Europäisches Gericht
"Staatliche Beihilfen – Umweltabgabe auf Granulat im Vereinigten Königreich – Freistellung für Nordirland – Entscheidung der Kommission, keine Einwände zu erheben – Ernsthafte Schwierigkeiten – Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen"
1. Die Entscheidung C (2004) 1614 final der Kommission vom 7. Mai 2004, keine Einwände gegen die Änderung der in Nordirland geltenden Freistellung von der Granulatabgabe im Vereinigten Königreich zu erheben, wird für nichtig erklärt.
2. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der British Aggregates Association, der Healy Bros. Ltd und der David K. Trotter & Sons Ltd.
3. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten.

EuG, Urteil vom 9. 9. 2010 – T-359/04 (lexetius.com/2010,3026)

[1] In der Rechtssache T-359/04 British Aggregates Association mit Sitz in Lanark (Vereinigtes Königreich), Healy Bros. Ltd mit Sitz in Middleton (Irland), David K. Trotter & Sons Ltd mit Sitz in Manorhamilton (Irland), Prozessbevollmächtigte: C. Pouncey, Solicitor, und Rechtsanwalt L. Van den Hende, Klägerinnen, gegen Europäische Kommission, vertreten durch J. Flett und T. Scharf als Bevollmächtigte, Beklagte, unterstützt durch Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, ursprünglich vertreten durch M. Bethell, dann durch E. Jenkinson und I. Rao und zuletzt durch S. Ossowski als Bevollmächtigte im Beistand von M. Hall und G. Facenna, Barristers, Streithelfer, wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C (2004) 1614 final der Kommission vom 7. Mai 2004, keine Einwände gegen die Änderung der in Nordirland geltenden Freistellung von der Granulatabgabe im Vereinigten Königreich zu erheben, erlässt DAS GERICHT (Fünfte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter M. Prek und V. M. Ciuc (Berichterstatter), Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2009 folgendes Urteil (*).
Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt
[2] 1 Die erste Klägerin, die British Aggregates Association (im Folgenden: BAA), ist ein Verband, in dem sich kleine unabhängige Unternehmen zusammengeschlossen haben, die im Vereinigten Königreich Steinbrüche und sonstige Abbaustellen betreiben. Sie hat 55 Mitglieder, die über 100 Steinbrüche und sonstige Abbaustellen betreiben. Der Großteil ihrer Mitglieder betreibt Steinbrüche oder Abbaustellen in Großbritannien (mit Ausnahme folglich von Nordirland). Im vorliegenden Fall tritt die BAA für ihre Mitglieder auf, die Steinbrüche oder Abbaustellen in Großbritannien betreiben.
[3] 2 Die zweite Klägerin, die Healy Bros. Ltd, und die dritte Klägerin, die David K. Trotter & Sons Ltd, sind in Irland ansässige Granulathersteller.
[4] 3 Die vorliegende Rechtssache betrifft die in Nordirland gewährte Freistellung von einer Umweltabgabe, die die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der an das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland gerichteten Entscheidung C (2004) 1614 final vom 7. Mai 2004 (Beihilfe N 2/04 – Granulatabgabe – Nordirland) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) im Rahmen der Vorprüfungsphase als gemäß Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfe ansah. Eine knappe Übersicht über diese Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 2. April 2005 (C 81, S. 4) veröffentlicht. Nach Ansicht der Kommission waren die Voraussetzungen des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen (ABl. 2001, C 37, S. 3, im Folgenden: Gemeinschaftsrahmen) erfüllt.
Allgemeine Regelung der AGL
[5] 4 Die allgemeine Regelung dieser Umweltabgabe mit dem Titel "Stufenweise Einführung der Granulatabgabe in Nordirland" ("Aggregates Levy", im Folgenden: AGL) wurde im Vereinigten Königreich mit den Sections 16 bis 49 des zweiten Teils des Finance Act (Finanzgesetz) 2001 und dessen Anhängen 4 bis 10 eingeführt.
[6] 5 Nach der Durchführungsverordnung zum Finance Act 2001 traten die Bestimmungen über die Einführung der AGL am 1. April 2002 in Kraft.
[7] 6 Der Finance Act 2001 wurde durch die Sections 129 bis 133 und Anhang 38 des Finance Act (Finanzgesetz) 2002 geändert. Die damit geänderten Bestimmungen fügten u. a. einen Übergangszeitraum für die Einführung der Abgabe in Nordirland hinzu.
[8] 7 Die AGL wird in Höhe von 1, 60 GBP pro Tonne gewerblichen Zwecken dienenden Granulats erhoben (Section 16 Subsection 4 des Finance Act 2001).
[9] 8 Nach Section 16 Subsection 2 des Finance Act 2001 in seiner geänderten Fassung fällt die AGL ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes an, sobald abgabepflichtiges Granulat im Vereinigten Königreich gewerblichen Zwecken zugeführt wird. Sie betrifft somit gleichermaßen eingeführtes wie im Vereinigten Königreich abgebautes Granulat.
[10] 9 Mit der Entscheidung C (2002) 1478 final der Kommission vom 24. April 2002 (Staatliche Beihilfe N 863/01 – Granulatabgabe) (im Folgenden: Entscheidung von 2002) wurde die AGL von der Kommission gebilligt. Eine knappe Übersicht über diese Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 5. Juni 2002 (C 133, S. 11) veröffentlicht.
[11] 10 In der Entscheidung von 2002 entschied die Kommission, keine Einwände gegen die AGL zu erheben, weil sie der Ansicht war, dass deren Anwendungsbereich durch die Logik und die Natur der fraglichen Abgaberegelung gerechtfertigt und die AGL folglich von vornherein nicht als Beihilfe im Sinne des Art. 87 EG einzustufen sei.
[12] 11 Die AGL ist eine Ökoabgabe, die auf Granulat erhoben wird, damit der Abbau von üblicherweise als Granulat verwendeten Mineralien zurückgeführt und rationalisiert wird, indem ihre Ersetzung durch aufbereitete oder freigestellte Rohmaterialien begünstigt und damit ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet wird.
[13] 12 Die AGL findet auf die gewerbliche Verwertung von Fels, Sand und Kies, die als Granulat verwendet werden, Anwendung, wird auf solche Materialien aber nicht erhoben, wenn sie zu anderen Zwecken verwendet werden. Sie wird jedoch nur auf Virgin-Granulat erhoben. Dagegen wird sie weder auf Granulat erhoben, das als Neben- oder Abfallprodukt anderer Verfahren gewonnen wird, noch auf aufbereitetes Granulat.
