Schmerzensgeld bei psychischen Gesundheitsschäden, hier: Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde

BVerfG, Mitteilung vom 25. 5. 2000 – 71/00 (lexetius.com/2000,4214)

[1] In dem Verfahren ging es um die Höhe des Schmerzensgeldes für Eltern, die 1986 durch einen Autounfall ihre drei Kinder im Alter zwischen 17 und 21 Jahren verloren haben. Den Unfall hatte ein alkoholisierter Autofahrer verschuldet, der mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 km/h unter Missachtung eines Stop-Schildes auf eine bevorrechtigte Straße gefahren war. Die Gerichte sprachen den Beschwerdeführern für schwerwiegende physische und psychische Folgen insgesamt 110.000 DM Schmerzensgeld zu. Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer (Bf) Verfassungsbeschwerde (Vb) und rügten u. a. die Verletzung des Gleichheitsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG). Es bestehe zum einen ein krasses Missverhältnis zwischen der gewährten Entschädigung und der Höhe des Schmerzensgeldes, das bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährt werde. So habe beispielsweise eine deutsche Illustrierte für ein erfundenes Interview an Caroline von Monaco ein Schmerzensgeld in Höhe von 180.000 DM zahlen müssen. Ein krasses Missverhältnis bestehe auch gegenüber rein körperlichen Verletzungen. So würden bei Querschnittslähmungen Schmerzensgelder in Höhe von etwa 400.000 DM zugebilligt.
[2] Die Kammer hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen und führt u. a. aus: 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Festsetzung von Schmerzensgeldern bei psychischen oder physischen Schäden rechtlich anders zu behandeln als die Festsetzung einer Entschädigung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Die Entscheidung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung soll nicht nur dem Ausgleich des entstandenen Schadens dienen, sondern zugleich präventive Zwecke erfüllen. Von der Höhe der Entschädigung soll nämlich ein echter Hemmeffekt für eine rücksichtslose Vermarktung der Persönlichkeit ausgehen, wenn ein Presseunternehmen unter vorsätzlichem Rechtsbruch die Verletzung der Persönlichkeit als Mittel zur Auflagensteigerung und damit zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt hat. Dies kann zu einer deutlichen Erhöhung der Entschädigung führen und zwar umso eher, je stärker das Interesse an der rechtswidrigen Vermarktung der Persönlichkeit ist. Demgegenüber ist die Festsetzung der Höhe von Schmerzensgeldern nicht durch solche präventiven Überlegungen geprägt. In den Körperverletzungs oder Schockschadensfällen im Zusammenhang mit der Haftung für Verkehrsunfälle spielt der Gedanke der Gewinnerzielungsabsicht naturgemäß keine Rolle. Auch ist im Regelfall nicht zu erwarten, dass von einer entsprechenden Erhöhung des Schmerzensgeldes ein potentieller Unfallverursacher veranlasst wird, die Sorgfaltsanforderungen im Straßenverkehr besser einzuhalten.
[3] Die sachlichen Unterschiede zwischen der Entschädigung einerseits und dem Schmerzensgeld andererseits die in den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen angelegt sind und in der abweichenden Terminologie berücksichtigt werden sind aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Ob und wenn ja in welcher Form der Gesetzgeber das von den Beschwerdeführern beanstandete Missverhältnis beseitigen könnte, musste in der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde offen bleiben.
[4] 2. Auch eine grundsätzliche Geringschätzung der von den Bf erlittenen Beschwerden gegenüber rein körperlichen Schäden lässt sich den gerichtlichen Entscheidungen jedenfalls im Ergebnis nicht entnehmen. Vielmehr haben diese sich nicht an die bisher im Zusammenhang mit Schockschäden zugebilligten relativ niedrigen Schmerzensgelder gebunden gesehen, die sich im Zeitpunkt ihrer Entscheidung in einem Bereich zwischen 3.000 DM und 10.000 DM beliefen. Die Gerichte haben im Falle der Bf deutlich höhere Schmerzensgelder (nämlich 110. 000, – DM) für angemessen erachtet und dies ausdrücklich mit der besonderen Situation und der Schwere der von ihnen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erlittenen Schmerzen begründet. Ob es den Fachgerichten nach einfachem Gesetzesrecht möglich gewesen wäre, ein höheres Schmerzensgeld zuzusprechen, unterliegt nicht der Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts.
BVerfG, Beschluss vom 8. 3. 2000 – 1 BvR 1127/96