Bundesarbeitsgericht
Vergleichsentgelt – Neuberechnung – Wehrdienst des Sohnes
§ 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder benachteiligt alleinerziehende Angestellte, deren Söhne im für die Berechnung des Vergleichsentgelts maßgeblichen Monat Oktober 2006 der in Art. 12a GG verankerten Grundpflicht zur Ableistung von Wehr- oder Zivildienst nachgekommen sind, gegenüber alleinerziehenden Elternteilen von Töchtern sowie von Söhnen, die nicht wehrtauglich waren oder im Oktober 2006 tatsächlich nicht zum Wehr- bzw. Zivildienst herangezogen worden sind, gleichheitswidrig.

BAG, Urteil vom 22. 4. 2010 – 6 AZR 966/08 (lexetius.com/2010,2117)

[1] 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. August 2008 – 5 Sa 702/07 – aufgehoben.
[2] 2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten über die Neuberechnung des Vergleichsentgelts des alleinerziehenden Klägers nach Beendigung des Grundwehrdienstes seines Sohnes.
[4] Der Kläger ist als Angestellter für das beklagte Land tätig. Bis zum 31. Oktober 2006 fand auf das Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Zum 1. November 2006 leitete ihn das beklagte Land in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Oktober 2006 über. Der Kläger erzieht seinen am 5. Januar 1987 geborenen Sohn allein. Dieser leistete vom 1. April bis 31. Dezember 2006 seinen Grundwehrdienst ab. Bis zu dessen Beginn hatte der Kläger neben der Grundvergütung den Ortszuschlag der Stufe 3 von zuletzt 699,83 Euro brutto monatlich bezogen. Seit dem 1. April 2006 hatte der Kläger lediglich noch Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 1 von 502,36 Euro brutto monatlich. Insoweit stand er einem Ledigen gleich.
[5] § 29 BAT bestimmte ua.:
"B. Stufen des Ortszuschlages …
(2) Zur Stufe 2 gehören …
4. andere Angestellte, die eine andere Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben und ihr Unterhalt gewähren, weil sie gesetzlich oder sittlich dazu verpflichtet sind oder aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen. Dies gilt bei gesetzlicher oder sittlicher Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung nicht, wenn für den Unterhalt der aufgenommenen Person Mittel zur Verfügung stehen, die, bei einem Kind einschließlich des gewährten Kindergeldes und des kinderbezogenen Teils des Ortszuschlages, das Sechsfache des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages der Tarifklasse I c übersteigen. Als in die Wohnung aufgenommen gilt ein Kind auch dann, wenn der Angestellte es auf seine Kosten anderweitig untergebracht hat, ohne daß dadurch die häusliche Verbindung mit ihm aufgehoben werden soll. …
(3) Zur Stufe 3 und den folgenden Stufen gehören die Angestellten der Stufe 2, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 BKGG zustehen würde. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder. …"
[6] Das beklagte Land ordnete den Kläger bei seiner Überleitung in den TV-L tarifgerecht der Entgeltgruppe 9 zu. § 5 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006 bestimmt zur Berechnung des Vergleichsentgelts:
"(1) Für die Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TV-L wird für die Beschäftigten nach § 4 ein Vergleichsentgelt auf der Grundlage der Bezüge, die im Oktober 2006 zustehen, nach den Absätzen 2 bis 6 gebildet.
(2) Bei Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des BAT … setzt sich das Vergleichsentgelt aus Grundvergütung, allgemeiner Zulage und Ortszuschlag der Stufe 1 oder 2 zusammen. …"
[7] Das beklagte Land berechnete das Vergleichsentgelt gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder unter Einbeziehung des dem Kläger im Oktober 2006 gezahlten Ortszuschlags der Stufe 1 mit 2.695,61 Euro brutto. Mit diesem Entgelt ordnete es den Kläger einer individuellen Zwischenstufe zwischen der Stufe 3 und 4 der Entgeltgruppe 9 zu. Nach Beendigung seines Wehrdienstes absolvierte der Sohn des Klägers ein Berufspraktikum und nahm ab dem 1. April 2007 ein Studium auf. Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2007 wieder Kindergeld sowie die Besitzstandszulage für den kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Ortszuschlag nach § 11 TVÜ-Länder.
[8] § 11 TVÜ-Länder bestimmt:
"(1) Für im Oktober 2006 zu berücksichtigende Kinder werden die kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT … in der für Oktober 2006 zustehenden Höhe als Besitzbestandszulage fortgezahlt, solange für diese Kinder Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) oder nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ununterbrochen gezahlt wird oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 BKGG gezahlt würde. … Unterbrechungen der Kindergeldzahlung wegen Ableistung von Grundwehrdienst, Zivildienst oder Wehrübungen sowie die Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres sind unschädlich; soweit die unschädliche Unterbrechung bereits im Monat Oktober 2006 vorliegt, wird die Besitzstandszulage ab dem Zeitpunkt des Wiederauflebens der Kindergeldzahlung gewährt. …"
[9] Mit seiner am 6. Juni 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Neuberechnung des Vergleichsentgelts unter Einbeziehung des Ortszuschlags der Stufe 2 mit Wirkung ab 1. Januar 2007.
[10] Der Kläger hat vorgetragen, § 5 TVÜ-Länder benachteilige willkürlich Alleinerziehende, deren Kinder im Oktober 2006 Grundwehr- oder Zivildienst leisten mussten. Diese Verpflichtung sei ein gesellschaftspolitischer Umstand. Alleinstehende mit Töchtern oder mit Söhnen, die nicht zu derartigen Diensten herangezogen worden seien, erhielten den familienbezogenen Bestandteil des Ortszuschlags weiterhin. Alleinstehende, deren Söhne im Oktober 2006 Grundwehr- bzw. Zivildienst geleistet hätten, verlören diesen Entgeltbestandteil dagegen dauerhaft. Darin liege eine Benachteiligung wegen des Geschlechts seines Sohnes.
