Bundesarbeitsgericht
Streit der Betriebsparteien über Betriebsrentenberechnung
Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, dass die Betriebsvereinbarungen abredegemäß durchgeführt werden. Dieser Anspruch kann in einem Beschlussverfahren durchgesetzt werden. Er erstreckt sich nicht nur auf die Wirksamkeit und die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, sondern auch auf deren Auslegung, jedoch nicht auf die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften und Tarifverträge. Der Betriebsrat hat nicht das Recht, im eigenen Namen die den einzelnen Arbeitnehmern zustehenden Betriebsrentenansprüche geltend zu machen.

BAG, Beschluss vom 18. 1. 2005 – 3 ABR 21/04 (lexetius.com/2005,1991)

[1] Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 31. Oktober 2003 – 3 TaBV 18/03 – wird zurückgewiesen.
[2] Gründe: A. Die Beteiligten streiten darüber, wie die in einer Betriebsvereinbarung geregelten Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer zu berechnen sind, die vor Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente zum Zwecke des Vorruhestandes ausscheiden.
[3] Am 27. Dezember 1983 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (VersO 83). Ihr Geltungsbereich beschränkt sich auf die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 31. Dezember 1994 begründet wurde. Sie enthält folgende Bestimmungen:
"IV. Feste Altersgrenze. Die feste Altersgrenze ist bei Männern und Frauen mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht.
V. Anspruchsvoraussetzungen für Ruhegeld. 1. Den Anspruch auf Altersrente erwirbt der Anwärter, dessen Arbeitsverhältnis zur Bank mit oder nach Erreichen der festen Altersgrenze (IV) endet.
2. Den Anspruch auf vorzeitige Altersrente erwirbt der Anwärter, dessen Arbeitsverhältnis zur Bank vor Erreichen der festen Altersgrenze (IV) endet und der spätestens ab Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses Altersruhegeld oder Knappschaftsruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§§ 1248 RVO, 25 AVG, 48 RKG) in Anspruch nimmt. …
VII. Höhe des Ruhegeldes. 1. Mit Ablauf eines jeden vollen Kalendermonats Januar (Feststellungsmonate) nach Vollendung des 29. Lebensjahres innerhalb der anrechenbaren Dienstzeit (IX), frühestens beginnend mit dem Monat Januar 1984 wird ein Versorgungsteilbetrag festgestellt.
2. a) Jeder Versorgungsteilbetrag beträgt
- 0, 7 % des versorgungsfähigen Arbeitsverdienstes (X) des jeweiligen Feststellungsmonats (Ziffer 1) …
- 1, 05 % des Teils des versorgungsfähigen Arbeitsverdienstes (X) des jeweiligen Feststellungsmonats (Ziffer 1), der die Beitragsbemessungsgrenze (Absatz c) übersteigt. …
XII. Unverfallbarkeit. 1. Diese Versorgungsordnung schränkt das Recht der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Bank nicht ein.
2. a) Hat das Arbeitsverhältnis zur Bank geendet, ohne daß ein Anspruch nach dieser Versorgungsordnung erworben wurde, bleibt eine Anwartschaft auf Bankrenten in dem im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vorgeschriebenen Umfang aufrechterhalten."
[4] Am 1. Oktober 1984 trat der von der Arbeitgeberin anzuwendende Tarifvertrag zur vorgezogenen freiwilligen Pensionierung (Vorruhestands-Tarifvertrag) vom 10. April 1984 in Kraft. Er lautet auszugsweise:
"§ 2. Anspruchsvoraussetzungen. 1. Arbeitnehmer mit einer mindestens 10jährigen Betriebszugehörigkeit haben für 1 Jahr, mit einer mindestens 20jährigen Betriebszugehörigkeit für 2 Jahre vor der frühesten Möglichkeit des gesetzlichen Rentenbezugs Anspruch auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag, sofern ihr Arbeitsverhältnis durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zum Zwecke der Inanspruchnahme von Vorruhestandsgeld beendigt ist. …
§ 4. Sozialversicherungsbeiträge. 1. Der Arbeitgeber trägt die Hälfte des Beitrags, der sich auf der Grundlage des Vorruhestandsgeldes für die Pflichtversicherung des ausgeschiedenen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ergibt. …
2. Bei einer Mitgliedschaft des Arbeitnehmers im Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes (BVV) trägt der Arbeitgeber 2/3 des Beitragsanteils bis zur Höchstgrenze des Vorruhestandsgeldes. Entsprechendes gilt für die Zusatzversicherungseinrichtungen öffentlicher Banken.
