Bundesverwaltungsgericht
Polizeihauptmeister; innerdienstlicher Pflichtenverstoß bei Abschlussfeier; unkollegiales Verhalten; Einsatz eines Elektroimpulsgeräts bei der Diensthundeausbildung; vorsätzlicher Verstoß gegen Dienstvorschriften; unbefugte Benutzung eines Dienstwagens; falsche Angaben im Trennungsgeldantrag; Disziplinarmaß: Kürzung der Dienstbezüge; Beteiligung des Personalrats.
BBG § 54 Satz 3; § 55 Satz 2; § 77 Abs. 1 Satz 1; BDG § 85 Abs. 3 Satz 1; StGB § 17; StPO § 244 Abs. 3 Satz 2; BPersVG a. F. § 78 Abs. 1 Nr. 3

BVerwG, Urteil vom 17. 11. 2005 – 1 D 17.04 (lexetius.com/2005,3599)

[1] In dem Disziplinarverfahren g e g e n den Polizeihauptmeister …, …, hat das Bundesverwaltungsgericht, Disziplinarsenat, in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 17. November 2005, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s, Richterin am Bundesverwaltungsgericht H e e r e n, Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. H e i t z, Postbetriebsinspektorin O s m a n und Polizeihauptmeister We m h e u e r als ehrenamtliche Richter sowie Regierungsdirektor … als Vertreter der Einleitungsbehörde, Rechtsanwalt …, als Verteidiger und Protokollführerin … als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
[2] Die Berufung des Polizeihauptmeisters … gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts … vom 17. November 2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
[3] Gründe: I. 1. Die Leiterin der Grenzschutzschule … hat dem Beamten mit Anschuldigungsschrift vom 3. Juni 2004 vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er: 1. am Abend des 4. Mai 2000 den erfolgreichen Abschluss eines Lehrgangs mit dem Lehrpersonal und Lehrgangsteilnehmern in der Kantine der Zollhundeschule B. gefeiert habe. In Anwesenheit von Beamten der Zollhundeschule, der Lehrgangsteilnehmer eines Rauschgiftspürhunde-Lehrgangs des Zolls, vier Zollbeamten aus Bulgarien und Mazedonien sowie einer Dolmetscherin aus Mazedonien habe er unter erheblicher Alkoholeinwirkung a) Spirituosenflaschen (2cl) aus Glas nach Konsum im hohen Bogen hinter die ca. 2 m entfernte Theke geworfen und dabei die Büffethilfskraft Frau B. stark gefährdet, b) die anwesenden BGS-Kollegen zum Werfen der Spirituosenflaschen (2cl) aufgefordert, c) im Streit mit einem Zollbeamten einen Aschenbecher aus Glas hinter die Theke geworfen und eine leere Cola-Flasche auf dem Abtropfbecken zu zerschlagen versucht, d) gegenüber den schlichtend einschreitenden Zollbeamten geäußert:
"Wenn Euch unser Verhalten nicht passt, dann müsst Ihr gehen; wir haben hier das Sagen" und bezogen auf die Büffethilfskraft Frau B "Sie sind schließlich dafür da, uns zu bedienen und den Dreck wegzuräumen"; 2. seit 1999, insbesondere auf dem Grundlehrgang I und II/14 2000 vom 27. März bis 28. April 2000 und vom 13. Juni bis 14. Juli 2000, in der Diensthundeschule B. zur Diensthundeausbildung Teletaktgeräte und andere Elektroimpulsgeräte, sog. "Schweinetreiber", eingesetzt habe, obwohl deren Einsatz in der Aus- und Fortbildung der Diensthunde im BGS untersagt sei; 3. im Zeitraum vom 30. Oktober 2001 bis 9. November 2001 das Dienstfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … unerlaubt zu privaten Zwecken genutzt habe und 4. durch unrichtige Angaben in seinem Forderungsnachweis für die Trennungsgeldabrechnung bei täglicher Rückkehr an den Wohnort vom 4. Februar 2002 zu Unrecht erhöhtes Trennungsgeld erhalten habe.
