Bundesverwaltungsgericht
Gebührenrecht
Einkaufszentrum; Verkaufsstätte; Baugenehmigungsgebühr; Rohbauwert; Gleichbehandlungsgrundsatz
GG Art. 3; ThürBauGVO § 3 Abs. 1
Die Anwendung des § 3 Abs. 1 der Thüringer Baugebührenverordnung (ThürBauGVO), wonach sich die Baugenehmigungsgebühr u. a. bei mehrgeschossigen Verkaufsstätten nach einem pauschalierten Rohbauwert bemißt, verstößt auch dann nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn im Einzelfall feststeht, daß die tatsächlichen Rohbaukosten erheblich niedriger liegen.

BVerwG, Beschluss vom 18. 4. 2000 – 11 B 20.00; OVG Thüringen; VG Meiningen (lexetius.com/2000,766)

[1] In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 18. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und Vallendar beschlossen:
[2] Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 29. September 1999 wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 367 995 DM festgesetzt.
[3] Gründe: Die Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu.
[4] Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Frage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
[5] Die von der Beschwerde formulierte Frage, "ob auf Einkaufszentren der streitgegenständlichen Art die pauschalierten, fiktiven Rohbauwerte anhand Anlage 2 zur BauGVO, insbesondere dem Terminus der Verkaufsstätten anzuwenden oder jedoch der Baugenehmigungsgebühr der tatsächliche Rohbauwert auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 und 3 BauGVO zugrundezulegen ist," ist in ihrem landesrechtlichen Ausgangspunkt in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Soweit die genannte Frage von der Beschwerde unter einem bundesrechtlichen Gesichtspunkt nämlich dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) aufgeworfen wird, ist sie nicht klärungsbedürftig.
[6] Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits entschieden, daß es dem Gebührengesetzgeber nicht gestattet ist, ungleiche Sachverhalte in einer Gebührenklasse gleichmachend zusammenzufassen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 13. November 1996 BVerwG 8 B 212.96 ZKF 1997, 230 [231]). Allerdings ist er bei der Bestimmung der Merkmale, nach denen Sachverhalte als im wesentlichen gleich anzusehen sind, innerhalb der Grenzen der Sachgerechtigkeit frei. Seine Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo ein einleuchtender Grund für eine unterlassene Differenzierung nicht mehr erkennbar ist (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988 BVerwG 7 C 5.87 Buchholz 407. 4 § 8 FStrG Nr. 20, S. 8). Ob gebührenrechtliche Pauschalierungen und Typisierungen diesen Anforderungen genügen, ist eine nicht grundsätzlich bedeutsame Frage des Einzelfalls.
[7] Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß danach die Zusammenfassung der mehrgeschossigen Verkaufsstellen in einem Gebührentatbestand, wie sie § 3 Abs. 1 (i. V. m. Nr. 16 der Anlage 2) der Thüringer Baugebührenverordnung (ThürBauGVO) vorsieht, einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG beinhaltet. Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht zunächst darauf hingewiesen, daß die Anknüpfung der Baugenehmigungsgebühr an einen pauschalierten ("fiktiven") Rohbauwert lediglich einen "Ersatzmaßstab" darstellt, der an die Stelle des an sich zugrunde zu legenden Wertes des Gegenstandes tritt (UA S. 18 f.). Die Verknüpfung zwischen dem Wert der staatlichen Leistung und der Gebührenhöhe ist damit von vornherein gelockert, ohne daß dies aus bundesrechtlicher Sicht Bedenken begegnet (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2000 BVerwG 11 C 5.99 UA S. 20). Von daher gesehen ist es von untergeordneter Bedeutung, wenn es unstreitig Verkaufsstätten gibt, deren tatsächlicher Rohbauwert erheblich unter dem pauschalierten Rohbauwert liegt. Denn die Unterschreitung des pauschalierten Rohbauwertes sagt unmittelbar nichts darüber aus, daß die erteilte Baugenehmigung für den Träger des Vorhabens einen entsprechend geringeren Wert hat. Das Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang außerdem zu Recht darauf hingewiesen, es werde sich ebensowenig vermeiden lassen, daß Fälle auftreten, in denen der pauschalierte Rohbauwert unter den tatsächlichen Rohbaukosten liegen wird (UA S. 25). Bundesrechtlich ist somit nichts dagegen zu erinnern, wenn das Oberverwaltungsgericht unter diesen Umständen in der Abweichung zwischen den tatsächlichen und den "fiktiven" Rohbaukosten keinen zwingenden Grund für eine unterschiedliche Gebührenbemessung gesehen hat. Gegen eine solche Differenzierung läßt sich vielmehr mit dem Oberverwaltungsgericht (UA S. 26) anführen, daß "dies zu einer dem Zweck der Pauschalierung zuwiderlaufenden Kompliziertheit der Bauwerkstypen … führen" würde. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist seit jeher anerkannt, daß es nicht willkürlich ist, wenn im Rahmen der durch das Äquivalenzprinzip gezogenen Grenzen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung auf eine weiter differenzierende Gebührenregelung verzichtet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1967 BVerwG 4 C 179.65 BVerwGE 26, 305 [313]).
[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.