Bundesverwaltungsgericht
Fahrlässige außerdienstliche Trunkenheitsfahrt; vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung und Unfallflucht; Meineid.
SG §§ 7, 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1, § 17 Abs. 2 Satz 1, 2, § 23 Abs. 1; WDO § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 7; StGB §§ 20, 21, 142
1. Der Meineid eines Soldaten ist regelmäßig mit der höchsten gerichtlichen Disziplinarmaßnahme zu ahnden, von der nur ausnahmsweise wegen besonderer Milderungsgründe in der Tat abgesehen werden kann.
2. Eine fahrlässige außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines Soldaten stellt eine nicht leicht zu nehmende Pflichtwidrigkeit dar.
3. Entzieht sich ein Soldat zusätzlich durch vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung und vorsätzliche Unfallflucht der Verantwortung für den von ihm verursachten Schaden, so begeht er ein schwerwiegendes Dienstvergehen, das gewichtige Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit und dienstlichen Zuverlässigkeit hervorruft.

BVerwG, Urteil vom 16. 10. 2002 – 2 WD 23.01; Truppendienstgericht Nord (lexetius.com/2002,3363)

[1] Ein Hauptbootsmann im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten befuhr gegen 4: 00 Uhr morgens mit einem BAK-Wert von 2, 98 o/oo mit einem Kraftfahrzeug öffentliche Straßen, verursachte infolge seiner alkoholbedingten absoluten Fahruntauglichkeit einen nicht unerheblichen Sachschaden und setzte trotz des von ihm bemerkten Unfalls seine Fahrt fort, ohne seiner Feststellungs- und Wartepflicht gemäß § 142 StGB zu entsprechen. Nach dem Ergebnis des von dem Sachverständigen erstatteten Gutachtens bestanden keine Zweifel daran, dass der Soldat zum Tatzeitpunkt – wenn auch erheblich vermindert – schuldfähig war. Bei dem an der Schwelle zur Schuldunfähigkeit liegenden BAK-Wert hatte der Senat aufgrund entsprechender aussagekräftiger Beweisanzeichen von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Soldaten auszugehen.
[2] Des Weiteren wurde der Soldat durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts wegen Meineids zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde, weil er vor dem Amtsgericht – Familiengericht – als Zeuge eidlich der Wahrheit zuwider angegeben hatte, er sei mit Frau H., der Ehefrau eines Kameraden, nur platonisch befreundet gewesen und könne ausschließen, eine Liebesbeziehung mit ihr unterhalten zu haben.
[3] Die 10. Kammer des Truppendienstgerichts Nord fand ihn am 24. Januar 2001 eines Dienstvergehens schuldig und verurteilte ihn zur Herabsetzung in den Dienstgrad eines Bootsmannes; sie stellte ihn zwar von den Tatvorwürfen der Trunkenheitsfahrt und der Unfallflucht frei, würdigte aber den Tatvorwurf des Meineides als vorsätzlichen Verstoß gegen die Pflicht zu außerdienstlichem Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG):
[4] Ferner fand sie ihn in einem weiteren – im Juli 2001 ordnungsgemäß eingeleiteten – gerichtlichen Disziplinarverfahren am 20. März 2002 erneut eines Dienstvergehens schuldig und verurteilte ihn zu einem Beförderungsverbot auf die Dauer von zwölf Monaten. Sie sah den angeschuldigten Sachverhalt aufgrund der von ihr getroffenen Feststellungen als erwiesen an und würdigte das Handeln des Soldaten zu Lasten des Dienstherrn als vorsätzlichen Verstoß gegen die Dienstpflichten gemäß §§ 7, 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, insgesamt als einheitliches Dienstvergehen gemäß § 18 Abs. 2 WDO.
[5] Nach Verbindung der beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hob der Senat am 16. Oktober 2002 auf die Berufungen des Wehrdisziplinaranwalts unter Zurückweisung der Berufung des Soldaten die Kammerurteile auf und entfernte den Soldaten wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienstverhältnis.
