Bundesverwaltungsgericht
Anhörung der Vertrauensperson bzw. des Personalrats (in Gestalt der zur Entscheidung berufenen Soldatenvertreter); Unterrichtung; Informationsrecht.
SBG § 20
Ist offen oder unklar, ob eine bestimmte Information für die sachgerechte Beurteilung einer beteiligungspflichtigen Maßnahme und des dieser zugrundeliegenden Sachverhalts von Bedeutung ist, so ist die Pflicht zur umfassenden Unterrichtung im Sinne von § 20 Satz 1 SBG auch dann erfüllt, wenn der Vertrauensperson bzw. dem Personalrat substantiiert und nachvollziehbar dargelegt wird, dass und warum diese Information für die Beurteilung der konkret zu treffenden Maßnahme nicht relevant ist. (Ergänzung und Präzisierung zum Beschluss vom 20. Juni 2005 – BVerwG 1 WB 60.04 – Buchholz 252 § 20 SBG Nr. 1 = PersV 2005, 388).

BVerwG, Beschluss vom 25. 6. 2008 – 1 WB 5.07 (lexetius.com/2008,2721)

[1] Der Antragsteller, Soldat auf Zeit im Dienstgrad eines Oberfeldwebels, begehrt die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes.
[2] Nach Ablehnung seines Antrags auf Laufbahnwechsel und erfolgloser Beschwerde beantragte der Antragsteller die gerichtliche Entscheidung. Das Bundesverwaltungsgericht verpflichtete mit Beschluss vom 20. Juni 2005 (BVerwG 1 WB 60.04) den Bundesminister der Verteidigung zur Neubescheidung, weil die vom Antragsteller beantragte Anhörung des Örtlichen Personalrats (in Gestalt der Soldatenvertreter) nicht ordnungsgemäß erfolgt sei; die Pflicht zur rechtzeitigen und umfassenden Unterrichtung des Personalrats sei verletzt, weil Fragen des Personalrats zur Bewerberauswahl nicht beantwortet worden seien.
[3] Im Rahmen der daraufhin durchgeführten erneuten Anhörung wurden dem Personalrat schriftliche Antworten auf die vom ihm gestellten Fragen gegeben. Dabei wurde (u. a.) die Frage, ob alle Dienstposten in den für den Antragsteller in Betracht kommenden Ausbildungs- und Verwendungsreihen 26303 (Datenverarbeitung), 25013 (Fernmeldeverbindungsdienst, allgemein) und 25813 (Stabsdienst S 1) mit den ausgewählten Bewerbern besetzt werden konnten, dahingehend beantwortet, dass Grundlage für die Übernahmeentscheidungen der strukturelle Bedarf und nicht die Anzahl von besetzbaren Dienstposten sei; es werde deshalb die für den Personalbedarf maßgebliche sog. Soll-Quote für die benannten Ausbildungs- und Verwendungsreihen im Geburtsjahrgang des Antragstellers mitgeteilt; eine Auskunft darüber, welche oder wie viele Dienstposten zurzeit nicht besetzt seien, sei für die Anhörung des Personalrats ohne Belang und werde nicht erteilt. In der Sache wurde die Bewerbung um Übernahme in die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes erneut abgelehnt.
[4] Mit dem nach erfolgloser Beschwerde erhobenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung macht der Antragsteller geltend, dass die Ablehnung des Laufbahnwechsels ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sei, weil der Personalrat wiederum nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden sei.
[5] Das Bundesverwaltungsgericht hat den Antrag aus prozessrechtlichen Gründen als unzulässig verworfen, jedoch klargestellt, dass ein Verstoß gegen die Pflicht zur Unterrichtung des Personalrats nicht vorliege.
Aus den Gründen …
[6] 31 2. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass das Vorbringen des Antragstellers keinen Anhaltspunkt für Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Personalamts der Bundeswehr und des Beschwerdebescheids des Bundesministers der Verteidigung gibt. Insbesondere sind keine Mängel in der Beteiligung des Örtlichen Personalrats ersichtlich, die die Entscheidung, die Bewerbung des Antragstellers um Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes abzulehnen, ermessensfehlerhaft machen könnten.