[11] Der Kläger hat zuletzt beantragt festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, das Vergleichsentgelt mit Wirkung ab 1. Januar 2007 unter Einbeziehung des Ortszuschlags der Stufe 2 neu zu berechnen und die sich daraus ergebende tarifvertragliche Entgeltdifferenz an den Kläger zu bezahlen.
[12] Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass § 5 TVÜ-Länder eine wirksame Stichtagsregelung enthalte. Da der Kläger zu dem von den Tarifvertragsparteien gewählten Stichtag kein Kindergeld bezogen habe, habe zu diesem Stichtag auch nur der Ortszuschlag der Stufe 1 berücksichtigt werden können.
[13] Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des beklagten Landes abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
[14] Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet. § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder benachteiligt alleinerziehende Angestellte, deren Söhne im für die Berechnung des Vergleichsentgelts maßgeblichen Monat Oktober 2006 der Grundpflicht zur Ableistung von Wehr- oder Zivildienst nachgekommen sind, gegenüber alleinerziehenden Elternteilen von Töchtern sowie von Söhnen, die nicht wehrtauglich waren oder im Oktober 2006 tatsächlich nicht zum Wehrdienst bzw. Zivildienst herangezogen worden sind. Diese Benachteiligung ist sachlich nicht zu rechtfertigen und verletzt deshalb Art. 3 Abs. 1 GG. Das Vergleichsentgelt des Klägers muss für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 neu berechnet werden, wenn im Oktober 2006 ohne den Grundwehrdienst seines Sohnes noch die tariflichen Voraussetzungen für den Ortszuschlag der Stufe 2 erfüllt gewesen wären. Auf der Grundlage des bislang festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht selbst entscheiden, ob dies der Fall war. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
[15] A. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht auch über den 1. November 2008 hinaus fort.
[16] Die in den TV-L übergeleiteten Angestellten sind im Zeitpunkt der Überleitung einer ihrem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Zwischenstufe der Entgeltgruppe zugeordnet worden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder). Zum 1. November 2008 sind sie in die betragsmäßig nächsthöhere reguläre Stufe ihrer Entgeltgruppe aufgestiegen (§ 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Länder). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass dieser Normalfall beim Kläger nicht eingetreten ist. Der mit einem Vergleichsentgelt von 2.695,91 Euro zwischen der Stufe 3 und 4 der Entgeltgruppe 9 eingeordnete Kläger ist demnach zum 1. November 2008 in die reguläre Stufe 4 aufgestiegen. Wäre das Vergleichsentgelt entsprechend dem Begehren des Klägers zum 1. Januar 2007 unter Einbeziehung des Ortszuschlags der Stufe 2 neu berechnet worden, hätte es 2.802,81 Euro betragen. Der Kläger wäre dann in der Entgeltgruppe 9 einer Stufe zwischen 4 und 5 zugeordnet worden und zum 1. November 2008 in die Stufe 5 dieser Entgeltgruppe aufgestiegen. Der Kläger erzielt bei Obsiegen mit seinem Begehren also über den 1. November 2008 hinaus einen Entgeltvorteil.
[17] B. Das Vergleichsentgelt des Klägers ist nach § 5 TVÜ-Länder tarifgerecht unter Einbeziehung lediglich des Ortszuschlags der Stufe 1 berechnet worden. Der Kläger hatte während der Ableistung des Grundwehrdienstes seines Sohnes keinen Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2 gem. § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT mehr (vgl. Senat 18. März 2004 – 6 AZR 679/02AP BAT-O § 29 Nr. 1 = EzBAT BAT § 29 Nr. 35). Ob nach Beendigung des Wehrdienstes des Sohnes des Klägers die Anspruchsvoraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT wieder erfüllt gewesen wären, ist nach § 5 TVÜ-Länder ohne Belang. Die Stichtagsregelung dieser Bestimmung knüpft ausschließlich an die Verhältnisse zum Überleitungsstichtag. Spätere Änderungen im Familienstand oder in den übrigen Verhältnissen, die nach § 29 Abschn. B Abs. 2 BAT den Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2 (wieder) begründeten, führten nach der tariflichen Regelung nicht zu einer Neuberechnung des Vergleichsentgelts (vgl. Senat 17. Juli 2008 – 6 AZR 635/07 – Rn. 13, AP AVR Caritasverband Anlage 1 Nr. 4 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 13 für die insofern inhaltsgleiche Regelung in § 5 TVÜ-VKA).
[18] C. Der Kläger wurde durch die Berechnung des Vergleichsentgelts in § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder nicht wegen seines Geschlechts benachteiligt (§ 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG).