[6] Gründe: 1. Dadurch, dass der Soldat gegen 4: 00 Uhr morgens mit einem BAK Wert von 2, 98 o/oo mit einem Kraftfahrzeug öffentliche Straßen befuhr, dabei infolge seiner alkoholbedingten absoluten Fahruntauglichkeit (anzunehmen ab BAK Wert 1, 1 o/oo vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 316 RNr. 6) einen nicht unerheblichen Sachschaden verursachte und trotz des von ihm bemerkten Unfalls seine Fahrt fortsetzte, ohne seiner Feststellungs- bzw. Wartepflicht gemäß § 142 Abs. 1 StGB zu entsprechen, hat er vorsätzlich gegen seine Pflicht zu außerdienstlichem Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) verstoßen. Denn dem Soldaten war aufgrund der zuvor genossenen Alkoholmengen und seiner motorischen Einschränkungen bewusst, dass er nicht mehr fahrtüchtig war. Soweit er sich eingelassen hat, er habe ursprünglich beabsichtigt, mit Freunden heimzufahren, diese aber im entscheidenden Zeitpunkt nicht mehr aufgefunden, belegt diese Erklärung, dass er sich durchaus Gedanken gemacht und seine Bedenken trotz des Wissens um seine mangelnde Fahrtüchtigkeit hintangestellt hat. Die Tatsache, dass der Soldat aus seinem Fahrzeug stieg, um den von ihm verursachten Sachschaden zu betrachten, danach wieder einstieg und weiterfuhr, beweist, dass er die Unfallstelle mit Wissen und Wollen verlassen hat.
[7] Nach dem Ergebnis des von dem Sachverständigen erstatteten Gutachtens bestehen – entgegen der Annahme der Truppendienstkammer – keine Zweifel daran, dass der Soldat zum Tatzeitpunkt – wenn auch erheblich vermindert – schuldfähig war. Seine Alkoholisierung ist zum Tatzeitpunkt mit einem BAK-Wert von 2, 98 o/oo anzunehmen. Nach medizinisch gesicherten Erkenntnissen ist von einem Blutalkoholwert von 2, 00 o/oo an aufwärts eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB und ab 3, 00 o/oo Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB in Betracht zu ziehen (Tröndle/Fischer, a. a. O., § 20 RNr. 9a, 9b, und 9l; Jähnke in: Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., § 20 RNr. 44 jeweils m. w. N.). Außerdem sind noch das Erscheinungsbild und Leistungsverhalten des Betroffenen vor, während und nach der Tat für die Beurteilung der Schuldunfähigkeit von Bedeutung (Tröndle/Fischer, a. a. O., § 20 RNr. 9l m. w. N.). Dieses psychopathologische Bild des Soldaten hat der Sachverständige aufgrund der aus der Akte ableitbaren Kriterien dahingehend beschrieben, dass der Soldat trotz hoher BAK sowohl zur Person als auch zur Situation orientiert war, auf Anforderungen adäquat reagierte, sich auch bei Änderung situativer Bedingungen (vergessene Schlüssel im Pkw) adäquat äußerte und über einen längeren Zeitraum folgerichtiges Verhalten zeigte, ohne Hinweise auf Ausfallerscheinungen, die für die Einschätzung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit besonders relevant sind; da er auch auf Außenreize reagierte, befand er sich nicht in einem alkoholbedingten Berauschungszustand, der eine völlige Aufhebung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zur Folge hatte.
[8] Bei dem an der Schwelle zur Schuldunfähigkeit liegenden BAK Wert des Soldaten hatte der Senat hier aufgrund entsprechender aussagekräftiger Beweisanzeichen von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Soldaten gemäß § 21 StGB auszugehen. Wie der Sachverständige zutreffend dargelegt hat, haben die hohe Alkoholisierung und die Art des Unfalls noch keine durchgreifenden Zweifel an der – erheblich verminderten – Schuldfähigkeit des Soldaten begründet, sondern lediglich Einschränkungen im motorischen Verhalten des Soldaten hervorgerufen, die nicht nur Polizeibeamten aufgefallen, sondern auch im ärztlichen Untersuchungsbefund attestiert sind. (wird ausgeführt)
[9] Diese Einschätzung des Erscheinungs- und Leistungsbildes des Soldaten durch den Sachverständigen entspricht auch der des untersuchenden Arztes, der den Soldaten zwar für "stark", aber nicht für "sehr stark" alkoholisiert oder gar "sinnlos betrunken" befunden hat und dem Eindruck der beiden Polizeibeamten, die durch das den hohen BAK Wert ausweisende Alkomatergebnis überrascht waren, sowie der insoweit nicht bindenden Wertung des Amtsgerichts L. in seinem Strafbefehl.
