Bundesgerichtshof
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2
a) Die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung einer Marke auch dann entgegen, wenn das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einen weiten Waren- oder Dienstleistungsoberbegriff enthält, für den zwar weder das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft der Marke noch ein Freihaltungsbedürfnis als Sachangabe i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG feststellbar ist, dem jedoch auch Waren oder Dienstleistungen unterfallen, für den diese Voraussetzungen gegeben sind.
b) Zur Frage eines Freihaltungsbedürfnisses an der Buchstabenfolge "AC" bezüglich der Waren "Vitaminpräparate".

BGH, Beschluss vom 5. 7. 2001 – I ZB 8/99 – "AC"; Bundespatentgericht (lexetius.com/2001,1831)

[1] Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Prof. Dr. Bornkamm und Pokrant beschlossen:
[2] Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des 25. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 29. Dezember 1998 aufgehoben.
[3] Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
[4] Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000 DM festgesetzt.
[5] Gründe: I. Mit ihrer am 28. Januar 1993 beim Deutschen Patentamt eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung des Zeichens "AC" für "Pharmazeutische Produkte" in das Markenregister.
[6] Die zuständige Prüfungsstelle hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen des Vorliegens eines Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen.
[7] Die hiergegen erhobene Beschwerde ist erfolglos geblieben (BPatG GRUR 1999, 743).
[8] Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.
[9] II. Das Bundespatentgericht hat ein ernsthaftes Freihaltungsbedürfnis an dem angemeldeten Zeichen für gegeben erachtet und ihm auch jede Unterscheidungskraft abgesprochen. Dazu hat es ausgeführt:
[10] In Bezug auf pharmazeutische Produkte spreche schon vieles dafür, daß das angemeldete Zeichen ausschließlich aus Angaben bestehe, die zur Bezeichnung der Art oder Beschaffenheit der Waren dienen könnten und bei denen ein berechtigtes Interesse der Mitbewerber an einer durch Markenrechte Dritter ungehinderten beschreibenden Verwendung auch in hervorgehobener Form anzunehmen sei. Die Prüfungsstelle habe festgestellt, daß die Buchstabenfolge "AC" als Abkürzung von Fachbegriffen oder Substanzbezeichnungen, wie Azetylcholin, adrenal cortex, anterior chamber, arythmie complÜte, axiozervikal, Amniozentese, Antikoagulantien, antiinflammatory corticosteroid, Adriamycin + Cyclophosphamid und Ampicillin verwendet werde. Die Aufzählung lasse sich noch fortsetzen, weil "AC" auch für Acidum, Actinium und ante cenam/ante cibos stehe. Es könne allerdings offenbleiben, ob aus der lexikalischen Lage bereits zwingend das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG folge.
[11] Die als Marke angemeldeten Buchstaben hätten im einschlägigen pharmazeutischen Bereich, wie Verwendungsbeispiele aus der Werbung und von Warenverpackungen zeigten, vor allem eine Bedeutung als Benennung der Vitamine A und C. Das gelte nicht nur für diese Vitamine, sondern auch für B, D und E, die ebenso in Alleinstellung und in verschiedenen Kombinationen mit Großbuchstaben, insbesondere auch durch Plazierung, Größenverhältnisse und Farbgestaltung in hervorgehobener Form wie Marken verwendet würden. Angesichts dieser Praxis könne nicht damit gerechnet werden, daß der warenbeschreibende Charakter der angemeldeten Buchstabengruppe zurücktrete und der Verkehr diese als Phantasiewort auffasse und wie "Ak" ausspreche.
[12] Der warenbeschreibende Charakter der angemeldeten Buchstaben trete auch nicht deshalb in den Hintergrund, weil sie auch als Abkürzung für andere Fachausdrücke stehen könnten. Zwar könne die Mehrdeutigkeit eines Zeichens ein Indiz für das Fehlen eines Freihaltungsbedürfnisses sein. Ein für spezielle Waren – hier Vitaminpräparate – konkret bestehendes Freihaltungsbedürfnis dürfe nicht dadurch umgangen werden, daß das Zeichen für einen weiten Oberbegriff – hier pharmazeutische Produkte – angemeldet werde und dadurch eine Mehrdeutigkeit erhalte, die aber bei der Benutzung für Vitaminpräparate wegen der dann allein naheliegenden Bedeutung ganz in den Hintergrund trete.
[13] Trotz des Hinweises der Anmelderin auf die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG bleibe die Eintragungsfähigkeit der Buchstabenfolge zweifelhaft, weil diese Vorschrift ganz auf den Verletzungsfall zugeschnitten sei und deshalb im Eintragungsverfahren ebensowenig Berücksichtigung finden könne, wie es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Widerspruchsverfahren der Fall sei.
