Bundessozialgericht
Familienversicherung – Ausschluss – Gesamteinkommen – Jahresarbeitsentgeltgrenze – Nichtberücksichtigung – Familienzuschläge – Verfassungsmäßigkeit – Systemabgrenzung – gesetzliche Krankenversicherung – private Krankenversicherung
1. Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden (§ 6 Abs 1 Nr 1 Halbs 3 SGB V), bleiben auch bei der Feststellung der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der Familienversicherung (§ 10 Abs 3 SGB V) unberücksichtigt.
2. Nach besoldungsrechtlichen Vorschriften gewährte Familienzuschläge (§§ 39ff BBesG) gehören zwar zum Gesamteinkommen iS von § 16 SGB IV, bei der Prüfung der Ausschlussnorm des § 10 Abs 3 SGB V sind sie jedoch außer Ansatz zu lassen.

BSG, Urteil vom 29. 7. 2003 – B 12 KR 16/02 R (lexetius.com/2003,2399)

[1] Tatbestand: Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Familienversicherung der Kinder der Klägerin – Beigeladene zu 1) bis 7) – in der Zeit vom 1. Juli 1998 bis 31. Dezember 1999.
[2] Die Klägerin war in dieser Zeit freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten und verfügte über kein eigenes Einkommen; seit dem 12. November 2001 ist sie wieder versicherungspflichtig beschäftigt. Der Ehemann der Klägerin ist Berufssoldat und nicht gesetzlich krankenversichert. Die Beigeladenen zu 1) bis 8) G., Inga, geb. 05. 10. 1983, G., Rebecca, geb. 14. 05. 1988, G., Andreas, geb. 31. 03. 1991, G., Michelle, geb. 21. 04. 1992, G., Chantal, geb. 10. 04. 1994, G., Madeleine, geb. 30. 01. 1996, G., Jan-Eric, geb. 01. 10. 1997, G., Yannick, geb. 23. 12. 1999 sind Kinder der Klägerin und ihres Ehemannes; sie waren bis auf den erst im Dezember 1999 geborenen Yannick (Beigeladener zu 8) im Rahmen der Familienversicherung bei der Beklagten krankenversichert. Im Oktober 1997 legte die Klägerin eine Gehaltsbescheinigung ihres Ehemannes für August 1997 vor, die neben dem Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 10 (4.668,50 DM) sowie einer Stellenzulage (135,70 DM) zusätzlich einen Familienzuschlag (1.520,73 DM) sowie Kindergeld (2.140 DM) auswies. Die Beklagte ermittelte daraus ein Bruttoeinkommen des Ehemannes in Höhe von 6.324,93 DM monatlich und teilte der Klägerin mit, dieses Einkommen übersteige regelmäßig im Monat ein Zwölftel der maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze von 6.300 DM; deshalb werde die Familienversicherung für die Beigeladenen zu 1) bis 7) zum 30. Juni 1998 beendet. Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gewährt würden, könnten entgegen der Ansicht der Klägerin bei der Ermittlung der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht in Abzug gebracht werden (Bescheid vom 8. Juni 1998, Widerspruchsbescheid vom 10. August 1998).
[3] Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts [SG] vom 12. April 1999, Urteil des Landessozialgerichts [LSG] vom 24. April 2002). Die Beklagte habe das Gesamteinkommen des Ehemannes zutreffend berechnet; dieses habe zum maßgeblichen Zeitpunkt regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen. Bei der Berechnung des Gesamteinkommens dürfe der Familienzuschlag nicht in Abzug gebracht werden, obwohl dieser Teil der Besoldung an kindergeldrechtliche Bestimmungen anknüpfe. Zum Gesamteinkommen gehöre insbesondere das Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung. Beschäftigung sei auch ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis und zur Besoldung zähle nicht nur das Grundgehalt, sondern auch der Familienzuschlag. Derartige Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt würden, müssten zwar bei der Feststellung der Versicherungspflicht außer Ansatz bleiben, nicht jedoch bei der Berechnung des Gesamteinkommens im Rahmen der Familienversicherung.