[10] 2. Weiter hat der Soldat dadurch, dass er am 23. Juli 1996 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – B. als Zeuge eidlich der Wahrheit zuwider angegeben hat, er sei mit Frau H. nur platonisch befreundet gewesen und könne ausschließen, eine intime Liebesbeziehung mit ihr unterhalten zu haben, vorsätzlich gegen seine Dienstpflicht zu außerdienstlichem Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) verstoßen. …
[11] Da er in allen Anschuldigungspunkten wusste und wollte, was er tat, hat er vorsätzlich gehandelt und insgesamt ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
[12] 3. Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
[13] Dieses Dienstvergehen wiegt sehr schwer.
[14] a) Bereits der außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt kommt erhebliches disziplinares Gewicht zu. Wenn es sich dabei auch um einen rein außerdienstlichen Vorgang handelt, lässt die Art und Weise, wie ein Soldat am Straßenverkehr teilnimmt, Rückschlüsse auf sein Verantwortungsbewusstsein, seine charakterliche Zuverlässigkeit und moralische Integrität zu. Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass selbst eine nur fahrlässig begangene außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines Soldaten am Steuer seines privaten Pkw als ein nicht leicht zunehmender Pflichtenverstoß zu werten ist. Wegen der Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer ist sie vielmehr geeignet, die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Soldaten ernsthaft zu beeinträchtigen (vgl. Urteile vom 28. September 1989 – BVerwG 2 WD 7.89 –; vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 2 WD 9.89 –; vom 23. Juni 1992 – BVerwG 2 WD 16.92 –, vom 12. Oktober 1994 – BVerwG 2 WD 13.94 – und vom 24. September 1996 – BVerwG 2 WD 16.96 -).
[15] Hier kommt erschwerend hinzu, dass sich der Soldat durch das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, das wegen einer rund zwei Monate zurückliegenden Fahrt im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit gegen ihn lief, und den daraus resultierenden Entzug seiner Fahrerlaubnis offensichtlich nicht hat beeindrucken lassen. Vielmehr hat er selbst in noch nicht alkoholisiertem Zustand eine Lage geschaffen, in der er – nach dem vorhersehbaren Genuss alkoholischer Getränke auf einem Volksfest – der Versuchung erliegen konnte, mit seinem Pkw heimzufahren. Damit hat er seine charakterliche Unzuverlässigkeit und sein mangelndes Verantwortungsbewusstsein nachgerade unter Beweis gestellt. Da es sich um eine Wiederholungstat handelt, hat die Pflichtwidrigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Senats erhebliches disziplinares Gewicht (vgl. Urteile vom 12. April 1988 – BVerwG 2 WD 52.87 – m. w. N. und vom 24. September 1996 – BVerwG 2 WD 16.96 -), das sich zum Nachteil des Soldaten im Sinne einer Maßnahmeverschärfung auswirken muss, und zwar insbesondere deswegen, weil der Soldat als Vorgesetzter nach § 10 Abs. 1 SG in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben soll. Denn als Vorgesetzter ist er zur Durchführung seiner dienstlichen Aufgaben nicht nur auf seine Befehlsbefugnis, sondern in hohem Maß auch auf das Ansehen und die Autorität angewiesen, die er bei Untergebenen genießt (vgl. Urteil vom 14. November 1996 – BVerwG 2 WD 31.96 – m. w. N.).
[16] Ferner belastet es den Soldaten, dass er sich neben einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung zusätzlich einer vorsätzlichen Unfallflucht schuldig gemacht hat. Entzieht sich ein Soldat durch ein derartiges Fehlverhalten der Verantwortung für einen von ihm angerichteten Schaden, dann lässt er eine so verwerfliche charakterliche Einstellung erkennen, dass sich auch daraus gewichtige Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit und seiner dienstlichen Zuverlässigkeit ergeben können. Ein solches Verhalten zeigt in der Regel eine verantwortungslose Haltung des Kraftfahrers, der sich auf diese Weise nicht nur der Feststellung seiner Person und seiner Beteiligung an dem Unfall, sondern auch den berechtigten Ansprüchen des Geschädigten entziehen will. In der Öffentlichkeit hinterlässt dies einen sehr ungünstigen Eindruck. Der Senat hat daher in ständiger Rechtsprechung das unerlaubte Entfernen eines Soldaten vom Unfallort als ein so schwerwiegendes Dienstvergehen eingestuft, dass es – für sich allein betrachtet – im Regelfall nicht mehr mit einer Gehaltskürzung, sondern mit einem Beförderungsverbot angemessen zu ahnden ist (vgl. Urteile vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 2 WD 9.89 – m. w. N., vom 27. Juni 1991 – BVerwG 2 WD 23.91 – m. w. N., vom 27. Oktober 1993 – BVerwG 2 WD 14.93 – m. w. N. und vom 12. Oktober 1994 – BVerwG 2 WD 13.94 -). Zugunsten des Soldaten war demgegenüber zu berücksichtigen, dass seine Steuerungsfähigkeit bzw. sein Hemmungsvermögen zur Tatzeit des Unfalls erheblich vermindert war (§ 21 StGB).
