Europäischer Gerichtshof
Sozialpolitik – Rechtsangleichung – Übergang von Unternehmen – Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer – Richtlinie 77/187/EWG – Anwendungsbereich – Begriff des Übergangs
Artikel 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist so auszulegen, dass diese Richtlinie auf eine Situation anwendbar ist, in der ein Auftraggeber, der einen ersten Unternehmer vertraglich mit der gesamten Verpflegung in einem Krankenhaus betraut hatte, diesen Vertrag beendet und über dieselbe Leistung einen neuen Vertrag mit einem zweiten Unternehmer abschließt, wenn der zweite Unternehmer zuvor von dem ersten Unternehmer benutzte und beiden nacheinander vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte wesentliche materielle Betriebsmittel benutzt, und dies auch dann, wenn der zweite Unternehmer zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Arbeitnehmer des ersten Unternehmers nicht übernehmen will.

EuGH, Urteil vom 20. 11. 2003 – C-340/01 (lexetius.com/2003,2515)

[1] In der Rechtssache C-340/01 betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom österreichischen Obersten Gerichtshof in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit Carlito Abler u. a. gegen Sodexho MM Catering Gesellschaft mbH, weitere Verfahrensbeteiligte: Sanrest Großküchen Betriebsgesellschaft mbH, vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26) erlässt DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer) unter Mitwirkung des Richters C. Gulmann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer, der Richter J. N. Cunha Rodrigues und J.-P. Puissochet (Berichterstatter) sowie der Richterinnen F. Macken und N. Colneric, Generalanwalt: L. A. Geelhoed, Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin, unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen – der Sodexho MM Catering Gesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwälte G. Schneider und G. Loibner, – der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von K. Smith, Barrister, – der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Sack und H. Kreppel als Bevollmächtigte, aufgrund des Sitzungsberichts, nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Sodexho MM Catering Gesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt G. Loibner, der Sanrest Großküchen Betriebsgesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt A. Walchshofer, und der Kommission, vertreten durch J. Sack, in der Sitzung vom 15. Mai 2003, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Juni 2003 folgendes Urteil (1):
[2] 1. Der österreichische Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 25. Juni 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 10. September 2001, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung von Artikel 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
[3] 2. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Sodexho MM Catering Gesellschaft mbH (im Folgenden: Sodexho), einem vertraglich mit der Verpflegung in einem Krankenhaus beauftragten Großküchenunternehmen, und Herrn Abler, Küchenhilfe, sowie 21 weiteren Arbeitnehmern aus dem Gastronomiebereich (im Folgenden: Abler u. a.), unterstützt durch ihren früheren Arbeitgeber Sanrest Großküchen Betriebsgesellschaft mbH (im Folgenden: Sanrest), dem unmittelbar davor aufgrund eines früheren, inzwischen gekündigten Vertrages mit denselben Leistungen beauftragten Großküchenunternehmen. Diese Arbeitnehmer haben beim Arbeits- und Sozialgericht Wien (Österreich) gegen Sodexho Klage auf Feststellung des Fortbestands ihrer Arbeitsverhältnisse mit dieser aufgrund der Vorschriften des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (BGBl. 459/1993) in der geänderten Fassung (im Folgenden: AVRAG) erhoben, durch das die Richtlinie 77/187 in das österreichische Recht umgesetzt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
[4] 3. Nach Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 ist diese Richtlinie auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.
[5] 4. Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 77/187 sieht vor: Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.
[6] 5. Die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 zur Änderung der Richtlinie 77/187 (ABl. L 201, S. 88), für deren Umsetzung die Frist am 17. Juli 2001 abgelaufen ist, wurde 2001 nach dem im Ausgangsverfahren maßgeblichem Zeitpunkt in das österreichische Recht umgesetzt und ist daher nicht anwendbar.
Nationales Recht
[7] 6. § 3 AVRAG (Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber) bestimmt in Absatz 1: Geht ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber über (Betriebsübergang), so tritt dieser als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.