[4] Mit der Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch die Vorinstanzen. Bei der Feststellung des maßgeblichen Gesamteinkommens ihres Ehemannes iS von § 10 Abs 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) müsse nicht nur das Kindergeld, sondern auch der Familienzuschlag in Abzug gebracht werden. Dies folge aus der entsprechenden Anwendung des § 6 Abs 1 Nr 1, letzter Halbsatz SGB V. Andernfalls würden Familien mit mehreren Kindern bestraft, weil die Aufwendungen für deren Krankenversicherung bei Berücksichtigung der Familienzuschläge höher wären als diese Zulagen selbst. Dies würde einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 des Grundgesetzes (GG) bedeuten.
[5] Die Klägerin beantragt, die Urteile des LSG vom 24. April 2002 und des SG vom 12. April 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1998 teilweise aufzuheben und festzustellen, dass die Familienversicherung für die Beigeladenen zu 1) bis 7) in der Zeit vom 1. Juli 1998 bis 31. Dezember 1999 weiter fortbesteht.
[6] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[7] Die Beklagte hält die Urteile des LSG und des SG für zutreffend. Wegen des klaren und eindeutigen Wortlauts sei für eine analoge Ausdehnung des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V kein Raum. Nur bei Beantwortung der Frage, bis zu welcher Grenze ein Arbeitnehmer in den Schutzbereich der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen werden soll, sei es gerechtfertigt, die Jahresarbeitsentgeltgrenze entsprechend gering zu belassen. Wenn jedoch von vornherein bestimmte Personengruppen – Beamte, Richter, Soldaten usw – nicht dem Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung unterstellt seien, dürften familienstandsbezogene Zulagen im Rahmen der Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung nach § 10 Abs 3 SGB V nicht herangezogen werden. Verfassungsrechtlich sei dieses Ergebnis nicht zu beanstanden.
[8] Die Beigeladenen zu 1) bis 8) haben sich weder zur Sache geäußert noch einen Antrag gestellt.
[9] Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2003 haben die Klägerin und die Beklagte einen Teilvergleich geschlossen, soweit Zeiträume nach dem 31. Dezember 1999 sowie der Beigeladene zu 8) betroffen sind; insoweit wird die Beklagte der Klägerin eine anfechtbare Entscheidung über das Bestehen der Familienversicherung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats in diesem Verfahren erteilen.
[10] Entscheidungsgründe: Die Revision ist zulässig und begründet, soweit sich der Rechtsstreit nicht durch den Teilvergleich vom 29. Juli 2003 erledigt hat. Hinsichtlich des danach noch streitigen Zeitraums waren die angefochtenen Urteile des SG und des LSG aufzuheben, weil der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1998 rechtswidrig ist. Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG war die Beklagte nicht berechtigt, die Familienversicherung der Beigeladenen zu 1) bis 7) zum 30. Juni 1998 zu beenden; sie besteht zumindest noch bis zum 31. Dezember 1999 fort.
[11] 1. Die Vorinstanzen haben das Begehren der Klägerin (§ 123 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) zutreffend als verbundene Anfechtungs- und Feststellungsklage behandelt. Zur Erhebung dieser Klage war die Klägerin als Adressatin der für sie belasteten Verwaltungsakte befugt. Als Mitglied der Beklagten (Stammversicherte) hatte sie darüber hinaus das nach § 55 Abs 1 SGG erforderliche Rechtsschutzinteresse daran, das Bestehen oder Nichtbestehen der Versicherung ihrer Kinder feststellen zu lassen (vgl BSGE 72, 292 = SozR 3—2500 § 10 Nr 2; BSG SozR 3—2500 § 10 Nr 5 und 6). Die Familienversicherung ist streng akzessorisch; ihr Bestehen oder Nichtbestehen betrifft zugleich Ausgestaltung und Umfang der Stammversicherung, sodass Entscheidungen hierüber zugleich die eigene Rechtsposition des Stammversicherten berühren.
