Auslieferung nach Peru

BVerfG, Mitteilung vom 18. 12. 2003 – 100/03 (lexetius.com/2003,2833)

[1] Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines peruanischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Auslieferung nach Peru zum Zwecke der Verfolgung von Regierungskriminalität wehrt, nicht zur Entscheidung angenommen.
[2] 1. Zum Sachverhalt:
[3] Der Beschwerdeführer (Bf) ist peruanischer Staatsangehöriger und hält sich seit März 2001 mit seiner deutschen Ehefrau in Deutschland auf. Der Bf wurde am 5. Juli 2002 auf Grund eines Auslieferungsersuchens peruanischer Behörden festgenommen. Ihm wird zur Last gelegt, von Mitte 1995 bis zum Rücktritt des ehemaligen peruanischen Präsidenten Fujimori im November 2000 Mitglied in einer kriminellen Vereinigung gewesen zu sein. Diese Vereinigung setzte sich aus den wichtigsten Lieferanten der peruanischen Streitkräfte zusammen und soll anlässlich von Beschaffungskäufen für Polizei und Streitkräfte Bestechungsgelder zum Nachteil der Staatskasse bezogen haben. Das Oberlandesgericht (OLG) München erklärte die Auslieferung für zulässig. Sie widerspreche weder den Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung im Sinne des Gesetzes über die internationale Rechthilfe in Strafsachen (IRG), noch bestünden begründete Anhaltspunkte für die Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung des Bf in Peru. Hiergegen richtet sich die Vb. Der Bf rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 6 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
[4] 2. Die Kammer hat im Wesentlichen ausgeführt:
[5] Art. 6 Abs. 1 GG schützt nicht davor, dass ein Ausländer als Folge der Verletzung von Strafnormen außerhalb des Bundesgebietes zur Verantwortung gezogen wird. Hinter diesem Grundsatz steht eine Abwägung des Anspruchs auf Ehe- und Familienleben mit dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse bei den schweren Straftaten, die allein Gegenstand eines Auslieferungsverfahrens sind, und für deren Durchsetzung die Bundesrepublik Deutschland auf die Zusammenarbeit mit anderen Staaten angewiesen ist. Gerade aus diesem Grund unterstützt Deutschland das Strafverfolgungsinteresse anderer Staaten, um seinerseits in einem entsprechenden Fall Unterstützung zu erhalten. Die internationale Offenheit des vom Grundgesetz verfassten Staates sowie sein Interesse an der Durchsetzung des eigenen Strafanspruchs im Ausland überwiegen angesichts der typischerweise schwerwiegenden "auslieferungsfähigen" Straftaten – im vorliegenden Fall geht es um die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung – regelmäßig die Schutzwirkung des Art. 6 GG.
[6] Auch das Vorbringen des Bf, ihm drohe als strafverdächtiger Person in Peru Folter und Misshandlung, hat keinen Erfolg. Das OLG verlangt insoweit, dass begründete Anhaltspunkte für eine solche Gefahr vorliegen müssen, und hat zur Vorbereitung seiner Entscheidung Informationen über die Menschenrechtslage in Peru eingeholt. Sowohl der Bericht von Amnesty International als auch die beiden Lageberichte des Auswärtigen Amtes stützen die Ansicht, dass die Situation in Peru der Zulässigkeit der Auslieferung nicht entgegensteht. Dieser Annahme ist der Bf nicht mit überzeugenden Gründen entgegengetreten.
[7] Im Hinblick auf die Rüge menschenunwürdiger Haftbedingungen in Peru durfte das OLG auf die Zusicherung der peruanischen Behörden abstellen, wonach eine Strafe nicht aus politischen, militärischen oder religiösen Gründen verhängt oder verschärft wird und der Bf nach der Überstellung in einer Haftanstalt untergebracht wird, die dem Minimalstandard der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen entspricht. Dabei stützt sich das OLG maßgeblich auf die vom Auswärtigen Amt eingeholten Informationen über die konkrete Situation in einzelnen peruanischen Justizvollzugsanstalten. Die Erfahrungsberichte des deutschen Botschaftspersonals in Lima tragen die Einschätzung des OLG, dass dem Bf in keiner der beiden in Frage kommenden Haftanstalten eine menschenunwürdige Haft droht. In dem speziellen Fall des Bf liegen keine Besonderheiten vor, die die Besorgnis einer menschenunwürdigen Behandlung in der Haft begründen. Die Eigenschaft als Freund des ehemaligen Präsidenten Fujimori und Beteiligter an einem Korruptionskartell führt zu keiner anderen Bewertung. Es ist bislang nicht ersichtlich, dass wegen Regierungskriminalität beschuldigte Personen in Peru gerade aus diesem Grund schlechter behandelt werden als andere einer Straftat Beschuldigte.
BVerfG, Beschluss vom 1. 12. 2003 – 2 BvR 879/03