[4] 2. Das Verwaltungsgericht … hat den Beamten durch Urteil vom 17. November 2004 eines Dienstvergehens für schuldig befunden und seine Dienstbezüge um 1/20 für die Dauer von 18 Monaten gekürzt. Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung geht die Vorinstanz von folgendem Sachverhalt aus:
1. Anschuldigungspunkt:
[5] a) Der Beamte habe zugegeben, am Abend des 4. Mai 2000 in der Kantine der Zollhundeschule B. unter Alkoholeinfluss eine leere Spirituosenflasche (2cl) aus Glas gegen die etwa 2 m entfernte Theke geworfen zu haben. Dass hierdurch die Büffetkraft Frau B. konkret gefährdet worden sei, sei zwar nicht auszuschließen; dies werde jedoch weder von dem Beamten eingeräumt noch durch Zeugenaussagen belegt.
[6] b) Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der Beamte an diesem Abend die anwesenden BGS-Beamten zum Werfen der Spirituosenflaschen aufgefordert habe. Ein entsprechendes Verhalten nach Abschluss eines Lehrgangs sei üblich gewesen.
[7] c) Der Beamte habe zugegeben und es stehe fest, dass er am Abend des 4. Mai 2000 in der Kantine der Zollhundeschule B. mit einer leeren Cola-Flasche mehrfach auf den Tresen geschlagen habe. Der Beamte habe auch einen Aschenbecher aus Glas hinter die Theke geworfen oder gestoßen. Dies werde durch die Aussagen der Zeugin B. und des Zeugen S. bewiesen. Die anderen Zeugen hätten dies zwar nicht bemerkt, was aber die Richtigkeit der Aussagen der genannten Zeugen nicht in Zweifel ziehe.
[8] d) Der Beamte habe gegenüber einem Zollbeamten am Abend des 4. Mai 2000 in der Kantine der Zollhundeschule B. geäußert: "Wenn Euch unser Verhalten nicht passt, dann müsst Ihr gehen; wir haben hier das Sagen." Dies werde von dem Beamten nicht bestritten und sei von mehreren Zeugen belegt. Auch habe er gegenüber Frau B. geäußert, sie sei dafür da, "den Dreck wegzuräumen".
2. Anschuldigungspunkt:
[9] Der Beamte habe eingeräumt, im Rahmen der Ausbildung von Diensthunden seit 1999 gelegentlich Elektroimpulsgeräte, genannt "Schweinetreiber", eingesetzt zu haben.
[10] Durch Erlasse des BMI vom 16. April 1993 und 13. Januar 1995 sei der dienstliche Einsatz von Elektroimpulsgeräten bei der Ausbildung von Hunden untersagt worden.
[11] Im Jahre 1999 und später habe der Beamte gewusst, dass ihm deshalb die Verwendung von Elektroimpulsgeräten bei der Schulung der Diensthunde untersagt sei. Soweit er angebe, er sei nie über die entsprechende Erlasslage informiert worden und habe erstmals im Rahmen des Untersuchungsverfahrens am 13. Juli 2001 davon gehört, werde diese Aussage dadurch widerlegt, dass in einer Dienstbesprechung am 4./5. November 1998 in seiner Anwesenheit über das dienstlich angeordnete Verbot zum Einsatz von Teletaktgeräten und ähnlichen Elektroimpulsgeräten bei der Schulung der Diensthunde gesprochen und erörtert worden sei, auf welchem Wege die Aufhebung der entsprechenden Erlasse erreicht werden könne. In einer weiteren dienstlichen Besprechung am 4. November 1999 in N. sei der dienstliche Einsatz der Geräte ebenfalls thematisiert worden. Dass der Beamte im November 1999 positiv die entsprechenden Erlasse des BMI und auch das entsprechende Verbot gekannt habe, ergebe sich im Übrigen aus seinem Bericht vom 16. November 1999 an das BMI. In diesem mit Betreff "Verwendung von Elektroreizgeräten bei der Diensthundeausbildung an den DH-Schulen B. und N." überschriebenen Bericht seien von ihm die einschlägigen Erlasse von 1993 und 1995 des BMI im Einzelnen aufgeführt und das Schreiben mit den Worten eingeleitet worden: "Mit o. g. Bezug 2 wurde die Verwendung des Elektroreizgerätes (E-Gerät) für den Bereich des BGS untersagt."
