Bundesgerichtshof
UWG § 4 Nr. 4, § 5
Weder aus der Regelung des § 4 Nr. 4 UWG noch aus dem Irreführungsverbot lässt sich eine Verpflichtung herleiten, eine Verkaufsförderungsmaßnahme zeitlich zu begrenzen. Auch § 4 Nr. 4 UWG verpflichtet den Gewerbetreibenden nur, auf eine bestehende zeitliche Begrenzung hinzuweisen.

BGH, Urteil vom 11. 9. 2008 – I ZR 120/06 – Räumungsfinale; LG Köln (lexetius.com/2008,2671)

[1] Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Dr. Schaffert, Dr. Bergmann, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch für Recht erkannt:
[2] Die Revision gegen das Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 6. Juni 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
[3] Tatbestand: Die Beklagte betreibt Warenhäuser mit umfangreichem Einzelhandelssortiment. Sie warb in einer Beilage zum "K. Anzeiger" vom 26. Januar 2006 unter dem Schlagwort "Räumungsfinale/Saisonschlussverkauf" mit Preisnachlässen für Schmuck, Uhren sowie Kosmetik- und Toilettenartikel.
[4] Der Kläger ist der Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln e. V. Er sieht die Werbung der Beklagten in der Werbebeilage als irreführend an, weil sich aus ihr nicht der Zeitraum ergebe, während dessen das Angebot gelte.
[5] Er hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, wie nachstehend wiedergegeben zu werben, ohne genaue Angaben über die Dauer der angekündigten Verkaufsveranstaltung zu unternehmen: (Es folgt eine Kopie der zwölf Seiten umfassenden Werbebeilage, von denen die erste, die dritte und die letzte Seite nachstehend wiedergegeben sind.)
[6] Außerdem hat der Kläger die Zahlung einer Kostenpauschale für die der Klage vorangegangene Abmahnung in Höhe von 176,56 € nebst Zinsen begehrt.
[7] Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
[8] Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
[9] Mit seiner vom Senat zugelassenen Sprungrevision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
[10] Entscheidungsgründe: I. Das Landgericht hat die Klage als unbegründet angesehen, weil die streitgegenständliche Werbung weder intransparent i. S. des § 4 Nr. 4 UWG noch irreführend i. S. des § 5 UWG sei. Dazu hat es ausgeführt:
[11] Im Ergebnis könne dahinstehen, ob es sich bei der Beilage zumindest insoweit um einen Preisnachlass oder eine (sonstige) Verkaufsförderungsmaßnahme i. S. des § 4 Nr. 4 UWG handele, als dort durch eine Gegenüberstellung von aktuellen mit früheren (durchgestrichenen) Preisen mit Preisreduzierungen geworben werde. Anders als in dem dem Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 6. März 2006 (6 W 27/06, GRUR 2006, 786) zugrunde liegenden Fall habe sich die Werbung hier nicht auf ausgesprochene Saisonware bezogen.
[12] Daher gelte im Streitfall nicht die in jener Entscheidung angestellte Erwägung, der Verkäufer sei – wenn er gegen Ende des von vornherein begrenzten Verkaufszeitraums die Preise senke – nicht in der Lage oder jedenfalls nicht verpflichtet anzugeben, bis wann die Ware der jeweiligen Saison angeboten werde und ab wann sie der neuen Saisonware weichen müsse. Aus dem Werbeprospekt der Beklagten ergebe sich aber nicht, dass überhaupt eine zeitliche Befristung des Angebots erfolgen sollte oder bei den Adressaten der Werbung ein entsprechender Eindruck erweckt werde. Die Anlehnung an den früheren "Winterschlussverkauf" und/oder die Bezeichnung als "Räumungsfinale" vermittelten ebenfalls nicht den Eindruck, dass das Angebot nur für eine bestimmte (kurze)
[13] Dauer gelten sollte; denn es sei davon auszugehen, dass die überwiegende Anzahl der durchschnittlich interessierten und aufmerksamen Verbraucher, die die Werbung mit situationsentsprechender Aufmerksamkeit zur Kenntnis nähmen, wisse, dass es den Winterschlussverkauf im juristischen Sinne nicht mehr gebe. Der Kläger trage auch keine konkreten Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Vermutung vor, dass die Angebote der Beklagten nach einer gewissen Zeit automatisch ihre Gültigkeit verlören und statt der herabgesetzten wieder die ursprünglichen (durchgestrichenen) oder andere (höhere) Preise gelten sollten.