[12] 2. Die Revision ist begründet; entgegen der Ansicht der Beklagten besteht die Familienversicherung der Beigeladenen zu 1) bis 7) zumindest vom 1. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 1999 weiter fort. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG waren die persönlichen Voraussetzungen für die Familienversicherung gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 SGB V bei den minderjährigen Beigeladenen zu 1) bis 7) unstreitig auch über den 30. Juni 1998 hinaus erfüllt. Umstritten ist allein, ob die Familienversicherung ab diesem Zeitpunkt gemäß § 10 Abs 3 SGB V ausgeschlossen ist (vgl zur Funktion der Norm Urteil des Senats in SozR 3—2500 § 10 Nr 21). Danach sind Kinder nicht (mehr) versichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte des Mitglieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist. Der Ehemann der Klägerin und Vater der Beigeladenen ist als Berufssoldat nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 6 Abs 1 Nr 2 SGB V); sein Gesamteinkommen ist nach den für das Bundessozialgericht bindenden Feststellungen des LSG im maßgeblichen Zeitraum auch regelmäßig höher gewesen als das der Klägerin. Entgegen der Ansicht der Beklagten und der Vorinstanzen hat der im vorliegenden Zusammenhang berücksichtigungsfähige Teil dieses Gesamteinkommen aber nicht regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen. Zwar entspricht auch in § 10 Abs 3 SGB V das Gesamteinkommen grundsätzlich der Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts, doch ergibt sich der im Anwendungsbereich der Norm maßgebliche Teilbetrag dadurch, dass Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, unberücksichtigt bleiben.
[13] a) Die Legaldefinition für den Begriff "Jahresarbeitsentgeltgrenze" findet sich in § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V in der hier noch maßgeblichen Fassung durch Art 4 Nr 2 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261). Danach entspricht die Jahresarbeitsentgeltgrenze 75 vH der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. Ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze betrug in den alten Bundesländern im Jahre 1998 6.300 DM und im Jahre 1999 6.375 DM. Dem sind für die Zeit vom 1. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 1999 folgende vom LSG festgestellte Einkünfte des Ehemannes der Klägerin gegenüberzustellen:
[14] Juli 1998 Grundgehalt: 4.738,53 DM, Kindergeld: 2.490 DM, Familienzuschlag: 1.752,46 DM, Einmalzahlung: 500 DM August bis November 1998 je Grundgehalt: 4.846,07 DM, Kindergeld: 2.490 DM, Familienzuschlag: 1.726,54 DM Dezember 1998 Grundgehalt: 5.060,15 DM, Kindergeld: 2.490 DM, Familienzuschlag: 1.726,54 DM, Einmalzahlung: 6.512,09 DM Januar bis März 1999 je Grundgehalt: 5.060,15 DM, Kindergeld: 2.490 DM, Familienzuschlag: 1.568,38 DM April bis Juni 1999 je Grundgehalt: 5.060,15 DM, Kindergeld: 2.550 DM, Familienzuschlag: 1.568,38 DM Juli 1999 Grundgehalt: 5.206,52 DM, Kindergeld: 2.490 DM, Familienzuschlag: 1.613,88 DM, Einmalzahlung: 500 DM August bis Oktober 1999 je Grundgehalt: 5.206,52 DM, Kindergeld: 2.490 DM, Familienzuschlag: 1.613,88 DM November 1999 Grundgehalt: 5.335,44 DM, Kindergeld: 2.490 DM, Familienzuschlag: 1.613,91 DM Dezember 1999 Grundgehalt: 5.335,44 DM, Kindergeld: 2.490 DM, Familienzuschlag: 1.613,92 DM, Einmalzahlung: 6.628,12 DM.