3. Anschuldigungspunkt:
[12] Entgegen der Anschuldigung sei nicht bewiesen, dass der Beamte in der Zeit vom 30. Oktober 2001 bis 9. November 2001 das Dienstfahrzeug … unerlaubt zu privaten Zwecken genutzt habe. Der Beamte habe das Fahrzeug am 31. Oktober 2001 von B. nach L. geholt, weil es zum Transport von Diensthunden zwischen der Unterkunft und dem Lehrgangsort gebraucht worden sei. Im Untersuchungsverfahren sei des Weiteren festgestellt worden, dass das Fahrzeug vom Beamten am 1. November 2001 um 18. 47 Uhr in B. mit 53, 85 l Benzin und erneut am 9. November 2001 um 12. 33 Uhr in B. mit 55 l Benzin betankt worden sei. Für welche Fahrten das Fahrzeug zwischen diesen Daten über die Transporte zwischen der Unterkunft F. und dem Lehrgangsort hinaus vom Beamten genutzt worden sei, habe nicht ermittelt werden können.
[13] Die vom Beamten eingeräumte Fahrt nach B. am 1. November 2001 sei dienstlich veranlasst gewesen. Denn nach seinen Angaben habe er dienstliche Unterlagen für den laufenden Lehrgang geholt.
4. Anschuldigungspunkt:
[14] Der Beamte habe in seinen Anträgen auf Gewährung von Trennungsgeld vom 4. Februar 2002 angegeben, dass er während des Lehrgangs vom 30. Oktober 2001 bis 2. November 2001 und vom 5. November 2001 bis 9. November 2001 (mit Ausnahme des 8. November 2001 wegen einer Nachtübung) an jedem Werktag mit seinem Privat-Pkw morgens um 05. 30 Uhr in B. von seiner Wohnung abgefahren und abends gegen 17. 30 Uhr wieder zu seiner Wohnung in B. zurückgekehrt sei. Die einfache Fahrtstrecke betrage jeweils 95 km. Hierfür seien ihm Fahrtkosten in Höhe von 66,24 € erstattet worden.
[15] Die Angaben in den Anträgen vom 4. Februar 2002 seien im Wesentlichen unzutreffend gewesen. Denn er habe im Untersuchungsverfahren eingeräumt, während des Lehrgangs in der Wohnung der Schwiegereltern in Bä. bei M. übernachtet zu haben.
[16] Dort sei seine schwangere Ehefrau untergebracht gewesen.
[17] Aufgrund dieses festgestellten Sachverhalts habe der Beamte schuldhaft gegen seine beamtenrechtlichen Pflichten verstoßen und damit ein Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen.
[18] Durch das nachgewiesene Verhalten während der Abschlussfeier am 4. Mai 2000 habe der Beamte seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten im Sinne des § 54 Satz 3 BBG verletzt. Es handle sich um eine innerdienstliche Pflichtverletzung, weil diese Feier einen dienstlichen Bezug gehabt habe.
[19] Durch die Anwendung der Elektroimpulsgeräte bei der Ausbildung der Diensthunde habe der Beamte gegen die einschlägigen Erlasse des BMI verstoßen und damit seine Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anweisungen vorsätzlich verletzt. Ihm sei seit 1999 bekannt gewesen, dass der Einsatz der entsprechenden Geräte bei der Ausbildung der Diensthunde des BGS untersagt gewesen sei.
[20] Die wahrheitswidrigen Angaben in den Trennungsgeldanträgen vom 4. Februar 2002 stellten einen vorsätzlichen Verstoß gegen die in § 54 Satz 3 BBG verankerte Wahrheitspflicht dar.
[21] Das einheitliche Dienstvergehen wiege schwer. Durch den Einsatz der Elektroimpulsgeräte bei der Ausbildung der Diensthunde habe der Beamte gezeigt, dass er nicht bereit und willens sei, die ihm bekannten und eindeutigen ministeriellen Vorschriften zu beachten. Es entlaste ihn nicht, dass offenbar auch andere Ausbilder beim BGS diese Geräte eingesetzt hätten und sie sogar dienstlich beschafft und gewartet worden seien. Zu seinen Gunsten sei allenfalls anzuführen, dass eine schwerwiegende und intensive Verletzung oder Quälerei der Tiere nicht habe festgestellt werden können. Auch die Pflichtverletzung durch die in erheblichem Maße fehlerhaften Trennungsgeldanträge vom 4. Februar 2002, mit der er einen vorsätzlichen Betrug zu Lasten des Dienstherrn begangen habe, wiege schwer. Damit habe er in nicht unerheblichem Maße die Bereitschaft offenbart, seine dienstliche Pflicht zur ausnahmslosen Ehrlichkeit gegenüber dem Dienstherrn zu verletzen.
