Bundesgerichtshof
BGB §§ 139, 133, 157; FamGB/DDR §§ 13, 39
Der Anteil an einer nicht auseinandergesetzten fortgesetzten ehelichen Vermögensgemeinschaft nach FamGB/DDR ist nicht übertragbar. Dagegen kann der Anspruch auf das künftige Auseinandersetzungsguthaben abgetreten werden.

BGH, Urteil vom 19. 6. 2002 – IV ZR 270/00; Kammergericht (lexetius.com/2002,1016)

[1] Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Ambrosius, den Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2002 für Recht erkannt:
[2] Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 4. September 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil des Beklagten ergangen ist.
[3] Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 36 des Landgerichts Berlin vom 17. August 1999 teilweise geändert.
[4] Die Klage wird – unter Aufhebung des landgerichtlichen Versäumnis-Teilurteils vom 15. Januar 1999 auch insoweit – insgesamt abgewiesen.
[5] Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
[6] Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
[7] Tatbestand: Die Klägerin verlangt von dem Beklagten einen Betrag in Höhe von 400.000 DM, den sie in Erfüllung eines "Anteilsübertragungs- und Erbteilskaufvertrags" an ihn gezahlt hat.
[8] Die an die Klägerin übertragenen Rechte stammten ursprünglich von B. K. Diese hatte mit H. K. in ehelicher Vermögensgemeinschaft nach dem Familiengesetzbuch der DDR (FamGB) gelebt, die im wesentlichen ein Grundstück in B.-W. umfaßte. H. K. verstarb am 18. Februar 1989. Er wurde von seiner Ehefrau und seiner Tochter, C. Ho., zu gleichen Teilen beerbt. B. K. veräußerte gemäß notariellen Urkunden vom 27. Februar 1992 ihren hälftigen Erbteil und ihren "Miteigentumsanteil" an dem Grundstück an den Beklagten. Mit notarieller Urkunde vom 2. Dezember 1993 trat sie ihren Erbteilsanspruch und ihren "Anspruch aus der Vermögensgemeinschaft [mit] meinem verstorbenen Ehemann" an den Beklagten ab. Die Abtretung nahm der Beklagte mit notarieller Urkunde vom 2. März 1995 an. An dem Beurkundungstermin nahm auch B. K. teil, die sich auf ihr vorangegangenes Angebot bezog. Beide Parteien erklärten nachfolgend:
[9] "Wir sind uns darin einig, daß der hälftige Anteil der Erschienenen zu 1) an der Vermögensgemeinschaft mit ihrem verstorbenen Ehemann und der 1/2-Erbanteil an seinem Nachlaß mit sofortiger dinglicher Wirkung auf den Erschienenen zu 2) übergeht."
[10] Mit notariellen Urkunden vom 17. Januar 1995, 4. Mai 1995 und 13. Juni 1995 übertrug C. Ho. gegen Zahlung von 100.000 DM der Klägerin ihren hälftigen Anteil an der Vermögensgemeinschaft mit dem verstorbenen H. K. und ihren 1/2 Erbanteil an seinem Nachlaß. Am 10. Mai 1995 ließen die Klägerin und der Beklagte den streitbefangenen "Anteilsübertragungs- und Erbteilskaufvertrag" beurkunden unter Bezugnahme auf den notariellen Vertrag vom 2. Dezember 1993/2. März 1995 zwischen dem Beklagten und B. K. B. K. verstarb im Dezember 1996 und wurde von ihrer Stieftochter C. Ho. testamentarisch beerbt. Am 28. Juli 1998 schlossen C. Ho. und die Klägerin eine notarielle Auseinandersetzungsvereinbarung, in der es heißt:
[11] "Frau C. Ho. und Frau G. L. sind sich über die Auflösung der unter den Erben der Eheleute H. und B. K. fortgesetzten ehelichen Vermögensgemeinschaft einig, setzen sich hiermit auseinander und beenden die Vermögensgemeinschaft."
[12] Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung von 141.000 DM an C. Ho. zur Abgeltung ihrer Anteile an der fortgesetzten Vermögensgemeinschaft und dem Nachlaß, sowie dazu, sie von "Ansprüchen Dritter im Zusammenhang mit der Erbschaft und der beendeten Vermögensgemeinschaft" freizustellen. Den Freistellungsanspruch trat C. Ho. später an den Beklagten ab. Die Klägerin wurde am 23. August 1999 als Alleineigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
[13] Sie hält den mit dem Beklagten geschlossenen Vertrag für nichtig. Sie hat neben der Herausgabe des erlangten Kaufpreises Schadensersatz in Höhe von 20.000 DM begehrt, da sie das Grundstück weiterveräußert habe und ihrerseits Ansprüchen des Erwerbers ausgesetzt sei. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 400.000 DM verurteilt, die Schadensersatzklage hingegen abgewiesen. Die Berufung des Beklagten hatte teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat eine Verpflichtung zur Rückzahlung in Höhe von 266.666,67 DM bejaht und die in zweiter Instanz hilfsweise erklärte Aufrechnung mit den von C. Ho. an den Beklagten abgetretenen Ansprüchen in Höhe von 96.666,67 DM durchgreifen lassen. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte eine Abweisung des gesamten Klaganspruchs.