[19] I. Nur Vorschriften, die nicht gleichermaßen für Männer und Frauen gelten, entfalten unmittelbar diskriminierende Wirkung wegen des Geschlechts (EuGH 7. Dezember 2000 – C-79/99 – [Schnorbus] Rn. 33, Slg. 2000, I-10997). Weil § 5 TVÜ-Länder an das Geschlecht der in den TV-L übergeleiteten Arbeitnehmer keine nachteiligen Rechtsfolgen knüpfte, lag eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht vor. In der Entscheidung des EuGH vom 17. Juli 2008 (- C-303/06 – [Coleman] Slg. 2008, I-5603), auf die sich der Kläger beruft, hat der EuGH die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) allerdings dahin ausgelegt, dass eine unmittelbare Diskriminierung auch dann vorliegt, wenn eine Arbeitnehmerin zwar nicht selbst behindert ist, aber wegen der Behinderung ihres Kindes, das sie pflegt, benachteiligt wird. Diese Auslegung ist für die vom Kläger gerügte Diskriminierung wegen des Geschlechts bereits deshalb nicht maßgeblich, weil die RL 2000/78/EG eine solche Diskriminierung nicht erfasst. Das Verbot, im Arbeitsverhältnis wegen des Geschlechts zu diskriminieren, ist in der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2006/54/EG) geregelt. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der RL 2006/54/EG verbietet eine weniger günstige Behandlung "einer Person aufgrund ihres Geschlechts". Im Unterschied zu Art. 1 RL 2000/78/EG knüpft das Verbot einer unmittelbaren Diskriminierung also nicht abstrakt an bestimmte Merkmale an, sondern verlangt, dass dieses Merkmal konkret von der Person erfüllt wird, die die unmittelbare Diskriminierung rügt. Der EuGH hat aber die Einbeziehung drittbezogener Benachteiligungen in den Geltungsbereich der RL 2000/78/EG gerade damit begründet, dass diese nicht für eine bestimmte Kategorie von Personen, sondern in Bezug auf die in ihrem Art. 1 genannten Gründe gelte (EuGH 17. Juli 2008 – C-303/06 – [Coleman] Rn. 50, aaO; vgl. auch Schlachter RdA 2010, 104, 106 f.).
[20] II. Der Kläger hat auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts seines Sohnes nicht hinreichend dargelegt.
[21] 1. Das Diskriminierungsmerkmal "Geschlecht" bezieht sich grundsätzlich auf eine Ungleichbehandlung von Frauen einerseits und Männern andererseits. Der Kläger behauptet nicht, dass § 5 TVÜ-Länder alleinerziehende Männer wie ihn besonders benachteilige. Er macht geltend, diese Bestimmung benachteilige gleichermaßen alleinerziehende Väter und Mütter von Söhnen, die im Oktober 2006 Grundwehr- oder Zivildienst geleistet hätten. Nur dieser Personenkreis habe Nachteile beim Vergleichsentgelt erlitten, weil nur Männer der Wehrpflicht unterlägen. Es kann dahinstehen, ob eine solche mittelbar vermittelte Benachteiligung von § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG überhaupt erfasst wäre (zweifelnd Schlachter RdA 2010, 104, 109). Der Kläger hat nämlich nicht dargelegt, dass der von ihm angeführte Personenkreis durch § 5 TVÜ-Länder in besonderer Weise gegenüber den übrigen in den TV-L übergeleiteten Angestellten benachteiligt und damit gem. § 3 Abs. 2 AGG mittelbar benachteiligt worden ist.
[22] a) Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG ist – anders als nach der vor Verabschiedung der RL 2000/78/EG und ihrer Umsetzung durch das AGG geltenden Rechtslage (vgl. EuGH 9. Februar 1999 – C-167/97 – [Seymour-Smith und Perez] Rn. 65, Slg. 1999, I-623; BAG 23. Februar 1994 – 4 AZR 219/93BAGE 76, 44, 51 zu Art. 119 EWG-Vertrag) – kein statistischer Nachweis mehr erforderlich, dass Personen, bei denen eines der Merkmale des § 1 AGG vorliegt, im Verhältnis zu Personen, bei denen dies nicht der Fall ist, zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden. Es reicht aus, wenn das fragliche Kriterium hierzu bei wertender, typisierender Betrachtung geeignet ist. Dies folgt aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der RL 2000/78/EG, der durch § 3 Abs. 2 AGG weitgehend wortgleich umgesetzt ist. Die Formulierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der RL 2000/78/EG ist bewusst der Entscheidung des EuGH zur mittelbaren Diskriminierung von Wanderarbeitern (EuGH 23. Mai 1996 – C-237/94 – [O'Flynn] Rn. 21, Slg. 1996, I-2617) entnommen (KOM [1999] 565 endgültig S. 9). Gemäß Erwägungsgrund Nr. 15 der RL 2000/78/EG haben die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie die Möglichkeit, mittelbare Diskriminierungen mit allen Mitteln, "einschließlich statistischer Beweise" festzustellen. Mittelbare Diskriminierungen können also statistisch nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Eine derartige Auslegung des § 3 Abs. 2 AGG entspricht dem unionsrechtlichen Gebot des effet utile (vgl. BAG 18. August 2009 – 1 ABR 47/08 – Rn. 29, NZA 2010, 222 für das Diskriminierungsmerkmal "Alter"; Wendeling-Schröder AGG § 3 Rn. 24; ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 3 AGG Rn. 8, Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 67 ff.).
[23] b) Eine mittelbare Diskriminierung ist danach gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften ihrem Wesen nach geeignet sind, Personen oder Personengruppen aus den in § 1 AGG genannten Gründen in besonderer Weise zu benachteiligen. Dies kann der Fall sein, wenn Vorschriften im wesentlichen oder ganz überwiegend Personen, die eines der verpönten Merkmale erfüllen, betreffen, wenn sie an Voraussetzungen knüpfen, die von Personen, die von § 1 AGG nicht erfasst sind, leichter erfüllt werden oder wenn sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm besonders zum Nachteil von Personen, die § 1 AGG unterfallen, auswirken (vgl. KOM [1999] 565 endgültig S. 9; vgl. für die VO Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer EuGH 23. Mai 1996 – C-237/94 – [O'Flynn] Rn. 18, 20, Slg. 1996, I-2617).