Ausgangsverfahren
[8] 7. Der Träger des Orthopädischen Spitals Wien-Speising (im Folgenden: Spitalserhalter) schloss am 2. November 1990 mit Sanrest eine Vereinbarung, wonach diese die Lieferung und Versorgung mit Speisen und Getränken sowie die Wirtschaftsdienste innerhalb des Spitals, bestehend aus einer kompletten Versorgung der Patienten und des Personals, übernahm. Sonderleistungen waren gesondert zu vergüten.
[9] 8. Die Speiseproduktion hatte in den Betriebsräumen des Spitals zu erfolgen. Zu den Aufgaben von Sanrest gehörten die Erstellung der Speisepläne, der Einkauf, die Lagerhaltung, die Produktion, die Portionierung und der Transport der portionierten Mahlzeiten auf die verschiedenen Stationen des Spitals (nicht jedoch die Verteilung an die Patienten), die Ausgabe im Personalspeisesaal sowie die Reinigung des Schmutzgeschirrs und der benützten Räume.
[10] 9. Die Räumlichkeiten selbst sowie Wasser, Energie und das notwendige Groß- und Kleininventar wurden Sanrest vom Spitalserhalter zur Verfügung gestellt. Allfällige Beschädigungen dieses Inventars waren von Sanrest zu ersetzen.
[11] 10. Zusätzlich übernahm Sanrest auch noch die ebenfalls im Spital befindliche Cafeteria.
[12] 11. Darüber hinaus betreute Sanrest aus der Spitalsküche heraus bis zum Sommer 1998 weitere externe Kunden, unter anderem auch den neben dem Spital befindlichen Kindergarten St. Josef.
[13] 12. Mitte des Jahres 1998 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Spitalserhalter und Sanrest, die dazu führten, dass diese die Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistungen für zwei Monate einstellte. In dieser Zeit übernahm Sodexho die Anlieferung der Verpflegung des Spitals aus ihren anderen Betriebsstätten.
[14] 13. Mit Schreiben vom 26. April 1999 kündigte der Spitalserhalter den Vertrag mit Sanrest unter Einhaltung der sechsmonatigen Kündigungsfrist.
[15] 14. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1999 teilte der Spitalserhalter Sanrest, die sich ebenfalls an der Bewerbung im Zuge der Neuausschreibung des Auftrags beteiligt hatte, mit, dass nicht sie, sondern Sodexho den Zuschlag erhalte, und zwar ab dem 16. November 1999.
[16] 15. Sanrest stellte sich dann auf den Standpunkt, dass es sich um einen Betriebsübergang handele. Da Sodexho jedoch die Übernahme des beweglichen Inventars und des Warenlagers sowie der Arbeitnehmer von Sanrest ablehnte, reduzierte diese das Warenlager so, dass nach dem 15. November 1999 nichts mehr übrig blieb. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich ferner, dass Sodexho von Sanrest keinerlei Kalkulationen, Menüpläne, Diätpläne, Rezepturen oder Erfahrungsberichte erhielt.
[17] 16. Neben der Verpflegung des Spitals übernahm Sodexho von den übrigen Tätigkeiten von Sanrest sechs bis zehn Menüs für den Kindergarten St. Josef.
[18] 17. Mit Schreiben vom 5. November 1999 kündigte Sanrest die Arbeitsverhältnisse ihrer Beschäftigten zum 19. November 1999.
[19] 18. Abler u. a. erhoben darauf vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien Klage gegen Sodexho auf Feststellung des Fortbestands ihrer Arbeitsverhältnisse mit dieser aufgrund der Vorschriften des AVRAG über den Übergang von Betrieben.
[20] 19. Sodexho bestritt, dass ein Betriebsübergang stattgefunden habe; sie habe es nämlich abgelehnt, auch nur einen einzigen Arbeitnehmer von Sanrest zu übernehmen. Außerdem habe es zwischen den beiden Firmen keine vertragliche Beziehung gegeben.