[15] Das hieraus zu berechnende Gesamteinkommen des Ehemannes der Klägerin überstieg im fraglichen Zeitraum regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Zutreffend hat das LSG darauf hingewiesen, dass sich das für § 10 Abs 3 SGB V maßgebliche Gesamteinkommen grundsätzlich nach § 16 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) bestimmt (BSG SozR 3—2500 § 10 Nr 19; vgl auch das zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehene Urteil des Senats vom 22. Mai 2003 – B 12 KR 13/02 R). Das Gesamteinkommen des Ehemannes der Klägerin berechnet sich daher jeweils aus dem ihm als Berufssoldat gewährten Grundgehalt nebst Zulagen, den anteilig zu berücksichtigenden Sonderzuwendungen (Weihnachtsgeld) und Urlaubsgeldern sowie den Familienzuschlägen. Letztere werden in § 3 Nr 11 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ausdrücklich als nicht steuerfrei hervorgehoben; die Familienzuschläge des öffentlichen Dienstes (§§ 39 ff Bundesbesoldungsgesetz [BBesG]) gehören deshalb zur Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts und damit zum Gesamteinkommen gemäß § 16 SGB IV. Das Kindergeld hingegen ist weder ein zur Besoldung gehörender Dienstbezug iS von § 1 BBesG noch ein der Einkommensteuer unterliegender Bestandteil des Gesamteinkommens. Nach § 31 Satz 1 EStG dient es vielmehr der steuerlichen Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung. Das Kindergeld ist deshalb als Steuervergünstigung zu verstehen und steuerfrei (§§ 31 Satz 3, 3 Nr 24 EStG), es gehört nicht zum Gesamteinkommen iS von § 16 SGB IV und darf im Rahmen des § 10 Abs 3 SGB V nicht bei den Einkünften des Ehemannes der Klägerin Berücksichtigung finden.
[16] b) Steht somit fest, dass die der Klägerin nach besoldungsrechtlichen Vorschriften gewährten Familienzuschläge grundsätzlich dem Gesamteinkommen zuzurechnen sind, so bedeutet dies noch nicht, dass damit auch die Familienversicherung der Beigeladenen zu 1) bis 7) erloschen ist. Die Beklagte und die Vorinstanzen sind nämlich zu Unrecht davon ausgegangen, dass Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, im Rahmen des § 10 Abs 3 SGB V nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen sind. Im Anwendungsbereich der Norm ist vielmehr ein familienversicherungsrechtlich modifiziertes regelmäßiges monatliches Gesamteinkommen zu Grunde zu legen und der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze gegenüberzustellen.
[17] Der dem Ehemann der Klägerin regelmäßig gewährte Familienzuschlag nach §§ 39 ff BBesG ist eine solche Leistung mit spezifischer familienpolitischer Zielrichtung; er hat den früheren Ortszuschlag mit Wirkung zum 1. Juli 1997 abgelöst. Der besoldungsrechtliche Familienzuschlag hat eine soziale Ausgleichsfunktion, die in typisierender Weise dem unterschiedlichen Alimentationsbedarf eines Besoldungsempfängers je nach dessen aktuellem Status Rechnung trägt. Der Familienzuschlag soll die sich aus den Familienverhältnissen ergebenden Belastungen mindern; dies gilt insbesondere hinsichtlich der auch für den Ehemann der Klägerin maßgeblichen Stufe 2 des Familienzuschlags (§ 40 Abs 2 BBesG), deren Höhe sich nach der Zahl der berücksichtigungsfähigen Kinder richtet. Mit dieser Verwendungsbestimmung unterscheidet sich der Familienzuschlag funktional von dem als Leistungsentgelt gewährten Grundgehalt einschließlich des früheren Ortszuschlags (vgl Schwegmann/Summer, Komm zum BBesG, Stand: 80. Erg-Lieferung – September 1997, § 39 RdNr 2).
