Bundesgerichtshof
BGB § 815
Die Rückforderung des Grundstückskaufpreises ist nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil die fehlgeschlagene Erwartung hinsichtlich einer bestimmten Bebaubarkeit des Grundstücks und der damit einhergehenden Finanzierungsmöglichkeit zum Anlaß genommen wurde, sich von dem formungültigen Vertrag loszusagen.

BGH, Urteil vom 2. 7. 1999 – V ZR 167/98; OLG Frankfurt am Main (lexetius.com/1999,989)

[1] Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Tropf, Schneider und Dr. Klein für Recht erkannt:
[2] Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. April 1998 aufgehoben.
[3] Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[4] Tatbestand: Die Klägerin und eine weitere GmbH waren am Kauf eines dem Beklagten und dessen Bruder gehörenden Grundstücks interessiert. Die Beteiligten einigten sich auf den Erwerb. Notariell beurkundet wurde ein Kaufpreis von 5 Millionen DM. Der Beklagte erhielt vor der Beurkundung von beiden Käufern über den ehemaligen Beklagten zu 2 im Ergebnis 150.000 DM in bar und ohne Quittung. Die Erwartungen der Käufer über die Bebaubarkeit des Grundstücks erfüllten sich nicht. Zu einer Durchführung des Kaufvertrages kam es nicht.
[5] Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Rückzahlung der von ihr geleisteten 150.000 DM sowie den Ersatz von Rechtsverfolgungskosten. Das Landgericht hat der Klage bis auf die Rechtsverfolgungskosten stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
[6] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht nimmt an, ausgehend vom Vortrag der Klägerin bestehe im Grundsatz ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, weil der beurkundete Kaufpreis nur zum Schein vereinbart und der tatsächlich vereinbarte Preis nicht beurkundet worden sei. Einem Zahlungsanspruch der Klägerin stehe aber § 815 BGB entgegen, weil das Scheitern des Erfolgseintritts objektiv als in ihrer Sphäre begründet und ihr zurechenbar sei. So habe sie die Zahlung des Kaufpreises unterlassen, weil ihr dessen Finanzierung wegen der Schwierigkeiten hinsichtlich der geplanten Bebauung nicht möglich gewesen sei. Sowohl die Zahlung des Kaufpreises als auch die Bebaubarkeit des Grundstücks falle allein in die Risikosphäre der Klägerin. Sie verhalte sich treuwidrig, wenn sie nunmehr unter dem Vorwand der Formnichtigkeit die gemeinsame Abrede zunichte machen wolle. Die Berufung des Beklagten auf diese Umstände sei dagegen nicht treuwidrig, da die Beweisaufnahme ergeben habe, daß die Klägerin durch ihn bei Abschluß des Kaufvertrages über die Bebaubarkeit des Grundstücks nicht arglistig getäuscht worden sei.
[7] Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[8] II. 1. Das Berufungsgericht unterstellt den Vortrag der Klägerin, nach dem die Käufer an den Beklagten über den protokollierten Kaufpreis hinaus einen Betrag von insgesamt 300.000 DM zu zahlen hatten. Mangels anderweiter Feststellungen ist davon revisionsrechtlich auszugehen. Im Ausgangspunkt zutreffend prüft das Berufungsgericht Zahlungsansprüche der Klägerin auf der Grundlage einer ungerechtfertigten Bereicherung. Dabei kann offenbleiben, ob, wie das Berufungsgericht meint, § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt (vgl. dazu Staudinger/Lorenz, BGB, 13. Bearb. 1994, § 815 Rdn. 2, § 812 Rdn. 110, jeweils m. w. N.). In jedem Fall steht § 815 BGB dem Klageanspruch nicht entgegen.
[9] a) Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin nicht nach § 242 BGB gehindert ist, sich auf die Nichtigkeit des Vertrages zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist ein an sich formnichtiger Grundstückskaufvertrag nur in besonderen Ausnahmefällen als wirksam zu behandeln, wenn die Nichtigkeitsfolge mit Treu und Glauben unvereinbar wäre. An einen solchen Ausnahmefall sind strenge Anforderungen zu stellen; daß die Nichtigkeit den einen Vertragsteil hart trifft, reicht nicht aus, das Ergebnis muß vielmehr schlechthin untragbar sein (BGH, Urt. v. 10. Oktober 1986, V ZR 247/85, NJW 1987, 1069, 1070 m. w. N.). Als Ausnahmen sind insbesondere anerkannt worden: Die Fälle der Existenzgefährdung des einen Teils und die Fälle einer besonders schweren Treuepflichtverletzung des anderen Teils (BGH, aaO m. w. N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
[10] b) Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner ausgeführt, daß ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin nicht an § 814 BGB scheitert. Die Vorschrift greift dann nicht ein, wenn die Leistung zwar in Kenntnis der Formungültigkeit, aber in der beiderseitigen Erwartung erbracht wird, das Rechtsgeschäft werde vollzogen und der Formmangel damit geheilt (BGH, Urt. v. 26. Oktober 1979, V ZR 88/77, NJW 1980, 451 m. w. N.). Bei Zahlung des zusätzlichen Betrages wollten die Parteien den formungültigen Vertrag nach übereinstimmender Absicht verwirklichen.
