Bundesverwaltungsgericht
Neonazistische Äußerungen; sexistische Äußerungen; Zurückhaltungsgebot; Meinungsäußerungsfreiheit; postmortale Würde; Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener; Verhöhnung von NS-Opfern; Aufforderung "Führers Geburtstag" zu feiern; Hitlergruß; Verfassungstreue; Rechtfertigung von Folterpraktiken.
GG Art. 5, 17a, 19 Abs. 1 Satz 1; SG §§ 6, 7, 8, 10 Abs. 6, § 17 Abs. 2 Satz 1; WDO § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 7; StGB § 130 Abs. 3 und 4, § 189
1. Von der in § 10 Abs. 6 SG für Offiziere und Unteroffiziere normierten Pflicht zur Zurückhaltung bei dienstlichen und außerdienstlichen Äußerungen werden wegen des Schutzzwecks der Norm nur solche Äußerungen erfasst, die Untergebenen zu Gehör kommen oder in die Öffentlichkeit dringen können.
2. Zu den Anforderungen an eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der unbestimmten und daher konkretisierungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale des § 10 Abs. 6 SG.
3. Die Pflicht zur Zurückhaltung bei dienstlichen und außerdienstlichen Äußerungen erfordert, die Rechte anderer Menschen, insbesondere deren Ehre zu achten und das Andenken Verstorbener nicht zu verunglimpfen; außerdem verlangt sie im Hinblick auf die Art und Weise der Äußerung, die eigene Meinung besonnen, tolerant und sachlich zu vertreten.
4. Zur disziplinarrechtlichen Würdigung und zur Bemessung der gerichtlichen Disziplinarmaßnahme bei mehreren Verstößen eines Offiziers gegen die Pflicht zur Zurückhaltung (§ 10 Abs. 6 SG) und gegen die Pflicht zur Achtungs- und Vertrauenswahrung innerhalb dienstlicher Unterkünfte (§ 17 Abs. 2 S. 1 SG) durch neonazistische und sexistische Äußerungen.

BVerwG, Urteil vom 22. 10. 2008 – 2 WD 1.08; TDG Nord (lexetius.com/2008,4083)

[1] Dem an einer Bundeswehr-Universität studierenden Soldaten auf Zeit mit dem Dienstgrad eines Leutnants war durch die Wehrdisziplinaranwaltschaft in insgesamt sieben Anschuldigungspunkten vorgeworfen worden, durch Äußerungen, die er in sechs Fällen in einem Gemeinschaftsraum innerhalb seiner dienstlichen Unterkunft (Studentenwohnheim) gegenüber Kameraden sowie einmal (Anschuldigungspunkt 5) während einer akademischen Lehrveranstaltung im Hörsaal gemacht haben sollte, seine Pflicht zur Achtungs- und Vertrauenswahrung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) schuldhaft verletzt zu haben. Die Vorwürfe bezogen sich auf folgende Äußerungen:
Anschuldigungspunkt 1: sinngemäße Äußerung "Zyklon B – über 6 Millionen zufriedene Kunden zwischen 1939 und 1945";
Anschuldigungspunkt 2: sinngemäße Äußerung am 20. April 2005 "So, dann müssen wir heute mal ein bisschen Geburtstag feiern";
Anschuldigungspunkt 3: sinngemäße Äußerung, dass er eine drogenabhängige Frau über Wochen im Keller an Heizungsrohre fesseln, ihr nur Wasser und Brot geben würde und dass sie dann nach dieser 'Entziehungskur' den Angehörigen der Wohnebene im Hinblick auf Putzdienste und 'sexuelle Gefälligkeiten' gefügig sein müsste;
Anschuldigungspunkt 4: sinngemäße Äußerung, dass es das Beste sei, eine Frau 'von hinten zu nehmen', ihr kurz bevor man selbst 'komme', in den Nacken zu schlagen, damit sie sich verkrampfe, und dass dies die 'beste Art' sei 'zu kommen';
Anschuldigungspunkt 5: sinngemäße Äußerung "Mensch Junge, guck Dir mal die SA an – die waren auch hoch motiviert und hatten trotzdem Konflikte" im Rahmen einer Diskussion über die Frage, warum hoch motivierte Mitarbeiter in einem Betrieb trotz ihrer Motivation innerbetrieblichen Spannungen und Problemen unterworfen sind;
Anschuldigungspunkt 6: Heben des ausgestreckten rechten Arms zum sogenannten Hitlergruß gegenüber Kameraden;
Anschuldigungspunkt 7: sinngemäße Äußerung gegenüber Kameraden in Bezug auf Vernehmungsmethoden, dass man ein Messer in Eis einfrieren und dieses dem Opfer anal einführen müsse, so dass das Opfer, wenn das Eis schmelze, ein 'Problem' habe.
[2] Das zu den Anschuldigungspunkten 1, 2 und 6 sachgleiche vorausgegangene Strafverfahren war von der Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung eingestellt worden, es habe hinsichtlich der geprüften Straftatbestände der §§ 86a und 130 StGB jeweils am Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit gemangelt.
[3] Das Truppendienstgericht hat den Soldaten von dem in Anschuldigungspunkt 6 erhobenen Vorwurf ("Hitlergruß") mangels hinreichenden Tatnachweises freigestellt und ihn im Übrigen hinsichtlich der anderen sechs Anschuldigungspunkte wegen vorsätzlicher Verstöße gegen die Pflichten zur Zurückhaltung bei Äußerungen (§ 10 Abs. 6 SG) und zur Wahrung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) zu einem Beförderungsverbot von 36 Monaten verurteilt.
[4] Auf die von dem Soldaten in vollem Umfang eingelegte Berufung hat das Bundesverwaltungsgericht den Soldaten von den in den Anschuldigungspunkten 5, 6 und 7 erhobenen Vorwürfen freigestellt und ihn hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1, 2, 3 und 4 wegen vorsätzlicher Verstöße gegen § 10 Abs. 6 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG zu einem Beförderungsverbot von 30 Monaten verurteilt.
Aus den Gründen: …
[5] 23 3. Die Berufung des Soldaten ist nur in dem aus dem Tenor des Urteils ersichtlichen Umfang begründet. …
[6] 32 (b) Mit seinem zu Anschuldigungspunkt 1 festgestellten Äußerungsverhalten verletzte der Soldat seine soldatischen Pflichten nach § 10 Abs. 6 (dazu (aa)) und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG (dazu (bb)), jedoch nicht nach § 7 (dazu (cc)) und nach § 8 SG (dazu dd)).
[7] 33 (aa) § 10 Abs. 6 SG verpflichtet Unteroffiziere und Offiziere innerhalb und außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten. Die Vorschrift bezieht sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut uneingeschränkt auf alle inner- und außerdienstlichen Äußerungen der Angehörigen dieses Personenkreises. Dies hat der Senat bereits mehrfach entschieden (vgl. u. a. Urteil vom 9. Januar 2007 BVerwG 2 WD 20.05 BVerwGE 127, 293 = Buchholz 450. 2 § 38 WDO 2002 Nr. 20 = NZWehrr 2007, 167 m. w. N.). Von dieser Verpflichtung sind Offiziere (und Unteroffiziere), die an einer Universität der Bundeswehr studieren, nicht freigestellt.
[8] Dies schränkt das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) der Offiziere und Unteroffiziere ein. Verfassungsrechtlich ist dies nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Juli 1992 – BvR 1802/91 – NZWehrr 1992, 205 m. w. N.; Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 8. Aufl. 2008, § 10 Rn. 60 m. w. N.) im Ergebnis nicht zu beanstanden.
[9] Soldaten haben, wie in § 6 Satz 1 SG hervorgehoben wird, die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger. Ihnen stehen alle Rechte nach dem Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte und damit auch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) zu. Meinungsäußerungen auch von Soldaten sollen grundsätzlich frei sein und nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen beschränkt werden dürfen.
[10] Verfassungsrechtlich zulässige Begrenzungen der Meinungsäußerungsfreiheit von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ergeben sich zum einen – wie für alle Staatsbürger – aus Art. 5 Abs. 2 GG ("Vorschriften der allgemeinen Gesetze", "gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend" und "Recht der persönlichen Ehre"). Insbesondere die Bestimmungen des Strafgesetzbuches, die die persönliche Ehre anderer Menschen schützen, enthalten solche Begrenzungen. Dazu gehört auch die Vorschrift des § 189 StGB, die die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener unter Strafe stellt.
[11] Darüber hinaus eröffnet Art. 17a GG dem Gesetzgeber die Möglichkeit, für die Angehörigen der Streitkräfte das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit – über die sich für alle Bürgerinnen und Bürger aus Art. 5 Abs. 2 GG ergebenden Grenzen des Grundrechts hinaus – durch "Gesetze über Wehrdienst" zu begrenzen. Dazu gehören auch die Regelungen des Soldatengesetzes (darunter § 10 Abs. 6 SG). Nach der Entscheidung des Gesetzgebers trägt dies zur Erfüllung der in der Verfassung normierten Aufgaben der Streitkräfte bei (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Juli 1992 a. a. O. m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 9. Januar 2007 a. a. O. m. w. N.; Walz, in: Walz/Eichen/Sohm, SG, 2006, § 10 Rn. 102; Scherer/Alff/Poretschkin, a. a. O. m. w. N.). Für weitergehende Grundrechtseinschränkungen für Soldaten, etwa aus der "Natur der Sache" oder aus dem Wehrdienstverhältnis als solchem, ist daneben kein Raum (vgl. Beschluss vom 11. Februar 1970 BVerwG 1 WDB 10.69 BVerwGE 43, 48 [52 f.]; Kokott, in: Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 17a Rn. 6; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 17a Rn. 1; Walz a. a. O. § 6 Rn. 12 m. w. N.).
[12] Bei der Auslegung und Anwendung der unbestimmten und daher konkretisierungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale der Vorschrift des § 10 Abs. 6 SG ("… die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten") dürfen allerdings keine zwingenden Vorgaben missachtet werden, die sich aus anderen Verfassungsvorschriften ergeben. Ungeachtet der nach Art. 17a GG möglichen Einschränkbarkeit der in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch für Soldatinnen und Soldaten gewährleisteten Meinungsäußerungsfreiheit muss die grundlegende Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit für die Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2 Abs. 1 GG) und die Demokratie (Art. 20 Abs. 1 GG) beachtet werden. Die Vorschrift des § 10 Abs. 6 SG hindert deshalb Vorgesetzte nicht, sich in ihrem dienstlichen Wirkungskreis oder öffentlich grundsätzlich auf allen Gebieten und zu allen Themen zu äußern, zu denen sie sich äußern wollen. Denn der Regelungszweck des § 10 Abs. 6 SG liegt bei verfassungskonformer Auslegung nicht darin, bestimmte Meinungen wegen ihres Inhaltes zu verbieten (vgl. Urteil vom 24. April 2007 BVerwG 2 WD 9.06 BVerwGE 128, 319, 324 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 57 m. w. N.). Die Vorschrift verpflichtet jedoch Offiziere und Unteroffiziere als Vorgesetzte im Hinblick auf die Art und Weise ihrer Äußerung zur Zurückhaltung. Konkret verlangt die Vorschrift des § 10 Abs. 6 SG von allen Offizieren und Unteroffizieren, ihre Meinung unter Achtung der Rechte anderer besonnen, tolerant und sachlich zu vertreten (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Februar 1970 – 2 BvR 531/68BVerfGE 28, 36 [47] m. w. N. und vom 10. Juli 1992 a. a. O. [206 f.]; BVerwG, Beschluss vom 12. April 1978 BVerwG 2 WDB 24.77 BVerwGE 63, 37 [38 f.]; Urteile vom 10. Oktober 1985 BVerwG 2 WD 19.85 BVerwGE 83, 60 [68], und vom 9. Januar 2007 a. a. O. m. w. N.). Das erfordert insbesondere, die Ehre anderer Menschen zu achten und das Andenken Verstorbener nicht zu verunglimpfen. Insofern stellt die Vorschrift des § 10 Abs. 6 SG eine gesetzliche Konkretisierung der sich bereits aus Art. 5 Abs. 2 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Grenze jeder Meinungsäußerung dar. Ob daneben Art. 17a GG eine zusätzliche verfassungsrechtliche Grundlage für § 10 Abs. 6 SG darstellt, woran im Hinblick auf das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG Zweifel bestehen (vgl. dazu u. a. Walz, a. a. O. § 6 Rn. 17 f. m. w. N.) kann deshalb vorliegend dahingestellt bleiben.
