Bewährungsaufstieg – Frauendiskriminierung durch Nichtanrechnung von Wochenurlaub nach § 244 Abs. 1 AGB-DDR

BAG, Mitteilung vom 21. 3. 2002 – 22/02 (lexetius.com/2002,381)

[1] Die Klägerin ist unter Anrechnung von Beschäftigungszeiten seit Juni 1982 bei dem beklagten Land an dessen Hochschule für Film und Fernsehen als Produktionsleiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT-O Anwendung. Am 27. Januar 1987 wurde das zweite Kind der Klägerin geboren. Die Klägerin nahm im Anschluß daran Wochenurlaub nach § 244 AGB-DDR. Bis zum 7. Mai 1998 erhielt die Klägerin Vergütung nach VergGr. II a BAT-O. Seit dem 8. Mai 1998 wird sie nach VergGr. I b BAT-O vergütet. Die Höhergruppierung erfolgte im Wege des Bewährungsaufstiegs. Das beklagte Land rechnete die Schutzfrist von acht Wochen nach der Entbindung gemäß § 6 MuSchG auf die Bewährungszeit an, nicht jedoch die darüber hinausgehende Dauer des Wochenurlaubs von insgesamt 20 Wochen nach der Entbindung. Die Klägerin hat gemeint, der gesamte Wochenurlaub sei auf die Bewährungszeit anzurechnen. Deshalb hätte die Höhergruppierung bereits zum 20. Februar 1998 erfolgen müssen. Die Vorinstanzen haben der auf Zahlung der Vergütungsdifferenz gerichteten Klage stattgegeben.
[2] Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts teilt nicht die Auffassung der Vorinstanzen, die tarifliche Regelung in § 23 a Nr. 4 Satz 3 Buchst. e BAT-O iVm. § 2 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 zum BAT-O sei dahingehend auszulegen, daß der gesamte Wochenurlaub nach § 244 AGB-DDR auf die Bewährungszeit anzurechnen ist. Nach dem eindeutigen Tarifwortlaut sind nur die Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz anzurechnen. In der Nichtanrechnung des Wochenurlaubs, soweit dieser die Schutzfrist nach § 6 MuSchG übersteigt, könnte jedoch eine gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßende Frauendiskriminierung liegen. Deshalb hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts beschlossen:
[3] "Dem Europäischen Gerichtshof wird gemäß Art. 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Verbieten es Art. 119 EG-Vertrag (jetzt Art. 141 EG) und die Richtlinie 76/207/EWG, in einer tariflichen Regelung, nach der Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht auf die Bewährungszeit angerechnet werden, auch die Zeit von der Anrechnung auszunehmen, in der das Arbeitsverhältnis deshalb geruht hat, weil die Arbeitnehmerin nach Ablauf der anrechnungsfähigen achtwöchigen Schutzfrist gemäß § 6 MuSchG bis zum Ende der 20. Woche nach der Entbindung Wochenurlaub nach § 244 Abs. 1 AGB-DDR vom 16. Juni 1977 (GBl. I S. 185) in Anspruch genommen hat."
BAG, Urteil vom 21. 3. 2002 – 6 AZR 108/01; LAG Brandenburg