[14] Sofern einzelne Verbraucher die Werbung der Beklagten dahin (miss-) verstehen sollten, dass das Angebot in Anlehnung an den früheren (Winter-) Schlussverkauf nur zwei Wochen lang oder noch kürzer gelten solle, handelte es sich bei dieser Irreführung lediglich um einen Bagatellverstoß.
[15] II. Die Sprungrevision des Klägers hat keinen Erfolg.
[16] Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler (§ 566 Abs. 4 Satz 2 ZPO) sowohl einen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 4 Nr. 4 UWG als auch eine Irreführung der Adressaten der Werbung i. S. des § 5 UWG verneint.
[17] 1. Das in § 4 Nr. 4 UWG geregelte Transparenzgebot verlangt von demjenigen, der eine Verkaufsförderungsmaßnahme – wie hier eine Preisnachlassaktion – bewirbt, unter anderem die Angabe des (kalendermäßig bestimmten) Zeitraums, während dessen die Vergünstigungen in Anspruch genommen werden können. Damit besteht aber lediglich die Verpflichtung, auf insoweit bestehende Bedingungen, das heißt auf tatsächlich bestehende zeitliche Beschränkungen für die Inanspruchnahme der Preisvergünstigungen hinzuweisen. Dazu ist von keiner Partei etwas vorgetragen worden. Eine Verpflichtung, eine einschränkende Bedingung in Bezug auf die Dauer der Aktion zu schaffen, lässt sich aus der Regelung des § 4 Nr. 4 UWG dagegen nicht herleiten. Sie widerspräche auch der Absicht des Gesetzgebers, der mit dem am 8. Juli 2004 in Kraft getretenen neuen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gerade alle einschränkenden Bedingungen für die Durchführung von Sonderveranstaltungen beseitigen wollte. Der Kaufmann, der sein Lager – aus welchen Gründen auch immer – leeren will, muss sich daher weder im Blick auf das Transparenzgebot des § 4 Nr. 4 UWG noch im Blick auf das Irreführungsverbot gemäß § 5 UWG von vornherein auf einen zeitlichen Rahmen festlegen (vgl. OLG Stuttgart GRUR-RR 2008, 11, 12; Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 5 Rdn. 6. 6a; MünchKomm. UWG/Busche, § 5 Rdn. 444; einschränkend Fezer/Peifer, UWG, § 5 Rdn. 318). Unerheblich ist insbesondere, ob es sich bei den angebotenen Waren um Saisonware handelt, die typischerweise in der ablaufenden oder abgelaufenen Saison benötigt wurde (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 15/1487, S. 14; Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rdn. 6. 6a; einschränkend Fezer/Peifer aaO § 5 Rdn. 320).
[18] 2. Das Landgericht hat für den – vom ihm insoweit unterstellten – Fall, dass die Beklagte keine zeitliche Befristung ihres vom Kläger beanstandeten Angebots vorgesehen hat, auch eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung der angesprochenen Verbraucher ohne Rechtsfehler verneint. Es hat angenommen, allenfalls einzelne Verbraucher könnten die Werbung der Beklagten mit dem Hinweis "Räumungsfinale/Saisonschlussverkauf" dahin missverstehen, dass das Angebot in Anlehnung an den früheren (Winter-) Schlussverkauf nur zwei Wochen lang oder möglicherweise noch kürzer gelten sollte, weshalb das darin liegende geringe Irreführungspotential dieser Werbung den lauteren Wettbewerb auch allenfalls nur i. S. des § 3 UWG unerheblich beeinträchtigte. Diese Beurteilung widerspricht nicht der Lebenserfahrung (vgl. auch MünchKomm. UWG/Busche, § 5 Rdn. 444). Im Übrigen kann jede Rechtsänderung zu gewissen Fehlvorstellungen führen, wenn das bisherige Verkehrsverständnis durch die nunmehr aufgehobene oder geänderte Regelung bestimmt war. So ist es nicht auszuschließen, dass ein Teil des Verkehrs nach Streichung der gesetzlichen Bestimmungen über Sonderveranstaltungen immer noch davon ausgeht, dass ein Saisonschlussverkauf sich stets durch eine fest bestimmte Dauer auszeichnet. Eine solche während einer Übergangszeit noch bestehende Fehlvorstellung muss hingenommen werden, da andernfalls die alte Rechtslage mit Hilfe des Irreführungsverbots perpetuiert würde (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rdn. 2. 91 f.).
[19] III. Die Revision des Klägers ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.