[13] Die in § 10 Abs. 6 SG von jedem Offizier und Unteroffizier bei dienstlichen und außerdienstlichen Äußerungen verlangten Beschränkungen (Achtung der Rechte anderer; Besonnenheit, Toleranz und Sachlichkeit) sind für einen Vorgesetzten nach der vom Gesetzgeber getroffenen Regelungsentscheidung unerlässlich, um seine dienstlichen Aufgaben erfüllen und seinen Untergebenen im Sinne von § 10 Abs. 1 SG in Haltung und Pflichterfüllung Vorbild sein zu können. Dies kann im Einzelfall im Hinblick auf das Gebot der Zurückhaltung auch erfordern, dass der Soldat bei seiner Meinungsäußerung "im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes" (§ 6 Satz 2 SG) von der Verwendung bestimmter Begriffe, die besonders emotionsgeladen sind und – selbst im Kontext ihrer Verwendung – zu erheblichen Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen könnten, unter Umständen absehen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1992 a. a. O. [207]).
[14] Aus dem systematischen Zusammenhang der Einzelregelungen innerhalb der Vorschrift des § 10 SG, die nach ihrer Überschrift und nach ihrem Regelungsinhalt allein "Pflichten des Vorgesetzten" zum Gegenstand hat, sowie aus dem im letzten Halbsatz des Abs. 6 ("um das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten") normierten Regelungszweck ergibt sich, dass ein Offizier (oder Unteroffizier) bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen nur dann tatbestandsmäßig handelt, wenn er im Zeitpunkt der Tat die Funktion eines militärischen Vorgesetzten im Sinne von § 1 Abs. 3 SG in Verbindung mit den Regelungen der Vorgesetztenverordnung inne hat. Die Art der Vorgesetzteneigenschaft ist dabei unbeachtlich; eine solche aufgrund eines Dienstgrades (§ 4 VorgV) reicht für eine Tatbestandsverwirklichung aus (vgl. Urteil vom 28. September 1990 BVerwG 2 WD 27.89 BVerwGE 86, 321 [324]; Walz, a. a. O. § 10 Rn. 107).
[15] 34 Einen Verstoß gegen § 10 Abs. 6 SG stellen nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats wegen des Schutzzwecks der Norm, Unteroffizieren und Offizieren das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten, zudem nur solche Äußerungen dar, die Untergebenen "zu Gehör kommen" oder "in die Öffentlichkeit dringen" können (Urteile vom 10. Oktober 1985 a. a. O. [68 f.] m. w. N., vom 20. Mai 1983 BVerwG 2 WD 11.82 BVerwGE 83, 136 [149], vom 10. Oktober 1989 BVerwG 2 WDB 4.89 BVerwGE 86, 188 [199]; Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 8. Auflage 2008, § 10 Rn. 62 m. w. N.; Walz, a. a. O. § 10 Rn. 109).
[16] Die Freiheit sichernde und für die Demokratie konstitutive Funktion der Meinungsäußerungsfreiheit erfordert – ebenso wie das Grundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) – ferner auch bei Äußerungen von Offizieren und Unteroffizieren, dass bei der Anwendung des § 10 Abs. 6 SG der Inhalt und der Bedeutungsgehalt der in Rede stehenden Meinungsäußerung unter Heranziehung des gesamten Kontextes objektiv und sachlich vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen, sozialen und politischen Geschehens, in dem sie gefallen ist, ermittelt und der Entscheidung zugrunde gelegt wird. Daran ändert § 10 Abs. 6 SG nichts. Denn Sinn und Gehalt jeder Äußerung werden durch ihren Wortlaut nicht abschließend determiniert. Ein und derselbe Wortlaut kann unter verschiedenen Begleitumständen einen unterschiedlichen Inhalt und damit einen verschiedenen Sinn haben. Ferner muss berücksichtigt werden, dass Äußerungen in unterschiedlichen Kommunikationszusammenhängen unterschiedlich verstanden werden können. In Extremfällen ist es sogar möglich, dass eine Äußerung das Gegenteil dessen bedeutet, was sie nach ihrem Wortlaut besagt.
[17] Bei der Auslegung der festgestellten Äußerungen ist von deren objektivem Sinngehalt (Erklärungsinhalt) auszugehen, wie ihn ein unbefangener verständiger Dritter verstehen musste (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1964 – 1 StR 572/63BGHSt 19, 235 [237] m. w. N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juli 1989 – 5 Ss 250/89101/89 I – NJW 1989, 3030; BayObLG, Urteil vom 17. Dezember 1996 – 2St RR 178/96NStZ 1997, 283 m. w. N.; Herdegen in: Leipziger Kommentar, StGB, 10. Aufl. 1985, § 185 Rn. 17 ff.; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 185 Rn. 8 m. w. N.). Maßgebend ist dabei nicht, was der Vortragende zum Ausdruck bringen wollte, sondern was er bei objektiver Bewertung zum Ausdruck gebracht hat. Gehalt und Sinn der Äußerung sind nach dem jeweiligen Kommunikationszusammenhang zu ermitteln (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1991 – 1 BvR 1555/88BVerfGE 85, 1, 19 = NJW 1992, 1439; Grimm, NJW 1995, 1697 [1700]). Nicht ausreichend ist deshalb die Ermittlung der Motivation des sich Äußernden.
[18] Ist eine Äußerung nicht eindeutig, muss der wahre Erklärungsinhalt aus ihrem Zweck sowie dem Zusammenhang und ihrem Kontext sorgfältig erforscht werden. Dabei sind alle Begleitumstände bzw. die gesamte konkrete Situation, in der die Äußerung getätigt wurde, zu berücksichtigen, z. B. auch die Anschauung und Gebräuche der Beteiligten sowie die sprachliche und gesellschaftliche Ebene, auf der die Äußerung fiel (vgl. Urteile vom 29. Juni 2006 BVerwG 2 WD 26.05 Buchholz 449 § 12 SG Nr. 20 = NZWehrr 2007, 32 und vom 14. April 2007 BVerwG 2 WD 9.06 BVerwGE 128, 319 = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 57 m. w. N.; BayObLG, Urteil vom 7. März 1983 – RReg 2 St 140/82NJW 1983, 2040; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. August 1989 – 2 Ss 281/8949/89 III – JR 1990, 345; Fischer, a. a. O.).
[19] Will sich ein Straf- oder Disziplinargericht unter mehreren möglichen Deutungen einer Äußerung für die zur Verurteilung führende entscheiden, muss es dafür besondere Gründe angeben, d. h. es muss sich mit allen in Frage kommenden, insbesondere den sich aufdrängenden anderweitigen Deutungsmöglichkeiten auseinandersetzen und in rechtsfehlerfreier Weise diejenigen ausscheiden, die nicht zur Verurteilung führen würden (vgl. u. a. BVerfG, Beschlüsse vom 19. April 1990 – 1 BvR 40, 42/86BVerfGE 82, 43 [50 f.] und vom 25. August 1994 – 1 BvR 1423/92NJW 1994, 2943; Grimm, a. a. O. [1700]; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2006 a. a. O. m. w. N.). Da es auf den objektiven Sinngehalt ankommt, kann bei der Auslegung nur der Wortlaut der Äußerung selbst und der Kontext, in dessen Zusammenhang sie steht, herangezogen werden. Vom objektiven Sinngehalt abweichende Erklärungen, Absichten und Vorstellungen des Betreffenden können nur insoweit Bedeutung erlangen, als sie in der Äußerung und in deren Kontext Ausdruck gefunden haben.
[20] 35 Nach diesen Maßstäben verstieß die vom Soldaten nach den vom Senat getroffenen Feststellungen zweimal getätigte Äußerung ("Zyklon B über 6 Millionen zufriedene Kunden zwischen 1939 und 1945") gegen das ihm nach § 10 Abs. 6 SG obliegende Zurückhaltungsgebot. Sie achtete nicht die Ehre und Würde anderer und war weder sachlich noch besonnen. Sie erfüllte den objektiven Tatbestand des § 189 StGB, der die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener unter Strafe stellt.
[21] § 189 StGB schützt auch die über den Tod hinaus fortwirkende (postmortale) Menschenwürde. Es würde mit dem verfassungsverbürgten Gebot der Unantastbarkeit und damit Unverletzlichkeit der Menschenwürde unvereinbar sein, wenn der Mensch, dem die Würde kraft seines Personseins zukommt, in diesem allgemeinen Achtungsanspruch nach seinem Tode herabgewürdigt oder erniedrigt werden dürfte. Dementsprechend endet die in Art. 1 Abs. 1 GG aller staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, nicht mit dem Tode (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 1971 – 1 BvR 435/68BVerfGE 30, 173 [194]; Dreier, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Abs. 1 Rn. 74; Pabst, NJW 2002, 999). Eine Verunglimpfung, d. h. eine besonders grobe und schwerwiegende Herabsetzung des personellen, sozialen oder sittlichen Geltungswerts der betroffenen Personen, kann sich auch auf eine Gruppe von Personen beziehen, deren Gemeinsamkeit sich gerade aus den Umständen ihres Versterbens ergibt (vgl. Fischer, a. a. O. § 189 Rn. 3; BGH, Urteil vom 15. März 1994 – 1 StR 179/93BGHSt 40, 97 [105]; BayObLG, Urteil vom 17. Dezember 1996 – 2 St RR 178/96 – NStZ 1997, 284; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. März 2006 – 1 S 26. 06 – juris). Untrennbarer Bestandteil der Würde eines Menschen können auch die besonderen Umstände seines Todes sein. Hat er ohne persönliche Schuld etwa allein aufgrund seiner Abstammung durch staatlich organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahmen auf grausame Weise sein Leben verloren, so prägt dieses schwere Schicksal seine individuelle Würde und damit zugleich und unmittelbar auch sein Andenken unter den Lebenden. Die Art. 1 Abs. 1 GG insoweit konkretisierende Vorschrift des § 189 StGB schützt damit auch die postmortale Würde der unter anderem mit dem Giftgas Zyklon B während der NS-Herrschaft ermordeten Menschen sowie das Pietätsempfinden, mit dem außer den Angehörigen auch die Allgemeinheit des/der Verstorbenen gedenkt (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. März 1967 – 1 Ss 840/66 – NJW 1967, 1142 f. m. w. N.). Kränkende Äußerungen im Sinne von § 189 StGB bleiben rechtswidrige und strafbare Handlungen auch dann, wenn ein Strafantrag (§ 194 Abs. 2 StGB) nicht gestellt ist und ohne diese Prozessvoraussetzung der Täter nicht verfolgt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. März 1967 a. a. O. m. w. N.).