[21] 20. Das Arbeits- und Sozialgericht wies die Klage von Abler u. a. in der ersten Instanz ab. Es war der Ansicht, dass zwar dem Fehlen einer vertraglichen Beziehung zwischen Sanrest und Sodexho keine ausschlaggebende Bedeutung zukomme und nur entscheidend sei, ob die für den Betrieb verantwortliche Person im Rahmen vertraglicher Beziehungen gewechselt habe, im vorliegenden Fall fehle es jedoch an einem für den Begriff des Übergangs im Sinne des AVRAG kennzeichnenden Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Dass die Dienstleistungen von Sanrest und Sodexho einander ähnlich seien, reiche nicht aus.
[22] 21. Das Arbeits- und Sozialgericht stellte fest, dass Sodexho im Ergebnis von Sanrest nur die Tätigkeit übernommen habe, für das Spital in den zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zu kochen. Die Merkmale eines Betriebsübergangs seien nicht erfüllt, da weder ein Übergang von Führungskräften, der Organisation des Arbeitsablaufs sowie von Rezepturen und Diätvorschriften noch ein Übergang von Kunden erfolgt sei.
[23] 22. Im Berufungsverfahren vertrat das Oberlandesgericht Wien (Österreich) einen entgegengesetzten Standpunkt. Es war der Ansicht, dass die Art der Betriebsveräußerung nicht entscheidend sei, vielmehr sei maßgeblich, dass der für das Geschick des Betriebes Verantwortliche wechsele.
[24] 23. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes liege im vorliegenden Fall ein Betriebsübergang vor, da eine identitätbewahrende wirtschaftliche Einheit, die durch die Ausübung der Tätigkeit und die vorhandenen Betriebsmittel und Betriebsräumlichkeiten gekennzeichnet sei, übergegangen sei. Der Übergang der Belegschaft sei eine Folge und nicht Voraussetzung des Betriebsübergangs.
[25] 24. Mit ihrer beim Obersten Gerichtshof eingelegten Revision macht Sodexho geltend, dass sie von Sanrest keine materiellen oder immateriellen Betriebsmittel wie Warenlager, Menüpläne, Diätpläne, Rezepturen, Kalkulationen oder Erfahrungsberichte und ebenso wenig auch nur Teile der Belegschaft übernommen habe.
[26] 25. Wenn ein neuer Auftragnehmer lediglich die Räumlichkeiten und die Ausstattung übernehme, begründe dies nicht die Übernahme einer arbeitsorganisatorischen Einheit im Sinne eines Betriebsübergangs.
[27] 26. Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
[28] Handelt es sich um den Übergang eines Betriebsteils im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen, wenn ein Krankenhausträger, der bisher ein Großküchenunternehmen mit der Versorgung der Patienten und des Krankenhauspersonals mit Speisen und Getränken zu einem auf den Verköstigungstag pro Person bezogenen Preis beauftragt und ihm dazu Wasser und Energie sowie seine Wirtschaftsräume (Betriebsküche) samt dem erforderlichen Inventar zur Verfügung gestellt hat, nach Aufkündigung dieses Vertrages diese Aufgaben und die bisher diesem ersten Großküchenunternehmen zur Verfügung gestellten Betriebsmittel einem anderen Großküchenunternehmen überträgt, ohne dass dieses zweite Großküchenunternehmen die vom ersten Großküchenunternehmen selbst eingebrachten Betriebsmittel – Personal, Warenlager, Kalkulations-, Menü-, Diät-, Rezept- oder Erfahrungsunterlagen – übernimmt?
Zur Vorlagefrage
[29] 27. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 1 der Richtlinie 77/187 so auszulegen ist, dass diese auf eine Situation anwendbar ist, in der ein Auftraggeber, der einen ersten Unternehmer vertraglich mit der gesamten Verpflegung in einem Krankenhaus betraut hatte, diesen Vertrag beendet und über dieselbe Leistung einen neuen Vertrag mit einem zweiten Unternehmer abschließt, wenn der zweite Unternehmer zum einen zuvor von dem ersten Unternehmer benutzte und beiden nacheinander vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte wesentliche materielle Betriebsmittel benutzt und zum anderen die Übernahme der Arbeitnehmer des ersten Unternehmers verweigert.