[7] 32 a) Gemäß § 20 Satz 1 SBG ist die Vertrauensperson über beabsichtigte Maßnahmen, zu denen sie – wie hier zu dem vom Antragsteller begehrten Laufbahnwechsel (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SBG) – anzuhören ist, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Den gleichen Anspruch hat nach § 52 Abs. 1 Satz 1 SBG in Angelegenheiten, die nur die Soldaten betreffen, der Personalrat in Gestalt der zur Entscheidung berufenen Soldatenvertreter. Der Senat hat in dem in der gleichen Sache ergangenen Beschluss vom 20. Juni 2005 (BVerwG 1 WB 60.04 Buchholz 252 § 20 SBG Nr. 1 S. 4 f. und 10; ebenso Beschluss vom 20. Juni 2005 BVerwG 1 WB 28.05 -) die Reichweite dieses Informationsrechts näher bestimmt. Danach sind sämtliche Informationen zu übermitteln, die im Hinblick auf die Aufgaben und Befugnisse der anzuhörenden Stelle innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs für eine sachgerechte Beurteilung der beteiligungspflichtigen Maßnahme und des dieser zugrunde liegenden Sachverhalts von Bedeutung sind. Der genaue Gegenstand und Umfang der mitzuteilenden Informationen richten sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich sind neben den Aufgaben und Befugnissen der anzuhörenden Stelle die rechtlichen Voraussetzungen sowie diejenigen Kriterien der beteiligungspflichtigen Maßnahme, die voraussichtlich für die spätere Entscheidung maßgeblich sind. Nicht von der Pflicht zur rechtzeitigen und umfassenden Information erfasst sind damit Umstände, die sich nicht auf die konkret zu treffende Maßnahme beziehen, dafür ohne jede Relevanz sind oder lediglich die (vorbereitende) interne Entscheidungsfindung auf Seiten des Dienstherrn betreffen. Maßgebend ist dabei ein objektiver Maßstab. Außerdem stehen der Vertrauensperson bzw. dem Personalrat keine Informationsrechte über personenbezogene Daten zu, die datenschutzrechtlich für Dritte geschützt sind. Da die Pflicht zur rechtzeitigen und umfassenden Unterrichtung nach § 20 Satz 1 SBG nur die anhörende Stelle trifft, ist das dazu spiegelbildliche Informationsrecht der Vertrauensperson bzw. des Personalrates in Gestalt der Soldatenvertreter gegenüber dem Disziplinarvorgesetzten bzw. dem Dienststellenleiter (§ 52 Abs. 1 Satz 2 SBG i. V. m. § 7 Satz 1 BPersVG; vgl. dazu Beschluss vom 31. Januar 2007 BVerwG 1 WB 16.06 Buchholz 449. 7 § 52 SBG Nr. 3 = NZWehrr 2007, 162) geltend zu machen. Das bedeutet aber nicht, dass die anhörende Stelle nur diejenigen (entscheidungserheblichen) Informationen weiterzugeben hat, die ihr selbst vorliegen. Fehlen der anhörenden Stelle zu der nach § 20 SBG durchzuführenden Unterrichtung einzelne erforderliche Informationen, muss sie sich diese beschaffen. Dazu hat sie gegebenenfalls an die personalbearbeitende Stelle heranzutreten.
[8] 33 b) Nach diesen Maßstäben ist der Personalrat im vorliegenden Fall durch die Stellungnahmen des Personalamts der Bundeswehr, die dem Personalrat durch den Kommandeur der Schule als Dienststellenleiter übermittelt wurden, umfassend (im Sinne von § 20 Satz 1 SBG) unterrichtet worden.
[9] 34 aa) …
[10] 35 bb) Auch die Frage, ob alle Dienstposten in den Ausbildungs- und Verwendungsreihen 26303, 25013 und 25813 mit den ausgewählten Bewerbern besetzt werden konnten, ist in der nach § 20 Satz 1 SBG gebotenen Weise beantwortet worden.