3. Sofern keine Mitgliedschaft zum BVV besteht, verpflichtet sich der Arbeitgeber, die Leistungen zu den jeweiligen betrieblichen und überbetrieblichen Altersversorgungseinrichtungen auf der Basis des Vorruhestandsgeldes fortzusetzen. Die Höhe einer betrieblichen Altersversorgung wird von diesem Vertrag nicht berührt und bestimmt sich nach den Ansprüchen, wie sie im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Vorruhestandes bestehen."
[5] Nach der zwischen den Beteiligten geschlossenen Rahmenvereinbarung "Strategische Ergebnisverbesserung" vom 14. März 1997 können Arbeitnehmer im gegenseitigen Einvernehmen mit der Arbeitgeberin bereits vor Vollendung des 58. Lebensjahres ihr Arbeitsverhältnis beenden und in den Vorruhestand treten. Sie erhalten in diesem Falle ein Vorruhestandsgeld in Höhe von 70 % des letzten Bruttogehalts. Viele Mitarbeiter haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
[6] Die Arbeitgeberin ermittelt die Betriebsrenten der wegen Eintritts in den Vorruhestand ausgeschiedenen Arbeitnehmer entsprechend der von einem Beratungsunternehmen ausgearbeiteten Musterberechnung ausgehend von § 2 Abs. 1 BetrAVG wie folgt: Als Vollrente sieht sie die Betriebsrente an, die der Arbeitnehmer – unter Berücksichtigung der Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 BetrAVG – erhalten würde, wenn sein Arbeitsverhältnis bis zur frühestmöglichen Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente fortbestanden hätte. Die Arbeitgeberin kürzt die Summe der bis zu diesem Zeitpunkt anfallenden Versorgungsteilbeträge im Verhältnis der bis zum Eintritt in den Vorruhestand tatsächlich erreichten Betriebszugehörigkeit (m) zu der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Betriebszugehörigkeit (n).
[7] Gegen diese m/n-Kürzung hat sich der Gesamtbetriebsrat gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe gegen die Arbeitgeberin ein im Beschlussverfahren durchsetzbarer betriebsverfassungsrechtlicher Anspruch auf richtige Durchführung der VersO 83 zu. In erster Linie hat er verlangt, dass die nach der VersO 83 erdienten Versorgungsteilbeträge ungekürzt als Betriebsrente ausgezahlt werden. Ob nur die bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (= Eintritt in den Vorruhestand) oder auch die bis zum Ende des Vorruhestandes (= Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente) anfallenden Versorgungsfreibeträge zugrunde zu legen seien, hänge von der Auslegung des Vorruhestands-Tarifvertrages ab. Hierüber sei im vorliegenden Beschlussverfahren nicht zu entscheiden. Hilfsweise hat der Gesamtbetriebsrat geltend gemacht, dass bei einer zeitratierlichen Berechnung der Betriebsrente nach § 2 Abs. 1 BetrAVG als Vollrente die Betriebsrente anzusetzen sei, die dem zum Zwecke des Vorruhestandes ausgeschiedenen Arbeitnehmer zustünde, wenn sein Arbeitsverhältnis bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres fortbestanden hätte. Falls die Arbeitgeberin auch diesem Begehren nicht nachkommen müsse, sei beim Kürzungsfaktor nicht auf die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbare Betriebszugehörigkeit, sondern auf die bis zur Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente erreichbare Betriebszugehörigkeit abzustellen.
[8] Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt beantragt: Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vom 27. 12. 1983 in der Fassung vom 11. 09. 1984 in der Weise durchzuführen, dass die Ruhegeldansprüche derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 31. 12. 1994 begründet wurde, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres auf Grund Vorruhestandsvereinbarung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind oder ausscheiden und die mit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersrente beziehen, nicht im Verhältnis der tatsächlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit zur theoretisch möglichen Dauer mit Vollendung des 65. Lebensjahres gekürzt, sondern auf der Basis der bis zum Ausscheiden oder, soweit dies die tarifvertragliche Regelung vorsieht, bis zum Ende des Vorruhestandes, erreichten Versorgungsteilbeträge berechnet werden. Hilfsweise: Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vom 27. 12. 1983 in der Fassung vom 11. 09. 1984 in der Weise durchzuführen, dass die Ruhegeldansprüche derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 31. 12. 1994 begründet wurde, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres auf Grund Vorruhestandsvereinbarung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind oder ausscheiden und die mit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersrente beziehen, in der Weise errechnet werden, dass die bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbare Vollrente im Verhältnis der tatsächlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit – soweit das die tarifvertragliche Regelung vorsieht, unter Einschluss des Vorruhestandes – zur theoretisch möglichen Dauer mit Vollendung des 65. Lebensjahres gekürzt wird. Weiter hilfsweise: Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vom 27. 12. 1983 in der Fassung vom 11. 09. 1984 in der Weise durchzuführen, dass die Ruhegeldansprüche derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 31. 12. 1994 begründet wurde, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres auf Grund Vorruhestandsvereinbarung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind oder ausscheiden und die mit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersrente beziehen, so berechnet werden, dass der sich bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit 60 Jahren und unmittelbar anschließendem Rentenbezug errechnende Anspruch im Verhältnis der tatsächlichen Zugehörigkeit zu der bis Vollendung des 60. Lebensjahres erreichbaren Betriebszugehörigkeit gekürzt wird.