[22] Bei der Festsetzung der Disziplinarmaßnahme sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er durchgängig positiv beurteilt worden, bisher disziplinarrechtlich unbescholten und der Schaden nicht übermäßig hoch sei. Die übermäßige Dauer des Disziplinarverfahrens sei ebenfalls zu berücksichtigen. Mit einer Gehaltskürzung müsse ihm unmissverständlich klar gemacht werden, dass sein Verhalten nicht zu tolerieren sei.
[23] 3. Hiergegen hat der Beamte rechtzeitig Berufung eingelegt. In erster Linie begehrt er Freispruch, hilfsweise, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
[24] Die Mitwirkung der zuständigen Personalvertretung müsse sich nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG n. F. richten; denn eine übergangsweise Regelung der alten personalvertretungsrechtlichen Bestimmung auf "Altfälle" lasse sich aus § 85 BDG nicht ableiten.
[25] Hinsichtlich der Abschlussfeier am 4. Mai 2000 könne dem Beamten nur vorgehalten werden, dass er eine leere Spirituosenflasche gegen die Theke geworfen und mit einer leeren Colaflasche auf die Theke geschlagen habe. Dies reiche für die Annahme einer disziplinarwürdigen Verfehlung nicht aus. Einen Aschenbecher habe er nicht geworfen. Die der Feststellung des Verwaltungsgerichts zugrunde liegenden Zeugenaussagen seien nicht glaubhaft.
[26] Bei dem erlasswidrigen Einsatz von Elektroimpulsgeräten bei der Diensthundeausbildung dürfe nicht unbeachtet bleiben, dass es hierbei zu keiner Verletzung oder Quälerei der Tiere gekommen sei. Der Einsatz sei ausschließlich zu Ausbildungszwecken erfolgt.
[27] Hinsichtlich der objektiv falschen Angaben in den Antragsformularen für die Gewährung von Trennungsgeld könne ihm lediglich angelastet werden, dass er seine Angaben nicht auf geeignete Weise erläutert oder sie wenigstens als fiktiv gekennzeichnet habe. Im Ergebnis dürfte ihm jedenfalls nichts bewilligt worden sein, was ihm nicht zugestanden habe. Von einem vorsätzlichen Betrug zu Lasten des Dienstherrn und von einer Bereicherungsabsicht des Beamten könne keine Rede sein.
[28] II. Die Berufung des Beamten ist zurückzuweisen.
[29] Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d. h. auch nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zum Übergangsrecht z. B. Urteil vom 20. Februar 2002 – BVerwG 1 D 19.01NVwZ 2002, 1515). Auf so genannte Altfälle – wie hier – finden ausnahmsweise die Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes Anwendung, wenn und soweit diese den beschuldigten Beamten materiellrechtlich besser stellen (vgl. zuletzt Urteil vom 8. Dezember 2004 – BVerwG 1 D 18.03ZBR 2005, 91 f.).
[30] Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Der Senat hat daher den Sachverhalt selbst zu ermitteln und disziplinarrechtlich zu würdigen.
[31] 1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beteiligung des Personalrats nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG in der Fassung vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 3095) gerichtet hat. Nach dieser Vorschrift wirkt der Personalrat bei der Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens mit. Entgegen der Auffassung des Beamten war die Nachfolgeregelung des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG in der Fassung des Gesetzes vom 9. Juli 2001 (BGBl I S. 1510) nicht anzuwenden. Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG n. F. wirkt der Personalrat bei der Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten mit. Diese Vorschrift ist zusammen mit dem neuen Bundesdisziplinargesetz am 1. Januar 2002 in Kraft getreten.
[32] Die Anwendbarkeit von § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG a. F. im vorliegenden Verfahren folgt aus § 85 Abs. 3 Satz 1 BDG. Danach werden vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, d. h. vor dem 1. Januar 2002 eingeleitete förmliche Disziplinarverfahren nach bisherigem Recht fortgeführt. Der Begriff "bisheriges Recht" umfasst alle Vorschriften, die den Gang des Disziplinarverfahrens regeln. Hierzu gehören auch die Vorschriften über die personalvertretungsrechtliche Beteiligung.
[33] Dieser Bedeutungsgehalt ergibt sich aus dem Zweck von § 85 Abs. 3 Satz 1 BDG.
