt worden ist, daß das zwischen ihnen durch den mit Datum vom 18. April 1997 geschlossenen Kooperations- und Kaufvertrag begründete Vertragsverhältnis unverändert fortbesteht, und durch den die Antragsgegnerin verurteilt worden ist, bestimmte Leistungen aus jenem Vertrag an die Antragstellerinnen zu erbringen sowie bestimmte dem Vertrag zuwiderlaufende Handlungen zu unterlassen. Das Verfahren richtet sich nach dem 10. Buch der Zivilprozeßordnung in der Fassung des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224). Die Antragstellerinnen haben beim Oberlandesgericht die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs, die Antragsgegnerin hat Zurückweisung dieses Antrags und Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
[6] II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der Senat bejaht auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Er nimmt deshalb die Rechtsbeschwerde an und trifft über sie eine Sachentscheidung.
[7] Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet.
[8] 1. Die Verfahrensrüge, der angefochtene Beschluß enthalte keinen Tatbestand, greift im Ergebnis nicht durch. Zwar verweist § 1065 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch auf § 561 ZPO. Die entsprechende Anwendbarkeit dieser Bestimmung besagt, daß der Bundesgerichtshof an die tatsächlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts gebunden ist (vgl. BT-Drucks. 13/5274 S. 66). Dies bedeutet, daß die in § 1062 Abs. 1 Nr. 2 und 4 ZPO genannten Entscheidungen, gegen die die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof stattfindet, grundsätzlich mit den für die rechtliche Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen versehen sein müssen. Daraus folgt indes nicht zwingend, daß diese Feststellungen stets in einem formellen Tatbestand oder in einer gesonderten Schilderung des Sachverhalts innerhalb der Gründe des Beschlusses getroffen werden müssen. Vielmehr kann es auch in solchen Fällen genügen, daß der Sach- und Streitstand in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang aus den sonstigen Ausführungen der Vorinstanz zu entnehmen ist. In tatsächlich einfach gelagerten Fällen kann auch eine Bezugnahme auf den Schiedsspruch die für die rechtliche Würdigung maßgeblichen Feststellungen ersetzen. So verhält es sich hier.
[9] 2. Ein von Amts wegen zu berücksichtigender Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO liegt nicht vor. Die Rechtsbeschwerde erblickt einen Verstoß gegen den ordre public darin, daß das Schiedsgericht die Antragsgegnerin zur Leistung an beide Antragstellerinnen verurteilt habe, obwohl nach dem Inhalt des Kaufvertrages nur die Antragstellerin zu 1 Käuferin gewesen sei. Dies betrifft lediglich eine Frage der Auslegung des Vertrages und damit einer einfachen Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs, die dem ordentlichen Gericht grundsätzlich versagt ist (vgl. BT-Drucks. 13/5274 S. 58/59). Selbst wenn die Auslegung, die das Schiedsgericht dem Vertragswerk gegeben hat, inhaltlich unrichtig sein sollte, so kann keine Rede davon sein, daß das gefundene Ergebnis der öffentlichen Ordnung widerspricht.
[10] 3. Die Rechtsbeschwerde erhebt außer der vorbezeichneten noch die weitere Rüge, das Schiedsgericht habe gegen das Verbot verstoßen, in eigener Sache tätig zu werden, indem es seine eigene Vergütung in dem Schiedsspruch festgesetzt habe. Ob und inwieweit sich diese Beanstandungen einem der in dem Katalog des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe, insbesondere Buchst. c und d, zuordnen lassen, ist im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Wie auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, beschränkt sich die Prüfungskompetenz des Bundesgerichtshofs darauf, ob der angefochtene Beschluß auf der Verletzung eines Staatsvertrages oder eines anderen Gesetzes beruht (§ 1065 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Gesetzesverletzung durch das Oberlandesgericht hätte jedoch nur und erst dann vorgelegen, wenn es einen der vorbezeichneten Aufhebungsgründe zu Unrecht unberücksichtigt gelassen hätte. Dies war indes nicht der Fall. Sämtliche in dem Katalog des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 aufgeführten Aufhebungsgründe sind – im Unterschied zu denen der Nr. 2 – nur dann zu prüfen, wenn sie von der die Aufhebung des Schiedsspruchs begehrenden Partei "begründet geltend gemacht" werden (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 vor Buchst. a ZPO). Dementsprechend kommt es nicht nur auf das objektive Vorliegen des betreffenden Aufhebungsgrundes an; daneben ist vielmehr notwendig, daß er in einer dem Erfordernis "begründeter Geltendmachung" genügenden Weise zur Nachprüfung durch das Gericht gestellt wird. In der Vorinstanz hatte die Antragsgegnerin ihr Aufhebungsbegehren indessen auch nicht ansatzweise auf die nunmehr geltend gemachten Gründe gestützt. Die Unterlassung einer entsprechenden Prüfung durch das Oberlandesgericht war mithin nicht rechtsfehlerhaft. Der Antragsgegnerin ist es daher verwehrt, die nunmehr geltend gemachten Gründe erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren vorzubringen.
[11] 4. Der Anordnung einer mündlichen Verhandlung durch das Oberlandesgericht nach § 1063 Abs. 2 ZPO bedurfte es nicht. Zwar hat nach der ersten Alternative dieser Bestimmung das Gericht die mündliche Verhandlung anzuordnen, wenn die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt wird. Damit ist indes das förmliche Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO gemeint (vgl. BT-Drucks. 13/5274 S. 64/65), um das es hier nicht geht. Der hier in Rede stehende Aufhebungsantrag der Antragsgegnerin war vielmehr ein bloßer Gegenantrag im Rahmen des von den Antragstellerinnen eingeleiteten Vollstreckbarerklärungsverfahrens. Im Vollstreckbarerklärungsverfahren ist gemäß der zweiten Alternative des § 1063 Abs. 2 ZPO eine mündliche Verhandlung nur dann erforderlich, wenn Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO "in Betracht kommen". Daß die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht gegen den deutschen ordre public verstieß, lag klar zutage (s. o. 2). Etwaige Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c oder d ZPO wären im Sinne des § 1063 Abs. 2 ZPO nur dann "in Betracht gekommen", wenn sie "begründet geltend gemacht" worden wären. Dies war aus den vorgenannten Gründen (oben 3) ebenfalls zu verneinen.