[18] Vom Wortlaut und der Systematik des SGB V her gilt die Entscheidung des Gesetzgebers, mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlte Zuschläge unberücksichtigt zu belassen, unmittelbar nur für die Frage der Versicherungsfreiheit (§ 6 Abs 1 Nr 1, letzter Halbsatz SGB V). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 10 Abs 3 SGB V gebietet es jedoch, derartige Zuschläge auch im Rahmen der Familienversicherung einkommensmindernd zu berücksichtigen. Nur mit dieser Einschränkung entspricht die Ausschlussnorm des § 10 Abs 3 SGB V den Vorgaben der Verfassung, weil damit den Anforderungen der Art 6 und 3 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG Rechnung getragen wird (zur verfassungskonformen Auslegung vgl BVerfGE 69, 1 [55] 95, 64 [93] – jeweils mwN).
[19] Wie der Senat bereits entschieden hat (SozR 3—2500 § 10 Nr 20, 21), enthält § 10 Abs 3 SGB V eine auch verfassungsrechtlich gerechtfertigte (vgl BVerfG vom 12. Februar 2003, 1 BvR 624/01, ErsK 2003, 114 = FamRZ 2003, 356) Abgrenzung des Zuständigkeitsbereichs der gesetzlichen Krankenversicherung und damit regelmäßig auch eine Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Der gesetzlich krankenversicherte Elternteil wird danach durch die beitragsfreie Einbeziehung und in deren Grenzen von den wirtschaftlichen Belastungen des Kindesunterhalts entlastet, solange er diesen auf Grund seines im Vergleich zum anderen Elternteil höheren Gesamteinkommens überwiegend trägt; die Familienversicherung der Kinder findet dann ihre Rechtfertigung darin, dass das Mitglied entsprechend hohe Beiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 SGB V) an die Solidargemeinschaft zahlt und zugleich maßgeblich zum Familieneinkommen beiträgt (BVerfG aaO). Der gesetzlich versicherte Elternteil wird darüber hinaus auch entlastet, solange er den Unterhalt der Kinder zumindest wesentlich mitträgt. Hiervon ist nach der typisierenden Wertung des Gesetzes auszugehen, solange sein Gesamteinkommen zwar geringer ist als dasjenige des privat versicherten Elternteils, dieses jedoch seinerseits die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt. Die Mitgliedschaft eines Elternteils führt dagegen trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 5 und Abs 2 SGB V ausnahmsweise dann nicht (mehr) zur Familienversicherung der gemeinsamen Kinder, wenn der andere Ehegatte a) dem System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zugehört, b) dort nach dem absoluten Maßstab der Jahresarbeitsentgelte auf Grund seines Gesamteinkommens selbst nicht schutzbedürftig ist und schließlich c) auf Grund seines sowohl die Jahresarbeitsentgelte als auch das Einkommen des versicherten Ehegatten überschreitenden Gesamteinkommens im Wesentlichen für den Unterhalt der Kinder aufkommt und damit eine Verweisung der Kinder an das System des privat versicherten Elternteils sachgerecht erscheint. Da nämlich bei derartigen Familien mit überdurchschnittlichem Einkommen der Familienunterhalt überwiegend durch den nicht gesetzlich krankenversicherten Elternteil bestritten wird, besteht für eine beitragsfreie Versicherung der Kinder kein anerkennenswerter Bedarf (Urteile des Senats in BSGE 70, 13, 18 = SozR 3—2500 § 240 Nr 6 S 14 und SozR 3—2500 § 240 Nr 7 S 21). Wie der Senat ebenfalls bereits dargelegt hat (SozR 3—2500 § 10 Nr 21), ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, diese der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung ohnehin nachteilige Regelung dadurch weiter zu ihren Lasten zu verschieben, dass das maßgebliche Gesamteinkommen des nicht versicherten Elternteils um Kinderfreibeträge vermindert oder an Stelle der starren Jahresarbeitsentgelte einer nach der Kinderzahl modifizierten Grenze gegenübergestellt wird.