[22] 36 Die ohne jeden nachvollziehbaren Anlass zweimal erfolgte Äußerung des Soldaten stellt nach ihrem Wortlaut eine zynisch-makabre und von Geschmacklosigkeit übelster Art geprägte Missachtung der Leiden der Millionen von NS Opfern dar, die unter anderem mit Hilfe von Zyklon B in Gaskammern des NS-Regimes während des 2. Weltkrieges umgebracht wurden. Die gewählten Formulierungen verletzten die über den Tod hinaus fortwirkende (postmortale) Menschenwürde der mit diesem Giftgas während der NS-Herrschaft ermordeten Menschen sowie das Andenken und das Pietätsempfinden ihrer Angehörigen und der Allgemeinheit in schwerwiegendster Weise. Denn mit einer solchen nicht näher erläuterten oder relativierten Äußerung wird nicht nur zum Ausdruck gebracht, die Ermordeten seien "Kunden", hätten also gleichsam um die Dienstleistung ihrer Ermordung nachgesucht. Darüber hinaus wird ihnen nach der gewählten Formulierung auch noch nachgesagt, sie seien mit ihrer Ermordung "zufrieden". Aus Opfern schlimmster Verbrechen werden so zufrieden gestellte Dienstleistungsempfänger, die letztlich – so diese Diktion – nichts anderes als die erlittene Ermordung verdient hätten. Ihr Existenz- und Lebensrecht als Menschen und damit auch ihre personale Würde werden so postmortal nicht nur angetastet und in Frage gestellt, sondern in fundamentaler Weise negiert. Mit einem Scherz, mit Humor oder Ironie hat dies schlechterdings nichts zu tun. Die Ermordeten und ihre Angehörigen werden durch eine solche Äußerung in brutalster Weise verhöhnt.
[23] Anhaltspunkte dafür, dass die zweimalige hier in Rede stehende Äußerung des Soldaten nach dem objektiven Empfängerhorizont in einem anderen Sinne als der Wortlaut der gewählten Formulierung nahelegt zu verstehen war, sind nicht ersichtlich. Soweit der Soldat in der Berufungshauptverhandlung angeführt hat, es habe sich bei seinen Formulierungen nach seiner damaligen Vorstellung um eine von ihm kritisch gemeinte "Provokation" und um einen "Hinweis" darauf gehandelt, "wohin bestimmte Auffassungen führten", vermag ihn dies nicht zu entlasten. Er hat diese behauptete Intention zum Tatzeitpunkt in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, sondern im Gegenteil bei den Anwesenden gerade den Eindruck erweckt, er mache sich diese – wie ihm bewusst war – offenkundig neonazistische Formulierung und die dieser zugrunde liegenden Bewertung (en) zu eigen. Gerade wenn der Soldat, wie er berichtet hat, im Rahmen einer Veranstaltung an der Offizierschule des Heeres auf eine CD mit einem wortgleichen Cover-Aufdruck als Beispiel für neonazistische Agitationsmittel hingewiesen worden war und wenn ihm dies zur Tatzeit präsent war, musste ihm bewusst sein, welche Wirkungen seine damit wort- und inhaltsgleichen Äußerung (en) auslösen konnte (n), ja auslösen musste (n). Der Umstand, dass der Soldat selbst dargelegt hat, er habe damit provozieren wollen, belegt, dass es ihm offenkundig auf die objektiv schockierende Wirkung seiner Äußerungen gerade ankam. Dass er dies – wie er selbst eingeräumt hat – mehrfach tat, offenbart zudem, dass von einer einmaligen Entgleisung oder von einer zufällig erfolgten missverständlichen Gelegenheitsäußerung nicht die Rede sein kann. Die Umstände, in denen die ihm zur Last gelegten Äußerungen jeweils erfolgten, machen deutlich, dass der Soldat sich in seiner Rolle als schlagfertiger und gerne Aufmerksamkeit erregender "Provozierer" offenkundig gefiel, auch wenn er sich subjektiv nicht als "Neonazi", der die Massenverbrechen des NS-Regimes verharmloste oder gar glorifizierte, verstanden hat. Auch nachdem er die betroffenen Reaktionen seiner Zuhörer zur Kenntnis genommen hatte, machte er keinen adäquaten Versuch, unmittelbar gegenüber diesen seine Äußerung zu korrigieren und dem entstandenen Eindruck entgegenzutreten sowie für sein Verhalten zeitnah in geeigneter Weise um Entschuldigung zu bitten.
[24] An dieser rechtlichen Beurteilung der in Rede stehenden Äußerung (en) würde sich auch dann nichts ändern, wenn diese, wie der Soldat im Berufungsverfahren geltend gemacht hat – wofür sich allerdings nach den vom Senat getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte haben feststellen lassen, im Rahmen einer "Diskussion über Terrorismus" gefallen wäre (n), in deren Verlauf zuvor ein Kamerad die Frage aufgeworfen habe, ob man sich "nicht präventiv an die Familien halten" sollte, die Terroristen "hervorgebracht" hätten. Denn auch dann konnte nach dem Kontext und nach dem Kommunikationszusammenhang ein unbefangener und verständiger Dritter das Bezeichnen der mit Hilfe des Giftgases Zyklon B in den Konzentrationslagern des NS-Regimes millionenfach Ermordeten als "zufriedene Kunden" nur als blanke Verhöhnung dieser Opfer verstehen und empfinden. Im Übrigen hat keiner der vom Senat vernommenen Zeugen bestätigen können, dass der Soldat etwa durch erläuternde Bemerkungen deutlich gemacht hatte, dass seine Äußerungen abweichend vom Wortlaut in einem ganz anderen Sinne gemeint und zu verstehen waren. Die Zeugen Ra. und P. haben eine solche begleitende Erläuterung des Soldaten ausdrücklich in Abrede gestellt und wiederholt hervorgehoben, dass der Soldat zunächst eine für sie unverständliche "chemische Formel" und dann den inkriminierten Satz in den Gemeinschaftsraum hinein gerufen habe, ohne zum Ausdruck zu bringen oder zumindest konkludent deutlich zu machen, weshalb er sich in dieser für sie schockierenden Weise verhielt. Auch die anderen vom Senat vernommenen Zeugen haben hinsichtlich der auch bei einer anderen Gelegenheit getätigten gleich lautenden Äußerung des Soldaten von keinen, den Wortlaut der Formulierung relativierenden oder diese erläuternden Bemerkungen des Soldaten berichten können. Der Soldat selbst hat zudem auch nicht einmal in der Berufungshauptverhandlung eine schlüssige Erklärung dafür zu geben vermocht, warum er seine angeblich geltend gemachte kritische Einstellung zu "Sippenhaft" oder zu einem rechtswidrigen Umgang mit "Terroristen" oder deren Familien gerade in dieser die Würde und das Andenken der Opfer und ihrer Angehörigen brutal verletzenden Art und Weise zum Ausdruck brachte. Von einem besonnenen, sachlichen und die Rechte anderer achtenden Äußerungsverhalten des Soldaten kann angesichts dessen bei seinen von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Äußerungen schlechterdings nicht die Rede sein.
[25] 37 Auch die für § 10 Abs. 6 SG des Weiteren relevante Tatbestandsvoraussetzung, dass die in Rede stehenden Äußerungen Untergebenen zu Gehör kommen oder in die Öffentlichkeit dringen konnten (vgl. Urteile vom 10. Oktober 1985 BVerwG 2 WD 19.85 BVerwGE 83, 60 [68 f.] m. w. N., vom 20. Mai 1983 BVerwG 2 WD 11.82 BVerwGE 83, 136 [149], vom 10. Oktober 1989 BVerwG 2 WD 4.89 BVerwGE 86, 188 [199]; Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 8. Aufl. 2008, § 10 Rn. 62; Walz, in: Walz/Eichen/Sohm, SG, 2006, § 10 Rn. 109), ist erfüllt.
[26] 38 Bei der einen Äußerung war der damalige Oberfähnrich K. anwesend, der einen niedrigeren Dienstgrad als der Soldat hatte. Der Soldat, der damals bereits zum Leutnant ernannt worden war, war kraft Dienstgrades (§ 4 VorgV) Vorgesetzter. Darüber hinaus war die Äußerung aufgrund ihrer besonderen Brisanz ohnehin geeignet, über andere Soldaten oder gar die Öffentlichkeit Untergebenen zu Gehör zu kommen, was die weitere Entwicklung dann auch zeigte.
[27] 39 Auch die andere – in Gegenwart der Zeugen Ra. und P. getätigte – Äußerung konnte jedenfalls in die Öffentlichkeit dringen. Die Zeugin P. gehörte nicht der Bundeswehr an, wohnte außerhalb der dienstlichen Unterkunft und war – nachvollziehbar und zu Recht – über die Äußerung irritiert, wütend und schockiert. Es lag nahe, jedenfalls bestand die ernsthafte Möglichkeit, dass sie über das von ihr in einer dienstlichen Unterkunft der Bundeswehr-Universität … Erlebte anderen berichten würde. Dies reicht für eine Tatbestandserfüllung aus.
[28] 40 Da der Soldat wusste, was er sagte und dies auch wollte, handelte er vorsätzlich.
[29] 41 (bb) Das von Anschuldigungspunkt 1 erfasste Verhalten des Soldaten verstieß auch gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG.
[30] Die in Rede stehenden Äußerungen des Soldaten fielen innerhalb einer dienstlichen Unterkunft, nämlich in einem Wohnheim auf dem Campus der Bundeswehr-Universität …, so dass nicht § 17 Abs. 2 Satz 2, sondern Satz 1 SG einschlägig ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von anderen Pflichtverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. … (wird ausgeführt)
[31] 42 Ob die tatbestandlich sehr weite Fassung des § 17 Abs. 2 Satz 1 SG unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in jeder Hinsicht bedenkenfrei ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn die tatbestandliche Unbestimmtheit der Vorschrift wird im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls durch die vom Gesetzgeber in § 189 StGB getroffene Regelung "kompensiert". Ein Offizier, der mit seinen Äußerungen in dienstlichen Einrichtungen der Bundeswehr in Gegenwart anderer die in den Vernichtungsmaschinerien des NS-Regimes unter anderem mit dem Giftgas Zyklon B Ermordeten als "zufriedene Kunden" bezeichnet und damit in einer jedenfalls den objektiven Tatbestand des § 189 StGB erfüllenden Weise die postmortale Würde und das Andenken Verstorbener verunglimpft, stellt seine Achtungswürdigkeit und seine Vertrauenswürdigkeit in fundamentaler Weise in Frage. Denn sein Verhalten weckt gravierende Zweifel an seiner charakterlichen Reife, seiner Gesetzestreue und damit an seiner Zuverlässigkeit. Er stellt deshalb seine Eignung für seine weitere dienstliche Verwendung als Vorgesetzter in Frage. Der Soldat hatte zur Tatzeit am Tatort als Leutnant eine Vorgesetztenstellung inne (§ 1 Abs. 5 SG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VorgV). Daran änderte nichts, dass er sich in dem Gemeinschaftsraum des dienstlichen Wohnbereichs befand und in dieser Zeit unmittelbar keine dienstlichen Aufgaben wahrnahm. Nach § 10 Abs. 1 SG soll der Vorgesetzte in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben. Diese Pflicht ist nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt, sondern erfasst auch das außerdienstliche Verhalten, zumal innerhalb dienstlicher Einrichtungen der Bundeswehr. Dagegen verstieß der Soldat in besonders schwerwiegender Weise.
