Bundesgerichtshof
BGB § 638 Abs. 1 Satz 1 aF, § 634 Abs. 3 Satz 1 nF
Der Architekt muss dem Auftraggeber bei der Abnahme seines Werkes offenbaren, wenn er Teile der Ausführung des Bauwerkes bewusst vertragswidrig nicht überwacht hat. Unterlässt er dies, so hat er einen Mangel seines Werks arglistig verschwiegen. Unerheblich ist, ob er darauf vertraut, dass der Unternehmer mangelfrei gearbeitet hat.

BGH, Beschluss vom 5. 8. 2010 – VII ZR 46/09; OLG Schleswig (lexetius.com/2010,2798)

[1] Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. August 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter Dr. Kuffer, den Richter Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Dr. Eick beschlossen:
[2] Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig- Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
[3] Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
[4] Gegenstandswert: 103.374,19 €
[5] Gründe: 1. Der Kläger nimmt den beklagten Architekten auf Schadensersatz wegen mangelhafter Bauüberwachung in Anspruch.
[6] Der Beklagte hatte unter anderem die Bauüberwachung für die Sanierung eines Landarbeiter-Doppelhauses übernommen. Nach Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 1998 fertigte der Beklagte am 16. Juni 1998 eine Zusammenstellung der Gesamtkosten und erstellte am 23. Juni 1998 seine Honorarrechnung.
[7] Im Jahre 2006 stellte sich heraus, dass eine zwischen der in den Innenräumen eingebauten Vorsatzschale der Außenwände und der alten Außenwand geplante und vom Bauunternehmer auch abgerechnete Dampfsperre nicht eingebaut war. Dadurch gelangte in erheblichen Mengen Tauwasser auf die ursprüngliche Oberfläche der Außenwand und Feuchtigkeit konnte von unten in den Putz aufsteigen.
[8] 2. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch gegen den beklagten Architekten dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten, soweit der Klageantrag die Dampfsperre der Vorsatzschale der Außenwände des Erdgeschosses betrifft und auch dem Feststellungsantrag des Klägers insoweit stattgegeben. Es hat den Anspruch insbesondere nicht für verjährt gehalten. Der Beklagte habe gewusst, dass er den Einbau der Dampfsperre kontrollieren müsse, und nicht offenbart, dass er seiner Überwachungspflicht insoweit nicht nachgekommen sei. Er habe arglistig gehandelt und müsse so behandelt werden wie ein Bauunternehmer, der erkenne oder nur wegen organisatorischer Mängel nicht erkenne, dass er Pfusch abliefere und dies nicht offenbare. Es hat die Revision nicht zugelassen.
[9] 3. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist unbegründet. Ein Grund, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO, besteht nicht.
[10] a) Der Senat hat bereits entschieden, dass ein mit der Bauüberwachung beauftragter Architekt einen Mangel seiner Leistung arglistig verschweigt, wenn er bei der Abnahme seines Werks nicht offenbart, dass er keine Bauüberwachung vorgenommen hat (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2004 – VII ZR 345/03, BauR 2004, 1476). Das gilt nicht nur dann, wenn er überhaupt keine Bauüberwachung vorgenommen hat, sondern auch dann, wenn er nur einzelne der überwachungspflichtigen Gewerke nicht überwacht hat und dies verschweigt.
[11] Insoweit besteht entgegen der Auffassung der Beschwerde kein Klärungsbedarf, denn das ergibt sich schon aus dem Gesetz, § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB aF, § 634a Abs. 3 Satz 1 BGB nF. Maßgeblich ist allein, ob ein Mangel des Werks arglistig verschwiegen wird. Ein Mangel des Architektenwerks liegt vor, wenn der Architekt seine Bauüberwachungsaufgaben nicht vollständig erfüllt. Zu Unrecht beruft sich die Beschwerde für ihre abweichende Auffassung auf das Urteil des Senats vom 27. November 2008 – VII ZR 206/06, BGHZ 179, 55, Rz. 23. In diesem Urteil beschäftigt sich der Senat mit den Voraussetzungen für die verjährungsrechtliche Gleichsetzung der Verletzung einer Organisationsobliegenheit des Architekten mit arglistigem Verhalten. Darum geht es hier nicht.
[12] Hier geht es vielmehr nur um die Voraussetzungen der Arglist. Deshalb ist auch der Hinweis des Berufungsgerichts, der Beklagte müsse wie ein Unternehmer behandelt werden, der erkennt oder nur wegen organisatorischer Mängel nicht erkennt, dass er Pfusch abliefert und dies nicht offenbart, irreführend.
[13] b) Voraussetzung für die Arglist ist allerdings, dass der Architekt das Bewusstsein hat, er habe seine Bauüberwachungsaufgabe nicht vertragsgerecht wahrgenommen. Ein solches Bewusstsein fehlt, wenn er nicht erkennt, dass ein Gewerk überwachungspflichtig ist, und er deshalb die Aufklärung darüber unterlässt, dass er eine Überwachung nicht durchgeführt hat (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 – VII ZR 77/08, zur Veröffentlichung bestimmt). So liegt der Fall hier nicht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Beklagte habe gewusst, dass er den Einbau der Dampfsperre überwachen müsse. Dann musste der Beklagte den Kläger darüber aufklären, dass er die Überwachung nicht vorgenommen hat.
[14] c) Voraussetzung für ein arglistiges Verschweigen des Mangels der Bauüberwachung ist nicht, dass der Architekt das Bewusstsein hat, der Unternehmer habe mangelhaft gearbeitet. Denn arglistiges Verschweigen erfordert nicht, dass der Architekt bewusst eine nachteilige Folge der vertragswidrigen Leistung in Kauf genommen hat. Es verlangt keine Schädigungsabsicht und keinen eigenen Vorteil (BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 – VII ZR 219/01, BauR 2002, 1401 = NZBau 2002, 503 = ZfBR 2002, 680). Deshalb entlastet es entgegen der Meinung der Beschwerde den Beklagten nicht, wenn er auf die mangelfreie Einbringung der Dampfsperre durch den Unternehmer vertraut hat.