[34] Die Vorschrift trägt der Verschiedenartigkeit des förmlichen Disziplinarverfahrens nach der BDO und des behördlichen Disziplinarverfahrens gemäß §§ 17 ff. BDG Rechnung. Die grundlegenden Unterschiede zwischen beiden Verfahrensarten schließen es aus, ein Disziplinarverfahren sowohl nach Verfahrensvorschriften des alten als auch des neuen Rechts durchzuführen. Vielmehr muss für jedes Disziplinarverfahren eine Verfahrensordnung in ihrer Gesamtheit gelten.
[35] Dies wird durch den Wortlaut der beiden Bestimmungen über die Mitwirkung des Personalrats bestätigt: Die Regelung des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG n. F. ordnet die Mitwirkung "vor Erhebung der Disziplinarklage" an und ist somit eindeutig auf die Durchführung eines behördlichen Disziplinarverfahrens nach dem Bundesdisziplinargesetz zugeschnitten. Das der Bundesdisziplinarordnung unbekannte Institut der Disziplinarklage ist durch das Bundesdisziplinargesetz neu eingeführt worden. Demgegenüber knüpft § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG a. F. die Mitwirkung des Personalrats an die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens und damit an den Verfahrensgang nach der Bundesdisziplinarordnung.
[36] Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist die Mitwirkung des Personalrats vor Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes auf der Grundlage von § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG a. F. ordnungsgemäß durchgeführt worden.
[37] 2. Zu den Vorfällen in der Kantine am 4. Mai 2000 (erster Anschuldigungspunkt):
[38] a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Beschuldigten ein innerdienstliches Fehlverhalten zur Last gelegt wird. Die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichem Verhalten richtet sich danach, ob es um die Verletzung inner- oder außerdienstlicher Pflichten geht. Stellt sich das Verhalten des Beamten bei der gebotenen materiellen Betrachtung als das einer Privatperson dar, ist es als ein außerdienstliches, sonst als innerdienstliches Verhalten zu würdigen. Danach kann auch ein Verhalten außerhalb der Diensträume und der Dienstzeit innerdienstlichen Charakter haben, wenn es wegen des funktionalen Bezugs zum Dienst nicht dem privaten Lebenskreis, sondern dem dienstlichen Bereich zuzurechnen ist (Urteil vom 20. Februar 2001 – BVerwG 1 D 55.99BVerwGE 114, 37 [48]; stRspr).
[39] Die Feier in der Kantine am 4. Mai 2000 hatte einen engen dienstlichen Bezug: Es handelte sich um die Abschlussfeier eines Lehrgangs. Die Feier fand in unmittelbarem Anschluss an den Lehrgang (vor der Heimreise der Teilnehmer) in der Kantine der Zollhundeschule B. statt. Das Kantinengebäude gehörte zum baulichen Bestand der Schule und die Kantine wurde vom Personal dieser Einrichtung betrieben. Aufgrund dieser Umstände gehörte die Feier nicht zum privaten Lebenskreis der Lehrgangsteilnehmer.
[40] b) Aufgrund der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismittel und der Einlassungen des Beamten in der Hauptverhandlung steht fest, dass der Beamte und weitere Teilnehmer der Abschlussfeier leere Spirituosenflaschen durch die Luft warfen, nachdem sie sie ausgetrunken hatten. Dieses Verhalten war, wie die Teilnehmer wussten, bei einem derartigen Anlass üblich. Nachdem Zollbeamte, die sich in Begleitung makedonischer Gäste in der Kantine aufhielten, das Verhalten der Lehrgangsteilnehmer gegenüber dem Beamten beanstandet hatten, beharrte dieser auf dem "guten Recht", Flaschen zu werfen. Diese Auffassung bekräftigte er dadurch, dass er eine leere Colaflasche auf den Tresen schlug, sowie durch seine Äußerungen gegenüber der Zeugin B. Durch dieses Verhalten verletzte der Beamte vorsätzlich seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 54 Satz 3 BBG, weil er den Anforderungen nicht gerecht wurde, die aus seiner dienstlichen Stellung als Lehrgangsleiter und Vorgesetzter erwuchsen. Als solcher war der Beamte für den Verlauf der Abschlussfeier verantwortlich. Es hätte ihm oblegen, aufgrund der Beanstandungen dafür zu sorgen, dass das Werfen beendet wurde und eine Beruhigung der Lage eintrat. Stattdessen beharrte er darauf, das ungehörige und von Frau B. unerwünschte Verhalten von Lehrgang zu Lehrgang fortsetzen zu dürfen und brach einen heftigen Streit vom Zaun. Darin liegt ein Versagen als Vorgesetzter.