[9] Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat diese sowohl für unzulässig als auch für unbegründet gehalten. Der Streit über die Berechnung der Betriebsrenten von Arbeitnehmern, die nach dem Vorruhestand vorgezogene Altersrente in Anspruch nähmen, gehöre nicht in das Beschlussverfahren, sondern in das zwischen ihr und ihren Arbeitnehmern zu führende Urteilsverfahren. Im Übrigen sei ihre Berechnungsmethode rechtens.
[10] Das Arbeitsgericht hat inhaltlich dem weiteren Hilfsantrag stattgegeben und im Übrigen die Anträge abgewiesen. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht alle Anträge als unzulässig abgewiesen. Der Senat hat mit Beschluss vom 24. Februar 2004 – 3 ABN 5/04 – die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit diesem Rechtsmittel verfolgt der Gesamtbetriebsrat sein bisheriges Begehren weiter.
[11] B. Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen. Auch wenn die Anträge des Gesamtbetriebsrats nicht als Leistungs-, sondern als Feststellungsanträge angesehen werden, entsprechen sie nicht den im Beschlussverfahren zu stellenden prozessualen Anforderungen.
[12] I. Inhalt, Bedeutung und Ziel der gestellten Anträge zeigen sich deutlich bei dem von beiden Beteiligten zugrunde gelegten Musterfall.
[13] Die Arbeitnehmerin Muster ist am 5. August 1943 geboren. Ihre Betriebszugehörigkeit bei der Arbeitgeberin begann am 1. Januar 1986. Ihr Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 2000. Für die Zeit bis zum 31. Dezember 1999 waren Versorgungsteilbeträge von insgesamt 517,10 DM angefallen. Der versorgungsfähige Arbeitsverdienst im letzten Feststellungsmonat Januar 2000 (vgl. Nr. VII 1 VersO 83) belief sich auf 7.119,00 DM. Die feste Altersgrenze ist bei Männern und Frauen nach Nr. IV VersO BV 83 einheitlich mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht.
[14] Altersrente bei Eintritt in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahres (5. 8. 2008) bei vorzeitigem Ausscheiden mit Ablauf des 31. 12. 2000: 641,75 DM. Versorgungsteilbeträge bis zum 31. 12. 1999: 517,10 DM, Versorgungsteilbetrag für den Feststellungsmonat Januar 2000: 0, 70 % von 7.119,00 DM = 49,90 DM, Unter Berücksichtigung der Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 BetrAVG Versorgungsteilbeträge für die Feststellungsmonate Januar 2001 bis einschließlich Januar 2008: 8 x 49,90 DM = 399,20 DM, Vollrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres: 966,20 DM, Unverfallbarkeitsfaktor: m (180 Monate tatsächliche BZ) 0, 6642 n (271 Monate erreichbare BZ), 966,20 DM x 0, 6642 = 641,75 DM.
[15] Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. 8. 2003 und vorgezogene Inanspruchnahme der Altersrente ohne vorzeitiges Ausscheiden: 716,70 DM. Versorgungsteilbeträge bis zum 31. 12. 1999: 517,10 DM + Versorgungsteilbetrag für den Feststellungsmonat Januar 2000: 49,90 DM + Versorgungsteilbeträge für Januar 2001 bis einschließlich Januar 2003 (Diese aufsteigende Berechnung ergibt sich aus Nr. VII 2 VersO 83.): (3 x 49,90 DM = 149,70 DM) = 716,70 DM.