[14] Entscheidungsgründe: Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt unter teilweiser Aufhebung der angegriffenen Entscheidung zur vollständigen Klagabweisung. Hierüber war durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund sachlicher Prüfung zu entscheiden (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
[15] I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der zwischen den Parteien am 10. Mai 1995 geschlossene Vertrag gemäß § 306 BGB nichtig, soweit er den Anteil an der ehelichen Vermögensgemeinschaft betrifft. Die objektive Unmöglichkeit beruhe darauf, daß ein solcher Anteil nicht abgetreten werden könne, solange eine Auseinandersetzung der Gemeinschaft nicht erfolgt sei. Der Beklagte habe bereits von B. K. aus diesem Grunde keine Rechte erwerben können, so daß er nicht in der Lage gewesen sei, diese an die Klägerin weiterzugeben. Die Nichtigkeit erfasse indes nicht den Vertrag in seiner Gesamtheit. Es sei im Rahmen des § 139 BGB davon auszugehen, daß der Vertrag bezüglich des Nachlaßanteils, der habe übertragen werden können, auch ohne den Anteil an der Vermögensgemeinschaft geschlossen worden wäre. Der Klägerin sei daran gelegen gewesen, neben dem Eigentumsanteil von C. Ho. auch den weiteren Miteigentumsanteil zu erwerben, um das gesamte Grundstück an Dritte weiterveräußern zu können. Ihr sei es darum gegangen, die Rechte dort zu erwerben, wo sie sich tatsächlich befunden hätten. Der auf den unwirksamen Teil des Vertrages entfallene Kaufpreis betrage 2/3 von 400.000 DM. Die sich daraus ergebene Bereicherungsforderung in Höhe von 266.666,67 DM sei in Höhe von 96.666,97 DM durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung erloschen. Der Beklagte habe gegen C. Ho. als Erbin der B. K. einen Anspruch auf teilweise Rückzahlung des an diese geleisteten Kaufpreises. C. Ho. habe insoweit einen Freistellungsanspruch gegen die Klägerin gehabt, diesen aber an den Beklagten abgetreten, so daß sich in dessen Person der Freistellungsanspruch in einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen die Klägerin gewandelt habe.
[16] II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
[17] 1. Im Ausgangspunkt richtig ist, daß eine Verfügung über den Anteil an einer beendeten, aber noch nicht auseinandergesetzten ehelichen Vermögensgemeinschaft unwirksam ist.
[18] a) Die Eheleute H. und B. K. lebten in der früheren DDR im gesetzlichen Güterstand gemäß §§ 13, 39 FamGB. Da H. K. vor dem Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 verstorben ist, bleibt für die Auseinandersetzung des gemeinschaftlichen Eigentums und Vermögens der Ehegatten das vormalige Recht maßgebend (vgl. MünchKomm/Gernhuber, Art. 234 §§ 4, 4a EGBGB Rdn. 32 a. E. BGH, Urteil vom 18. März 1992 – XII ZR 15/91FamRZ 1992, 923 unter 1 für die Beendigung durch Scheidung). Auf dieser Grundlage ist die eheliche Vermögensgemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft einzuordnen (BGHZ 141, 307, 310). Ihre Auseinandersetzung ist nach dem Tode des H. K. zunächst unterblieben. Sie wurde statt dessen zwischen seinen Erben, B. K. und C. Ho., zur einen Hälfte und dem überlebenden Ehegatten, B. K., zur anderen Hälfte fortgesetzt.
[19] b) Vor erfolgter Auseinandersetzung ist der Anteil an einer Gesamthandsgemeinschaft nicht übertragbar (BGH, Urteil vom 10. Mai 1966 – V ZR 174/63 – LM BGB § 1487 Nr. 1 unter 1; Erman/Heckelmann, BGB 10. Aufl. § 1419 Rdn. 2; Staudinger/Thiele, BGB 13. Bearb. [2000] § 1419 Rdn. 11, 14; MünchKomm/Kanzleiter, BGB 3. Aufl. § 1419 Rdn. 2, 3). Davon ist kraft gesetzlicher Anordnung (§ 2033 BGB) nur die Verfügung des Mitglieds einer Erbengemeinschaft über seinen Anteil am Nachlaß ausgenommen. Selbst eine auf den Nachlaßgegenstand – wie hier auf den in den Nachlaß fallenden Anteil an der ehelichen Vermögensgemeinschaft – bezogene Verfügungsbeschränkung steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 10. Mai 1966, aaO; Staudinger/Werner, 13. Bearb. [1995] § 2033 BGB Rdn. 9). B. K. hatte daher bei Abschluß des notariellen Vertrages mit dem Beklagten am 2. März 1995 ein Verfügungsrecht über ihren Erbteil, nicht hingegen über ihren außerhalb der Erbengemeinschaft stehenden Anteil an der ehelichen Vermögensgemeinschaft.