[24] Zur Feststellung dieser Voraussetzungen sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind. Bei Tarifverträgen wie dem vorliegenden ist also auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen (ErfK/Schlachter 10. Aufl. § 3 AGG Rn. 7; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 63; für Gesetze siehe EuGH 30. November 1993 – C-189/91 – [Kirsammer-Hack] Slg. 1993, I-6185).
[25] 2. Eine mittelbare Diskriminierung von Elternteilen, die ihre Söhne allein erziehen, läge danach allenfalls vor, wenn durch die Berechnung des Vergleichsentgelts nach den individuellen Familienstandsverhältnissen im Oktober 2006 von allen nach § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder in den TV-L übergeleiteten Angestellten bei typisierender Betrachtung gerade alleinerziehende Elternteile von Söhnen, die im maßgeblichen Monat Grundwehr- oder Zivildienst leisteten, in besonderer Weise nachteilig betroffen wären. Dies hat der Kläger nicht dargelegt.
[26] Weder hat das Landesarbeitsgericht festgestellt noch hat der Kläger behauptet oder ist es offenkundig, dass alleinerziehende Elternteile, deren Söhne im Oktober 2006 Grundwehr- oder Zivildienst geleistet haben, von den nachteiligen Folgen der Stichtagsregelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder deutlich stärker, sei es überproportional häufig oder materiell besonders gravierend, betroffen wurden als Angestellte, die erst kurz nach dem Stichtag den Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe erworben hätten oder ihn wie der Kläger kurz vor dem Stichtag eingebüßt haben. Vielmehr benachteiligte diese Regelung alle Angestellten, bei denen es erst kurz nach Oktober 2006, etwa durch Eheschließung, zu anspruchsbegründenden Veränderungen in den für den Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2 maßgeblichen persönlichen Verhältnissen gekommen ist oder die kurz vor Oktober 2006 den Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2, etwa durch eine Scheidung, verloren hatten. Sie benachteiligte auch unter den Alleinerziehenden nicht nur Elternteile von Söhnen, die im Oktober 2006 ihren Grundwehr- oder Zivildienst leisteten. Auch alleinerziehende Elternteile von Töchtern und nicht wehrpflichtigen oder nicht wehrtauglichen Söhnen, deren Kinder spätestens im Oktober 2006 aus anderen Gründen als der Erfüllung der Grundpflicht aus Art. 12a GG die Voraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT nicht mehr erfüllten, wurden mit dem Ortszuschlag der Stufe 1 in den TV-L übergeleitet.
[27] D. Die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder zur Berechnung des Vergleichsentgelts verstößt jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 GG iVm. Art. 6 GG, soweit sie alleinerziehenden Elternteilen, deren Söhne im Oktober 2006 Grundwehr- oder Zivildienst leisteten, eine Neuberechnung des Vergleichsentgelts nach Beendigung dieses Dienstes auch dann verwehrt, wenn im Oktober 2006 ohne den Grundwehr- oder Zivildienst weiterhin die Voraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT erfüllt gewesen wären. Insoweit ist die Tarifregelung unwirksam.
[28] I. Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet jedoch die Arbeitsgerichte dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu einer Gruppenbildung führen, die die durch Art. 6 GG geschützten Belange von Ehe und Familie gleichheits- oder sachwidrig außer Betracht lässt und deshalb Art. 3 GG verletzt. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien als selbstständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen ab, wobei den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zusteht. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (Senat 18. Dezember 2008 – 6 AZR 287/07 – AP TVÜ § 11 Nr. 2 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 11 Abs. 1 Nr. 13).
[29] II. Die Gruppenbildung in § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder ist vorliegend auch bei typisierender Betrachtung und unter Beachtung des den Tarifvertragsparteien zukommenden Gestaltungsspielraums gleichheitswidrig. Sie stellt für die Berechnung des Vergleichsentgelts allein auf die Familienstandsverhältnisse im Oktober 2006 ab. Dadurch lässt sie die durch Art. 6 GG geschützten Belange von Ehe und Familie gleichheits- und sachwidrig außer Betracht, soweit dadurch alleinerziehenden Elternteilen von Söhnen, die im Oktober 2006 Grundwehr- oder Zivildienst leisteten, der Anspruch auf eine Neuberechnung des Vergleichsentgelts nach Beendigung dieses Dienstes versagt wird.
[30] 1. Zwar dürfen Tarifvertragsparteien bei der Gruppenbildung generalisieren und typisieren. Sie dürfen also bestimmte in wesentlichen Elementen gleichgeartete Lebenssachverhalte normativ zusammenfassen und können Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, generalisierend vernachlässigen. Allerdings müssen die von ihnen vorgenommenen Verallgemeinerungen im Normzweck angelegt sein und dürfen diesem nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden, unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von der von den Tarifvertragsparteien als typisch angenommenen abweicht, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. Senat 18. Dezember 2008 – 6 AZR 287/07 – Rn. 26, AP TVÜ § 11 Nr. 2 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 11 Nr. 13).
[31] 2. § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder überschreitet die Grenzen zulässiger Typisierung. Im Unterschied zu den übrigen von § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder erfassten Fällen, in denen es kurz nach oder vor dem Stichmonat zu Änderungen bei den für den Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2 maßgeblichen persönlichen Verhältnissen gekommen war, lassen sich die Nachteile der alleinerziehenden Eltern von Söhnen, die im Oktober 2006 Grundwehr- oder Zivildienst leisteten, nicht mit dem Stichtagsprinzip rechtfertigen. Dieser Personenkreis ist sowohl bezogen auf den Anlass des fehlenden Anspruchs auf den Ortszuschlag der Stufe 2 im Stichmonat als auch nach dem Zweck der durch die Besitzstandsregelung in § 5 TVÜ-Länder gesicherten Entgeltbestandteile besonders schutzwürdig und schutzbedürftig. Plausible Gründe für diese Benachteiligung liegen nicht vor. Deshalb ist es für diesen Personenkreis kein der Wertung im Lichte des Art. 6 GG standhaltendes typisierendes Differenzierungsmerkmal, ob im Oktober 2006 lediglich Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 1 bestanden hatte.