[16] Berechnung der vorgezogenen Altersrente bei Ausscheiden zum 31. 12. 2000 wegen Vorruhestandes und vorgezogener Inanspruchnahme der Altersrente mit Ablauf des 31. 8. 2003:
[17] Die Arbeitgeberin multipliziert die Betriebsrente, die der Arbeitnehmerin Muster ohne vorzeitiges Ausscheiden bei vorgezogenem Eintritt in den Ruhestand zustünde, mit dem Unverfallbarkeitsfaktor des § 2 Abs. 1 BetrAVG, also im Verhältnis der tatsächlich erreichten Betriebszugehörigkeit zu der bis zur festen Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres) erreichbaren Betriebszugehörigkeit. Dies ergibt 716,70 DM x 0, 6642 (180 Monate: 271 Monate) = 476,03 DM.
[18] Diese Berechnung beruht darauf, dass nach Auffassung der Arbeitgeberin der Eintritt in den Vorruhestand als "normaler Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis" anzusehen sei und der Vorruhestands-Tarifvertrag keine davon abweichende Regelung enthalte.
[19] Der Gesamtbetriebsrat ist dagegen der Meinung, nach dem Vorruhestands-Tarifvertrag sei der Vorruheständler betriebsrentenrechtlich so zu behandeln, als bestünde sein Arbeitsverhältnis bis zur Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente fort. Auch der Gesamtbetriebsrat geht jedoch davon aus, dass die Auslegung des Vorruhestands-Tarifvertrages nicht zum Gegenstand des vorliegenden Beschlussverfahrens gemacht werden kann. Diesem Umstand möchte der Gesamtbetriebsrat durch die alternative Fassung seines Haupt- und seines ersten Hilfsantrags Rechnung tragen. Die Anträge wirken sich im Musterfall wie folgt aus:
Hauptantrag: aufsteigende Berechnung ohne m/n-Kürzung
1. Alternative: aufsteigende Berechnung, bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis: Versorgungsteilbeträge bis zum 31. 12. 1999 517,10 DM + Versorgungsteilbetrag für Januar 2000 49,90 DM = 567,00 DM.
2. Alternative: aufsteigende Berechnung, bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme der Altersrente: Versorgungsteilbeträge bis zum 31. 12. 1999 517,10 DM + Versorgungsteilbetrag für Januar 2000 49,90 DM + Versorgungsteilbeträge für Januar 2001 bis einschl. Januar 2003 (3 x 49,90 DM = 149,70 DM) = 716,70 DM. (Im Ergebnis bleibt das vorzeitige Ausscheiden unberücksichtigt.)
1. Hilfsantrag: Vollrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres multipliziert mit dem Unverfallbarkeitsfaktor
1. Alternative: m = tatsächliche Betriebszugehörigkeit (BZ), n = bis zum 65. Lj. erreichbare BZ, 966,20 DM x 180/271 = 641,75 DM. (Im Ergebnis bleibt die vorgezogene Inanspruchnahme der Altersrente unberücksichtigt.)
2. Alternative: m = tatsächliche BZ + Zeit des Vorruhestandes bis zur Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente, n = bis zum 65. Lj. erreichbare BZ, 966,20 DM x 212/271 = 755,85 DM. (Im Ergebnis fiele die Betriebsrente des Vorruheständlers höher aus, als die Betriebsrente der Arbeitnehmer, die bis zur Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente für die Arbeitgeberin tätig sind.)
2. Hilfsantrag:
Mit Vollendung des 60. Lebensjahres erdienten Teilbeträge multipliziert mit dem modifizierten Unverfallbarkeitsfaktor m = tatsächliche BZ; n = bis zur Vollendung des 60. Lj. (= Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente) erreichbare BZ, 716,70 DM x 180/212 = 608,52 DM.
[20] II. Der Gesamtbetriebsrat hat mit dem Hauptantrag und den beiden Hilfsanträgen verlangt, der Arbeitgeberin "aufzugeben", die Betriebsrentenansprüche der Vorruheständler in der geforderten Art und Weise zu berechnen. Dem Wortlaut nach handelt es sich um einen Leistungsantrag. Im Beschlussverfahren wird zur Unterscheidung vom Urteilsverfahren üblicherweise statt der Formulierung "verurteilen" der Ausdruck "aufgeben" oder "verpflichten" verwandt.