[20] 2. Das Berufungsgericht hat indes nicht beachtet, daß die Vereinbarung zwischen B. K. und dem Beklagten nicht den mit einer Verfügungsbeschränkung belegten Anteil an der ehelichen Vermögensgemeinschaft zum Gegenstand hatte, sondern lediglich ihren aus der Auseinandersetzung der Gemeinschaft folgenden Anspruch. Das ergibt eine Auslegung der Vereinbarung vom 2. Dezember 1993/2. März 1995. Da das Berufungsgericht eine Interpretation der beiden notariellen Urkunden unterlassen hat, konnte der Senat sie selbst vornehmen (BGH, Urteil vom 3. April 2000 – II ZR 194/98NJW 2000, 2099 unter I 2 c).
[21] Der Anspruch eines an einer Gesamthandsgemeinschaft Beteiligten auf das, was sich für ihn bei der Auseinandersetzung ergeben wird, kann abgetreten werden. Gegen die Zulässigkeit einer solchen Verfügung bestehen keine rechtlichen Bedenken, da sie eine künftige Forderung zum Gegenstand hat, welche den Abschluß der Auseinandersetzung voraussetzt (BGH, Urteil vom 10. Mai 1966, aaO unter 2.; Staudinger/Thiele, aaO Rdn. 12; MünchKomm/Kanzleiter, aaO). Bereits nach dem Wortlaut der Urkunde vom 2. Dezember 1993 hat B. K. darin nicht über ihren Anteil an der ehelichen Vermögensgemeinschaft verfügen wollen, sondern ausdrücklich nur über ihren Anspruch aus der – schon beendeten, aber noch auseinanderzusetzenden – Vermögensgemeinschaft. Auf dieses, eingangs der Urkunde vom 2. März 1995 in Bezug genommene Angebot zielt die Annahme des Beklagten. Die daran anschließende Erklärung der Parteien, sie seien darüber einig, daß der hälftige Anteil an der Vermögensgemeinschaft mit sofortiger dinglicher Wirkung übergehe, hat demgegenüber keine eigenständige Bedeutung. Denn der dingliche, auf das spätere Auseinandersetzungsguthaben bezogene Erwerbstatbestand war bereits durch die vorangegangene Annahme des Beklagten abgeschlossen.
[22] 3. Dieser Umstand hat Auswirkungen auf den zwischen den Parteien am 10. Mai 1995 geschlossenen Vertrag.
[23] a) Zwar ist im Verhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin neben der Übertragung des Erbteils auch die des Anteils an der Vermögensgemeinschaft beurkundet. Die Urkunde bezieht sich jedoch auf die vorangegangene notarielle Vereinbarung vom 2. Dezember 1993/2. März 1995. Da sich das Berufungsgericht damit nicht auseinandergesetzt hat, kann auch die Urkunde vom 10. Mai 1995 vom Senat eigenständig ausgelegt werden. Die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien ist dahingehend aufzufassen, daß der Beklagte der Klägerin mit deren Einverständnis das an Rechten übertragen wollte, was er zuvor von B. K. erhalten hatte. Für dieses Verständnis spricht die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die Rechte dort erwerben wollen, wo sie sich tatsächlich befunden hätten, also im Zweifel das, was beim Beklagten an Rechten vorhanden war, ebenso wie der Beklagte im Zweifel nur das veräußern wollte, was ihm seinerseits an Rechten zuvor von B. K. übertragen worden war.
[24] b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Kaufvertrag daher nicht teilweise unwirksam. Er ist, auch soweit es um den Anspruch aus der fortgesetzten ehelichen Vermögensgemeinschaft geht, auf die Übertragung der Rechte gerichtet, die der Beklagte am 10. Mai 1995 innehatte. Das verpflichtende Geschäft wäre nur dann nichtig gewesen, wenn es eine Verfügung über den Anteil an der ehelichen Vermögensgemeinschaft beinhaltet hätte. Das aber war, wie die Auslegung der Vereinbarung vom 10. Mai 1995 ergibt, gerade nicht der Fall. Ob eine Nichtigkeit, wie vom Berufungsgericht angenommen, auf § 306 BGB (Staudinger/Thiele, aaO Rdn. 14; MünchKomm/Kanzleiter, aaO) oder auf § 134 BGB (BGH, Urteil vom 10. Mai 1966, aaO unter 1; Erman/Heckelmann, aaO) beruht hätte, kann demgemäß dahingestellt bleiben.
[25] c) Eine Verpflichtung des Beklagten, gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Kaufpreisanteil von 266.666,67 DM an die Klägerin zurückzuzahlen, besteht somit nicht. Auf die vom Berufungsgericht erörterte Hilfsaufrechnung kommt es nicht mehr an.