Bundesgerichtshof
GVG § 17a; ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 3
Der Umstand, daß das Landgericht bei der Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG übersehen hat, rechtfertigt es nicht, die Bindungswirkung der Verweisung zu durchbrechen.

BGH, Beschluss vom 16. 12. 2003 – X ARZ 363/03 (lexetius.com/2003,3314)

[1] Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf am 16. Dezember 2003 beschlossen:
[2] Zuständig ist das Arbeitsgericht München.
[3] Gründe: I. Der Kläger war Geschäftsführer der beklagten GmbH und hat sie aufgrund einer Abfindungsvereinbarung vor dem Landgericht München I verklagt. Das Landgericht hat die Parteien darauf hingewiesen, daß seines Erachtens die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gegeben sei. Der Kläger hat daraufhin beantragt, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht München zu verweisen. Die Beklagte hat mitgeteilt, daß gegen eine eventuelle Verweisung an das Arbeitsgericht keine Einwände beständen.
[4] Mit Beschluß vom 18. Dezember 2002, gegen den Rechtsmittel nicht eingelegt wurden, hat das Landgericht den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen.
[5] Das Arbeitsgericht München hat die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und die Sache dem Landgericht München I zurückgegeben, weil das Landgericht offenbar § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG übersehen habe. Die dagegen von der Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht verworfen, da eine beschwerdefähige Entscheidung nicht vorliege.
[6] Das Landgericht hat den Rechtsstreit dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
[7] II. Aufgrund der bindenden Verweisung durch das Landgericht ist das Arbeitsgericht zuständig.
[8] 1. Für Entscheidungen über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs trifft § 17a GVG eine eigenständige Regelung, die einen Streit zwischen Gerichten verschiedener Rechtswege von vornherein ausschließen soll (Sen. Beschl. v. 9. 4. 2002 – X ARZ 24/02, NJW 2002, 2474; v. 12. 3. 2002 – X ARZ 314/01, BGH-Report 2002, 749; v. 13. 11. 2001 – X ARZ 266/01, WM 2002, 406). Wenn das angerufene Gericht den zu ihm führenden Rechtsweg für unzulässig hält, hat es dies auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Diese Entscheidung kann in einem Instanzenzug auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden, denn anders als die Verweisung wegen örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit (§ 281 ZPO) unterliegt der nach § 17a Abs. 2 GVG ergehende Verweisungsbeschluß der sofortigen Beschwerde (§ 17a Abs. 4 GVG). Hieraus folgt jedoch umgekehrt, daß ein nach § 17a Abs. 2 GVG ergangener Beschluß, sobald er rechtskräftig geworden ist, einer weiteren Überprüfung entzogen ist. Die Regelung in § 17a Abs. 5 GVG bestätigt dies (Sen. Beschl. v. 9. 4. 2002 aaO). Angesichts dieser Rechtslage besteht die Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG auch bei gesetzwidrigen Verweisungen (BGHZ 144, 21, 24; Sen. Beschl. v. 9. 4. 2002 aaO).
[9] Auch der Streit zwischen dem Arbeitsgericht München und dem Landgericht München I ist hiermit entschieden. Das Arbeitsgericht München ist das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs, weil der Rechtsstreit durch den unangefochtenen und nunmehr unanfechtbaren Beschluß des Landgerichts München I vom 18. Dezember 2002 mit der sich aus § 17b Abs. 1 GVG ergebenden Folge verwiesen worden ist, daß der Rechtsstreit nunmehr beim Arbeitsgericht anhängig ist.
[10] 2. Eine andere Beurteilung kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil das Landgericht, wie das Arbeitsgericht meint, einer offenkundigen Fehlbeurteilung unterlegen ist. Denn die durch § 17a Abs. 4 GVG eröffnete Beschwerdemöglichkeit schließt es auch bei einem schwerwiegenden Rechtsfehler grundsätzlich aus, die Bindungswirkung der Verweisung des Rechtsstreits an das Gericht eines anderen Rechtswegs zu durchbrechen (Sen. Beschl. v. 8. 7. 2003 – X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990).
[11] Im Streitfall haben die Parteien weder ein Rechtsmittel gegen die Verweisung eingelegt noch auch nur vor dem Landgericht der Verweisung widersprochen. Damit ist die Verweisung rechtskräftig und sowohl für die Parteien als auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens für das Arbeitsgericht bindend. Angesichts der klaren Rechtslage besteht weder Anlaß noch Möglichkeit, dem Arbeitsgericht die im Gesetz nicht vorgesehene Befugnis zuzubilligen, sich über die Bindungswirkung der Verweisungsentscheidung hinwegzusetzen.
[12] Da das Arbeitsgericht jedoch die Übernahme der Sache abgelehnt und diese an das Landgericht München I "zurückgegeben" hat, spricht der Senat zur Vermeidung weiterer Verzögerungen des Verfahrens die gesetzliche Rechtsfolge ausdrücklich aus (vgl. Sen. Beschl. v. 13. 11. 2001 aaO).