[14] 13 In Bezug auf Nordirland sah der Finance Act 2001 eine auf fünf Jahre erstreckte degressive Freistellung von der AGL vor. Für das erste Jahr war die AGL zum Satz von 0 % vorgesehen. Dann sollte der Abgabensatz jährlich um 20 % steigen, bis er schließlich nach fünf Jahren 100 % erreichen würde. Die Kosten der Maßnahme, d. h. der Verlust von Steuereinnahmen für das Vereinigte Königreich, wurden für diese fünf Jahre auf 45 Millionen GBP veranschlagt.
[15] 14 Das Vereinigte Königreich rechtfertigte diese Sonderbehandlung von Nordirland mit dem Anliegen, der zeitweiligen Gefahr eines Verlusts an internationaler Wettbewerbsfähigkeit der im Abbau und der Behandlung von Virgingranulat tätigen nordirischen Unternehmen vorzubeugen, die sich aus der insoweit besonderen Lage Nordirlands innerhalb des Vereinigten Königreichs ergebe, als es eine Landgrenze mit einem anderen Mitgliedstaat teile. Aufgrund dessen seien die Ein- und Ausfuhr von Granulat und verarbeiteten Erzeugnissen nach und aus Nordirland leichter als in anderen Regionen des Vereinigten Königreichs.
[16] 15 Die Kommission erklärte deshalb in ihrer Entscheidung von 2002 die degressive Freistellungsregelung für Nordirland für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und eröffnete kein förmliches Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG.
[17] 16 Gegen die Entscheidung von 2002 wurde dann von BAA eine Klage auf teilweise Nichtigerklärung beim Gericht erhoben (Urteil des Gerichts vom 13. September 2006, British Aggregates/Kommission, T-210/02, Slg. 2006, II-2789). In jener Rechtssache beanstandete BAA nicht die Schlussfolgerung der Kommission, dass die progressive Einführung der AGL in Nordirland eine mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfe sei, sondern die Beurteilung der Kommission, dass die AGL keine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG sei.
[18] 17 Mit Urteil vom 13. September 2006, British Aggregates/Kommission (oben, Randnr. 16), wies das Gericht die Klage von BAA ab. Darin war es der Ansicht, der Kommission sei kein offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung des Anwendungsbereichs der Granulatabgabe unterlaufen, und die AGL sei folglich keine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG. BAA legte am 27. November 2006 Rechtsmittel gegen dieses Urteil ein.
[19] 18 Mit Urteil vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C-487/06 P, Slg. 2008, I-10505), hat der Gerichtshof das Urteil vom 13. September 2006, British Aggregates/Kommission (oben, Randnr. 16), aufgehoben und die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen.
Änderungen der AGL in Bezug auf die für Nordirland gewährte Freistellung
[20] 19 Nach der Feststellung, dass mit der progressiven Einführung der AGL in Nordirland die erreichten Ziele nicht wie vorgesehen erreicht wurden, beschloss das Vereinigte Königreich, die degressive Freistellung von Granulat in Nordirland durch eine neue Freistellungsregelung zu ersetzen.
[21] 20 Selbst nach der progressiven Einführung der AGL wurde ein Anstieg der Schwarzeinfuhren von Granulat aus Irland nach Nordirland, auf die die AGL nicht entrichtet wurde, festgestellt, weshalb eine große Gefahr des Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit für die Granulatindustrie in Nordirland bestand. Außerdem stellten sich die erwarteten Umweltvorteile in Nordirland nicht wie vorgesehen ein. Dies wurde auf die begrenzte Verfügbarkeit von der Abgabe nicht unterliegenden aufbereiteten und Ersatzmaterialien in Nordirland und auf das fast völlige Fehlen von Infrastrukturen zur Sammlung und Bearbeitung dieser Materialien zurückgeführt. Die Behörden des Vereinigten Königreichs waren deshalb der Ansicht, dass die progressive Einführung der AGL der Industrie für verarbeitete Erzeugnisse in Nordirland nicht genug Zeit gelassen habe, um sich durch die Umstellung auf aufbereitete oder Ersatzmaterialien dieser Entwicklung anzupassen.
[22] 21 Aus diesem Grund ersetzte das Vereinigte Königreich die degressive Freistellungsregelung in Nordirland durch eine neue Freistellungsregelung. Damit die verfolgten Umweltziele wirksam erreicht werden, entrichten die in Nordirland ansässigen Wirtschaftsteilnehmer, die eine Umweltvereinbarung mit den Behörden des Vereinigten Königreichs geschlossen haben, nach dieser neuen Regelung vom 1. April 2004 bis 31. März 2011 nur 20 % der AGL und kommen folglich in den Genuss einer Freistellung von der AGL zum Satz von 80 %. Diese Freistellung ist jedoch an die Bedingung geknüpft, dass sich die Unternehmen, die davon profitieren möchten, förmlich verpflichten und die mit der Regierung des Vereinigten Königreichs ausgehandelten Vereinbarungen einhalten, aufgrund deren sie während der Dauer der Freistellung an einem Programm zur Umweltbilanzverbesserung teilnehmen müssen.
Verfahren vor der Kommission
[23] 22 Am 5. Januar 2004 teilte das Vereinigte Königreich der Kommission diese neue Freistellungsregelung mit.
[24] 23 Mit Schreiben vom 9. Februar 2004 reichte BAA eine Beschwerde gegen die neue Freistellungsregelung bei der Kommission ein, in der sie u. a. beantragte, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten.
[25] 24 Am 12. Februar 2004 erbat die Kommission zusätzliche Auskünfte beim Streithelfer.
[26] 25 Das Vereinigte Königreich antwortete darauf mit Schreiben vom 11. März und 2. April 2004.
Angefochtene Entscheidung
[27] 26 Am 7. Mai 2004 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung, in der die neue Freistellungsregelung als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG angesehen, aber für gemäß Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar befunden wurde. Die Kommission wies daher die Beschwerde von BAA zurück, ohne ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten.
[28] 27 In der angefochtenen Entscheidung wies die Kommission zunächst darauf hin, dass sie zur bestehenden Abgaberegelung für Nordirland in der Entscheidung von 2002 festgestellt habe, dass die versetzte Einführung der AGL in Nordirland mit den Bestimmungen des Abschnitts E. 3. 2 des Gemeinschaftsrahmens vereinbar sei. Sie war insoweit der Ansicht, die AGL versetze die Industrie Nordirlands in eine Lage, in der sie Gefahr laufe, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, insbesondere im Verhältnis zu den Granulatherstellern Irlands.