[32] a) Der Wehrdienst und der bei rechtmäßiger Verweigerung an dessen Stelle tretende Zivildienst sind staatsbürgerliche Pflichten, die Verfassung und Gesetz wehrpflichtigen Männern auferlegen (vgl. BVerfG 20. Dezember 1960 – 1 BvL 21/60BVerfGE 12, 45, 57). Durch die Verankerung in Art. 12a GG ist die Wehrpflicht zu einer verfassungsrechtlichen Pflicht erhoben (BVerfG 17. Mai 2004 – 2 BvR 821/04 – Rn. 25, BVerfGK 3, 222; 26. Mai 1970 – 1 BvR 83/69 ua. – BVerfGE 28, 243, 261) und damit zu einer Grundpflicht geworden (W. Heun in H. Dreier Grundgesetzkommentar 2. Aufl. Bd. 1 Art. 12a Rn. 11). Das gilt auch für den Zivildienst als das Surrogat der primären Pflicht nach Art. 12a GG. Diese Pflichten finden ihre Rechtfertigung darin, dass der Staat seiner in der Verfassung übernommenen Verpflichtung, die verfassungsmäßige Ordnung, insbesondere die Grundrechte seiner Bürger zu schützen, nur mit Hilfe eben dieser Bürger und ihres Eintretens für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland nachkommen kann (BVerwG 19. Januar 2005 – 6 C 9.04 – Rn. 41, BVerwGE 122, 331). Diesen verfassungsrechtlichen Hintergrund der Wehrpflicht haben die Tarifvertragsparteien in § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder nicht ausreichend beachtet.
[33] aa) Diese Bestimmung führt zum einen zu einer Ungleichbehandlung von alleinerziehenden Eltern von Söhnen, die im Oktober 2006 ihrer Grundpflicht aus Art. 12a GG genügten, der sie sich bei entsprechender Wehrtauglichkeit nicht entziehen konnten, und alleinerziehenden Eltern von Töchtern. Bei letzteren wurde der Ortszuschlag der Stufe 2 nicht nur dann in das Vergleichsentgelt einbezogen, wenn ihre volljährigen Töchter weiterhin eine schulische Ausbildung oder ein Studium absolvierten, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT erfüllt waren. Dies war bei Erfüllung vorgenannter Voraussetzungen auch dann der Fall, wenn ihre Tochter einen der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung siehe BFH 18. März 2009 – III R 33/07BFHE 224, 508) genannten freiwilligen Dienste, etwa ein freiwilliges soziales Jahr, leistete.
[34] bb) Darüber hinaus hat § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder auch eine Ungleichbehandlung von alleinerziehenden Eltern, deren Söhne im Oktober 2006 Grundwehr- bzw. Zivildienst leisteten, gegenüber alleinerziehenden Eltern von Söhnen, die entweder nicht tauglich waren oder tatsächlich nicht zum Wehrdienst bzw. Zivildienst herangezogen wurden, zur Folge. Die Tarifpartner haben bei der Überleitung in den TV-L im Jahr 2006 nicht hinreichend beachtet, dass ein erheblicher Anteil der Wehrpflichtigen tatsächlich nicht mehr zum Grundwehr- oder Zivildienst herangezogen wird und es bei der Berechnung des Vergleichsentgelts bei alleinerziehenden Elternteilen von Söhnen im wehrpflichtigen Alter weitgehend vom Zufall abhing, ob diese im maßgeblichen Monat Oktober 2006 tatsächlich ihrer Grundpflicht aus Art. 12a GG nachkommen mussten.
[35] In den Jahren seit 2000 ist die Zahl der für Wehrpflichtige bei der Bundeswehr zur Verfügung stehenden Plätze wegen des sinkenden Bedarfs der Bundeswehr an Wehrpflichtigen erheblich und dauernd zurückgegangen. Der Gesetzgeber hat darauf mit einer erheblichen Ausweitung der Wehrdienstausnahmen in §§ 9 ff. des Wehrpflichtgesetzes (WPflG) reagiert. So sind durch § 11 Abs. 2 Nr. 3 WPflG idF der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl. I S. 1465) seit dem 30. April 2005 auf Antrag auch die Wehrpflichtigen zu befreien, die verheiratet, eingetragene Lebenspartner sind oder die elterliche Sorge gemeinsam oder als Alleinerziehende ausüben. Auch die Möglichkeit zur Zurückstellung vom Wehrdienst ist erheblich ausgeweitet worden. § 12 Abs. 4 Nr. 3 WPflG in der seit dem 30. April 2005 geltenden Fassung sieht die Möglichkeit der Zurückstellung bereits bei Aufnahme einer zu einem schulischen Abschluss führenden Ausbildung, einer bereits begonnenen Berufsausbildung sowie ab dem dritten Semester eines Hochschul- oder Fachhochschulstudiums vor.