[17] b) Der Meineid stellt nach ständiger Rechtsprechung des Senats für einen Staatsbediensteten regelmäßig ein die schwerste gerichtliche Disziplinarmaß-nahme erforderndes Dienstvergehen dar, von der nur ausnahmsweise wegen besonderer Milderungsgründe in der Tat abgesehen werden kann (Urteile vom 13. Dezember 1972 – BVerwG 2 WD 30.72 – m. w. N., vom 26. Februar 1980 – BVerwG 2 WD 30.79 – und vom 15. Mai 1984 – BVerwG 2 WD 49.83 -). Nach diesen Erkenntnissen des Senats gehört es zu den Grundpflichten des Staatsdieners, nicht den Aufgaben anderer Staatsorgane entgegenzuwirken. Wer vorsätzlich falsch schwört, erschwert die Wahrheitsfindung durch das Gericht oder macht sie gar unmöglich und nimmt dabei bewusst in Kauf, dass dadurch eine Fehlentscheidung zustande kommen kann, die geeignet ist, das Vertrauen in die staatliche Rechtspflege zumindest bei den Betroffenen zu erschüttern. Ein Soldat, der sich weder durch die richterliche Belehrung über die Bedeutung und Folgen eines Meineids noch durch die hohe Strafandrohung von einer unwahren Aussage abhalten lässt, ist unglaubwürdig geworden; der Dienstherr kann sich dann auch im dienstlichen Bereich künftig nicht mehr auf Aussagen dieses Soldaten verlassen. Welche Bedeutung wahrheitsgemäßen Bekundungen von Soldaten vom Gesetzgeber beigemessen wird, zeigt die in keinem anderen Pflichtenkatalog ausdrücklich enthaltene Regelung des § 13 Abs. 1 SG.
[18] Indem der Gesetzgeber bestimmte Zeugnisverweigerungsrechte statuiert hat, erkennt er zwar an, dass Zeugen gegenüber ihnen sehr nahe stehenden Personen unerträglichen Gewissenskonflikten ausgesetzt sein können. Selbst dies gestattet es dem Inhaber eines Zeugnisverweigerungsrechts aber nicht, falsche Angaben zu machen. Abgesehen davon, dass dem Soldaten kein Zeugnisverweigerungsrecht zustand, hätte er trotz seiner engen persönlichen Verbundenheit mit Frau H. bedenken können und müssen, dass er andererseits die Zeugin K. durch seine falsche Aussage und seine Falschbezichtigung in die ernste Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen oder gar einer Fehlverurteilung gebracht hat, zumal er mit seiner Falschaussage "lediglich" finanzielle Interessen seiner in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehenden damaligen Geliebten verfolgte. Die von ihr erstrebten unberechtigten Unterhaltszahlungen hätten darüber hinaus zu laufenden Vermögensschäden und damit zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Lebenszuschnitts eines ehemaligen Kameraden geführt, dessen Ehe der Soldat dienstpflichtwidrig nicht geachtet hatte. Damit hat der Soldat ein hohes Maß an Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber schutzwürdigen Interessen von zwei weiteren Personen gezeigt. Die Gefahr, dass er im Falle einer wahrheitsgemäßen Aussage selbst disziplinar zur Verantwortung gezogen worden wäre, bestand zu diesem Zeitpunkt, rund ein halbes Jahr nach Einstellung des Disziplinarverfahrens sowie nach dem Ausscheiden seines ehemaligen Kameraden aus dem aktiven Dienst praktisch nicht mehr und hat ihn nach eigenen Angaben auch nicht zu dem Meineid bestimmt. Auch kann ihn nicht der Umstand entlasten, dass sich das Gericht durch seinen Meineid nicht hat täuschen lassen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass das Ansehen und die Autorität eines Vorgesetzten, der gem. § 10 Abs. 1 SG in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben soll, in höchstem Maße Schaden nimmt, wenn er einen Meineid leistet.