[29] 28 Zur neuen Freistellungsregelung führt die Kommission sodann aus, die Behörden des Vereinigten Königreichs hätten erklärt, dass die AGL seit ihrer progressiven Einführung im Jahr 2002 die Granulatindustrie Nordirlands in eine noch schwierigere Wettbewerbslage versetzt habe, als anfänglich gedacht. Nach der Einführung sei, wie oben in Randnr. 20 ausgeführt, ein Anstieg des rechtswidrigen Abbaus und der Schwarzeinfuhren von Granulat aus Irland nach Nordirland festgestellt worden, wobei in beiden Fällen die AGL nicht entrichtet worden sei. Folglich hätten sich die Abbauunternehmen, die die AGL normal entrichtet hätten, einem Dumping durch diese rechtswidrigen Beschaffungen an der Abgabe vorbei ausgesetzt gesehen, und ihnen seien Verkäufe zugunsten der rechtswidrig handelnden Unternehmen entgangen.
[30] 29 Die Kommission fügt in der angefochtenen Entscheidung hinzu, dass die AGL nach Aussage des Vereinigten Königreichs, obwohl sie eine bemerkenswerte positive Auswirkung auf den Umweltschutz in Großbritannien gehabt habe, in Nordirland nicht die erwarteten Wirkungen gehabt habe, wo abgabebefreite aufbereitete oder Ersatzmaterialien nur sehr begrenzt und örtlich verfügbar seien und wo es fast keine Infrastrukturen zur Sammlung und Bearbeitung dieser Materialien gebe. Den Behörden des Vereinigten Königreichs zufolge bedeute dies, dass die Freistellungsregelung des Finance Act 2001 den Herstellern verarbeiteter Erzeugnisse in Nordirland nicht genug Zeit gelassen habe, um sich durch die Umstellung auf aufbereitete oder Ersatzmaterialien der Einführung der AGL anzupassen.
[31] 30 Die Kommission fährt fort, die Regierung des Vereinigten Königreichs habe sodann, um die verfolgten Umweltziele tatsächlich zu erreichen, wie oben in Randnr. 21 erwähnt, die Freistellung an die Bedingung geknüpft, dass sich die Unternehmen, die davon profitieren wollten, förmlich verpflichteten und die mit der Regierung ausgehandelten Vereinbarungen einhielten, aufgrund deren sie während der Dauer der Freistellung an einem Programm zur Umweltbilanzverbesserung teilnehmen müssten.
[32] 31 Um der Industrie für verarbeitete Erzeugnisse (d. h. den Unternehmen, die Virgingranulat gewerblichen Zwecken zuführen) mehr Zeit zur Umstellung und zur Erreichung der beabsichtigten Umweltwirkungen einzuräumen, werde die bestehende Freistellungsregelung durch eine neue Übergangsregelung zur Freistellung von der AGL ersetzt, die für alle Granulatarten gelte und bei der die Begünstigten nur mit 20 % der normalerweise fälligen AGL belastet würden. Diese neue Regelung sei am 1. April 2004 in Kraft getreten und solle am 31. März 2011 (also neun Jahre nach dem Geltungsbeginn der Abgabe am 1. April 2002) auslaufen.
[33] 32 Nach der Feststellung, dass die Freistellung von der AGL den Unternehmen in Nordirland aus staatlichen Mitteln in Form einer Abgabenbefreiung gewährt worden sei und diese Unternehmen begünstige, indem sie die von ihnen normalerweise zu tragenden Kosten vermindere, folgert die Kommission, dass eine von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe vorliege, bevor sie diese mit Blick auf den Gemeinschaftsrahmen prüft.
[34] 33 Insoweit betont die Kommission erstens, dass die AGL, da sie bereits ab April 2002 im gesamten Vereinigten Königreich (einschließlich Nordirlands) eingeführt worden sei, als bestehende Abgabe anzusehen sei.
[35] 34 Zweitens stellt sie fest, dass die Abgabe aus Umweltschutzgründen erhoben werde und die Erreichung dieses Ziels durch einen Beitrag zur Rückfuhr des Abbaus von Virgingranulat und durch die Förderung der Verwendung von Ersatzmaterialien bezwecke. In diesem Punkt fügt die Kommission, wie oben in Randnr. 29 ausgeführt, hinzu, dass die AGL nach den von den Behörden des Vereinigten Königreichs vorgelegten empirischen Erhebungen zwar nicht die erwarteten Wirkungen in Nordirland, aber eine bemerkenswerte positive Auswirkung auf den Umweltschutz in Großbritannien gehabt habe. Die Behörden des Vereinigten Königreichs hätten dazu erklärt, dass das Volumen der in Großbritannien abgebauten Rohmaterialien im Jahr 2002 beträchtlich zurückgegangen sei (nämlich -5, 7 % im Vergleich zum Durchschnitt der Vorjahre), dass die Kosten für abgabepflichtiges Granulat erheblich höher seien als für nicht abgabepflichtiges, was darauf hindeute, dass die Umweltkosten der Granulatbeschaffung auf die Verbraucher abgewälzt würden (so dass die negativen Umweltauswirkungen des Granulatabbaus in den Granulatherstellungskosten internalisiert würden), und dass die Verkäufe von aufbereiteten und Ersatzmaterialien (wie Abfällen von Tonschiefer und Porzellanerde) gestiegen und neue Aufbereitungsfabriken in Betrieb genommen worden seien.
[36] 35 Drittens weist die Kommission darauf hin, dass die Grundsatzentscheidung, bestimmte Unternehmen in Nordirland von der AGL freizustellen, bereits bei Einführung der Abgabe zum 1. April 2002 getroffen worden sei.
[37] 36 Die Kommission schließt daraus, dass die in Ziff. 51. 2 des Gemeinschaftsrahmens genannten Voraussetzungen erfüllt seien.
[38] 37 Zu den in Ziffer 51. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich des Gemeinschaftsrahmens vorgesehenen Voraussetzungen führt sie aus, die Dauer der Regelung sei auf sieben Jahre begrenzt, und die Herabsetzung betreffe eine nationale Abgabe bei fehlender Gemeinschaftssteuer. Die Kommission ist so der Ansicht, dass der Abgabensatz von 20 %, den die von der Freistellung begünstigten Unternehmen dennoch zahlen müssten, einen wesentlichen Teil der nationalen Abgabe ausmache.
[39] 38 Daher hält die Kommission die mit dem Gemeinschaftsrahmen aufgestellten Voraussetzungen für vollständig erfüllt. Folglich erachtet sie die Freistellungsregelung für gemäß Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.
[40] 39 Sie kommt demzufolge zu dem Ergebnis, dass die geänderte Regelung zur Freistellung von der AGL in Nordirland mit den Bestimmungen des EG-Vertrags vereinbar sei, und beschließt, keine Einwände zu erheben.
Verfahren
[41] 40 Mit Klageschrift, die am 30. August 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.
[42] 41 Mit am 5. Januar 2005 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragenem Schriftsatz hat das Vereinigte Königreich beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 4. März 2005 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts diesen Streitbeitritt zugelassen. Der Schriftsatz des Streithelfers und die Stellungnahmen der anderen Beteiligten dazu sind innerhalb der gesetzten Fristen eingereicht worden.