[36] Der Gesetzgeber hat mit diesen Änderungen zwar seiner Pflicht, die Zahl der verfügbaren Wehrpflichtigen schnell und effizient der geänderten Bedarfslage anzupassen, noch rechtzeitig genügt (BVerwG 19. Januar 2005 – 6 C 9.04 – Rn. 48, BVerwGE 122, 331). Unabhängig davon, ob man auf die Innenwirkung des Gebots der Wehrgerechtigkeit abstellt, dh. die Zahl derjenigen, die tatsächlich Wehrdienst leisten, ins Verhältnis zur Zahl derjenigen setzt, die nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für den Wehrdienst zur Verfügung stehen, oder die Außenwirkung des Gebots der Wehrgerechtigkeit für maßgeblich hält, also das Verhältnis zwischen der Zahl der tatsächlich zum Wehrdienst Einberufenen zur Zahl aller Männer eines Geburtsjahrgangs (zu diesen Begriffsbestimmungen BVerfG 22. Juli 2009 – 2 BvL 3/09 – Rn. 12, NVwZ 2010, 183), wird ein immer geringerer Anteil der Wehrpflichtigen tatsächlich zum Grundwehr- bzw. Zivildienst herangezogen. Während der Anteil der tatsächlich Einberufenen an den für den Grundwehrdienst Verfügbaren bei den Geburtsjahrgängen von 1970 bis 1975 (Innenwirkung) jeweils mehr als 90 % betrug (BVerwG 19. Januar 2005 – 6 C 9.04 – aaO), sollten nach den Planungen für 2005 bis 2010 nur noch 48 % der tauglichen 122. 900 Wehrpflichtigen des Geburtsjahrgangs 1990 einberufen werden. Selbst wenn man unterstellte, dass sämtliche anerkannten Verweigerer zum Zivildienst herangezogen worden sind und nach den Erfahrungen der Vergangenheit deren Anteil an den geschätzten 292. 300 wehrdienstfähigen Wehrpflichtigen des Geburtsjahrgangs 1990 mit 48 % annimmt, erhöhte sich die Ausschöpfungsquote nur auf etwa 68 % (58. 800 Einberufene zuzüglich 140. 300 Zivildienstleistenden = 199. 100 Grundwehr- oder Zivildienstleistende bei 292. 300 Wehrfähigen). Bezogen auf die Außenwirkung sank bei 452. 076 erfassten Angehörigen des Geburtsjahrgangs 1990 die Ausschöpfungsquote auf 13 % (alle Zahlen sind der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juli 2009 – 2 BvL 3/09 – Rn. 13 f., aaO, entnommen).
[37] b) Zudem versagt § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder alleinerziehenden Eltern, deren Söhne im Oktober 2006 Grundwehr- oder Zivildienst leisteten, den Schutz des Besitzstandes gerade für solche Entgeltbestandteile, die Bezug zu Art. 6 GG aufwiesen.
[38] aa) Der Ortszuschlag der Stufe 2 war keine Gegenleistung für erbrachte Leistungen, sondern ein sozialer Ausgleich für den Mehraufwand, der sich nach Annahme der Tarifvertragsparteien aus den mit einer Ehe typischerweise verbundenen finanziellen Belastungen ungeachtet einer konkreten Bedarfssituation ergab. Ihm kam in erster Linie eine soziale, familienstandsbezogene Ausgleichsfunktion zu (Senat 30. Oktober 2008 – 6 AZR 682/07 – Rn. 19, AP TVÜ § 5 Nr. 1 = EzA GG Art. 3 Nr. 107). Er wurde unter den in § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT geregelten Voraussetzungen auch unverheirateten Angestellten gewährt, die einen erweiterten Haushalt führten. Zum Ausgleich der durch die Aufnahme einer anderen Person entstehenden Mehrkosten (vgl. BT-Drucks. 10/3789 S. 12) sollte dieser Personenkreis mit verheirateten Angestellten gleichgestellt werden (vgl. BAG 8. Juni 1982 – 3 AZR 948/79 – AP BAT § 29 Nr. 2 für § 29 BAT in der bis zum 16. Mai 1982 geltenden Fassung; BVerwG 3. November 2005 – 2 C 16.04 – Rn. 24, NVwZ-RR 2006, 259 für § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG).
[39] bb) Der Personenkreis des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT erhielt allerdings neben dem Ortszuschlag der Stufe 2 zusätzlich noch den Ortszuschlag der Stufe 3, wenn für die in den Haushalt aufgenommene Person ein materiell-rechtlicher Kindergeldanspruch bestand (§ 29 Abschn. B Abs. 3 BAT). Der Ortszuschlag der Stufen 2 und 3 wurde in diesen Fällen aus ein und demselben Grund gewährt, nämlich für die kinderbezogenen Mehrkosten der Haushaltsführung. Verheirateten Angestellten wurde der Ortszuschlag der Stufe 2 dagegen zum Ausgleich der aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft anfallenden Mehrkosten gezahlt. Ein alleinerziehender Elternteil mit einem Kind war zwar anders als ein allein verdienender, verheirateter Angestellter mit einem Kind nur einer Person zum Unterhalt verpflichtet, erhielt aber gleichwohl neben dem Ortszuschlag der Stufe 3 zusätzlich auch den Ortszuschlag der Stufe 2 (vgl. BVerwG 3. November 2005 – 2 C 16.04 – Rn. 26, NVwZ-RR 2006, 259). Zwar hatten die Tarifvertragsparteien durch die Eigenmittelgrenze des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 BAT verhindert, dass der Ortszuschlag der Stufe 2 auch dann gezahlt wurde, wenn für den Unterhalt der in die Wohnung aufgenommenen Person überwiegend eigene Mittel zur Verfügung standen und deshalb ein Ausgleich für die verbleibende geringe wirtschaftliche Belastung des aufnehmenden Angestellten nicht erforderlich war (vgl. BT-Drucks. 10/3789 S. 13 für die vergleichbare Regelung in § 40 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BBesG). Bei Unterschreiten der Eigenmittelgrenze führte die Regelung des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT aber zu einer Privilegierung der alleinerziehenden Angestellten gegenüber verheirateten, allein verdienenden Angestellten mit Kindern (BVerfG 28. November 2007 – 2 BvR 375/06 – Rn. 19 f., BVerfGK 12, 453).