[32] 43 Da der Soldat wusste, was er sagte und dies auch wollte, handelte er vorsätzlich.
[33] 44 (cc) Dagegen verletzte der Soldat mit seiner zweimaligen Äußerung nicht seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG).
[34] 45 Die in § 7 SG normierte allgemeine Pflicht zum "treuen Dienen", die durch die in den §§ 8 ff. SG aufgestellten Dienstpflichten ihre speziellere gesetzliche Ausformung erhalten hat und durch diese in deren Anwendungsbereich konkretisiert wird, gebietet jedem Soldaten, seine Dienstpflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber dem Dienstherrn zu erfüllen sowie innerhalb und außerhalb des Dienstes mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften dazu beizutragen, dass die Streitkräfte der Bundeswehr ihre durch die Verfassung festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, sowie alles zu unterlassen, was diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in unzulässiger Weise schwächen könnte. Sie kommt bei der Prüfung von Dienstpflichtverletzungen nur insoweit zur Anwendung, als die in den §§ 8 ff. SG normierten Dienstpflichten für ihren jeweiligen Anwendungsbereich ihr nicht als speziellere Vorschrift vorgehen.
[35] 46 Zwar gehört zu der in § 7 SG normierten Pflicht zum "treuen Dienen" insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung (vgl. z. B. Urteil vom 22. August 2007 BVerwG 2 WD 27.06 BVerwGE 129, 181 = Buchholz 449 § 11 SG Nr. 2 = NZWehrr 2008, 76 m. w. N., stRspr). Denn die Anforderungen an die insoweit von den Soldatinnen und Soldaten geforderte "Treue" – zum Dienstherrn Bundesrepublik Deutschland – werden in der rechtsstaatlich parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes in erster Linie durch den vom Volk gewählten Gesetzgeber und innerhalb dieses Rahmens von der parlamentarisch verantwortlichen Exekutive festgelegt. Verstößt ein Soldat gegen ein Strafgesetz und begeht er damit kriminelles Unrecht, so liegt darin regelmäßig eine Verletzung von § 7 SG. Das war hier indes nicht der Fall.
[36] 47 (aaa) Die von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Äußerungen des Soldaten verletzten zwar, wie dargelegt, den objektiven Tatbestand des § 189 StGB. Dem Soldaten konnte aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen werden, dass er die Tatbestandsverwirklichung wollte. Für eine strafbare Handlung nach § 189 StGB ist aber zumindest bedingter Vorsatz erforderlich.
[37] 48 Ein bedingt vorsätzlich Handelnder hält die Tatbestandsverwirklichung für möglich und ist mit dem Eintreten des Taterfolges in dem Sinne einverstanden, dass er ihn billigt oder zumindest billigend in Kauf nimmt (stRspr des BGH: vgl. u. a. Beschluss vom 23. Juni 1983 – 4 StR 293/83NStZ 1984, 19 und Urteil vom 25. November 1987 – 3 StR 449/87NStZ 1988, 175 sowie die Nachweise u. a. bei Cramer/Sternberg Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 15 Rn. 81a und 83; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 15 Rn. 9b). Auch nach neueren Entscheidungen des BGH ist bedingter Vorsatz dann anzunehmen, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und billigt, vgl. Urteil vom 6. April 2000 – 1 StR 280/99BGHSt 46, 30 [35]; ebenso Urteile vom 18. September 2003 BVerwG 2 WD 3.03 BVerwGE 119, 76 = Buchholz 235. 01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122 und vom 25. September 2007 BVerwG 2 WD 19.06 Buchholz 450. 2 § 38 WDO 2002 Nr. 23). Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Täter mit dem von ihm für möglich gehaltenen Erfolg ausdrücklich oder konkludent einverstanden ist, sondern auch dann, wenn er sich mit einem an sich unerwünschten, aber notwendigerweise eintretenden Erfolg um seines erstrebten Zieles willen abfindet (vgl. dazu u. a. BGH, Urteile vom 22. April 1955 g. K. u. a. – 5 StR 35/55BGHSt 7, 363 [369], vom 4. November 1988 g. B. – 1 StR 262/88BGHSt 36, 1 [9] und vom 14. Juli 1994 – 4 StR 335/94NStZ 1994, 584; Fischer, a. a. O. m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es sogar ausreichend, wenn dem Täter der als möglich erkannte Handlungserfolg gleichgültig ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1994 g. M. – StR 449/94 – BGHSt 40, 304 [306]; Fischer, a. a. O.; Cramer/Sternberg Lieben, a. a. O. § 15 Rn. 84, 86 f. m. w. N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 a. a. O.). Zur Feststellung dieser Voraussetzungen ist eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1988 a. a. O. [10]). Ist der Täter dagegen mit der als möglich erkannten Folge seines Handelns nicht einverstanden und vertraut er deshalb auf ihren Nichteintritt, liegt lediglich (bewusste) Fahrlässigkeit vor (vgl. die Nachweise zur Rechtsprechung des BGH bei Fischer, a. a. O. § 15 Rn. 9a). Im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand des § 189 StGB muss der Täter jedenfalls Kenntnis davon haben, dass seine Äußerungen nach ihrem objektiven Sinn geeignet waren, eine (grobe) Missachtung der postmortalen Würde der in der Zeit des Nazi-Terrors Ermordeten und ihres Andenkens bei Angehörigen und/oder der Allgemeinheit auszudrücken.
[38] 49 Auch wenn, wie oben in anderem Zusammenhang dargelegt, die beiden in Rede stehenden Äußerungen des Soldaten nach ihrem objektiven Sinn und Gehalt den objektiven Tatbestand des § 189 StGB erfüllten, ist dem Soldaten mit den dem Senat zur Verfügung stehenden Beweismitteln jedenfalls nicht nachzuweisen gewesen, dass er die Tatbestandsverwirklichung subjektiv wollte. Der Soldat wusste zwar, was er sagte, und er wollte diese Äußerungen auch tätigen. Es konnte aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit der Nachweis erbracht werden, dass er sichere Kenntnis davon hatte, dass seine Äußerungen nach ihrem objektiven Sinn geeignet waren, das Andenken Verstorbener (hier: der in den Konzentrationslagern des NS-Regimes mit dem Giftgas Zyklon B Ermordeten) zu verunglimpfen. Ebenso wenig ist ihm nachzuweisen gewesen, dass er die festgestellte objektive Wirkung seiner Äußerungen für möglich hielt und ausdrücklich oder konkludent damit einverstanden war oder dass er sich mit einem solchen an sich unerwünschten, aber notwendigerweise eintretenden Effekt um seines erstrebten Zieles willen abgefunden hatte. Ihm war auch seine – allerdings nicht nachvollziehbare – Einlassung nicht zu widerlegen, dass er in ironischer Form vor dem Schicksal dieser Ermordeten habe warnen wollen, dass es ihm subjektiv aber nicht darum gegangen sei, die postmortale Ehre und Würde der mit dem Giftgas Zyklon B millionenfach ermordeten Menschen zu verletzen. Möglicherweise beruhte dies auf Naivität oder charakterlicher Unreife. Wenn er den negativen objektiven Erklärungsgehalt seiner Äußerungen vorab realisiert hätte, hätte er sie, so der Soldat, unterlassen. Die vom Soldaten für seine Ausdrucksweise geltend gemachte und in der Berufungshauptverhandlung letztlich eingeräumte grobe Unsensibilität und seine zur Tatzeit offenbar vorhandene erschreckende Gedankenlosigkeit reichen nicht aus, um den Nachweis des Wissens und Wollens der Tatbestandsverwirklichung zu erbringen.
[39] 50 (bbb) Auch eine Straftat nach § 130 Abs. 3 StGB ist dem Soldaten nicht nachzuweisen. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) vom 26. Juni 2002 (BGBl I 2002, 2254) bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. Zwar wurden durch die zweimalige Äußerung des Soldaten die im NS-Regime mit Zyklon B begangenen Massenmorde, die als Völkermord im Sinne von § 6 Abs. 1 VStGB zu qualifizieren sind, durch die Bezeichnung der Opfer als "zufriedene Kunden" objektiv verharmlost. Dies geschah aber nicht "öffentlich" oder "in einer Versammlung".
[40] "Öffentlich" erfolgt eine Äußerung nur dann, wenn sie mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch unbestimmt viele Personen erfolgt und von einem nach Zahl und Individualität unbestimmten oder durch nähere Beziehung nicht verbundenen Personenkreis unmittelbar wahrgenommen werden kann. Für die Annahme des öffentlichen Verwendens ist nach der Rechtsprechung Voraussetzung, dass die Äußerung durch mindestens drei nicht durch nähere Beziehung verbundene Hörer wahrnehmbar war (OLG Hamm, Urteil vom 28. September 1979 – 4 Ss 1584/79MDR 1980, 159 f.; OLG Celle, Urteil vom 10. Mai 1994 – 1 Ss 71/94NStZ 1994, 440 f.; BayObLG, Beschluss vom 12. März 2003 – "St RR 20/03, "St RR 20/03 a, "St RR 20/03 b – NStZ-RR 2003, 233 f.). Daran fehlt es hier. Denn beide Äußerungen fielen jeweils in dem Gemeinschaftsraum der Wohnebene … der zirka elf bis fünfzehn dort wohnenden an der Bundeswehr-Universität … studierenden Soldaten. Diese waren durch das gemeinsame Wohnen und Zusammenleben auf dieser Wohnebene miteinander verbunden und waren füreinander jeweils keine Angehörigen der allgemeinen Öffentlichkeit. Der Gemeinschaftsraum dieser Wohnebene wurde von ihnen gemeinsam fast täglich vor allem zum Kochen, Essen, Fernsehen und Kommunizieren genutzt. Sie kannten einander und hatten, wenn auch unterschiedlich, zueinander persönliche Beziehungen, die sich aus diesem relativ engen Zusammenleben entwickelten. Zugang zu dieser – durch eine Tür von dem übrigen Gebäude abgetrennten – Wohnebene und zu diesem Gemeinschaftsraum hatten nur sie als dort lebende Bewohner sowie ihre Gäste.
[41] 51 (ccc) Auch ein Verstoß der Äußerungen des Soldaten gegen die Strafvorschrift des § 130 Abs. 4 StGB hat sich nicht feststellen lassen. Nach dieser durch Gesetz vom 24. März 2005 (BGBl I 969) in Kraft gesetzten Strafvorschrift ist strafbar, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Die Tathandlung kann u. a. dadurch erfolgen, dass etwa ein Verantwortungsträger oder eine Symbolfigur des NS-Regimes angepriesen oder in besonderer Weise hervorgehoben wird. Denn dadurch wird "konkludent eine positive Einschätzung der unter der NS-Herrschaft begangenen Menschenrechtsverletzungen" ausgedrückt (so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs, vgl. BTDrucks 15/5051 S. 5). Die Regelung ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet und setzt eine vollendete Störung des öffentlichen Friedens voraus. Eine "abstrakte Gefährdung des öffentlichen Friedens" (z. B. Gefahr des Auftretens von Unruhen, der Beunruhigung größerer Bevölkerungskreise, der "Klimavergiftung") reicht nicht aus (vgl. BTDrucks 15/5051 S. 5; Fischer, a. a. O. § 130 Rn. 40 m. w. N.).