[30] 28. Nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 ist die Richtlinie 77/187 auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.
[31] 29. Die Richtlinie 77/187 soll die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten. Entscheidend für einen Übergang im Sinne der Richtlinie ist daher, ob die fragliche Einheit ihre Identität bewahrt, was namentlich dann zu bejahen ist, wenn der Betrieb tatsächlich weitergeführt oder wieder aufgenommen wird (u. a. Urteile vom 18. März 1986 in der Rechtssache 24/85, Spijkers, Slg. 1986, 1119, Randnrn. 11 und 12, und vom 11. März 1997 in der Rechtssache C-13/95, Süzen, Slg. 1997, I-1259, Randnr. 10).
[32] 30. Die Anwendbarkeit der Richtlinie 77/187 setzt jedoch voraus, dass eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit übergegangen ist, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist (u. a. Urteil vom 19. September 1995 in der Rechtssache C-48/94, Rygaard, Slg. 1995, I-2745, Randnr. 20). Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung (u. a. Urteil Süzen, Randnr. 13).
[33] 31. Sodexho macht zunächst geltend, dass das völlige Fehlen einer Übernahme von Arbeitnehmern der Sanrest durch sie selbst den Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne der Richtlinie 77/187 ausschließe.
[34] 32. Sie stützt ihr Vorbringen auf die Urteile, in denen der Gerichtshof festgestellt hat, dass in bestimmten Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, eine wirtschaftliche Einheit darstellen kann und dass also in diesem Fall eine solche Einheit ihre Identität über ihren Übergang hinaus bewahren kann, wenn der neue Unternehmensinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hatte (u. a. Urteil Süzen, Randnr. 21, und Urteil vom 10. Dezember 1998 in den Rechtssachen C-173/96 und C-247/96, Hidalgo u. a., Slg. 1998, I-8237, Randnr. 32).
[35] 33. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit erfüllt sind, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten (Urteile Spijkers, Randnr. 13, und Süzen, Randnr. 14).
[36] 34. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (u. a. Urteile Spijkers, Randnr. 13, und Süzen, Randnr. 14).
[37] 35. Das nationale Gericht hat bei der Bewertung der maßgeblichen Tatsachen die Art des betroffenen Unternehmens oder Betriebes zu berücksichtigen. Den für das Vorliegen eines Übergangs im Sinne der Richtlinie 77/187 maßgeblichen Kriterien kommt notwendigerweise je nach der ausgeübten Tätigkeit und auch nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht zu (Urteile Süzen, Randnr. 18, und Hidalgo u. a., Randnr. 31).
[38] 36. Die Verpflegung kann nicht als eine Tätigkeit angesehen werden, bei der es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, da dafür Inventar in beträchtlichem Umfang erforderlich ist. Wie die Kommission geltend macht, wurden im Ausgangsverfahren die für die betreffende Tätigkeit unverzichtbaren Betriebsmittel – nämlich die Räumlichkeiten, Wasser, Energie und das Groß- und Kleininventar (insbesondere das zur Zubereitung der Speisen erforderliche unbewegliche Inventar und die Spülmaschinen) – von Sodexho übernommen. Außerdem ist die Situation im Ausgangsverfahren durch die ausdrückliche und unabdingbare Verpflichtung zur Zubereitung der Speisen in der Küche des Krankenhauses und folglich zur Übernahme dieser Betriebsmittel geprägt. Der Übergang der Räumlichkeiten und des vom Spital zur Verfügung gestellten Inventars, der für die Zubereitung und die Verteilung der Speisen an die Patienten und das Spitalspersonal unerlässlich erscheint, reicht unter diesen Umständen für die Erfüllung der Merkmale des Übergangs der wirtschaftlichen Einheit aus. Es ist außerdem klar ersichtlich, dass der neue Auftragnehmer zwangsläufig im Wesentlichen die Kunden seines Vorgängers übernommen hat, da diese gebunden sind.