[21] 1. Die Leistungsanträge genügen nicht dem auch im Beschlussverfahren zu beachtenden Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. ua. BAG 22. Oktober 1985 – 1 ABR 38/83BAGE 50, 29, 31). Im gerichtlichen Leistungsbefehl muss das dem Schuldner auferlegte Verhalten eindeutig festgelegt werden. Der Bezugspunkt der aufsteigenden Berechnung beim Hauptantrag kann ebenso wenig wie ein Element des Unverfallbarkeitsfaktors (anzusetzende erreichte Betriebszugehörigkeit) beim ersten Hilfsantrag alternativ bestimmt oder von außerprozessualen Bedingungen abhängig gemacht werden. Eine Auslegung oder Umdeutung in einen Antrag auf Mindestleistung scheitert daran, dass der Gesamtbetriebsrat nicht die individualrechtlichen Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer, sondern nur eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte geltend machen kann, zu denen auch der Anspruch auf abredegemäße Durchführung einer Betriebsvereinbarung gehört (vgl. dazu unter III).
[22] Ein unzulässiger Leistungsantrag kann in einen zulässigen Feststellungsantrag umgedeutet werden (vgl. ua. BAG 2. August 1968 – 3 AZR 219/67 – AP BGB § 297 Nr. 1, zu I 2 der Gründe; BGH 1. Juli 1987 – VIII ZR 194/86 – LM ZPO Vorbem. zu § 253 (Rechtsschutzbedürfnis) Nr. 11, zu A II 2 der Gründe). An die Bestimmtheit eines Feststellungsantrages sind geringere Anforderungen zu stellen als an einen Leistungsantrag. Soweit Handlungspflichten des Arbeitgebers festgestellt werden sollen, muss dem Arbeitgeber jedoch hinreichend verdeutlicht werden, mit welchem Verhalten er seinen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nachkommt (BAG 10. Dezember 2002 – 1 ABR 7/02BAGE 104, 175, 177, zu B I 3 der Gründe).
[23] 2. Ob Feststellungsanträge mit dem vorliegenden Inhalt diesen Anforderungen genügen, kann offen bleiben. Auch im Beschlussverfahren setzen Feststellungsanträge den Streit über ein Rechtsverhältnis und ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO voraus (vgl. ua. BAG 27. Januar 2004 – 1 ABR 5/03AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 56 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 6, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B der Gründe mwN). Zumindest das Feststellungsinteresse fehlt für die Klärung einzelner Berechnungsfragen, bei denen ungewiss ist, ob sie sich im Ergebnis auf den zu berechnenden Anspruch überhaupt auswirken (zur Zulässigkeit einer sog. Elementenfeststellungsklage vgl. ua. BAG 19. Februar 2002 – 3 AZR 589/99 –, zu III der Gründe mwN). Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht der Betriebsrentenanspruch der Vorruheständler, sondern der Durchführungsanspruch des Betriebsrats ist. Die Berechnungsmethoden sind nicht Selbstzweck, sondern sorgen für einen betriebsrentenrechtlichen Mindeststandard. Entscheidend ist die Höhe der Betriebsrente.
[24] III. Die bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die vorgezogenen Altersrenten von Vorruheständlern sind nicht in dem vom Betriebsrat angestrengten Beschlussverfahren, sondern in Urteilsverfahren zwischen der Arbeitgeberin und den Arbeitnehmern zu bereinigen.
[25] 1. Der Arbeitgeber ist dem Betriebsrat gegenüber verpflichtet, eine Betriebsvereinbarung so durchzuführen, wie sie abgeschlossen wurde. Ob Rechtsgrundlage dieses Anspruchs § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG oder die Betriebsvereinbarung selbst ist, kann auch im vorliegenden Fall offen bleiben (vgl. dazu ua. BAG 18. April 1989 – 1 ABR 3/88 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 33 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 35, zu B II 1 der Gründe mwN). Unabhängig von der dogmatischen Begründung handelt es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit iSd. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, in der nach § 80 Abs. 1 ArbGG das Beschlussverfahren stattfindet. Der Betriebsrat als Vertragspartner der Betriebsvereinbarung und Inhaber des Durchführungsanspruchs ist antragsbefugt (ua. BAG 21. August 2001 – 3 ABR 44/00BAGE 98, 354, 360).
[26] 2. Eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit entfällt nicht schon deshalb, weil durch die Auseinandersetzung über Inhalt, Reichweite oder Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung wegen deren normativen Wirkung auch individualrechtliche Rechtspositionen der unter ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer betroffen sind. Entscheidend ist, ob sich das Verfahren auf das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis der Betriebspartner bezieht (vgl. BAG 17. Juni 2003 – 3 ABR 43/02 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 44 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 40, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 b der Gründe).