[42] 52 Eine Tatbestandsverwirklichung scheidet hier jedoch bereits deshalb aus, weil die Äußerung im Gemeinschaftsraum der Wohnebene … der dienstlichen Unterkunft des Soldaten und damit aus den zuvor bereits dargelegten Gründen weder öffentlich noch in einer Versammlung erfolgte. Außerdem hat die Äußerung keine vollendete Störung des öffentlichen Friedens bewirkt.
[43] 53 (dd) Der Soldat verstieß mit seinem Verhalten auch nicht gegen seine in § 8 SG normierte Pflicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten.
[44] 54 Diese Pflicht, gegen deren Verfassungsmäßigkeit nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des erkennenden Senats (vgl. dazu die Nachweise bei Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 8. Aufl. 2008, § 7 Rn. 1 f.) im Grundsatz keine durchgreifenden Bedenken bestehen, verlangt nicht, dass ein Soldat sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Bundesregierung oder der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien identifiziert und diese unterstützt. Die Vorschrift verpflichtet jedoch jeden Soldaten, die durch Art. 79 Abs. 3 GG jeder Verfassungsänderung entzogenen "Grundsätze" der Art. 1 und 20 GG (vor allem: Bindung aller staatlichen Gewalt an die im Grundgesetz konkretisierten Grund und Menschenrechte, Volkssouveränität, Mehrparteiensystem, Chancengleichheit für alle Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition, Gewaltenteilung, Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament, Gesetzmäßigkeit von Regierung und Verwaltung, Unabhängigkeit der Gerichte) zu bejahen, sie als schützenswert anzuerkennen und aktiv für sie einzutreten. Mit dieser Pflicht hat der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass nur diejenigen Personen Soldaten und damit Angehörige der Streitkräfte werden und bleiben dürfen, die sich von allen Bestrebungen fernhalten, die die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpfen, und die darüber hinaus aktiv und aus Überzeugung für deren Erhaltung eintreten. Es sollte damit ausgeschlossen oder jedenfalls erschwert werden, dass die Streitkräfte zu einer Macht werden, die die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet, oder dass sie gegen sie eingesetzt werden. Mit der in § 8 SG normierten soldatischen Kernpflicht ist insbesondere ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, die Ziele des verbrecherischen NS Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen (vgl. Urteil vom 12. Februar 2003 BVerwG 2 WD 8.02 BVerwGE 117, 371 = Buchholz 236. 1 § 7 SG Nr. 48 = NZWehrr 2003, 214 und Beschluss vom 29. August 2002 BVerwG 2 WDB 6.02 -). Denn das NS Regime, das zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung seiner Diktatur die Menschenrechte systematisch missachtete und verletzte sowie zur Realisierung seiner Eroberungs, Raub und Ausrottungspläne mit Weltherrschaftsvisionen Angriffskriege entfesselte, in deren Verlauf Millionen Menschen Leben, Gesundheit sowie Hab und Gut verloren, ist mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes schlechthin unvereinbar. Dies gilt auch für die zentralen Bestandteile seiner Ideologie und politischen Zielvorstellungen sowie alle Bestrebungen, die objektiv oder subjektiv darauf angelegt sind, im Sinne der "nationalsozialistischen Sache" zu wirken. Dementsprechend hat der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung mehrfach entschieden, dass eine Verletzung der in § 8 SG normierten Pflicht nicht nur dann vorliegt, wenn ein Soldat Propagandamaterial einer verfassungswidrigen Organisation wie einer NSDAP Aus-landsorganisation verbreitet (Urteil vom 1. Juni 1983 BVerwG 2 WD 48.82 -). Vielmehr ist dies auch dann der Fall, wenn ein Soldat das "Horst-Wessel-Lied" singt (Urteil vom 4. September 1980 BVerwG 2 WD 74.79 -), wenn er NS Gesten und Äußerungen verwendet, in dem er z. B. "Sieg Heil" ruft (Urteil vom 25. Januar 2000 BVerwG 2 WD 43.99 BVerwGE 111, 45 – = Buchholz 236. 1 § 7 SG Nr. 34 = NZWehrr 2000, 255) oder in der Öffentlichkeit den "Hitler Gruß" ausführt (Urteil vom 25. Januar 2000 a. a. O. und Beschluss vom 29. August 2002 BVerwG 2 WDB 6.02 -), wenn er die Massenmorde an Menschen jüdischen Glaubens während des NS Regimes ernsthaft in Zweifel zieht und den Angriff des Deutschen Reichs auf Polen leugnet (Urteil vom 20. Oktober 1999 BVerwG 2 WD 9.99 BVerwGE 111, 25 = Buchholz 236. 1 § 7 SG Nr. 32 = NZWehrr 2000, 126 m. w. N.), wenn er im Unterkunftsbereich vor der NS Hakenkreuzfahne oder anderen NS Symbolen posiert und sich fotografieren lässt (Urteil vom 12. Februar 2003 a. a. O.), im Dienst Ausdrücke verwendet, die auf Sympathien zum NS Regime und zur Waffen SS schließen lassen (Urteil vom 21. November 2000 BVerwG 2 WD 27.00 Buchholz 236. 1 § 17 SG Nr. 34 = NZWehrr 2001, 171), wenn er die Erschießung und Vergasung von in Deutschland lebenden "Nichtariern" und damit Gewalttaten im Sinne der NS Ideologie propagiert (Urteil vom 22. Januar 1997 BVerwG 2 WD 24.96 BVerwGE 113, 48, [51] = Buchholz 236. 1 § 7 SG Nr. 12 NZWehrr 1997, 161) oder wenn er einzelnen in Deutschland lebenden Bevölkerungsgruppen das Existenzrecht abspricht (Urteil vom 24. Januar 1984 BVerwG 2 WD 40.83 NZWehrr 1984, 167). Ruft ein Soldat durch sein dienstliches oder außerdienstliches Verhalten (z. B. durch die Verwendung menschenverachtender Formulierungen, vgl. Urteil vom 22. Januar 1997 a. a. O.) eine Erinnerung an die Verbrechen und Ideologien des NS Regimes wach oder gerät er sonst in den Verdacht, dass er das NS-Regime und dessen verbrecherische Ideologie und Politik rechtfertigt oder als Vorbild hinstellt, und hält er dies für unbegründet, ist er gehalten, glaubhaft diesem Eindruck aktiv entgegenzuwirken und unzweideutig darzutun, dass dieser Verdacht ungerechtfertigt ist (BVerfG, Urteil vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73BVerfGE 39, 334 [348] = NJW 1975, 1641). Nur dann erfüllt er seine Pflicht, durch sein gesamtes Verhalten für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes aktiv einzutreten.
[45] 55 Dem Soldaten hat jedoch vorliegend nicht nachgewiesen werden können, dass er mit seiner von Anschuldigungspunkt 1 erfassten (zweimal getätigten) Äußerung eine positive Einstellung oder Erinnerung an die Verbrechen und Ideologie des NS Regimes propagieren oder das NS-Regime und dessen verbrecherische Ideologie und Politik rechtfertigen oder als Vorbild hinstellen wollte. Er hat jedenfalls im Rahmen der nachfolgenden Vernehmungen und auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren unmissverständlich und glaubhaft dargetan, dass ihm der verbrecherische Charakter des NS-Regimes in vollem Umfang bewusst ist und dass er dieses Herrschaftssystem aus Überzeugung ablehnt. Das haben auch seine Kameraden, die vom Senat vernommenen Zeugen R., H., Ru., L., G., K., Ra. und M. sowie die Leumundszeugen H. und Ro. übereinstimmend und glaubhaft bestätigt. Der Senat hat keine Veranlassung, dies in Zweifel zu ziehen.
[46] 56 Anschuldigungspunkt 2: Äußerung am 20. April 2005 "So, dann müssen wir heute mal ein bisschen Geburtstag feiern"
[47] 57 (a) …
[48] 60 (b) Mit seinem zu Anschuldigungspunkt 2 festgestellten Äußerungsverhalten verletzte der Soldat seine soldatischen Pflichten nach § 10 Abs. 6 (dazu (aa)) und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG (dazu (bb)), dagegen verstieß er nicht gegen § 7 SG (dazu (cc)) und gegen § 8 SG (dazu (dd)).
[49] 61 (aa) Die am 20. April 2005 vom Soldaten gegenüber den "bei einem Bier" im Gemeinschaftsraum der Wohnebene … zusammensitzenden Kameraden getätigte sinngemäße Äußerung ("So, dann müssen wir heute mal ein bisschen Geburtstag feiern") enthielt nach ihrem Wortlaut die eindeutige und auch von ihm eingeräumte Anspielung auf den Jahrestag des Geburtstages (20. April 1889) von Adolf Hitler. In der Zeit des NS-Regimes war der "Führergeburtstag" ein "besonders begangener Tag". Jährlich war am 20. April, dem Geburtstag des "Führers und Reichskanzlers" Adolf Hitler, staatlicherseits Beflaggung ("Beflaggungstag") angeordnet (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 4 der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Reichsflaggengesetzes vom 28. August 1937, RGBl I S. 917). An diesem Tag wurden jährlich Parteifeiern und Gedenkstunden im ganzen Reichsgebiet und in den annektierten Gebieten abgehalten. Bei diesen waren neben Reden über die Bedeutung des "Führers" und seine Rolle in der Geschichte auch antisemitische Hetzreden an der Tagesordnung. Üblich war auch das Singen von nationalsozialistischen Liedern, so genannten "Liedern der Bewegung", und der "Lieder der Nation" (Deutschlandlied als offizielle und Horst-Wessel-Lied als inoffizielle Nationalhymne). Der 20. April 1939, Hitlers 50. Geburtstag, war darüber hinaus ein staatlich verordneter Feiertag (vgl. Verordnung vom 17. April 1939, RGbl I S. 763, 764) mit besonders ausgedehnten Feierlichkeiten (vgl. dazu auch Roland Kopp, Die Wehrmacht feiert. Kommandeurs-Reden zu Hitlers 50. Geburtstag am 20. April 1939, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 62 (2003) S. 471 ff.). Auch nach dem Ende des NS-Regimes wurde und wird in neonazistischen Kreisen der "Führer-Geburtstag" gefeiert. In der Bundeswehr kam es seit den 60er Jahren wiederholt zu solchen Vorfällen, in denen Soldaten am 20. April den Jahrestag des Geburtstages von Adolf Hitler zum Anlass von "Feiern" und Trinkgelagen nahmen, worüber auch in den Berichten des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages berichtet wurde (vgl. u. a. Jahresbericht 2004, BT-Drucks 15/5000 S. 40, 47). Diese Vorgeschichte war dem Soldaten zur Tatzeit bekannt. In der Berufungshauptverhandlung hat er auch ausdrücklich auf solche "Feiern" in der Bundeswehr, die sich vor allem in den 60er und 70er Jahren ereignet hätten, Bezug genommen, und erklärt, daran habe er mit seiner Äußerung scherzhaft anknüpfen wollen, wie er es zuvor schon am selben Tag gegenüber seinem damaligen Vorgesetzten Kapitänleutnant M. getan habe. Allerdings sei es ihm nur um einen Kalauer oder Scherz gegangen. Er habe keinesfalls vorgehabt, mit seinen Kameraden tatsächlich an jenem 20. April 2005 "Führers Geburtstag" zu feiern. Dass seine Kameraden seine Äußerung mit Lachen quittiert hätten, habe gezeigt, dass diese Botschaft auch angekommen sei.