[20] Das Bundesverfassungsgericht hat indes aaO zutreffend darauf hingewiesen, dass das Gesetz in § 10 Abs 3 SGB V mit der Jahresarbeitsentgeltgrenze dieselbe Rechengröße zu Grunde legt, mit deren Hilfe es auch in § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V diejenigen erfasst, die auf Grund ihres niedrigen Einkommens zur Eigenvorsorge gezwungen werden (vgl insofern auch BVerfG SozR 3—2500 § 5 Nr 42 S 186 = BVerfGE 102, 68, 89). Es handelt sich damit beim Betrag der Jahresarbeitsentgelte um einen einheitlichen Maßstab, den das System insgesamt zur typisierenden Umschreibung sozialer Schutzbedürftigkeit in seinem Sinne zu Grunde legt. Dies macht es – unabhängig davon, dass sich die hiermit zu vergleichenden individuellen Verhältnisse in § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V nur nach dem (modifizierten) Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung (§ 14 Abs 1 SGB IV) bestimmen, während es für § 10 Abs 3 SGB V auf das Gesamteinkommen iS des § 16 SGB IV ankommt – erforderlich, Leistungen, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, generell unberücksichtigt zu lassen. Die entsprechende ausdrückliche Anordnung in § 6 Abs 1 Nr 1 Halbsatz 2 SGB V war bereits in der Vorgängerregelung des § 165 Abs 2 Reichsversicherungsordnung enthalten und soll damals wie heute der speziellen Zweckbestimmung derartiger Leistungen Rechnung tragen, ganz oder teilweise einen durch den Familienstand bedingten erhöhten Aufwand der Betroffenen zu kompensieren. Für die Beurteilung der allgemeinen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit betroffener Arbeitnehmer und hiervon ausgehend ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit scheiden sie damit aus und müssen folglich außer Ansatz bleiben (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band I/2 – Stand: 72. Lieferung 1989, S 314 f; vgl auch BSGE 10, 21 [26]). Für § 10 Abs 3 SGB V muss dies schon zur Vermeidung einer sich andernfalls ergebenden Selbstwidersprüchlichkeit des Gesetzes auch ohne ausdrückliche Verweisung entsprechend gelten. Würde nämlich der aus dem Arbeitsentgelt für die Bestimmung der Schutzbedürftigkeit relevante Betrag unterschiedlich ermittelt, je nachdem, ob es hierauf im Zusammenhang von § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V oder (als Teil des Gesamteinkommens) von § 10 Abs 3 SGB V ankommt, wäre auch die Jahresarbeitsentgeltgrenze keine einheitliche mehr. Ebenso wenig können daher auch sonstige mit Rücksicht auf den Familienstand erbrachte Leistungen in die Bestimmung der Schutzbedürftigkeit nach § 10 Abs 3 SGB V eingehen.
[21] c) Dieses Verständnis von § 10 Abs 3 iVm § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V entspricht zudem den grundgesetzlichen Anforderungen, die sich für den vorliegenden Zusammenhang aus Art 6 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG ergeben. Das Grundrecht aus Art 6 Abs 1 GG gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung (BVerfGE 105, 313 [346], stRspr); als Grundsatznorm lässt sich ihm eine allgemeine Pflicht des Staates zur Förderung der Familie durch geeignete Maßnahmen entnehmen (BVerfGE 103, 242 [259]). Dabei steht dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, auf welche konkrete Weise er den ihm aufgetragenen Schutz verwirklichen will (BVerfG vom 12. Februar 2003 – 1 BvR 624/01 –, NJW 2003, 1381, stRspr). Hat er sich allerdings für eine Ausgestaltung entschieden, ist er insofern an den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG gebunden, dh er darf nicht eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 104, 126 [144 f], stRspr). Die beitragsfreie Versicherung von Kindern des Mitglieds einer gesetzlichen Krankenkasse ist eine solche Maßnahme des sozialen Ausgleichs zur Entlastung der Familien. Die Grenze zur Ungleichbehandlung würde überschritten, wenn kinderreiche Familien wegen der Gewährung von Zuschlägen, die mit Rücksicht auf den Familienstand gewährt werden, im Recht der Familienversicherung benachteiligt würden. Denn die Familienzulagen, wie sie der Ehemann der Klägerin bezieht, sollen gerade die besonderen finanziellen Belastungen ausgleichen, denen Familien mit mehreren Kindern in höherem Maße ausgesetzt sind als andere. Entfiele die Familienversicherung ausgerechnet auf Grund der Zahlung derartiger Zulagen, würde die an Art 6 Abs 1 GG ausgerichtete Zielsetzung des Gesetzgebers in ihr Gegenteil verkehrt. Kinderreiche wären dann nämlich eher ausgeschlossen als Familien ohne oder mit nur wenigen Kindern; dies wäre mit Art 6 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG unvereinbar.