[41] 3. Einsatz von Elektroimpulsgeräten bei der Diensthundeausbildung (zweiter Anschuldigungspunkt):
[42] Nach den zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismitteln und den früheren schriftlichen (Schreiben vom 21. Mai 2001) wie auch den mündlichen Einlassungen des Beamten und seines Verteidigers in der Hauptverhandlung (S. 3 des Protokolls vom 17. November 2005) steht fest, dass der Beamte auch in den Jahren 1999 und 2000 weiterhin Hunde mit Elektroimpulsgeräten behandelte, wenn er dies zu Ausbildungszwecken für erforderlich hielt. Dabei war ihm bekannt, dass ein derartiges Vorgehen untersagt war. Die positive Kenntnis des Beamten der entsprechenden Erlasse des Bundesministeriums des Innern (BMI) ergibt sich abgesehen davon, dass der Erlass schon bei einer dienstlichen Besprechung am 4./5. November 1998, an der er teilgenommen hatte, erörtert worden war, vor allem aus seinem eigenen Bericht vom 16. November 1999 an das BMI. Dort zitiert er die betreffenden Erlasse und bittet darum, das Verbot der Elektroimpulsgeräte bei der Diensthundeausbildung für den Bereich des Bundesgrenzschutzes "noch einmal zu überprüfen"; denn bei allen anderen Behörden werde "im Ausbildungsbereich mit E-Geräten sehr erfolgreich ausgebildet".
[43] Durch dieses Verhalten verstieß der Beamte nachhaltig gegen seine Pflicht gemäß § 55 Satz 2 BBG, dienstliche Weisungen zu befolgen. Er setzte sich in einem längeren Zeitraum planmäßig über die für ihn verbindlichen Verbote, Elektroimpulsgeräte einzusetzen, hinweg, weil er sie nicht für richtig hielt. Damit hat der Beamte im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt, weil er die ihm übertragene Aufgabe der Hundeausbildung bewusst nicht ordnungsgemäß wahrnahm.
[44] 4. Unerlaubte Benutzung des Dienstfahrzeugs (dritter Anschuldigungspunkt):
[45] Der Senat legt die Angaben des Beamten in der Hauptverhandlung zugrunde. Danach fuhr er während eines Lehrgangs in L. am 1. November 2001 mit dem Dienstfahrzeug nach B., um Unterlagen zum Thema Elektroreizgeräte bei der Diensthundeausbildung zu holen. Diese hatte er sich an seinen privaten Anschluss faxen lassen, weil er befürchtete, die Unterlagen könnten von Dritten eingesehen werden, wenn sie nach L. gefaxt worden wären.
[46] Nach den Angaben des Beamten standen die Unterlagen nicht in Bezug zum Lehrgang. Schon deshalb bestand kein dienstlicher Anlass für die Nutzung des Dienstwagens am 1. November 2001. Dem von dem Verteidiger gestellten Hilfsbeweisantrag zu dem Beweisthema, dass dienstlich veranlasste Fahrten zwischen der Diensthundeschule B. und der BGS-Schule L. damals und auch heute generell als genehmigt galten, war daher gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO i. V. m. § 25 Satz 1 BDO nicht nachzugehen; denn die von dem Beamten durchgeführte Fahrt war nicht dienstlich, sondern privat veranlasst. Somit hat der Beamte vorsätzlich gegen die dienstliche Anordnung verstoßen, einen Dienstwagen nur dienstlich zu nutzen. Ein Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB kommt dem Beamten nicht zugute; denn ein derartiger Irrtum wäre in jedem Fall vermeidbar gewesen. Auf die Frage, ob ein etwaiger Irrtum nach § 17 Satz 2 StGB mildernd bei der Strafzumessung zu berücksichtigen wäre, kommt es nicht an; denn das von der Vorinstanz verhängte Disziplinarmaß hat der Beamte bereits allein durch den gegen ministerielle Weisung erfolgten Einsatz der Elektroimpulsgeräte verwirkt (vgl. unter 7.).
[47] Ob er in dem angeschuldigten Zeitraum weitere privat veranlasste Fahrten mit dem Dienstwagen durchgeführt hat, hat sich nicht mehr aufklären lassen, wenngleich die Umstände, unter denen das Fahrtenbuch verschwunden ist, befremdlich wirken. Der Transport der Diensthunde am Tagungsort war hingegen sicherlich dienstlich veranlasst.