[50] 62 Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen war die vom Soldaten gewählte Formulierung nach ihrem Wortlaut und angesichts der vom Soldaten auch intendierten und von den Adressaten auch so verstandenen historischen Anknüpfung nach ihrem Sinn und Gehalt objektiv durchaus geeignet, den Eindruck zu erwecken, er wolle seine Kameraden zum "Feiern" des Jahrestages von Hitlers Geburtstag animieren oder gar auffordern. Es kann dem Soldaten zwar nicht nachgewiesen werden, dass er wirklich das meinte und wollte, was er objektiv verbal zum Ausdruck brachte. Für einen unbefangenen verständigen Dritten war aber auch nicht sicher, dass der Soldat seine Äußerung keinesfalls ernst meinte und dass er "nur" einen geschmacklosen Scherz machen wollte, um zu provozieren oder jedenfalls Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Denn der Soldat knüpfte mit seiner Äußerung, wie er in der Berufungshauptverhandlung selbst dargelegt hat, gerade daran an, dass es in der Bundeswehr über Jahre hinweg tatsächlich immer wieder zu solchen "Feiern" am 20. April gekommen war. Dabei war ihm durchaus bewusst, dass dies im In- und Ausland zu heftigen Irritationen über den Zustand der Bundeswehr geführt hatte. Ein solches Äußerungsverhalten des Soldaten ist mit der sich aus § 10 Abs. 6 SG ergebenden Pflicht nicht vereinbar, als Offizier bei Äußerungen Zurückhaltung zu üben. Seine Äußerung war jedenfalls weder sachlich noch besonnen. Angesichts ihrer Brisanz war sie auch geeignet, durch andere Soldaten oder über die Öffentlichkeit Untergebenen bekannt zu werden. Abgesehen davon war mit dem Oberfähnrich K. zumindest ein Soldat mit einem niedrigeren Dienstgrad als demjenigen des Soldaten und damit ein Untergebener anwesend.
[51] 63 Da der Soldat wusste, was er sagte und dies auch wollte, handelte er vorsätzlich.
[52] 64 (bb) Das von Anschuldigungspunkt 2 erfasste Verhalten des Soldaten innerhalb dienstlicher Unterkünfte war auch mit seiner Pflicht zur Achtungs- und Vertrauenswahrung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) nicht vereinbar. Wenn ein Soldat, der als Leutnant jedenfalls kraft Dienstgrades (§ 4 VorgV) eine Vorgesetztenstellung innehat und deshalb nach § 10 Abs. 1 SG verschärfter Haftung unterliegt, objektiv den Eindruck erweckt, er wolle seine in "gemütlicher Runde" bereits Alkohol konsumierenden Kameraden zu einer Feier des Jahrestages des Geburtstages von Adolf Hitler animieren, erschüttert er angesichts der unzähligen von dem zu feiernden "Jubilar" verübten und zu verantwortenden Kriegs- und anderen Massenverbrechen das Vertrauen in seine eigene persönliche Integrität und seine charakterliche Eignung. Jedenfalls war sein Äußerungsverhalten objektiv geeignet, diese Folgen auszulösen. Dies ist für jeden Soldaten der Bundeswehr, der den Diensteid geleistet und sich damit ausdrücklich dazu verpflichtet hat, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so evident, dass er dazu keiner ausdrücklichen Belehrung bedurfte. Da der Soldat wusste, was er sagte und dies auch wollte, handelte er vorsätzlich.
[53] 65 (cc) Das Verhalten des Soldaten verletzte dagegen nicht seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Insbesondere stellte es keine Straftat nach § 130 Abs. 4 StGB dar. Eine Tatbestandsverwirklichung scheidet hier schon deshalb aus, weil die Äußerung im Gemeinschaftsraum der Wohnebene … der dienstlichen Unterkunft des Soldaten und damit aus den oben in anderem Zusammenhang dargelegten Gründen weder öffentlich noch in einer Versammlung erfolgte. Außerdem bewirkte die Äußerung keine vollendete Störung des öffentlichen Friedens.
[54] 66 (dd) Mit seinem Äußerungsverhalten verletzte der Soldat auch nicht seine in § 8 SG normierte Pflicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten. Wie bereits seine von Anschuldigungspunkt 1 erfasste (zweimal erfolgte) Äußerung zeigt, neigte der Soldat jedenfalls damals offenkundig dazu, in seinen von ihm sehr geschätzten provokanten "Sprüchen" auf Vorgänge im NS-Regime Bezug zu nehmen und dabei etwa durch Bagatellisierung von Massenverbrechen und durch Verhöhnung von Opfern auch die Grenzen des Erträglichen weit zu überschreiten. Das war in Ansätzen auch bei seiner von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Äußerung der Fall, mit der er andeutete, es liege nahe und er rege an, den Jahrestag des Geburtstages von Adolf Hitler mit seinen Kameraden zu feiern. Eine solche Rede- und Ausdruckspraxis, die er nach seinen Angaben heute offenbar selbst bedauert, ist zwar objektiv geeignet, den Eindruck zu erwecken, bei dem so sich Äußernden handele es sich um einen Soldaten, der ein unkritisches oder gar positiv affirmatives Verhältnis zum verbrecherischen NS-Regime hat und dieses verharmlosen oder gar für dieses Propaganda machen will. Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen war und ist diese Schlussfolgerung jedoch im Ergebnis nicht gerechtfertigt. Vielmehr handelte es sich bei diesen NS-bezogenen Äußerungen des Soldaten um – angesichts seines guten Bildungsstandes überraschend – sehr unqualifizierte und von ihm letztlich nicht hinreichend bedachte Redeweisen, mit denen der Soldat auffallen wollte. Offenbar brauchte und genoss er die auf diese Art gewonnene Aufmerksamkeit seiner Zuhörer und Kommunikationspartner. Möglicherweise handelte es sich auch um Kompensationshandlungen für bei sich selbst wahrgenommene Defizite und/oder um missglückte Bemühungen, sein Selbstwertgefühl zu stärken oder sich zu bestätigen.
[55] 67 Anschuldigungspunkt 3: Äußerung über angebliche Fesselung und Misshandlung einer drogenabhängigen Frau und anschließende entwürdigende Behandlung
[56] 68 (a) …
[57] 70 (b) Mit seinem festgestellten, von Anschuldigungspunkt 3 erfassten Verhalten verletzte der Soldat seine dienstlichen Pflichten nach § 10 Abs. 6 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG. Insoweit wird auf die nachfolgenden Gründe zu der gleichartigen, von Anschuldigungspunkt 4 erfassten Äußerung verwiesen.
[58] 71 Anschuldigungspunkt 4: Äußerung über sexuelles Verhalten gegenüber Frauen
[59] 72 (a) …
[60] 74 (b) Mit seinem festgestellten, von Anschuldigungspunkt 4 erfassten Verhalten verletzte der Soldat – ebenso wie mit seiner von Anschuldigungspunkt 3 erfassten gleichartigen Äußerung – seine dienstlichen Pflichten nach § 10 Abs. 6 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG.
[61] 75 Nach ihrem Sinn und Gehalt waren beide Äußerungen des Soldaten, wie er auch selbst in der Berufungshauptverhandlung der Sache nach eingeräumt hat, sexistisch. Der Soldat schwadronierte nicht nur bei den "Erlebnisberichten" einiger seiner Kameraden aus dem Rotlicht-Milieu der Hamburger Reeperbahn mit. Insbesondere fällt darüber hinausgehend ins Gewicht, dass er im Verlaufe seiner Äußerungen nach dem Wortlaut der von ihm gewählten Formulierungen auch für einen bestimmten, letztlich menschenverachtenden Umgang mit einer nicht näher bezeichneten Frau plädierte, die drogenabhängig sei. Er würde sie, so der Soldat, über Wochen im Keller des Unterkunftsblocks bei Wasser und Brot an den Heizungsrohren fesseln, so dass sie dann nach dieser "Entziehungskur" den Nutzern der Wohnebene im Hinblick auf Putzdienste und sexuelle "Gefälligkeiten" gefügig sei. Auf den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit, die gemäß Art. 5 Abs. 2 GG u. a. durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der Ehre begrenzt wird, kann er sich dabei nicht berufen, jedenfalls nicht auf dessen Vorrang gegenüber dem Anspruch auf Achtung der Würde seiner Zuhörer, die er mit seiner in Rede stehenden Äußerung konfrontierte. Seine Äußerungen waren ersichtlich kein Beitrag zur öffentlichen Meinungs- und Willensbildung in einem demokratischen Gemeinwesen. Nicht jede Entäußerung eines Menschen, auch wenn sie in verbaler Form erfolgt, stellt eine Meinungsäußerung dar. Der Soldat macht selbst nicht geltend, mit dieser sexistischen Äußerung eine persönliche Meinung zu einem bestimmten Umgang mit einer konkreten Frau oder mehreren Frauen getätigt zu haben. Es handelte sich mithin um eine verbale Entgleisung, die allerdings ungeachtet dessen objektive Wirkungen auslöste, die sich der Soldat zurechnen lassen muss. Die Äußerung überschritt nicht nur die Grenzen des "guten Geschmacks". Vielmehr lässt sie jede Achtung vor der Würde seiner Zuhörer sowie der Würde und dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht der von ihm nicht näher bezeichneten Frau vermissen. Auch bei der von Anschuldigungspunkt 4 erfassten Äußerung wurden seine Zuhörer von ihm mit verbalisierten sexuellen Gewaltfantasien konfrontiert, deren Realisierung und praktische Umsetzung er nach dem objektiven Erklärungsgehalt seiner Formulierungen propagierte oder jedenfalls als wünschenswert darstellte. Die von ihm gewählten Formulierungen und sexistischen Bilder brachten eine frauen- und letztlich auch menschenfeindliche Vorstellungswelt zum Ausdruck, die von Fantasien der Macht über Frauen geprägt ist und die die Androhung und Anwendung von Gewalt gegen Frauen als legitim herausstellt und einer entsprechenden Verrohung Vorschub leistet. Auch wenn ihn seine Zuhörer mit seinen, wie es sein Verteidiger formulierte, "Schweine-Igeleien" möglicherweise nicht recht ernst nahmen, zeichnete und propagierte er mit diesen Selbstoffenbarungen ein Bild von sich und seiner Vorstellungswelt, das im Sinne des § 10 Abs. 6 SG geeignet war, seine charakterliche Reife und Eignung als Vorgesetzter in Frage zu stellen. Der Umstand, dass das Gespräch mit seinen Kameraden, wie die dazu vernommenen Zeugen R., Ra. und G. übereinstimmend bestätigt haben, im Gefolge seiner in Rede stehenden sexistischen Äußerungen gleichsam erstarrte und abrupt zu Ende kam, macht deutlich, welche Reaktionen er mit seinen verbalisierten Gewaltfantasien bei ihnen ausgelöst hatte. Sie wollten damit ungeachtet ihres vom Soldaten angeführten Johlens und Grinsens nichts zu tun haben und brachten dies durch ihr letztlich distanzierendes Verhalten auch zum Ausdruck. Offenkundig hatte der Soldat ihnen seine sexistischen Gewaltfantasien ungefragt gleichsam aufgedrängt und dadurch eine für sie eher peinliche Situation hervorgerufen, mit der sie nichts zu tun haben wollten. Die in Rede stehenden Äußerungen des Soldaten waren mithin ersichtlich weder sachlich noch besonnen und deshalb mit dem Gebot zur Zurückhaltung nach § 10 Abs. 6 SG schlechthin nicht vereinbar. Mit dem Zeugen K., der damals den Dienstgrad eines Oberfähnrichs hatte, war auch zumindest ein Untergebener bei der Äußerung zugegen, so dass § 10 Abs. 6 SG verletzt worden ist.