[43] 42 Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts wurde der Berichterstatter der Fünften Kammer zugeteilt, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.
[44] 43 Die Klägerinnen haben zusammen mit der Klageschrift einen Antrag auf prozessleitende Maßnahmen nach den Art. 64 § 4, 68 und 70 der Verfahrensordnung des Gerichts eingereicht, der darauf abzielt, dass der Kommission aufgegeben wird, das im Schreiben des Generaldirektors der Generaldirektion (GD) "Wettbewerb" der Kommission vom 20. Juli 2004 an den Rechtsvertreter von BAA angesprochene Schreiben mit den vom Vereinigten Königreich im Prüfverfahren beigebrachten "empirischen Erhebungen" vorzulegen.
[45] 44 Mit Beschluss vom 24. September 2008 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 77 Buchst. a der Verfahrensordnung und Art. 54 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache C-487/06 P ausgesetzt.
[46] 45 Am 22. Dezember 2008 hat der Gerichtshof das Urteil British Aggregates/Kommission (vgl. oben, Randnr. 18) erlassen. Dementsprechend ist das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache fortgesetzt worden.
[47] 46 Auf Aufforderung durch das Gericht haben die Beteiligten ihre Stellungnahmen zur Auswirkung des Urteils vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (vgl. oben, Randnr. 18), auf den vorliegenden Rechtsstreit eingereicht.
[48] 47 Die Kommission hat in ihrer Stellungnahme dazu erklärt, die Zulässigkeit der vorliegenden Klage nicht weiter in Frage zu stellen.
[49] 48 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 3. Juni 2009 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
[50] 49 Die Klägerinnen haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, ihren Antrag auf prozessleitende Maßnahmen nach den Art. 64 § 4, 68 und 70 der Verfahrensordnung (vgl. oben, Randnr. 43) nicht weiter zu verfolgen.
[51] 50 Der Streithelfer hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, infolge des Urteils vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (vgl. oben, Randnr. 18), die Zulässigkeit der vorliegenden Klage ebenfalls nicht mehr in Frage zu stellen.
Anträge der Parteien
[52] 51 Die Klägerinnen beantragen,
- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
[53] 52 Die Kommission, unterstützt vom Streithelfer, beantragt,
- die Klage als unbegründet abzuweisen;
- den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
Vorbemerkungen
[54] 53 Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf drei Nichtigkeitsgründe. Mit dem ersten wird ein Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG oder gegen Art. 90 EG gerügt, mit dem zweiten ein Verstoß gegen den Gemeinschaftsrahmen und mit dem dritten eine Verletzung der Verfahrenspflichten der Kommission, insbesondere ein Verstoß gegen Art. 88 Abs. 2 EG. Im Rahmen des dritten Klagegrundes werfen die Klägerinnen der Kommission auch einen Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung und damit einen Verstoß gegen Art. 253 EG sowie eine Verletzung der ihr in der Vorprüfungsphase obliegenden Pflichten vor.
[55] 54 Im Rahmen ihres auf einen Verstoß gegen Art. 88 Abs. 2 EG gestützten Klagegrundes bringen die Klägerinnen im Wesentlichen vor, die Kommission habe, indem sie die fragliche Beihilferegelung im Anschluss an die alleinige Vorprüfung genehmigt habe, gegen Art. 88 Abs. 2 EG und Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) verstoßen, nach dem das Organ das förmliche Prüfverfahren eröffnen müsse, wenn die angemeldete Maßnahme ernsthafte Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt aufwerfe. Die von BAA für ihre Beschwerde beigebrachten Argumente und Beweise hätten aber das Bestehen ernsthafter Bedenken zum einen in Bezug darauf, dass die neue Freistellungsregelung nicht mit dem Gemeinsamen Markt und insbesondere den Art. 23 EG und 25 EG oder Art. 90 EG vereinbar sei (erster Klagegrund), und zum anderen hinsichtlich dessen, dass die mit dem Gemeinschaftsrahmen vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt seien (zweiter Klagegrund), nachgewiesen.
[56] 55 Nach ständiger Rechtsprechung ist das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG unerlässlich, sobald die Kommission bei der Prüfung, ob eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, auf ernsthafte Schwierigkeiten stößt. Die Kommission darf sich also für den Erlass einer positiven Entscheidung über eine Beihilfe nur dann auf die Vorprüfungsphase nach Art. 88 Abs. 3 EG beschränken, wenn sie nach einer ersten Prüfung die Überzeugung gewinnt, dass die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Ist die Kommission aufgrund dieser ersten Prüfung jedoch zu der gegenteiligen Überzeugung gelangt oder hat sie nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ausräumen können, so ist sie verpflichtet, alle erforderlichen Stellungnahmen einzuholen und zu diesem Zweck das Verfahren des Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten (Urteile des Gerichtshofs vom 20. März 1984, Deutschland/Kommission, 84/82, Slg. 1984, 1451, Randnr. 13, vom 19. Mai 1993, Cook/Kommission, C-198/91, Slg. 1993, I-2487, Randnr. 29, vom 15. Juni 1993, Matra/Kommission, C-225/91, Slg. 1993, I-3203, Randnr. 33, und vom 2. April 2009, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission, C-431/07 P, Slg. 2009, I-2665, Randnr. 61; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 18. September 1995, SIDE/Kommission, T-49/93, Slg. 1995, II-2501, Randnr. 58).
[57] 56 Der Begriff der ernsthaften Schwierigkeiten ist seinem Wesen nach objektiv. Ob solche Schwierigkeiten vorliegen, ist anhand der Umstände des Erlasses des angefochtenen Rechtsakts sowie seines Inhalts in objektiver Weise zu beurteilen, wobei die Gründe der Entscheidung zu den Angaben in Beziehung zu setzen sind, über die die Kommission verfügte, als sie sich zur Vereinbarkeit der streitigen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt äußerte (Urteile Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnr. 63, und SIDE/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnr. 60). Die Rechtmäßigkeitskontrolle des Gerichts hinsichtlich der Frage, ob ernsthafte Schwierigkeiten vorgelegen haben, geht deshalb ihrem Wesen nach über die Prüfung offensichtlicher Beurteilungsfehler hinaus (vgl. in diesem Sinne Urteile Cook/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnrn. 31 bis 38, und Matra/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnrn. 34 bis 39; Urteil des Gerichts vom 15. März 2001, Prayon-Rupel/Kommission, T-73/98, Slg. 2001, II-867, Randnr. 47).
[58] 57 Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass es einen Anhaltspunkt für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten darstellt, wenn die Prüfung durch die Kommission im Vorprüfungsverfahren unzureichend oder unvollständig war (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs Cook/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnr. 37, und vom 3. Mai 2001, Portugal/Kommission, C-204/97, Slg. 2001, I-3175, Randnrn. 46 bis 49; Urteil Prayon-Rupel/Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 108).