[48] 5. Unrichtige Angaben in dem Forderungsnachweis für die Trennungsgeldabrechnung vom 4. Februar 2002 (vierter Anschuldigungspunkt):
[49] Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung steht für den Senat fest, dass der Beamte die Kosten für die tägliche Hin- und Rückfahrt von L., wo er vom 30. Oktober bis 9. November 2001 an einem Lehrgang teilnahm, zum Wohn- und Dienstort B. abrechnete, obwohl er nicht dorthin, sondern zu seiner bei den Schwiegereltern in Bä. weilenden Ehefrau fuhr.
[50] Die Abrechnung von täglichen Hin- und Rückfahrten L.-B. ist durch die Angaben des Beamten in dem von ihm unterzeichneten Antragsformular vom 4. Februar 2002 belegt. In seiner Vernehmung am 26. September 2002 hat der Beamte die Unrichtigkeit dieser Angaben eingeräumt und zeitnah erklärt, während des Lehrgangs täglich abends von L. zur Wohnung der Schwiegereltern nach Bä. bei M. gefahren zu sein, weil dort seine Ehefrau untergebracht gewesen sei und er dort übernachtet habe.
[51] Seiner erstmals in der Berufungsbegründung vorgetragenen Einlassung, während des Lehrgangs jeden Abend in das gerade neu errichtete Wohnhaus nach B. gefahren zu sein, "um danach zu sehen und zu lüften", ist unglaubhaft. Nach seiner zeitnahen Einlassung vom 26. September 2002 handelt es sich zur Überzeugung des Senats bei der späteren Version des Beamten um eine Schutzbehauptung.
[52] Fahrkosten wurden ihm für die Fahrten während der Tagung nicht erstattet. Allerdings erhielt der Beamte für die Dauer des Lehrgangs pauschal Übernachtungsgeld gemäß §§ 9, 10 BRKG. Ein Schaden ist nur insoweit entstanden, als die Tagespauschalen von 20 € wegen der Übernachtungen in Bä. zu Unrecht gewährt worden sein sollten.
[53] Durch sein Verhalten hat der Beamte vorsätzlich gegen § 54 Satz 3 BBG verstoßen.
[54] Der Dienstherr muss auf wahrheitsgemäße Angaben eines Beamten vertrauen können.
[55] 6. Die Voraussetzungen eines Maßnahmeverbots gemäß § 14 Abs. 1 und 2 BDG liegen nicht vor, weil die gegen den Beamten geführten Ermittlungsverfahren nach den Feststellungen der Vorinstanz allesamt gemäß § 153 Abs. 1 StPO und gemäß § 170 Abs. 2 StPO, d. h. ohne Auflagen, eingestellt worden sind.
[56] 7. Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Gehaltskürzung erweist sich – auch bei Berücksichtigung des Rahmens gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BDG (vgl. Urteil vom 17. März 2004 – BVerwG 1 D 23.03BVerwGE 120, 218 [222 ff.]) – schon wegen des Verstoßes gegen § 55 Satz 2 BBG durch den Einsatz von Elektroimpulsgeräten (zweiter Anschuldigungspunkt) als gerechtfertigt. Diese Pflichtverletzungen des Beamten wiegen schwer (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG). Er hat durch sein Verhalten zu erkennen gegeben, dass er bei Wahrnehmung der ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben seinen persönlichen Vorstellungen Vorrang vor der durch ministeriellen Erlass mit Gültigkeit für die Verwaltung geklärten Rechtmäßigkeit der Dienstausübung einräumte. Dies geschah planmäßig über einen längeren Zeitraum hinweg.
[57] Dadurch hat der Beamte im Bereich seiner dienstlichen Grundpflichten nachhaltig versagt. Die verhängte Gehaltskürzung ist ausreichend, aber auch erforderlich, um dem Beamten vor Augen zu führen, dass er dienstliche Anordnungen nicht außer Acht lassen darf, wenn er dies für zweckmäßig hält.
[58] Die positiven dienstlichen Beurteilungen vermögen ebenso wenig zu einer milderen Maßnahme zu führen, wie die Dauer des Disziplinarverfahrens. Es ist weder vom Beamten dargetan noch sonst ersichtlich, dass es zu sachlich nicht mehr zu rechtfertigenden Verzögerungen gekommen ist.
[59] Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.