[62] 76 Das in dem dienstlichen Unterkunftsgebäude erfolgte Äußerungsverhalten des Soldaten verletzte auch in beiden Fällen (Anschuldigungspunkte 3 und 4) seine Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Er vermittelte für den maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont seinen Zuhörern den Eindruck, dass er gedanklich mit solchen sexuellen Gewaltfantasien spiele und propagiere, möglicherweise sogar erwäge, sie auszuleben. Dies war objektiv geeignet, das Vertrauen von Kameraden in seine charakterliche Reife und seine Eignung als Offizier der Bundeswehr gravierend in Frage zu stellen.
[63] 77 Da der Soldat wusste, was er sagte und dies auch wollte, handelte er vorsätzlich.
[64] 78 Anschuldigungspunkt 5: Äußerung über "hochmotivierte SA"
[65] 79 (a) …
[66] 83 (b) Das festgestellte Verhalten des Soldaten verstieß nicht gegen seine soldatischen Pflichten. Der Soldat war deshalb von dem in Anschuldigungspunkt 5 erhobenen Vorwurf freizustellen.
[67] 84 Seine Äußerung verletzte weder seine Pflicht zur Zurückhaltung (§ 10 Abs. 6 SG) noch das Achtungs- und Vertrauenswahrungsgebot im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) noch eine andere Dienstpflicht.
[68] 85 Es handelte sich vielmehr um einen pointierten Diskussionsbeitrag im Rahmen einer dienstlichen Veranstaltung über die Motivation/Motivierung von Mitarbeitern. Ein solcher Diskussionsbeitrag ist jedenfalls von der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckt, die gerade auch Studenten im Rahmen von akademischen Lehrveranstaltungen zusteht. Damit kann offen bleiben, ob darüber hinaus auch das Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 GG) in einer wissenschaftlichen Lehrveranstaltung erfolgende kritische Stellungnahmen von Studenten zu Äußerungen des Hochschullehrers oder von Mitstudenten schützt.
[69] 86 – § 10 Abs. 6 SG und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verdrängen diese grundrechtliche Gewährleistung nicht. Ein an einer Bundeswehr-Universität studierender Soldat, der in einer akademischen Lehrveranstaltung in der erfolgten Weise von seinem Meinungsäußerungsrecht Gebrauch macht, ohne die in Art. 5 Abs. 2 GG normierten Grenzen der allgemeinen Gesetze (vgl. dazu u. a. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/51BVerfGE 7, 198 [209 f.]; Clemens, in: Umbach/Clemens, GG, 2002, Bd. I, Art. 5 Rn. 125 ff. m. w. N.), des Rechts der Ehre und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend zu überschreiten, handelt im Sinne des § 10 Abs. 6 SG weder unbesonnen, noch unsachlich noch untolerant. Er missachtet damit auch nicht die Rechte anderer. Die Inanspruchnahme eines Grundrechtes ist auch nicht geeignet, einen Verstoß gegen die Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) zu begründen.
[70] 87 Anschuldigungspunkt 6: Vorwurf des Verwendens des Hitlergrußes
[71] 88 Der Senat hat – ebenso wie die Truppendienstkammer – nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen können, dass der Soldat, wie ihm vorgeworfen wird, zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Zeitraum von September 2004 bis Mai 2005 im Bereich der Bundeswehr-Universität … einem Kameraden gegenüber wortlos den ausgestreckten rechten Arm zum sogenannten Hitlergruß erhoben hat. …
[72] 91 Ob der Soldat, wie der Zeuge K. bei seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft am 6. Juli 2007 und damit übereinstimmend auch in der Berufungshauptverhandlung bekundet hat, gegenüber Kameraden eine andere Grußform mit seinem rechten Arm ausgeführt oder präsentiert hat ("nicht mit ausgestrecktem Arm, sondern eher den Ellenbogen nach unten und die rechte Hand senkrecht nach oben gehoben" – sog. schlampiger Hitlergruß), bedarf im vorliegenden Verfahren keiner näheren Feststellung. Denn dem Soldaten ist das Grüßen mit einem nicht ausgestreckten Arm in der Anschuldigungsschrift nicht vorgeworfen worden. Der in der Anschuldigungsschrift erhobene Vorwurf geht allein dahin, der Soldat habe gegenüber Kameraden wortlos "den ausgestreckten rechten Arm zum so genannten Hitlergruß" gehoben. Zum Gegenstand der Urteilsfindung können nach § 107 Abs. 1 WDO nur solche Pflichtverletzungen gemacht werden, die in der Anschuldigungsschrift und ihren Nachträgen dem Soldaten als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind.
[73] 92 Der Soldat ist damit schon aus tatsächlichen Gründen von dem in Anschuldigungspunkt 6 gegen ihn erhobenen Vorwurf in vollem Umfang freizustellen.
[74] 93 Anschuldigungspunkt 7: Äußerung über Folter-Vernehmungsmethoden (Messer in Eis einfrieren und dem Opfer anal einführen)
[75] 94 (a) …
[76] 98 (b) Das festgestellte Verhalten des Soldaten verstieß nicht gegen seine soldatischen Pflichten. Dabei ist davon auszugehen, dass dem Soldaten nicht widerlegt werden konnte, dass seine Äußerung unter Kameraden in einem Diskussionszusammenhang über Hintergründe und Erscheinungsformen von Folter sowie über gängige Rechtfertigungsversuche fiel. Der Soldat machte dabei von seiner Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) Gebrauch, ohne die in Art. 5 Abs. 2 GG normierten Grenzen der allgemeinen Gesetze, des Rechts der Ehre und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend zu überschreiten. Es gibt keine Strafrechtsnorm, die es verbietet, in Gesprächen mit erwachsenen Kommunikationspartnern über grausame Folterpraktiken zu sprechen. Dass der Soldat die Anwendung von Folter befürwortet oder gar propagiert hätte, hat der Senat nicht feststellen können. Auch die in § 10 Abs. 6 SG normierte Pflicht von Vorgesetzten, bei Äußerungen gegenüber Untergebenen Zurückhaltung zu üben, verbietet nicht, über grausame Folterpraktiken Meinungen zu äußern und auszutauschen. Denn auch für Soldaten gilt, dass bei Beiträgen zur geistigen Auseinandersetzung in einer Soldaten oder die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage regelmäßig eine Vermutung zugunsten der Meinungsfreiheit spricht. Die Grenze des rechtlich Zulässigen wird für Soldaten als Vorgesetzte nach § 10 Abs. 6 SG erst dann überschritten, wenn die Art und Weise der verbalen Auseinandersetzung über solche Folterpraktiken die Rechte anderer missachtet (z. B. durch Verletzung der Ehrschutzbestimmungen) oder nicht mehr als besonnen und tolerant qualifiziert werden kann. Dafür fehlt es hier an hinreichenden Anhaltspunkten. Im vorliegenden Zusammenhang kommt hinzu, dass die Diskussion über Folterpraktiken, an der der Soldat beteiligt war, in dem unmittelbaren Wohnbereich der Beteiligten stattfand. Die Pflicht zur Zurückhaltung im Sinne des § 10 Abs. 6 SG geht dort weniger weit als bei Äußerungen von Vorgesetzten außerhalb dieses relativ abgeschirmten Bereichs. Denn das private Gespräch zwischen Studenten, auch wenn es sich gleichzeitig um Soldaten handelt, muss grundsätzlich frei von tabuisierenden Beschränkungen sein, sofern im Übrigen die Strafgesetze und die Rechte anderer nicht verletzt und die Mindestgebote der Toleranz eingehalten werden. Anderenfalls wird eine freie und unbefangene Kommunikation im Wohnbereich und dessen unmittelbaren Umfeld gefährdet, wenn nicht verhindert. Ein Student, auch wenn er gleichzeitig Soldat in einer Vorgesetztenstellung ist, hat in einer demokratischen Gesellschaft das Recht, sich im Wohnbereich und dessen unmittelbaren Umfeld auch "ungeschützt" zu äußern. Das gehört zu den notwendigen Bedingungen der Herausbildung und Entfaltung einer freien Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG).
[77] 99 In der festgestellten Äußerung des Soldaten, mit der er von seiner Meinungsäußerungsfreiheit Gebrauch machte, liegt auch kein Verstoß gegen seine Pflicht zur Achtungs- und Vertrauenswahrung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Denn es ist nicht ersichtlich, wie der Soldat durch das Ansprechen einer besonders grausamen Folterpraktik im vorliegenden Kommunikationszusammenhang das Ansehen der Bundeswehr hätte beeinträchtigen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 SG) oder im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG Zweifel an seiner Zuverlässigkeit wecken oder seine dienstliche Verwendung in Frage stellen können. § 17 Abs. 2 Satz 1 SG normiert keine Tabuisierung solcher Gesprächsthemen.
[78] 100 Der Soldat war deshalb von dem in Anschuldigungspunkt 7 erhobenen Vorwurf freizustellen.
[79] 101 b) Bemessung der Disziplinarmaßnahme
[80] 102 Das von den Anschuldigungspunkten 1, 2, 3 und 4 erfasste und vom Senat festgestellte Fehlverhalten stellt ein vorsätzlich begangenes Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 i. V. m. § 10 Abs. 6 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG dar, wobei der frühere Soldat als Vorgesetzter gemäß § 10 Abs. 1 SG einer verschärften Verantwortlichkeit unterliegt. Es war mit der Verhängung eines Beförderungsverbots von dreißig Monaten zu ahnden. Dieser gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 60 Abs. 2 WDO zulässige Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme ist angemessen und geboten. Das Urteil der Truppendienstkammer war insoweit im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme zugunsten des Soldaten zu ändern.
[81] 103 Bei der Maßnahmebemessung ist von der von Verfassungs wegen (Art. 20 Abs. 1, Art. 103 Abs. 3 GG) allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu Urteil vom 5. August 2008 BVerwG 2 WD 14.07 m. w. N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
[82] 104 (a) Das Dienstvergehen des Soldaten hat erhebliches Gewicht. Die "Eigenart und Schwere" eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, mithin also nach der Bedeutung der verletzten Pflichten.