[19] Gewichtige Tatmilderungsgründe liegen nicht vor. Sie sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte (vgl. Urteile vom 27. Januar 1987 – BVerwG 2 WD 41.86 –, vom 26. März 1996 – BVerwG 2 WD 36.95 – und vom 18. März 1999 – BVerwG 2 WD 30.98 -). Als solche Besonderheiten sind ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, sowie ein Handeln unter schockartig ausgelösten psychischem Zwang oder unter Umständen anerkannt worden, die auf eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten hindeuten (vgl. Urteile vom 27. Januar 1987 – BVerwG 2 WD 11.86 – und vom 23. Oktober 1990 – BVerwG 2 WD 40.90 -).
[20] Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Insbesondere spricht die Tatsache, dass der Soldat bereits zuvor in absolut fahruntüchtigem Zustand am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat, sowie die Tatsache, dass er sich in nicht alkoholisiertem Zustand entschloss, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein, mit dem Pkw zu dem Ortsgemeinschaftsfest zu fahren, gegen die Annahme eines unbedachten persönlichkeitsfremden Versagens in einer außergewöhnlichen Lebenssituation. Im Hinblick auf den zweiten Tatvorwurf hat der Soldat durch sein Verhalten geradezu unter Beweis gestellt, dass das Misstrauen des Dienstherrn gegenüber seinen Aussagen und Angaben, mit denen er im August und September 1997 wiederholt wahrheitswidrige Erklärungen über Antritt und Beendigung des täglichen Dienstes abgegeben hat, völlig berechtigt ist. Diese Vorfälle schließen es aus, in dem Meineid eine persönlichkeitsfremde Entgleisung zu sehen.
[21] Es kann hier auch nicht zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, dass seine Pflichtverletzungen Ausdruck eines Handelns in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation waren, das im Einzelfall tatmildernd gewertet werden kann (vgl. Urteile vom 15. Oktober 1986 – BVerwG 2 WD 30.86 –, vom 14. November 1996 – 2 WD 31.96 – und vom 1. September 1997 – BVerwG 2 WD 13.97 -). Zwar war der Soldat infolge seiner Ehescheidung insbesondere durch Fragen des elterlichen Sorgerechts und der familiären Überschuldung psychisch erheblich belastet. Dieser Situation war er jedoch schon seit seiner Ehescheidung im Februar 1995 ausgesetzt, und die finanzielle Anspannung wirkt sogar bis in die Gegenwart nach, so dass von einer Ausnahmesituation nicht die Rede sein kann. (wird ausgeführt) Zur Leistung des Meineids wurde er weder durch familiäre Probleme noch – soweit ersichtlich – durch einen drohenden Verlust seiner Liebesbeziehung veranlasst. …
[22] c) Die von ihm in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich erbrachten sehr guten dienstlichen Leistungen, die beiden ihm erteilten förmlichen Anerkennungen, die Verleihung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr und die Wertschätzung, die ihm trotz der Tatvorwürfe nach wie vor von seinen Dienstvorgesetzten entgegengebracht wird, stellen Milderungsgründe in der Person dar. Gleichwohl können sie die Ahndung seines Fehlverhaltens der Maßnahmeart nach nicht mildern. …
[23] Seine dienstlichen Leistungen rechtfertigen trotz der in der Sonderbeurteilung vom 8. Oktober 2002 ausgewiesenen Steigerung allerdings nicht mehr die Annahme einer – von der Kammer als maßgeblich angesehenen – Nachbewährung. Eine überdurchschnittliche Bewährung über einen längeren Zeitraum vermag zwar – darin liegt die Chance einer langen Verfahrensdauer – nach der Rechtsprechung des Senats unter Umständen in den Folgen der Tat erkennbare Erschwernisgründe auszugleichen (Urteile vom 13. Dezember 1972 – BVerwG 2 WD 30.72 –, vom 24. Mai 1977 – BVerwG 2 WD 46.76 –, vom 23. Juni 1981 – BVerwG 2 WD 2.81 –, vom 22. Januar 1986 – BVerwG 2 WD 45.85 – und vom 10. Februar 1988 – BVerwG 2 WD 36.87 -). Indes hat sich der Soldat nicht tadelfrei geführt, wie die Vorfälle in den Monaten August und September 1997 belegen. (wird ausgeführt)
[24] Nach Abwägung aller be- und entlastenden Umstände erforderte das Versagen des Soldaten in beiden Tatkomplexen seines nach Eigenart und Schwere gravierenden Dienstvergehens die disziplinare Höchstmaßnahme, die insbesondere bei Meineid grundsätzlich geboten und angemessen ist.