[14] Der angemeldeten Marke fehle auch die Unterscheidungskraft, weil Fachleute, auf deren Auffassung es im Streitfall maßgeblich ankomme, in der Buchstabenfolge "AC" bei der Verwendung für Vitaminpräparate, die angesichts der weiten Fassung des Warenverzeichnisses mitberücksichtigt werden müßten, in erster Linie die Buchstabensymbole für bestimmte Vitamine sehen würden. Da Vitaminpräparate zu einem typischen Selbstmedikationsbereich gehörten, seien die im Vertrieb befindlichen Aufmachungen und Werbeformen aber auch Endverbrauchern weitgehend bekannt. Bei diesen werde ein Verständnis der angemeldeten Buchstabenfolge im Sinne eines Vitaminhinweises zudem wegen geringerer Kenntnisse der sonstigen Fachbegriffe im Vordergrund stehen.
[15] III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Beurteilung des Bundespatentgerichts, der angemeldeten Marke stehe das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen und ihr fehle jede Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), hält auf der Grundlage der bislang festgestellten Tatsachen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[16] 1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Bei der dahingehenden Prüfung sind allein die mit der Anmeldung in Anspruch genommenen Waren zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschl. v. 3. 6. 1977 – I ZB 8/76, GRUR 1977, 717, 718 = WRP 1977, 578 – Cokies; Beschl. v. 22. 3. 1990 – I ZB 2/89, GRUR 1990, 517, 518 – SMARTWARE; Beschl. v. 13. 3. 1997 – I ZB 4/95, GRUR 1997, 634, 635 = WRP 1997, 758 – Turbo II; Beschl. v. 18. 3. 1999 – I ZB 27/96, GRUR 1999, 988, 989 = WRP 1999, 1038 – HOUSE OF BLUES).
[17] Das Bundespatentgericht ist davon ausgegangen, daß es im Streitfall, in dem die Anmelderin einen weiten Warenoberbegriff für ihre Marke in Anspruch nimmt, für die Annahme eines die begehrte Eintragung hindernden Freihaltungsbedürfnisses ausreichen würde, wenn die angemeldete Marke für einzelne unter den Oberbegriff fallende Waren, hier Vitaminpräparate, eine Beschaffenheitsangabe im Sinne der vorgenannten Bestimmung wäre. Das kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden.
[18] Auch diese speziellen unter den im Warenverzeichnis enthaltenen Oberbegriff fallenden Waren werden nämlich von der Anmelderin für ihre Marke in Anspruch genommen. Im Hinblick darauf, daß es dem Markeninhaber – wenn auch möglicherweise mit der Folge, daß die Marke später teilweise verfällt – freisteht, eine eingetragene Marke für nur einen Teil der Waren des Warenverzeichnisses zu benutzen, darf die Prüfung der Eintragungsfähigkeit nicht bei der Zugrundelegung des Warenoberbegriffs stehenbleiben. Bei einer derartigen (eingeschränkten) Prüfung wäre es, wie das Bundespatentgericht zutreffend ausgeführt hat, einem Markenanmelder möglich, einerseits eine Eintragung zu erreichen, weil ein beschreibender Begriffsinhalt der Marke für den Oberbegriff als solchen nicht nachgewiesen werden könnte, andererseits die Marke dann aber für eine spezielle, unter den Oberbegriff fallende Ware zu benutzen, für die diese beschreibend ist und deshalb dem in Rede stehenden Eintragungshindernis unterfiele. Ebenso wie eine Markenlöschung wegen Nichtigkeit nach § 50 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG nicht nur teilweise, sondern im ganzen Umfang der Eintragung anzuordnen ist, wenn sie auch nur für eine spezielle unter den eingetragenen Oberbegriff fallende Ware eine beschreibende Sachangabe i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist (BGH GRUR 1997, 634, 635 – Turbo II), kommt deshalb im Streitfall, sofern, was noch zu erörtern sein wird, ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG auch nur für Vitaminpräparate gegeben ist, die Eintragung mit dem weitgefaßten Oberbegriff nicht in Betracht.
[19] Das Bundespatentgericht hat von diesem Ausgangspunkt in nicht zu beanstandender Weise – von der Rechtsbeschwerde im einzelnen auch nicht angegriffen – festgestellt, daß Vitaminpräparate unter den in Anspruch genommenen Warenoberbegriff "Pharmazeutische Produkte" fallen, so daß auch sie der Prüfung auf absolute Schutzhindernisse zugrunde gelegt werden müssen.