[27] Der betriebsverfassungsrechtliche Anspruch auf Durchführung der Betriebsvereinbarung ist von den durch sie begründeten individualrechtlichen Ansprüchen zu unterscheiden. Diese Ansprüche kann der Betriebsrat nicht im eigenen Namen geltend machen. Das Betriebsverfassungsrecht hat ihm nicht die Rolle eines gesetzlichen Prozessstandschafters zugewiesen. Dementsprechend darf der Individualrechtsschutz nicht auf das Verhältnis Arbeitgeber/Betriebsrat verlagert werden (BAG 17. Oktober 1989 – 1 ABR 75/88BAGE 63, 152, 158 f.). Die Arbeitnehmer können nicht die Kosten für die Geltendmachung ihrer Individualrechte durch Einschaltung des Betriebsrats auf den Arbeitgeber abwälzen. Für die Abgrenzung sind auch nicht die Formulierungskünste des Antragstellers ausschlaggebend. Entscheidend ist, was der Betriebsrat "mit seinem Antrag letztlich begehrt" (BAG 17. Oktober 1989 – 1 ABR 31/87 (B) – BAGE 63, 140, 146).
[28] 3. Der Betriebsrat hat einen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch auf die abredegemäße Durchführung der Betriebsvereinbarung. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts können die Betriebspartner nicht nur die Wirksamkeit oder (Fort-) Geltung einer Betriebsvereinbarung im Beschlussverfahren klären lassen, sondern auch deren Auslegung (vgl. ua. BAG 18. April 1989 – 1 ABR 3/88 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 33 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 35, zu B I 2 a der Gründe; 24. Februar 1987 – 1 ABR 18/85BAGE 54, 191, 196). Der Auslegungsstreit muss aber den Inhalt der in der Betriebsvereinbarung getroffenen Abreden betreffen. Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften und Tarifverträge ist dagegen keine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit. Soweit die Betriebsvereinbarung keine Regelung enthält und der Arbeitgeber tarifliche oder gesetzliche Vorschriften vollzieht, hat der Betriebsrat keinen betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruch. Die (ergänzende) Anwendung von gesetzlichen und tariflichen Rechtsnormen betrifft den Individualrechtsschutz der Arbeitnehmer.
[29] 4. Nr. VII 2 VersO 83 enthält Vorschriften für die Berechnung der vorzeitigen Altersrente der Arbeitnehmer, die bis zum Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand bei der Arbeitgeberin beschäftigt sind. Zur Höhe der Betriebsrenten vorzeitig (vor Eintritt eines Versorgungsfalles) ausgeschiedener Arbeitnehmer enthält die VersO 83 keine eigenen Regelungen. Nr. XII 2 Buchst. a VersO 83 verweist auf das Betriebsrentengesetz. Sondervorschriften für Vorruheständler sind in der VersO 83 nicht enthalten. Ebenso fehlen eigene Bestimmungen für den Fall, dass ein vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer vorgezogene Altersrente in Anspruch nimmt. Diese Konstellation liegt auch bei den Vorruheständlern vor.
[30] Einer besonderen Regelung für das Zusammentreffen von vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und vorgezogener Inanspruchnahme der Altersrente bedurfte es nicht. Nach der früheren Rechtsprechung (vgl. ua. BAG 12. März 1991 – 3 AZR 102/90BAGE 67, 301, 307 ff.) schrieb § 2 Abs. 1 BetrAVG den von der Arbeitgeberin beschrittenen Rechenweg vor. Der Senat hat seine Rechtsprechung zu den §§ 2, 6 BetrAVG mit Urteil vom 23. Januar 2001 (- 3 AZR 164/00AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 16 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 23, zu II 2 der Gründe) geändert und dies mehrfach bestätigt (vgl. ua. 24. Juli 2001 – 3 AZR 567/00BAGE 98, 212, 216 ff.; 23. März 2004 – 3 AZR 279/03AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 28, zu III 1 der Gründe). Die Beteiligten streiten – abgesehen von der ausgeklammerten Auslegung des Vorruhestands-Tarifvertrages – darum, zu welchem Rechenweg die gesetzlichen Grundwertungen der §§ 2, 6 BetrAVG führen. Dabei handelt es sich nicht um eine Auslegung der Betriebsvereinbarung, sondern des Betriebsrentengesetzes. Auf diese Meinungsverschiedenheit erstreckt sich der betriebsverfassungsrechtliche Durchführungsanspruch nicht. Sie ist im Urteilsverfahren zwischen der Arbeitgeberin und den Arbeitnehmern auszutragen.