[59] 58 Da die angefochtene Entscheidung ohne Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens erging, war die Kommission also zu ihrem Erlass nur berechtigt, wenn sich bei der Vorprüfung keine ernsthaften Schwierigkeiten ergaben. Hätten nämlich solche Schwierigkeiten bestanden, könnte die Entscheidung allein deshalb wegen Unterlassung der im EG-Vertrag vorgesehenen kontradiktorischen und eingehenden Prüfung für nichtig erklärt werden, selbst wenn nicht nachgewiesen wäre, dass die Bewertungen, die die Kommission in der Sache vornahm, Rechts- oder Tatsachenfehler enthielten.
[60] 59 Daraus folgt, dass sämtliche von den Klägerinnen gegen die angefochtene Entscheidung angeführten Klagegründe zu prüfen sind, um zu ermessen, ob sie ernsthafte Schwierigkeiten erkennen lassen, aufgrund deren die Kommission das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG hätte einleiten müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 13. Januar 2004, Thermenhotel Stoiser Franz u. a./Kommission, T-158/99, Slg. 2004, II-1, Randnr. 91, und vom 20. September 2007, Fachvereinigung Mineralfaserindustrie/Kommission, T-375/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 67 und 77). Insoweit ist zunächst der erste Klagegrund zu prüfen, mit dem ein Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG oder gegen Art. 90 EG gerügt wird.
Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG oder gegen Art. 90 EG
Vorbringen der Beteiligten
[61] 60 Die Klägerinnen sehen eine Folge der neuen Regelung zur Freistellung von der AGL darin, dass aus Irland eingeführtes Granulat zum vollen Satz mit der AGL (1, 60 GBP pro Tonne) belastet werde, während auf identische, in Nordirland hergestellte Erzeugnisse nur 0, 32 GBP pro Tonne, also nur 20 % des vollen Satzes der AGL, erhoben würden. Hinzu komme, dass die in Irland ansässigen Hersteller anders als die in Nordirland niedergelassenen nicht die Möglichkeit hätten, Umweltverpflichtungen einzugehen, um in den Genuss der Ausnahmeregelung kommen zu können. Daraus ergebe sich eine abgaberechtliche Diskriminierung unter Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG oder Art. 90 EG, die dasselbe Ziel verfolgten, nämlich einen unverfälschten Wettbewerb im Gemeinsamen Markt.
[62] 61 Die Klägerinnen halten die Billigung der neuen Freistellungsregelung durch die Kommission für umso überraschender, als diese in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich festgestellt habe, dass mit dieser Regelung die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie Nordirlands gegenüber den irischen Herstellern geschützt werden solle, und das, obwohl die Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Beihilfe, die gegen andere Bestimmungen des EG-Vertrags verstoße, nicht für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklären dürfe, was insbesondere dann gelte, wenn diese Bestimmungen wie hier die Art. 23 EG und 25 EG oder Art. 90 EG ebenfalls das Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Markt verfolgten. Folglich bestünden ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der neuen Freistellungsregelung mit dem Gemeinsamen Markt.
[63] 62 In der Erwiderung führen die Klägerinnen näher aus, die Bestimmungen des EG-Vertrags zum Verbot von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung (Art. 23 EG und 25 EG) und zum Verbot von diskriminierenden inländischen Abgaben im Handel (Art. 90 EG) könnten nicht kumulativ angewandt werden. Diese Bestimmungen ergänzten einander jedoch insoweit, als Art. 90 EG u. a. bezwecke, die Umgehung des Verbots von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung mittels inländischer Abgaben zu verhindern. Daher sei die genaue Abgrenzung zwischen den Anwendungsbereichen der Art. 23 EG und 25 EG einerseits und des Art. 90 EG andererseits nicht immer klar. Jedenfalls falle nach den von der Rechtsprechung des Gerichtshofs erhellten Kriterien die AGL aufgrund ihres diskriminierenden Charakters in den Anwendungsbereich einer dieser Bestimmungen. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen klargestellt, dass sie sich nach dieser Rechtsprechung im Rahmen ihres ersten Klagegrundes in erster Linie auf einen Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG und hilfsweise auf einen Verstoß gegen Art. 90 EG berufen.
[64] 63 Zum Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG machen die Klägerinnen geltend, diese Artikel untersagten jede finanzielle Belastung von eingeführten Erzeugnissen, es sei denn diese Belastung sei Teil einer allgemeinen inländischen Gebührenregelung, die die inländischen und die eingeführten Erzeugnisse systematisch nach den gleichen Kriterien erfasse, oder sie stelle das Entgelt für eine gegenüber dem Einführer tatsächlich erbrachte Dienstleistung dar. Der Gerichtshof habe als Voraussetzung dafür, dass die Belastung eines eingeführten Erzeugnisses Teil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung sei, genannt, dass sie ein einheimisches und ein gleiches eingeführtes Erzeugnis in gleicher Höhe und auf der gleichen Handelsstufe erfasse und auch der Abgabentatbestand für beide Erzeugnisse derselbe sei.
[65] 64 Die AGL werde aber in Nordirland nicht nur zu unterschiedlichen Sätzen angewandt (0, 32 GBP gegenüber 1, 60 GBP), sondern auch auf verschiedenen Handelsstufen und sei somit nicht Teil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung. Daraus ergebe sich folglich eine Diskriminierung, weil eingeführtes Granulat naturgemäß immer nach Maßgabe eines anderen Tatbestands belastet werde als einheimisches Granulat. Aus der Rechtsprechung gehe nämlich hervor, dass die Art. 23 EG und 25 EG verletzt seien, wenn auf einheimische und auf eingeführte Erzeugnisse unterschiedliche Abgabentatbestände angewandt worden seien, ungeachtet dessen, dass die Abgabe auf die eingeführten Erzeugnisse in Wirklichkeit niedriger sei als auf die einheimischen Erzeugnisse. Die AGL sei deshalb, weil sie die eingeführten Erzeugnisse in spezifischer Weise treffe, eine Abgabe zollgleicher Wirkung.
[66] 65 Außerdem stelle die AGL eine Abgabe zollgleicher Wirkung dar, weil sie eigens entworfen worden sei, um die eingeführten Erzeugnisse im Gegensatz zu den inländischen Erzeugnissen zu belasten. Innerhalb des Vereinigten Königreichs treffe die AGL bestimmte Granulathersteller, die sie nicht auf die Verbraucher abwälzen müssten, sondern sie ganz oder teilweise als Betriebsausgaben abschreiben könnten. Da das Vereinigte Königreich die auswärtigen Hersteller nicht besteuern könne, erhebe es also die Abgabe auf die eingeführten Erzeugnisse.