[39] 37. Daraus ergibt sich, dass der Umstand, dass der neue Unternehmer keinen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernommen hat, welches sein Vorgänger für die Durchführung derselben Tätigkeit eingesetzt hatte, nicht ausreicht, um in einem Bereich wie dem der Verpflegung, bei der es im Wesentlichen auf das Inventar ankommt, den Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit im Sinne der Richtlinie 77/187 auszuschließen. Wie das Vereinigte Königreich und die Kommission zu Recht ausführen, würde eine gegenteilige Beurteilung dem Hauptzweck der Richtlinie 77/187 widersprechen, der darin besteht, auch gegen den Willen des Erwerbers die Arbeitsverträge der Arbeitnehmer des Veräußerers aufrechtzuerhalten.
[40] 38. Sodexho trägt ferner vor, dass zwischen ihr und Sanrest keine vertragliche Beziehung bestehe.
[41] 39. Wie jedoch oftmals entschieden wurde, ist die Richtlinie 77/187 in allen Fällen anwendbar, in denen die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt. Somit setzt die Anwendung der Richtlinie 77/187 nicht voraus, dass zwischen Veräußerer und Erwerber unmittelbar vertragliche Beziehungen bestehen; die Übertragung kann auch unter Einschaltung eines Dritten, wie z. B. des Eigentümers oder des Verpächters, erfolgen (u. a. Urteil vom 7. März 1996 in den Rechtssachen C-171/94 und C-172/94, Merckx und Neuhuys, Slg. 1996, I-1253, Randnrn. 28 bis 30, Urteil Süzen, Randnr. 12, und Urteil vom 24. Januar 2002 in der Rechtssache C-51/00, Temco, Slg. 2002, I-969, Randnr. 31).
[42] 40. Schließlich macht Sodexho geltend, dass der Umstand, dass der Spitalserhalter Eigentümer der Räumlichkeiten, in denen die Arbeit ausgeführt werde, und des dafür notwendigen Inventars bleibe, es nicht zulasse, einen bloßen Wechsel des Auftragnehmers als Übergang einer wirtschaftlichen Einheit anzusehen.
[43] 41. Aus dem Wortlaut des Artikels 1 der Richtlinie 77/187 ergibt sich jedoch, dass deren Anwendungsbereich sich auf alle Fälle erstreckt, in denen im Rahmen vertraglicher Beziehungen die natürliche oder juristische Person, die für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich ist und insoweit gegenüber den in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern die Arbeitgeberverpflichtungen eingeht, wechselt, ohne dass es darauf ankommt, ob das Eigentum an den Betriebsmitteln übertragen worden ist (Urteile vom 17. Dezember 1987 in der Rechtssache 287/86, Ny Mølle Kro, Slg. 1987, 5465, Randnr. 12, und vom 12. November 1992 in der Rechtssache C-209/91, Watson Rask und Christensen, Slg. 1992, I-5755, Randnr. 15).
[44] 42. Der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden, kann daher nicht zum Ausschluss eines Betriebsübergangs im Sinne der Richtlinie 77/187 führen.
[45] 43. Auf die Frage des vorlegenden Gerichts ist daher zu antworten, dass Artikel 1 der Richtlinie 77/187 so auszulegen ist, dass diese auf eine Situation anwendbar ist, in der ein Auftraggeber, der einen ersten Unternehmer vertraglich mit der gesamten Verpflegung in einem Krankenhaus betraut hatte, diesen Vertrag beendet und über dieselbe Leistung einen neuen Vertrag mit einem zweiten Unternehmer abschließt, wenn der zweite Unternehmer zuvor von dem ersten Unternehmer benutzte und beiden nacheinander vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte wesentliche materielle Betriebsmittel benutzt, und dies auch dann, wenn der zweite Unternehmer zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Arbeitnehmer des ersten Unternehmers nicht übernehmen will.
Kosten
[46] 44. Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
1: Verfahrenssprache: Deutsch.