[22] d) Die Auffassung des Senats verhindert zudem jedenfalls tatsächliche Ungereimtheiten für das System der Familienversicherung gerade in Fällen der hier vorliegenden Art. Sie schließt nämlich im Ergebnis aus, dass die Familienversicherung von Kindern, deren einer Elternteil der gesetzlichen Krankenversicherung angehört, während der andere auf Grund der Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung zum Kreis der dem Grunde nach Versicherungspflichtigen gehört (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V) und Arbeitsentgelt zuzüglich auf den Familienstand bezogener Zulagen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze erhält, trotz identischer wirtschaftlicher Lage allein in Abhängigkeit vom jeweils maßgeblichen Tatbestand der Versicherungsfreiheit in die Familienversicherung einbezogen werden. Sind nämlich im Anwendungsbereich von § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V bei folglich unmittelbarer Anwendung auch des 3. Halbsatzes der Vorschrift die Voraussetzungen der Ausschlussnorm des § 10 Abs 3 SGB V schon deshalb nicht gegeben, weil beide Elternteile der gesetzlichen Krankenversicherung angehören (vgl § 10 Abs 5 SGB V), käme es nach der Rechtsauffassung der Beklagen in den Fällen des § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V (wie hier) an keiner Stelle der Prüfung auf die familienbezogenen Leistungen an. Eine Familienversicherung wäre damit immer ausgeschlossen, obwohl § 10 Abs 3 SGB V gerade nicht darauf abstellt, aus welchen Gründen der Ehegatte eines versicherten Mitglieds seinerseits der gesetzlichen Krankenversicherung nicht angehört. Dagegen führt die einfachgesetzlich aus Gründen der Systemlogik und verfassungsrechtlich durch Art 6 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG gebotene Anwendung des 3. Halbsatzes von § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V dazu, dass § 10 Abs 3 SGB V, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, durchgehend nicht zur Anwendung kommt.
[23] e) Die von der Beklagten hiergegen vorgebrachten Argumente vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Zwar hat der Senat mit Urteil vom 25. Januar 2001 (BSG SozR 3—2500 § 10 Nr 21) ausdrücklich festgestellt, der Ausschluss mehrerer Kinder von der Familienversicherung sei nicht deshalb verfassungswidrig, weil bei einem feststehenden Gesamteinkommen nicht zusätzlich nach der Kinderzahl unterschieden wird. Mit dieser Entscheidung ist eine Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung vorgenommen und dem Versuch entgegengewirkt worden, den Zugang zur Familienversicherung grundsätzlich von der Kinderzahl abhängig zu machen (sog Kinderrabatte). Schon damals hat der Senat indes darauf hingewiesen, dass auch bei der Anwendung der Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V nicht nach der Kinderzahl differenziert wird und nach Halbsatz 3 der Vorschrift lediglich Zuschläge zum Arbeitsentgelt unberücksichtigt bleiben, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden (BSG aaO, S 103). Im vorliegenden Fall wird diese grundsätzliche Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung nicht tangiert; es geht vielmehr um die logisch vorrangig und innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu klärende Frage, wie das Gesamteinkommen im Einzelfall zu berechnen ist.
[24] Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.