[11] 36 Der Senat hat in dem Beschluss vom 20. Juni 2005 (BVerwG 1 WB 60.04 a. a. O.) ausgeführt, dass (unter anderem) die Fragen nach eventuell noch freien und besetzbaren Dienstposten in den für den Antragsteller in Betracht kommenden Ausbildungs- und Verwendungsreihen von dem Dienststellenleiter zu beantworten sind. Maßgeblich dafür war, dass die vom Personalrat erbetenen Angaben – abstrakt gesehen, d. h. ohne Bezug auf ein konkretes Verfahren der Bedarfsermittlung – für die sachgerechte Beurteilung einer einen bestimmten Personalbedarf deckenden Auswahlentscheidung von Bedeutung sein können. Allerdings hatten sich zum damaligen Zeitpunkt das Personalamt und der Bundesminister der Verteidigung noch nicht inhaltlich zu den vom Personalrat gestellten Fragen geäußert, weil sie eine über die in der jeweiligen Dienststelle vorhandenen Unterlagen und Kenntnisse hinausgehende Informationspflicht (zu Unrecht) generell verneinten. Damit blieb offen, ob die vom Personalrat erbetene Auskunft auch konkret für die Beurteilung der den Antragsteller betreffenden Auswahlentscheidung, einschließlich der ihr vorausliegenden Bedarfsermittlung, relevant war.
[12] 37 In Ergänzung und Präzisierung der Rechtsprechung des Senats zur Reichweite des Informationsrechts nach § 20 Satz 1 SBG (Beschlüsse vom 20. Juni 2005 BVerwG 1 WB 60.04 Buchholz 252 § 20 SBG Nr. 1 und vom 20. Juni 2005 BVerwG 1 WB 28.05 -) gilt bei einer solchen Sachlage Folgendes: Ist offen oder unklar, ob eine bestimmte Information für die sachgerechte Beurteilung einer beteiligungspflichtigen Maßnahme und des dieser zugrundeliegenden Sachverhalts von Bedeutung ist, so ist die Pflicht zur umfassenden Unterrichtung im Sinne von § 20 Satz 1 SBG auch dann erfüllt, wenn der Vertrauensperson bzw. dem Personalrat substanziiert und nachvollziehbar dargelegt wird, dass und warum diese Information für die Beurteilung der konkret zu treffenden Maßnahme nicht relevant ist.
[13] 38 In diesem Sinne hat der Personalrat durch die Stellungnahmen des Personalamts die Informationen erhalten, aus denen er ersehen konnte, dass die Frage, ob alle Dienstposten in den Ausbildungs- und Verwendungsreihen 26303, 25013 und 25813 mit den ausgewählten Bewerbern besetzt werden konnten, für die sachgerechte Beurteilung der den Antragsteller betreffenden Auswahlentscheidung nicht relevant ist. Das Personalamt hat in diesen Stellungnahmen, zum Teil in mehrfacher Wiederholung, das Grundprinzip bei der Ermittlung des Personalbedarfs erläutert, der im Auswahlverfahren für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zu decken ist. Danach orientiert sich die Bedarfsermittlung nicht vorrangig an der Anzahl aktuell freier Dienstposten in der jeweiligen Ausbildungs- und Verwendungsreihe, zumal die aktuell zugelassenen Offizieranwärter ohnehin nicht sofort, sondern erst nach Abschluss ihrer dreijährigen Ausbildung für die Besetzung der dann freien Dienstposten zur Verfügung stehen. Die Bedarfsfestlegung beruht vielmehr – im Sinne der Herstellung einer gesunden Altersstruktur – auf sog. Soll-Quoten für den jeweiligen Geburtsjahrgang. Dementsprechend werden in das Auswahlverfahren für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes auch nur diejenigen Bewerber einbezogen, die einem Geburtsjahrgang angehören, der in der jeweiligen Ausbildungs- und Verwendungsreihe zur Bedarfsdeckung aufgerufen ist. Das Personalamt hat dem Personalrat schließlich auch die Soll-Quoten im Geburtsjahrgang des Antragstellers für die konkret benannten Ausbildungs- und Verwendungsreihen mitgeteilt (Soll-Quote in der Ausbildungs- und Verwendungsreihe 26303: sechs, in den Reihen 25013 und 25813: jeweils vier). Damit ist der Pflicht zur umfassenden Unterrichtung nach § 20 Satz 1 SBG in der Weise genügt, dass der Personalrat alle Informationen hatte, um zu erkennen, dass es auf das vom ihm wiederholt angeführte Argument, bei der Ausbildungs- und Verwendungsreihe 26303 (Datenverarbeitung) handele es sich um eine "Mangel-AVR", in der noch Dienstposten zu besetzen seien, nicht ankommt.