[67] 66 Für den Fall, dass das Gericht der Ansicht sein sollte, dass die Anwendung der AGL auf die Einfuhren nach Nordirland "Teil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung ist" und aus diesem Grund nicht als Abgabe zollgleicher Wirkung einzustufen wäre, machen die Klägerinnen geltend, sie verstoße gegen Art. 90 EG.
[68] 67 Sie bringen dazu vor, die außerhalb Nordirlands ansässigen Hersteller hätten keine Möglichkeit, Umweltvereinbarungen abzuschließen, um in den Genuss des 20 %-Satzes der AGL zu kommen. Da die betroffenen Erzeugnisse gleich seien, verstoße diese unterschiedliche Behandlung gegen Art. 90 Abs. 1 EG, indem sie die nordirischen Hersteller vor der Konkurrenz schütze.
[69] 68 Dies stehe nicht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, nach der die Mitgliedstaaten nur dann eine differenzierende Besteuerung für bestimmte Erzeugnisse einführen dürften, wenn die Differenzierung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Die in Rede stehende Beihilferegelung befolge diese Rechtsprechung nicht, denn das Kriterium, das zur Festsetzung der niedrigeren Abgabe diene, gelte definitionsgemäß nur für einheimische Erzeugnisse.
[70] 69 Die Kommission ist zunächst der Ansicht, die Klägerinnen bestimmten die Grundlage ihrer Klage nicht eindeutig. Es sei nicht ohne weiteres festzustellen, ob die Klage auf einen Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG oder gegen Art. 90 EG oder aber gegen alle diese Bestimmungen gestützt werde. Es genüge aber nicht zu behaupten, dass diese Bestimmungen im vorliegenden Fall in Rede stünden, ohne zu begründen, wie jede einzelne von ihnen betroffen sein könne.
[71] 70 Die Kommission betont insoweit u. a., die geltend gemachten Artikel beträfen verschiedene Bereiche, denn Gegenstand der Art. 23 EG und 25 EG sei das Verbot, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung zu erheben, und Art. 90 EG betreffe steuerliche Diskriminierungen von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten. Nach ständiger Rechtsprechung seien die Bestimmungen über Abgaben gleicher Wirkung und diejenigen über diskriminierende inländische Abgaben nicht kumulativ anwendbar, so dass ein und dieselbe Abgabe nicht zugleich in beide Kategorien fallen könne. Da es Sache der Klägerinnen sei, die Bestimmungen, die sie als verletzt ansähen, genau zu benennen, sollte somit nach Ansicht der Kommission ein solch ungenauer und widersprüchlicher Klagegrund im Stadium der Erwiderung nicht ausgeweitet werden dürfen, vor allem nicht mit einem Vorbringen, das so ins Einzelne gehe wie das der Klägerinnen. Allein aus diesem Grund müsse der Klagegrund nach Art. 44 der Verfahrensordnung als unzulässig zurückgewiesen werden
[72] 71 In der Gegenerwiderung macht die Kommission noch geltend, dass das Vorbringen der Klägerinnen, die AGL sei eine Abgabe zollgleicher Wirkung im Sinne des Art. 25 EG, neu und deshalb unter Verstoß gegen Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung eingeführt worden sei.
[73] 72 Für den Fall, dass das Gericht entscheiden sollte, den Klagegrund nicht als unzulässig zurückzuweisen, betont die Kommission zunächst, dass die Art. 23 EG und 25 EG nicht betroffen zu sein schienen, da es in der angefochtenen Entscheidung nicht um einen Einfuhrzoll auf Granulat aus Irland gehe. Die AGL sei keine finanzielle Belastung von eingeführten Erzeugnissen, sondern als Abgabe auf Granulat eine Abgabenbelastung für einen Sektor. Da im vorliegenden Fall die nordirischen Hersteller zumindest 20 % der AGL entrichteten, im Gegenzug dafür aber nichts erhielten, passe der Tatbestand weder auf die Art. 23 EG oder 25 EG noch auf die von den Klägerinnen geltend gemachte Rechtsprechung.
[74] 73 Zu Art. 90 EG vertritt die Kommission sodann die Ansicht, dass der Diskriminierungsvorwurf der Klägerinnen unbegründet sei. Sie unterstreicht, dass eine Diskriminierung nur dann vorliege, wenn unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Sachverhalte angewandt würden. Im vorliegenden Fall gebe es aber weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung.
[75] 74 Im Abgabenkontext bedeute dies, dass eine Steuervergünstigung, die einem Gebietsfremden versagt werde, eine unterschiedliche Behandlung von zwei Kategorien Steuerpflichtiger und damit eine Diskriminierung im Sinne des EG-Vertrags darstellen könne, wenn kein objektiver Unterschied bestehe, mit dem eine solche unterschiedliche Behandlung der beiden Kategorien von Steuerpflichtigen begründet werden könne. Im vorliegenden Fall gebe es aber objektive Gründe, die in der Natur der betroffenen Erzeugnisse, im örtlichen Charakter der fraglichen Industrie und in der Nordirland eigenen Situation lägen.
[76] 75 Hilfsweise weist die Kommission darauf hin, dass eine Differenzierung zwischen Unternehmen in Sachen Abgaben durch die Natur und den allgemeinen Aufbau der betreffenden Regelung gerechtfertigt sein könne. Da die Freistellungsregelung eigens ersonnen sei, um den Schwierigkeiten der Granulatindustrie in Nordirland abzuhelfen, liege es in der Natur des Systems der Freistellungsregelung selbst, dass allein die Unternehmen in Nordirland Umweltverpflichtungen gegenüber den Behörden des Vereinigten Königreichs eingehen könnten.
[77] 76 Dementsprechend ist die Kommission der Auffassung, auf keine ernsthaften Schwierigkeiten gestoßen zu sein, sondern sich im Gegenteil in einer Situation befunden zu haben, in der sie am Ende der Vorprüfphase in der Lage gewesen sei, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die angemeldete Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei.
[78] 77 Der Streithelfer schließt sich den Ausführungen der Kommission an und hält den ersten Klagegrund für nicht hinreichend genau und einer Grundlage entbehrend. Im vorliegenden Fall handele es sich weder um einen Zoll oder eine Abgabe gleicher Wirkung noch um eine diskriminierende inländische Abgabe.
[79] 78 Der Streithelfer fügt hinzu, dass die Teilfreistellung in Höhe von 80 % nicht allen in Nordirland ansässigen Unternehmen zugute komme. Diese Freistellung gelte nur für Unternehmen, die förmlich Vereinbarungen schlössen und einhielten, die dazu dienten, mit Umweltzielen zusammenhängende Verbesserungen zu erzielen. Die Einhaltung der Umweltvereinbarungen impliziere nämlich erhöhte Umsetzungskosten, die durch die Freistellung ausgeglichen würden, während die außerhalb Nordirlands ansässigen Wirtschaftsteilnehmer solche Kosten nicht auf sich nehmen müssten.
