Bundesgerichtshof
RVG VV Nr. 3202, Vorbemerkung 3 Abs. 3
Die Terminsgebühr für die Berufungsinstanz (RVG-VV Nr. 3202) entsteht nicht, wenn das Berufungsgericht die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist. In diesem Fall kann die Terminsgebühr auch nicht durch eine Besprechung der Rechtsanwälte ohne Beteiligung des Gerichts entstehen (Fortführung von Senat, Beschl. v. 1. Februar 2007, V ZB 110/06, Rdn. 19).

BGH, Beschluss vom 15. 3. 2007 – V ZB 170/06; OLG Dresden (lexetius.com/2007,1081)

[1] Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth beschlossen:
[2] Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 29. August 2006 aufgehoben.
[3] Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bautzen vom 9. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
[4] Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
[5] Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 787,87 €.
[6] Gründe: I. Mit notariellem Vertrag vom 9. Dezember 2003 verkaufte der Kläger an den Beklagten ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück. Nach Rücktritt von dem Vertrag wegen Zahlungsverzuges erhob der Kläger gegen den Beklagten eine Klage auf Zustimmung zur Löschung einer für den Käufer eingetragenen Auflassungsvormerkung.
[7] Das Landgericht gab der Klage statt. Das Oberlandesgericht wies den Beklagten auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung durch Beschluss hin. Der Beklagte nahm dazu Stellung. Danach fand zwischen den Rechtsanwälten der Parteien ein Telefongespräch statt, dessen Inhalt streitig ist. Das Gespräch blieb ohne Ergebnis. Das Oberlandesgericht wies – wie angekündigt – die Berufung auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurück.
[8] In seinem Kostenfestsetzungsantrag hat der Kläger für die Berufungsinstanz auch die Festsetzung einer Terminsgebühr nach RVG-VV Nr. 3202 unter Hinweis auf das zur Erledigung der Berufung geführte Telefongespräch zwischen den Rechtsanwälten beantragt. Das Landgericht hat in dem Kostenfestsetzungsbeschluss die Terminsgebühr nicht festgesetzt; das Oberlandesgericht hat auf die sofortige Beschwerde des Klägers den Kostenfestsetzungsbeschluss dem Antrag des Klägers entsprechend abgeändert. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Beklagte die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts erreichen.
[9] II. 1. Das Beschwerdegericht meint, die von dem Kläger beanspruchte Terminsgebühr sei nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses durch das im Laufe des Berufungsverfahrens zwischen den Rechtsanwälten der Parteien geführte Telefongespräch entstanden. Gegenstand des Gespräches sei nach dem Vortrag des Klägers eine Gesamtlösung der zahlreichen Streitigkeiten zwischen den Parteien gewesen, mit der auch das anhängige Berufungsverfahren habe erledigt werden sollen. Der Kläger habe sein Vorbringen durch Vorlage eines der Besprechung vorangegangenen Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Beklagten glaubhaft gemacht, in dem dieser u. a. auf die Möglichkeit einer Erledigung der Sache durch den Abschluss eines Pachtvertrages hingewiesen habe. Der Beklagte habe demgegenüber durch seinen Prozessbevollmächtigten nur vage Angaben zum Inhalt des Telefongespräches gemacht. Die Terminsgebühr sei auch erstattungsfähig, weil die Besprechung während eines anhängigen Rechtsstreits zu dessen Erledigung geführt worden sei.
[10] 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[11] a) Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts beruht auf rechtsfehlerhafter Auslegung der Nummer 3 Abs. 3 der Vorbemerkungen des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG. Das Beschwerdegericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von dem Kläger geltend gemachte Terminsgebühr für den Berufungsrechtszug nach RVG-VV Nr. 3202 durch das zwischen den Anwälten der Parteien geführte Telefongespräch entstanden ist.
[12] aa) Das Beschwerdegericht verkennt, dass eine Terminsgebühr auch nach Nummer 3 Abs. 3 der Vorbemerkungen nicht zu einer von den einzelnen Gebührentatbeständen losgelösten Korrespondenzgebühr für anwaltliche Besprechungen in den Streitigkeiten umgestaltet worden ist, in denen eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht vorgesehen ist. Der Senat hat dazu in dem – allerdings erst nach der Entscheidung des Beschwerdegerichts – ergangenen Beschluss vom 1. Februar 2007 (V ZB 110/06, Rdn. 19 – zur Veröffentlichung bestimmt) ausgeführt, dass eine Terminsgebühr durch ein Gespräch zwischen den Rechtsanwälten der Parteien zur Erledigung einer Streitigkeit nicht entstehen kann, wenn für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und das Gericht durch Beschluss entscheidet. Der Senat nimmt wegen der weiteren Begründung auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 1. Februar 2007 Bezug.