[20] Es hat des weiteren festgestellt, daß u. a. die Großbuchstaben A und C, aus denen die angemeldete Marke ausschließlich besteht, in entsprechendem Zusammenhang die bestimmten Vitamine A und C bezeichneten, wie nicht nur den Fachkreisen, sondern auch den Endverbrauchern angesichts der entsprechenden Verwendung auf Verkaufsverpackungen und in der Werbung bekannt sei. Auch hiergegen ist – anders als es die Rechtsbeschwerde sieht – aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
[21] Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde aber gegen die weitere Annahme des Bundespatentgerichts, mit diesen Feststellungen sei die – für Vitaminpräparate – beschreibende Bedeutung der angemeldeten Marke belegt. Dem kann nicht beigetreten werden.
[22] Bei seiner Beurteilung hat das Bundespatentgericht vernachlässigt, daß es sich bei der angemeldeten Marke um die Buchstabenkombination "AC" handelt, nicht um die einzelnen Buchstaben "A" und "C", für die allein die zum beschreibenden Inhalt im Zusammenhang mit Vitaminpräparaten getroffenen Feststellungen gelten. Es ist insbesondere auch aus den vom Bundespatentgericht in das Verfahren eingeführten Verwendungsbeispielen nicht zu entnehmen, daß die angemeldete Buchstabenkombination als solche im Sinne der Angabe bestimmter Vitamine verwendet wird. In der Art der angemeldeten Marke eng nebeneinander gestellte Kombinationen von zwei der für die Bezeichnung von Vitaminen verwendeten Buchstaben sind aus den Beispielen nicht ersichtlich. In deren Mehrzahl ist neben den reinen Buchstaben ein ausdrücklicher Hinweis auf Vitamine enthalten. Ein einziges Beispiel (GA 43) zeigt eine Dreierkombination von eng nebeneinander gestellten Buchstaben ("ACE"), die allenfalls als beschreibender Hinweis auf Vitamine verstanden werden kann. Bei allen anderen Beispielen sind Verbindungszeichen in der Art von Gedankenstrichen oder dem Pluszeichen verwendet oder die Buchstaben sind untereinander gestellt, so daß der Verkehr gerade aufgrund dieser besonderen Anordnungen auf die beschreibende Verwendung der Buchstaben für die entsprechenden Vitamine hingewiesen wird. Bei der Bezeichnung "Karibik ACE" für ein Orangen-Karotten-Getränk (GA 41) und der Bezeichnung "Wassen Selenium-ACE (r)" (GA 45) für Vitamin-Selenhefe-Tabletten ist die Buchstabenkombination ACE eher kennzeichnend als beschreibend verwendet. Bei der danach auf der Grundlage der getroffenen tatsächlichen Feststellungen vorzunehmenden Beurteilung ist es erfahrungswidrig, davon auszugehen, daß der Verkehr in der angemeldeten Buchstabenkombination "AC" den Hinweis auf die Vitamine A und C sehen wird, zumal auch der Verkehr derartige ihm wie eine Marke entgegentretende Bezeichnungen keiner analysierenden, möglichen beschreibenden Begriffsinhalten nachgehenden Betrachtung unterwirft (vgl. BGH, Beschl. v. 25. 3. 1999 – I ZB 32/96, GRUR 1999, 735, 736 = WRP 1999, 855 – MONOFLAM/POLYFLAM, m. w. N.).
[23] Die bei den Akten befindlichen Verwendungsbeispiele zeigen im übrigen, daß Pharmaunternehmen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung stehen, ihre Vitaminpräparate als solche zu kennzeichnen, ohne auf die Buchstabenkombination "AC" in der angemeldeten Art angewiesen zu sein, zumal auch eine auf die Zusammensetzung der Vitamine A und C beschränkte Verwendung von Vitaminpräparaten nicht einmal belegt ist.
[24] 2. Das Bundespatentgericht hat die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verneint. Auch diese Beurteilung ist auf der Tatsachengrundlage nicht frei von Rechtsfehlern.
[25] Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschl. v. 21. 9. 2000 – I ZB 35/98, GRUR 2001, 240, 241 = WRP 2001, 157 – SWISS ARMY; Beschl. v. 23. 11. 2000 – I ZB 34/98, GRUR 2001, 735, 736 = WRP 2001, 692 – Test it., je m. w. N.). Kann einer Marke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß ihr die erforderliche Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 2001, 735, 736 – Test it., m. w. N.). So liegt der Fall hier, weil auf der Grundlage der bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Bundespatentgerichts, wie schon zuvor zu Ziffer 1 ausgeführt, kein Anhalt dafür gegeben ist, daß der Verkehr die Marke "AC" im Sinne einer beschreibenden Angabe versteht.
[26] IV. Danach war auf die Rechtsbeschwerde der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen. Dieses wird gegebenenfalls auch die Vorschrift des § 156 Abs. 1 MarkenG heranzuziehen haben.