[80] 79 Außerdem gelte die im Vereinigten Königreich in diesem Bereich errichtete allgemeine Regelung über innerstaatliche Beiträge gleichermaßen für einheimische wie für eingeführte Erzeugnisse. Die in Irland ansässigen Unternehmen würden daher nicht anders behandelt als die Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich, die keine Kosten im Zusammenhang mit Umweltverbesserungen auf sich nehmen müssten und denen kein Ausgleich im Wege einer teilweisen Freistellung von der AGL zugute komme.
Würdigung durch das Gericht
- Zur Zulässigkeit des ersten Klagegrundes
[81] 80 Die Kommission und der Streithelfer machen erstens geltend, der erste Klagegrund müsse, weil zu ungenau und widersprüchlich, nach Art. 44 der Verfahrensordnung als unzulässig zurückgewiesen werden. Es sei nicht klar, auf welche Bestimmung die Klägerinnen ihre Klage stützten.
[82] 81 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung jede Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Diese Darstellung muss hinreichend klar und deutlich sein, damit der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, über die Klage entscheiden kann. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich, unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (Beschluss des Gerichts vom 25. Juli 2000, RJB Mining/Kommission, T-110/98, Slg. 2000, II-2971, Randnr. 23; Urteil des Gerichts vom 3. Februar 2005, Chiquita Brands u. a./Kommission, T-19/01, Slg. 2005, II-315, Randnr. 64).
[83] 82 Es ist festzustellen, dass die Verwendung des Wortes "oder" in der Klageschrift offenkundig bedeutet, dass die Klägerinnen alternativ einen Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG einerseits und gegen Art. 90 EG andererseits geltend machen.
[84] 83 Diese Angaben in der Klageschrift waren klar und deutlich genug im Sinne des Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung, um der Kommission die Vorbereitung ihrer Verteidigung zu ermöglichen.
[85] 84 In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen klargestellt, dass mit ihrem ersten Klagegrund in erster Linie ein Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG und hilfsweise ein Verstoß gegen Art. 90 EG geltend gemacht werden solle.
[86] 85 Unter diesen Umständen ist der erste Klagegrund als hinreichend klar und deutlich im Sinne des Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung anzusehen.
[87] 86 Die Kommission macht zweitens geltend, dass das Vorbringen der Klägerinnen, die AGL sei eine Abgabe zollgleicher Wirkung im Sinne des Art. 25 EG, erstmals im Stadium der Erwiderung geltend gemacht worden sei. Es sei deshalb neu und folglich unter Verstoß gegen Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung eingeführt worden.
[88] 87 Nach der Rechtsprechung kann, wie sich aus Art. 48 § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung ergibt, ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass es auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind (Beschluss RJB Mining/Kommission, oben in Randnr. 81 angeführt, Randnr. 24). Dagegen ist ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das eine Erweiterung eines zuvor in der Klageschrift unmittelbar oder mittelbar vorgetragenen Klagegrundes darstellt und in engem Zusammenhang mit diesem steht, zulässig (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. März 1999, Hubert/Kommission, T-212/97, Slg. ÖD 1999, I-A-41 und II-185, Randnr. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Beschluss RJB Mining/Kommission, oben in Randnr. 81 angeführt, Randnr. 24).
[89] 88 Hier ist festzustellen, dass die Klageschrift keine unmittelbare Berufung auf Art. 25 EG enthält. Gleichwohl haben die Klägerinnen in der Klageschrift einen Verstoß gegen Art. 23 EG gerügt, da die neue Freistellungsregelung zu einer abgaberechtlichen Diskriminierung führe. Nach Art. 23 Abs. 1 EG ist aber Grundlage der Gemeinschaft eine Zollunion, die sich auf den gesamten Warenaustausch erstreckt. Diese Union umfasst zum einen das Verbot, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzölle sowie Abgaben mit gleicher Wirkung wie solche Zölle zu erheben, und zum anderen die Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern (Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juni 2007, Kommission/Italien, C-173/05, Slg. 2007, I-4917, Randnr. 27).
[90] 89 Folglich ergänzen sich Art. 23 EG, der Zölle untersagt, und Art. 25 EG, der Abgaben zollgleicher Wirkung verbietet, zusammen genommen zwangsläufig zu einem Gesamtverbot (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1962, Kommission/Luxemburg und Belgien, 2/62 und 3/62, Slg. 1962, 869, Kommission/Italien, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 8. November 2007, Stadtgemeinde Frohnleiten und Gemeindebetriebe Frohnleiten, C-221/06, Slg. 2007, I-9643, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das in Rede stehende Vorbringen stellt daher eine Erweiterung eines zuvor vorgebrachten Angriffsmittels dar und ist nach Art. 48 § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung zulässig.
- Zur Begründetheit des ersten Klagegrundes
[91] 90 Aus der oben in Randnr. 57 angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass es einen Anhaltspunkt für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten darstellt, wenn die Prüfung durch die Kommission im Vorprüfungsverfahren unzureichend oder unvollständig war.
[92] 91 Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung räumt zwar das in den Art. 87 EG und 88 EG vorgesehene Verfahren der Kommission einen Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung über die Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilferegelung mit den Anforderungen des Gemeinsamen Marktes ein, es darf jedoch, wie sich aus Sinn und Zweck des EG-Vertrags ergibt, niemals zu einem Ergebnis führen, das zu den besonderen Vorschriften des EG-Vertrags im Widerspruch steht (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 21. Mai 1980, Kommission/Italien, 73/79, Slg. 1980, 1533, Randnr. 11, und vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C-156/98, Slg. 2000, I-6857, Randnr. 78, sowie Urteil des Gerichts vom 31. Januar 2001, Weyl Beef Products u. a./Kommission, T-197/97 und T-198/97, Slg. 2001, II-303, Randnr. 75). Diese Verpflichtung der Kommission, den Zusammenhang zwischen den Art. 87 EG und 88 EG und den sonstigen Vorschriften des EG-Vertrags zu beachten, gilt ganz besonders dann, wenn diese anderen Vorschriften ebenfalls das Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes verfolgen wie im vorliegenden Fall die Art. 23 EG und 25 EG einerseits oder Art. 90 EG andererseits, die den freien Warenverkehr und den Wettbewerb zwischen inländischen Erzeugnissen und eingeführten Erzeugnissen wahren sollen. Trifft die Kommission nämlich eine Entscheidung über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt, so darf sie über die von einzelnen Wirtschaftsteilnehmern ausgehende Gefahr einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes nicht hinwegsehen (Urteil Matra/Kommission, oben in Randnr. 55 angeführt, Randnrn. 42 und 43).