[13] bb) Die zitierte Entscheidung betraf eine außergerichtliche Besprechung zur Erledigung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 544 ZPO. Der vorgenannte Grundsatz gilt jedoch allgemein. Er ist auch auf das Berufungsverfahren vor einer Terminierung nach § 523 ZPO anzuwenden, obwohl über eine Berufung grundsätzlich auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden ist. Der Verhandlungsgrundsatz gilt für Berufungen nämlich nicht, wenn – wie hier – das Berufungsgericht einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die in § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO bezeichneten Voraussetzungen für eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht vorliegen. Das Berufungsgericht hat zunächst über die Voraussetzungen einer Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO zu entscheiden und darf erst dann nach § 523 ZPO terminieren und verhandeln. Es ist dagegen nicht befugt, nach seinem Ermessen über eine nach seiner einstimmigen Überzeugung aussichtslose Berufung im Urteilsverfahren zu entscheiden, wodurch es mittelbar auch die Anfechtbarkeit seiner Entscheidung durch die dann mögliche Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde steuern könnte (dazu BVerfG NJW 2003, 281).
[14] Die gebührenrechtliche Folge der durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I, S. 1887) herbeigeführten Änderungen für den Berufungsrechtszug ist, dass in den Beschlussverfahren nach § 522 ZPO keine Terminsgebühr nach RVG-VV Nr. 3202 anfällt (AnwK-RVG/N. Schneider/Wahlen, 3. Aufl., VV Nr. 3202 Rdn. 8; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV Nr. 3202 Rdn. 8; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, 2. Aufl., S. 161; Mayer/Kroiß/Maué, RVG, 2. Aufl., VV Nrn. 3200—3205 Rdn. 11). Die anwaltliche Tätigkeit wird dann allein durch die Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3200 abgegolten. Der Gesetzgeber hat bewusst von der Aufnahme einer Terminsgebühr abgesehen. Die Notwendigkeit einer Terminsgebühr für die Verfahren, in denen eine aussichtslose Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss des Gerichts zurückgewiesen wird, ist in der Begründung des Entwurfes zum Kostenmodernisierungsgesetz (BT-Drucks. 15/1971, S. 212) mit der Erwägung verneint worden, dass ein besonderer Aufwand des Anwalts nicht ersichtlich sei und die Parteien eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auch nicht verhindern könnten. Der Gesetzgeber hat im Kostenrecht damit dem Ziel der Zivilprozessrechtsreform Rechnung getragen, nach der die aussichtslosen Berufungen in einem vereinfachten Verfahren zügig erledigt werden sollten und dem Berufungskläger nach dem Hinweis des Berufungsgerichts die Möglichkeit einer kostengünstigen Erledigung erhalten bleiben sollte (vgl. dazu BT-Drucks. 14/4722, S. 97, 98).
[15] Die von dem Gesetzgeber verfolgten Ziele würden indes vereitelt, wenn man die Vorbemerkung 3 zu Teil 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes wie das Beschwerdegericht dahin auslegte, dass auch nach einem Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts über die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung bei dem Rechtsanwalt des Berufungsbeklagten die Terminsgebühr durch eine Besprechung mit dem Berufungskläger ohne Mitwirkung des Gerichts entsteht. Der im Schrifttum vorgeschlagene "Praxistipp" für den Anwalt des Berufungsbeklagten, nach einem solchen Hinweis des Berufungsgerichts über die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung noch eine Besprechung mit dem Berufungskläger zu führen (Enders, JurBüro 2005, 245), scheitert daran, dass bei einer Zurückweisung der Berufung durch einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO keine Terminsgebühr entstehen kann.
[16] b) Da die Terminsgebühr nicht entstanden ist, bedarf es keiner Entscheidung der Rechtsfrage, wegen derer das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, nämlich unter welchen Voraussetzungen eine Terminsgebühr, die aufgrund von Besprechungen ohne Mitwirkung des Gerichts entstanden ist, in dem Verfahren nach §§ 103, 104 ZPO festgesetzt werden kann (dazu: BGH, Beschl. v. 20. November 2006, II ZB 6/06, JurBüro 2007, 26; Senat, Beschl. v. 14. Dez. 2006, V ZB 11/06, RVG-Letter 2007, 14).
[17] 3. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist wegen des ihn tragenden Rechtsfehlers aufzuheben und – da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO) – die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungebeschluss des Landgerichts zurückzuweisen.
[18] III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
[19] Die Festsetzung des Beschwerdewerts für die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 3 ZPO.