[11] 2. Mit Erfolg macht die Revision jedoch geltend, daß auch § 815 Alt. 2 BGB einem Rückzahlungsanspruch der Klägerin nicht entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Rückforderung wegen Nichteintritts des mit einer Leistung bezweckten Erfolges ausgeschlossen, wenn der Leistende den Eintritt des Erfolges wider Treu und Glauben verhindert hat. Grundsätzlich können sich die Parteien eines formnichtigen Kaufvertrages auf dessen Nichtigkeit berufen und den gezahlten Kaufpreis zurückfordern, ohne sich dadurch dem Vorwurf des treuwidrigen Handelns auszusetzen (BGH, Urt. v. 23. September 1983, V ZR 91/82, WM 1983, 1340, 1342; MünchKomm-BGB/Lieb, 3. Aufl., § 815 Rdn. 6; BGB-RGRK/Heimann-Trosien, 12. Aufl. § 815 Rdn. 6; Erman/Westermann, BGB 9. Aufl., § 815 Rdn. 3). Im Hinblick auf die in § 313 Satz 2 BGB enthaltene Regelung sind an das Vorliegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben im Sinne von § 815 Alt. 2 BGB strenge Anforderungen zu stellen (Kanzleiter, DNotZ 1986, 258, 263; Singer, WM 1983, 254, 260; ähnlich MünchKomm-BGB/Lieb aaO; Staudinger/Lorenz, § 815 Rdn. 2). Denn die in § 313 Satz 2 BGB angeordnete Voraussetzung einer Heilung des Formmangels darf nicht auf dem Umweg über § 815 BGB einseitig zu Lasten des leistenden Vertragsteils herabgesetzt werden (Kanzleiter, aaO).
[12] Die Berufung der Klägerin auf die Formnichtigkeit ist daher nicht bereits deswegen treuwidrig, weil sie ihre fehlgeschlagene Erwartung hinsichtlich einer bestimmten Bebaubarkeit des Grundstücks und die damit einhergehende Finanzierungsmöglichkeit zum Anlaß genommen hat, sich von dem formungültigen Vertrag loszusagen. Diese Gründe sind zwar der Sphäre der Klägerin zuzuordnen. Das Berufen auf einen in eigener Sphäre liegenden Umstand rechtfertigt aber für sich allein nicht die Annahme der Treuwidrigkeit. Diese kann sich nur aus besonderen zusätzlichen Umständen ergeben (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 692; BGB-RGRK/Heimann-Trosien, aaO; Kanzleiter, aaO; Singer, aaO).
[13] In dem vom Berufungsgericht herangezogenen Urteil des Senats vom 26. Oktober 1979, V ZR 88/77, NJW 1980, 451 waren solche besonderen Umstände gegeben. Dort hatte die Käuferin die Nichtigkeit des Vertrages erst geltend gemacht, nachdem durch die von ihr veranlaßten Umbauarbeiten erhebliche Schäden am Haus entstanden waren und sie den Vertrag deshalb – unter dem Vorwand der Formnichtigkeit – zum Scheitern brachte, weil ihr das Grundstück nunmehr wertlos erschien.
[14] Vergleichbare Umstände hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall nicht festgestellt. Sie sind dem Vorbringen des Beklagten auch nicht zu entnehmen. Die Klägerin hatte das Grundstück zu keinem Zeitpunkt in Besitz. Einwirkungsmöglichkeiten, die etwa zu einer Wertminderung des Grundstücks hätten führen können, bestanden für sie nicht. Auch hat die Klägerin die Herbeiführung der Bebaubarkeit des Grundstücks nicht treuwidrig vereitelt, sondern sich darum nach Vertragsschluß, wenn auch vergeblich, bemüht. Ob die Klägerin sich im Vorfeld der Vertragsvereinbarungen um die Bebaubarkeit nicht ausreichend gekümmert hat, ist für die Frage einer treuwidrigen Lossagung von der gemeinsamen Zweckerwartung der Parteien ohne Bedeutung.
[15] III. Der Rechtsstreit ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil dieses bisher lediglich den Vortrag der Klägerin zu den Umständen des Vertragsschlusses unterstellt, eigene Feststellungen hierzu aber nicht getroffen hat.