[93] 92 Daher kann eine staatliche Beihilfe, die wegen bestimmter Modalitäten gegen andere Bestimmungen des EG-Vertrags verstößt, von der Kommission nicht für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden (Urteil vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 91 angeführt, Randnr. 78, und Urteil Portugal/Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnr. 41). Die Kommission muss ferner bei der Entscheidung über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt die Bedingungen des Marktes einschließlich derjenigen im Bereich des Steuerrechts berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Mai 1980, Kommission/Italien, oben in Randnr. 91 angeführt, Randnr. 11, und Portugal/Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnr. 42). Daraus folgt, dass nach dem System des EG-Vertrags eine Beihilfe in Form einer steuerlichen Diskriminierung von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten durch einen Mitgliedstaat nicht eingeführt oder genehmigt werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 27. Mai 1981, Essevi und Salengo, 142/80 und 143/80, Slg. 1981, 1413, Randnr. 28).
[94] 93 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hängt aber die Rechtmäßigkeit bestimmter Steuerbefreiungen oder -ermäßigungen, insbesondere wenn sie die Aufrechterhaltung von Produktionen oder Betrieben erlauben sollen, die ohne diese besonderen Steuervergünstigungen wegen des Anstiegs der Produktionskosten nicht mehr rentabel wären, davon ab, dass die Mitgliedstaaten diese Möglichkeiten, wenn sie sich ihrer bedienen, in nicht diskriminierender und nicht schützender Weise auch auf eingeführte Erzeugnisse in gleicher Lage anwenden (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 27. Februar 1980, Kommission/Frankreich, 168/78, Slg. 1980, 347, Randnr. 16, vom 30. Oktober 1980, Schneider-Import, 26/80, Slg. 1980, 3469, Randnr. 9, und vom 18. April 1991, Kommission/Griechenland, C-230/89, Slg. 1991, I-1909, Randnr. 12).
[95] 94 Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die neue Regelung zur Freistellung von der AGL in Nordirland in der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung gebilligten Form bewirke eine abgaberechtliche Diskriminierung unter Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG oder Art. 90 EG, was ernsthafte Schwierigkeiten begründe.
[96] 95 Somit ist vom Gericht zu untersuchen, ob die behauptete abgaberechtliche Diskriminierung ein Indiz für das Vorliegen ernsthafter Schwierigkeiten darstellt, wobei zu überprüfen ist, ob die Kommission im Rahmen der Würdigung der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilferegelung das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einleiten musste, um die Kohärenz zwischen den Art. 87 EG und 88 EG und entweder den Art. 23 EG und 25 EG oder Art. 90 EG zu prüfen.
[97] 96 Dazu ist zunächst festzustellen, dass die mit der angefochtenen Entscheidung gebilligte neue Regelung zur Freistellung von der AGL als Abgabebefreiung eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 EG darstellt, was im Übrigen zwischen den Parteien unstreitig ist.
[98] 97 Außerdem ist festzustellen, dass die Kommission auf dieser Grundlage die Freistellung von der AGL in der angefochtenen Entscheidung mit Blick auf den Gemeinschaftsrahmen geprüft hat. In diesem Zusammenhang sah sie die AGL als bestehende Abgabe an und hielt die in Ziffer 51. 2 des Gemeinschaftsrahmens beschriebenen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Ziffer 51. 1 des Gemeinschaftsrahmens auf eine solche Abgabe für erfüllt. Sodann sah sie die vom Gemeinschaftsrahmen vorgesehenen Voraussetzungen, insbesondere diejenige der Zahlung eines wesentlichen Teils der Abgabe durch die von der Freistellung Begünstigten, als erfüllt an. Die Kommission folgerte daraus auf die Vereinbarkeit der Freistellung von der AGL mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG.
[99] 98 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass, was im Übrigen ebenso unstreitig ist, die Frage der angeblichen abgaberechtlichen Diskriminierung, die sich aus einem Verstoß gegen die Art. 23 EG und 25 EG oder gegen Art. 90 EG ergeben soll, in der angefochtenen Entscheidung, die keinen Bezug auf die Anwendung einer dieser Bestimmungen nimmt, nicht angesprochen wurde.
[100] 99 Es kann jedoch nicht abgestritten werden, dass die in Nordirland eingeführte und mit der angefochtenen Entscheidung gebilligte neue Freistellungsregelung zur Folge hat, dass auf Virgingranulat, das in Nordirland von Herstellern abgebaut wird, die eine Umweltvereinbarung geschlossen haben, 20 % des Satzes der AGL (0, 32 GBP pro Tonne) erhoben werden, während gleiche Erzeugnisse, die aus Irland eingeführt werden, mit dem vollen Satz der AGL (1, 60 GBP pro Tonne) belegt werden. Somit ergibt sich aus der allgemeinen Regelung der AGL insgesamt sowie aus der mit der angefochtenen Entscheidung gebilligten Freistellungsregelung für Nordirland, dass gleiche Erzeugnisse unterschiedlich belastet werden.
[101] 100 Auch können die in Irland ansässigen Granulathersteller nach dem Recht des Vereinigten Königreichs keine Umweltvereinbarung schließen, wie von der Kommission und dem Vereinigten Königreich in der mündlichen Verhandlung erläutert worden ist. Die irischen Granulathersteller haben keine anderen Möglichkeiten in den Genuss der Freistellung von der AGL zu kommen, indem sie beispielsweise darlegten, dass ihre Tätigkeit den Umweltvereinbarungen entspricht, die die Granulathersteller in Nordirland schließen können.
[102] 101 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass BAA in ihrer Beschwerde geltend gemacht hatte, dass die fragliche Beihilferegelung nur auf den Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der Granulathersteller in Nordirland abziele. BAA hatte auch hervorgehoben, dass die neue Freistellungsregelung geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten erheblich zu verfälschen und zu beeinträchtigen, und dass sie keineswegs gemäß Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein könne.
[103] 102 Nach alledem konnte die Kommission, da sie in der angefochtenen Entscheidung die Frage einer etwaigen abgaberechtlichen Diskriminierung zwischen den fraglichen einheimischen Erzeugnissen und den aus Irland eingeführten Erzeugnissen nicht geprüft hat, die Entscheidung, keine Einwände gegen die von den Behörden des Vereinigten Königreichs angemeldete Freistellung von der AGL zu erheben, nicht rechtmäßig auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 erlassen.
[104] 103 Unter diesen Umständen ist die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, ohne dass die weiteren Klagegründe der Klägerinnen geprüft zu werden brauchten.
Kosten
[105] 104 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerinnen deren Kosten aufzuerlegen.
[106] 105 Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt daher seine eigenen Kosten.
* Verfahrenssprache: Englisch.