[14] 39 Eine Beantwortung der Frage, ob alle Dienstposten in den Ausbildungs- und Verwendungsreihen 26303, 25013 und 25813 mit den ausgewählten Bewerbern besetzt werden konnten, wäre im Übrigen auch dann nicht erforderlich, wenn der Personalrat mit dem ebenfalls mehrfach wiederholten Vorbringen, es gehe ihm nicht um eine "wie auch immer ermittelte sogenannte Soll-Quote", sondern um den "tatsächlichen Bedarf", geltend machen wollte, dass er das praktizierte System der Bedarfsfestlegung für rechtswidrig halte. Zwar wäre die Rechtswidrigkeit der Bedarfsermittlung mittelbar für das Auswahlverfahren und damit grundsätzlich auch für einzelne Auswahlentscheidungen von Bedeutung. Für den sachgemäßen Vortrag eines solchen Einwands sind jedoch die erfragten Einzelinformationen nicht erforderlich. Denn die Tatsache, dass als Nebenfolge des praktizierten Systems, das sich vorrangig am (altersstrukturellen) Bedarf in den Geburtsjahrgängen orientiert, einzelne Dienstposten über mehr oder weniger lange Zeit unbesetzt bleiben können, bedarf ebenso wenig eines Nachweises wie – umgekehrt – die Tatsache, dass sich als Nebenfolge einer Bedarfsermittlung, die sich vorrangig an der Zahl jeweils aktuell freier Dienstposten orientiert, im Laufe der Zeit Verwerfungen in der Altersstruktur der Offiziere des militärfachlichen Dienstes ergeben können. Davon abgesehen beruht die Festlegung des Personalbedarfs in den verschiedenen Bereichen, einschließlich der dafür herangezogenen Methodik der Bedarfsermittlung, auf militärischen Zweckmäßigkeitserwägungen, die bei der richterlichen Kontrolle einzelner Personalmaßnahmen, außer bei – hier nicht erkennbaren – Rechtsverstößen, als gegeben hinzunehmen sind (vgl. Beschlüsse vom 1. Juli 1999 BVerwG 1 WB 37.99 Buchholz 236. 12 § 9 SUV Nr. 6, vom 20. Februar 2002 BVerwG 1 WB 5.02 Buchholz 236. 12 § 9 SUV Nr. 7 und vom 28. Juni 2007 – BVerwG 1 WDS-VR 5. 07 – Buchholz 449. 3 § 9 SUV Nr. 8, jeweils m. w. N.).
[15] 40 c) Insgesamt war der Personalrat damit über die beabsichtigte Maßnahme des Personalamts der Bundeswehr rechtzeitig und umfassend unterrichtet (§ 20 Satz 1 SBG). Er hat von der Gelegenheit, innerhalb einer angemessenen Frist eine Stellungnahme abzugeben (§ 20 Satz 2 SBG, Nr. 228 Abs. 1 ZDv 10/2), keinen Gebrauch gemacht. Eine Erörterung (§ 20 Satz 3 SBG) war somit nicht erforderlich. Auch sonst sind keine Fehler im Beteiligungsverfahren ersichtlich. …