[83] 105 Der Schwerpunkt des Dienstvergehens des Soldaten liegt bei der von Anschuldigungspunkt 1 erfassten vorsätzlichen Pflichtverletzung. Seine zweimal erfolgte Äußerung über die millionenfachen Opfer ("zufriedene Kunden") des Einsatzes des Giftgases Zyklon B in den NS-Vernichtungslagern erfüllte den objektiven Tatbestand einer Straftat (§ 189 StGB) und warf ein verheerendes Licht auf das Selbstverständnis, die charakterliche Reife und das Verantwortungsbewusstsein des Soldaten, dem die Massenverbrechen des NS-Regimes aufgrund seiner guten Allgemeinbildung und seines geschichtlichen Interesses hinreichend bekannt sind und die er auch nicht in Zweifel zieht. Von erheblichem Gewicht ist auch das von Anschuldigungspunkt 2 ("Führergeburtstag") erfasste Äußerungsverhalten, mit dem der Soldat erneut für einen objektiven Empfängerhorizont den Eindruck einer spezifischen positiven Nähe zum NS-Regime hervorrief, auch wenn er offenkundig damit "nur" einen "Scherz" machen wollte, um sich vor seinen Kameraden in Szene zu setzen. Das von den Anschuldigungspunkten 3 und 4 erfasste weitere Äußerungsverhalten war zwar nicht in dieser Weise auf das NS-Regime bezogen. Es war aber von verbalen sexistischen Gewaltfantasien gegenüber Frauen geprägt und begründete so ebenfalls erhebliche Zweifel an der charakterlichen Reife und am Verantwortungsbewusstsein des Soldaten. Insgesamt stellte der Soldat mit seinem festgestellten Äußerungsverhalten seine Eignung als Offizier der Bundeswehr gravierend in Frage. Denn bei den Dienstpflichten nach § 10 Abs. 6 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG geht es nicht um bloße Nebenpflichten. Sie haben wegen ihres funktionellen Bezugs zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs erhebliche Bedeutung. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der geordnete Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist (u. a. Urteile vom 16. Dezember 2004 BVerwG 2 WD 15.04 und vom 24. April 2007 BVerwG 2 WD 9.06 § 10 SG Nr. 57]).
[84] 106 Zu Lasten des Soldaten fällt im Hinblick auf die Eigenart seines Dienstvergehens ferner ins Gewicht, dass er sich nicht nur einmal pflichtwidrig verhielt. Seine skandalöse Äußerung über die Opfer des Einsatzes des Giftgases Zyklon B konnte ihm zumindest in zwei Fällen nachgewiesen werden. Hinzu kommen noch die beiden sexistischen Äußerungen bei unterschiedlichen Gelegenheiten. Von einem einmaligen "Ausrutscher" kann deshalb insgesamt nicht die Rede sein.
[85] 107 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die schuldhaften Pflichtverletzungen in Gestalt der jeweils gegen § 10 Abs. 6 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßenden Äußerungen des Soldaten nicht während des Dienstes und auch nicht in der Öffentlichkeit erfolgten. Vielmehr fielen sie in Gegenwart von Kameraden bei geselligen außerdienstlichen Treffen oder Zusammenkünften im Gemeinschaftsraum des dienstlichen Unterkunftsgebäudes. Insofern hatten sie aber auch keinen rein außerdienstlichen oder – wie der Soldat meint – gleichsam privaten Charakter. Bundeswehrangehörige waren zugegen und mussten erleben, wie der Soldat im Dienstrang eines Leutnants durch sein Verhalten Zweifel daran begründete, dass er charakterlich zum Offizier der Bundeswehr geeignet ist. In einem Fall war zudem mit der Zeugin P. eine Frau betroffen, die nicht der Bundeswehr angehörte und dadurch einen verheerenden Eindruck von der Situation in der Bundeswehr erhielt.
[86] 108 (b) Negative Auswirkungen des Dienstvergehens des Soldaten auf den Dienstbetrieb hat der Senat nicht feststellen können. Allerdings sind die aus den Vorfällen resultierenden Vorwürfe gegen den Soldaten zumindest teilweise in der Öffentlichkeit bekannt geworden und waren Gegenstand der öffentlichen Berichterstattung in den Medien. Dadurch fiel ein schlechtes Licht auf die Zustände an der Bundeswehr-Universität … Das muss sich der Soldat zurechnen lassen.
[87] 109 (c) Die bei der Maßnahmebemessung zu berücksichtigende Schuld des Soldaten ist vor allem durch die vorsätzliche Begehungsweise der von den Anschuldigungspunkten 1 bis 4 erfassten Pflichtverletzungen gekennzeichnet. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass seine Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB vermindert war, sind nicht vorhanden und werden auch nicht geltend gemacht.
[88] 110 Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern würden, liegen nicht vor. …
[89] 112 (d) Die konkreten Beweggründe für sein Fehlverhalten hat der Soldat nicht offengelegt. Für ihn sind seine Pflichtverletzungen ausweislich seiner Angaben in der Berufungshauptverhandlung unerklärlich. Aus den Bekundungen der vernommenen Zeugen ist jedoch für den Senat erkennbar geworden, dass der Soldat trotz seines guten Bildungsstandes, seiner beruflichen Erfolge und seiner fachlichen Wertschätzung, die ihm insbesondere auch durch Vorgesetzte attestiert wurde, Selbstwertprobleme sowie aufgrund seiner Erziehung und Sozialisation auch Probleme im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht hat (te), die er offenbar durch besonders schneidiges und forsches Auftreten sowie durch provokante Äußerungen, mit denen er meinte, Aufmerksamkeit erregen und sich ins Gespräch bringen zu können, zu kompensieren versucht hat.
[90] 113 (e) Die dienstlichen Leistungen des Soldaten wurden in den vorliegenden Beurteilungen ansprechend bewertet. …
[91] 118 Der Senat hat keine Veranlassung, diese insgesamt positiven Beurteilungen des Persönlichkeit und der dienstlichen Leistungen des Soldaten durch seine Vorgesetzten und die Leumundszeugen in Zweifel zu ziehen.
[92] 119 f) Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände des Fehlverhaltens des Soldaten war – auch aus generalpräventiven Erwägungen – eine disziplinargerichtliche Maßnahme als notwendige und angemessene Ahndung des Dienstvergehens unumgänglich.
[93] 120 Das Gewicht der schuldhaften Pflichtverletzungen, insbesondere das von Anschuldigungspunkt 1 erfasste Verhalten hinsichtlich der millionenfachen Opfer ("über 6 Millionen zufriedene Kunden") des Einsatzes des Giftgases Zyklon B in den NS-Vernichtungslagern, erfordert eine deutliche Pflichtenmahnung, da der Soldat damit seine charakterliche Eignung zum Offizier der Bundeswehr gravierend in Frage gestellt hatte. Offenbar war der Soldat sowohl zum Tatzeitpunkt als auch in der Folgezeit nicht willens oder nicht fähig, die Tragweite seiner Äußerungen und deren Auswirkungen auf seine dienstliche Verwendbarkeit zu erkennen. Noch lange Zeit danach versuchte er, seine skandalösen Formulierungen als "Joke", "flotten Spruch" oder "Scherz" zu bagatellisieren. Erst in seinem "letzten Wort" in der Berufungshauptverhandlung hat er eingeräumt, er habe sich bei seinen Äußerungen "gründlich vergriffen". Sie seien ihm heute "peinlich". "Für einige" schäme er sich "zutiefst". Zwischenzeitlich sei er allerdings "gereift" und "sehr gealtert, vor allem geistig".
[94] 121 Ein Offizier, der wie der Soldat durch mehrfache neonazistische Äußerungen der vorliegenden Art für einen objektiven Empfängerhorizont den Eindruck erweckt hat, er wolle Massenverbrechen des NS-Regimes bagatellisieren und verharmlosen sowie dazu animieren, an "Führers Geburtstag" zu "feiern" und der zudem gegenüber anderen Soldaten in dienstlichen Unterkünften mehrfach auf Frauen bezogene eigene sexuelle Gewaltfantasien "zum Besten gibt" und propagiert, um sich hervorzutun und Aufmerksamkeit zu erregen, begründet – auch wenn er dies insgeheim offenbar nicht "ernst gemeint" hat – solche Zweifel an seiner charakterlichen Reife, dass seine Eignung als Offizier insgesamt in Frage steht. Um abzuklären, ob er willens und in der Lage ist, aus solchen schuldhaften Verletzungen seiner Dienstpflichten nach § 10 Abs. 6 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG die notwendigen Konsequenzen für sein künftiges Verhalten zu ziehen, bedarf es einer längeren Nachbewährungszeit. Während dieser Zeit erscheint es jedenfalls verfehlt, dem Soldaten im Wege einer Beförderung einen höheren Dienstgrad zu verleihen. Die Frage, ob im vorliegenden Fall darüber hinausgehende disziplinargerichtliche Konsequenzen geboten wären, stellt sich im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot nicht, da allein der Soldat Berufung eingelegt hat. Das mithin unverzichtbare und von der Truppendienstkammer zu Recht ausgesprochene längere Beförderungsverbot ist auch geboten, um seinem dienstlichen Umfeld aus generalpräventiven Gründen unmissverständlich deutlich zu machen, dass solche gewichtigen schuldhaften Pflichtverletzungen in der Bundeswehr keinesfalls hingenommen werden können und in jedem Falle erhebliche dienstliche Konsequenzen nach sich ziehen.
[95] 122 Andererseits war vorliegend zu berücksichtigen, dass sich die Vorfälle im Zeitraum von September 2004 bis Mai 2005 ereignet haben und dass bereits die langjährige Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens als solche für den Soldaten erhebliche Belastungen und Nachteile mit sich gebracht hat, auch wenn er durch sein schuldhaftes Fehlverhalten die Ursache für die notwendigen und aufgrund seiner Einlassungen und der Vielzahl der beteiligten Soldaten aufwändigen und umfangreichen Ermittlungen gesetzt hat, wobei zusätzlich weitere Verzögerungen im Gefolge des Verkehrsunfalls und der dadurch bewirkten Terminverschiebungen in Rechnung zu stellen sind. Zu Gunsten des Soldaten hat der Senat neben den attestierten sehr ansprechenden dienstlichen Leistungen und der Nachbewährung auch die in der Berufungshauptverhandlung erkennbar gewordene glaubhafte Einsicht in das Fehlverhalten gewürdigt, auch wenn der Soldat nach wie vor Schwierigkeiten hat zu verstehen, dass bei der rechtlichen Würdigung seines Verhaltens nicht allein auf seine subjektive Motivation, sondern entscheidend auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen ist.
[96] 123 Soweit der Soldat und sein Verteidiger beantragt haben, eine mildere Maßnahme als ein Beförderungsverbot auszusprechen und dazu auf das Urteil des Senats vom 28. August 2001 BVerwG 2 WD 27.01 (Buchholz 236. 1 § 10 SG Nr. 47) verwiesen haben, hat der Senat dem nicht zu folgen vermocht. Eine Gehaltskürzung erschien angesichts des Unrechtsgehalts und der Vielzahl der Verfehlungen sowie der langjährigen Uneinsichtigkeit des Soldaten keinesfalls angemessen und ausreichend. Vielmehr war deshalb gegen den Soldaten ein Beförderungsverbot im oberen in § 60 Abs. 2 Satz 1 WDO vorgesehenen Bereich ("höchstens vier Jahre") zu verhängen. Dessen Dauer hat der Senat jedoch aus den zuvor dargelegten Gründen auf insgesamt dreißig Monate herabgesetzt.