[40] cc) Die Tarifvertragsparteien haben jedoch bei der Überleitung in den TV-L an der systemwidrigen Regelung des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT uneingeschränkt festgehalten. Sie haben für alle Angestellten, die im Oktober 2006 einen Ortszuschlag der Stufe 2 erhielten – soweit kein Konkurrenzverhältnis iSd. § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Länder vorlag – und damit auch für sämtliche von § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT erfasste alleinerziehende Angestellte das Vergleichsentgelt unter Berücksichtigung ihres Besitzstandes berechnet. Deshalb waren sie gehindert, bestimmte Gruppen alleinerziehender Angestellter ohne einen auch unter Beachtung der Wertentscheidung des Art. 6 GG sachlich vertretbaren Grund von der Besitzstandsregelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder ganz oder teilweise auszuschließen (vgl. Senat 18. Dezember 2008 – 6 AZR 287/07 – Rn. 23, AP TVÜ § 11 Nr. 2 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 11 Abs. 1 Nr. 13). Ein solcher Grund lag nicht vor.
[41] Das nach § 5 TVÜ-Länder ermittelte Vergleichsentgelt soll dem Angestellten seinen bisherigen Besitzstand zum Überleitungsstichtag garantieren (Senat 30. Oktober 2008 – 6 AZR 682/07 – Rn. 23, AP TVÜ § 5 Nr. 1 = EzA GG Art. 3 Nr. 107). Zwar mussten die Tarifvertragsparteien bei der Überleitung in den TVöD den bisherigen Zustand nicht unter Berücksichtigung aller denkbaren Konstellationen erhalten. Sie konnten vielmehr unter Inkaufnahme im Einzelfall eintretender mittelbarer Nachteile die familienbezogenen Vergütungsbestandteile in generalisierender Weise behandeln (vgl. Senat 30. Oktober 2008 – 6 AZR 682/07 – Rn. 22, aaO). Anders als in den übrigen Fällen des § 29 Abschn. B Abs. 2 BAT, in denen der Anspruch erstmals kurz nach dem Überleitungsstichtag begründet worden wäre oder sich der Familienstand kurz vor dem Stichtag endgültig änderte, führte die Ableistung von Grundwehr- oder Zivildienst jedoch typischerweise nur zu einer vorübergehenden Änderung der Voraussetzungen, die für den Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2 maßgeblich waren. Bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT lebte nach dem bis zum 31. Oktober 2006 geltenden Tarifrecht dieser Anspruch nach Erfüllung der Grundpflicht des Art. 12a GG wieder auf. Das haben die Tarifvertragsparteien bei den kinderbezogenen Entgeltbestandteilen im Übrigen selbst gesehen und deshalb in § 11 Abs. 1 Satz 3 TVÜ-Länder geregelt, dass bei einer Unterbrechung des Anspruchs auf den kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Monat Oktober 2006 die Besitzstandszulage ab dem Wiederaufleben des Kindergeldanspruchs wieder gewährt wurde. Bei der Regelung der Berechnung des Vergleichsentgelts durften sie den Besitzstand für den Personenkreis des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT nicht anders als in § 11 TVÜ-Länder bewerten. Dies gilt um so mehr, als sie für das Vergleichsentgelt die Angestellten, die selbst im maßgeblichen Monat Oktober 2006 Grundwehr- oder Zivildienst leisteten, so gestellt haben, als hätten diese im Oktober die Arbeit wieder aufgenommen. Ein etwaiger Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2 war somit bestandsgesichert (§ 5 Abs. 6 2. Halbs. TVÜ-Länder iVm. § 27 Abschn. A Bereich Bund und Länder Abs. 7 Satz 2). Insoweit widerspricht § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder dem Normzweck.
[42] c) Die tarifliche Regelung führt nicht nur in atypischen Einzelfällen zu Nachteilen für die Betroffenen. Ungeachtet des zurückgehenden Bedarfs der Bundeswehr an Wehrpflichtigen ist die Erfüllung der Grundpflicht zum Leisten von Grundwehr- und Zivildienst immer noch ein Massenphänomen.
[43] d) Der Nachteil wiegt für den betroffenen Personenkreis schwer. Die Tarifvertragsparteien des BAT wollten alleinerziehenden Elternteilen auch von volljährigen Kindern unter den Voraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT die soziale Leistung des Ortszuschlags der Stufe 2 weiter zukommen lassen, um so die finanzielle Ausbildung der Kinder zu unterstützen. Sie haben also auch für volljährige Kinder weiterhin den erforderlichen Unterstützungsbedarf angenommen. Die den Personenkreis, dem der Kläger angehört, belastende Regelung ließ sich auch unschwer vermeiden, wie § 11 Abs. 1 Satz 3 und § 5 Abs. 6 2. Halbs. TVÜ-Länder zeigen.
[44] E. Wegen der Teilnichtigkeit des § 5 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder hat der Kläger Anspruch auf eine Neuberechnung des Vergleichsentgelts zum 1. Januar 2007.
[45] I. Verstöße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG lösen bei Tarifverträgen und Gesetzen die gleichen Rechtsfolgen aus. Soweit dem Normgeber ein Regelungsspielraum verbleibt, haben die Gerichte für Arbeitssachen dies zu respektieren. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Tarifvertrags ist nicht ohne Weiteres möglich. Die unzulässigerweise ausgeklammerten Personen haben jedoch dann Anspruch auf die Vergünstigung, wenn der Normgeber nur auf diesem Weg dem Gleichheitssatz Rechnung tragen kann oder wenn anzunehmen ist, dass er bei Beachtung des Gleichheitssatzes alle zu berücksichtigenden Personen in die Vergünstigung einbezogen hätte (Senat 18. Dezember 2008 – 6 AZR 287/07 – Rn. 36, AP TVÜ § 11 Nr. 2 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 11 Abs. 1 Nr. 13; 18. März 2010 – 6 AZR 434/07 – Rn. 57).
[46] II. Aus der Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 3 TVÜ-Länder und in § 5 Abs. 6 2. Halbs. TVÜ-Länder folgt, dass die Tarifvertragsparteien für alleinerziehende Eltern, deren Söhne im Oktober 2006 Grundwehr- oder Zivildienst leisteten, eine Neuberechnung des Vergleichsentgelts nach Erfüllung der aus Art. 12a GG folgenden Grundpflicht vorgesehen hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass sie diesen Personenkreis durch § 5 Abs. 2 TVÜ-Länder gleichheitswidrig benachteiligten.
[47] III. Soweit eine Neuberechnung des Vergleichsentgelts dazu führt, dass die dadurch erlangten Entgeltvorteile alleinerziehenden Eltern wie dem Kläger dauerhaft erhalten bleiben, auch wenn zu einem späteren Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT nicht mehr erfüllt wären, und auch wenn dies, wie der Fall des Klägers zeigt, sogar zu überproportionalen Entgeltvorteilen führen kann, liegt darin keine besondere, ungerechtfertigte Bevorzugung gerade alleinerziehender Eltern wehrpflichtiger Söhne. Vielmehr ist eine derartige Perpetuierung des Ortszuschlags der Stufe 2 mit allen sich daraus etwa ergebenden dauerhaften Entgeltvorteilen auch beim späteren Wegfall der Voraussetzungen, an die dieser Anspruch knüpfte, für alle Konstellationen des § 29 Abschn. B Abs. 2 BAT Folge der Regelung in § 5 TVÜ-Länder.
[48] F. Der Rechtsstreit ist noch nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob die Ableistung des Grundwehrdienstes seines Sohnes im Oktober 2006 kausal dafür war, dass der Kläger in diesem Monat keinen Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2 mehr hatte. Der Rechtsstreit ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
[49] I. Den Ortszuschlag der Stufe 2 erhielten alleinerziehende Elternteile gem. § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 und Satz 3 BAT nur, wenn sie ihr Kind nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen hatten und ihm Unterhalt gewährten oder wenn sie es auf ihre Kosten anderweitig untergebracht hatten, ohne dass dadurch die häusliche Verbindung mit ihm aufgehoben worden war. Darüber hinaus durfte die Eigenmittelgrenze des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 BAT nicht überschritten sein. Ob diese Voraussetzungen im Oktober 2006 noch erfüllt gewesen wären, falls der Sohn des Klägers in diesem Monat nicht seinen Grundwehrdienst abgeleistet hätte, hat das Landesarbeitsgericht nicht aufgeklärt.
[50] Dass der Sohn des Klägers unstreitig ab dem 1. Januar 2007 wieder kindergeldberechtigt war und der Kläger seitdem die Besitzstandszulage des § 11 TVÜ-Länder erhält, ist unerheblich. § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT knüpfte nicht an den Bezug des Kindergeldes. Ob der Sohn des Klägers ab dem 1. Januar 2007 noch bei diesem wohnte oder der Kläger ihn unter Aufrechterhaltung der häuslichen Verbindung auswärts auf seine Kosten untergebracht hatte, ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nicht.
[51] II. Das Landesarbeitsgericht wird daher festzustellen haben, ob im Oktober 2006 die Voraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT ohne den Wehrdienst des Sohnes des Klägers noch erfüllt gewesen wären. Dafür reicht es aus, wenn der Kläger darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass dies nach einer zu Beginn des Wehrdienstes zu stellenden Prognose der Fall gewesen wäre. Dagegen ist nicht erforderlich, dass nach Beendigung des Wehrdienstes die Voraussetzungen des § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 BAT – unterstellt, er hätte zu diesem Zeitpunkt noch gegolten – tatsächlich noch erfüllt worden wären. Selbst wenn sich während oder infolge des Wehrdienstes die beruflichen und/oder familiären Planungen des Sohnes des Klägers verändert hätten, dieser etwa geheiratet hätte oder zur Berufsausbildung ins Ausland gegangen wäre, wäre das Vergleichsentgelt des Klägers auf den 1. Januar 2007 neu zu berechnen, wenn nach den Planungen vor Beginn des Wehrdienstes der Sohn des Klägers eine Ausbildung aufnehmen wollte, bei der weiterhin Anspruch auf den Ortszuschlag der Stufe 2 bestanden hätte. Dies wäre bei einer auswärtigen Unterbringung des Sohnes des Klägers zu bejahen gewesen, wenn die Eigenmittel des Sohnes die in § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 BAT genannte Grenze nicht überschritten hätten (vgl. die Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz [BBesGVwV] vom 26. Juli 2000 – D II 4—221 229/28 zu § 40 Nr. 4 Nr. 40. 117) und weiterhin eine häusliche Verbindung bestanden hätte. Das setzte voraus, dass sich der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen nicht schwerpunktmäßig an den Unterbringungsort verlagert hätte (Nr. 40. 118 BBesGVwV; GKöD Bd. 3 Stand Februar 2007 § 40 BBesG Rn. 36 für § 40 Nr. 4 BBesG).