Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 29. 9. 2010 – AnwZ (B) 80/09; AGH Hamburg (lexetius.com/2010,4739)

[1] Der Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, den Richter Dr. Schmidt- Räntsch, die Richterin Lohmann und die Rechtsanwälte Prof. Dr. Stüer und Prof. Dr. Quaas am 29. September 2010 beschlossen:
[2] Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und den Antragstellern und den Beigeladenen zu 1 bis 7 und 9 die ihnen im Verfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten. Der Beigeladene zu 8 trägt seine außergerichtlichen Auslagen selbst.
[3] Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 10.000 € festgesetzt.
[4] Gründe: I. Die Antragsteller haben die Neuwahl von neun Mitgliedern des aus bisher 23 Mitgliedern bestehenden Vorstands der Antragsgegnerin in der Kammerversammlung am 22. Mai 2007 (fortan Vorstandswahl 2007) wegen des von der Antragsgegnerin damals praktizierten Wahlturnus angefochten. Bei der Antragsgegnerin wurden bislang nicht alle zwei Jahre zwölf bzw. elf Mitglieder ihres Vorstands neu gewählt, sondern jeweils im ersten Jahr zwei, im zweiten Jahr neun, im dritten Jahr sechs und im vierten Jahr sechs Mitglieder. Der Anwaltsgerichtshof hat die Vorstandswahl 2007 für ungültig erklärt. Gegen seinen Beschluss hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 8. Februar 2010 (AnwZ (B) 80/09 – BRAK- Mitt. 2010, 169) hin haben sämtliche Mitglieder des Vorstands der Antragsgegnerin ihr Vorstandsamt niedergelegt. Auf einer Kammerversammlung am 27. April 2010 ist der Vorstand der Antragsgegnerin insgesamt neu gewählt worden. Von den vorgesehenen 24 Vorstandsämtern sind dabei 21 neu besetzt worden, und zwar zehn mit einer Amtszeit von vier Jahren und elf mit einer Amtszeit von zwei Jahren. Die übrigen drei Vorstandsämter blieben unbesetzt, weil nur 21 Kandidatinnen und Kandidaten die erforderlichen Mehrheiten fanden. Die Beteiligten haben das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
[5] II. Über die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens ist nach § 215 Abs. 3 BRAO i. V. m. §§ 91 Abs. 7, 40 Abs. 4 BRAO a. F., § 13a FGG a. F. und § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen zu 8 die Kosten aufzuerlegen und ihnen die Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Antragsteller, nicht dagegen auch die der Beigeladenen zu 1 bis 7 und 9, aufzugeben.
[6] 1. Die Wahlanfechtung hat ihr sachliches Ziel, die Rückkehr zum gesetzlichen Turnus von zwei Jahren, erreicht. Das von der Antragsgegnerin bislang praktizierte Verfahren bei der Neuwahl ihres Vorstands stand mit § 68 Abs. 2 BRAO nicht in Einklang (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2010 – AnwZ (B) 80/09, aaO Rn. 5). Ohne die mit der Neukonstituierung des Vorstands der Antragsgegnerin erreichte oder eine andere Form der Umstellung dieses Verfahrens wäre die Wahl voraussichtlich auch für ungültig erklärt worden (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2010 – AnwZ (B) 80/09, aaO S. 172 Rn. 27). Denn dann hätte keine Aussicht bestanden, dass ein den gesetzlichen Vorgaben entsprechender Wahlturnus anders als durch eine Ungültigerklärung der angefochtenen Vorstandswahl 2007 der Antragsgegnerin hergestellt worden wäre. Das spricht dafür, der Antragsgegnerin in Anlehnung an § 201 Abs. 3 BRAO a. F. die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und ihr in Anlehnung an § 91 Abs. 7 BRAO a. F. i. V. m. § 40 Abs. 4 BRAO a. F. und § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG a. F. die Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Antragsteller aufzugeben.
[7] 2. Eine andere Entscheidung lässt sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht damit rechtfertigen, sie habe keine andere Wahl gehabt, als Beschwerde einzulegen und eine höchstrichterliche Entscheidung herbeizuführen. Das trifft nicht zu. Dass der von der Antragsgegnerin seinerzeit praktizierte Turnus nicht den Vorgaben des § 68 BRAO entsprach, konnte nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Es war auch klar, dass es einen Weg geben musste, sich künftig an das Gesetz zu halten, und dass das Gesetz die Antragsgegnerin nicht auf Dauer daran hindern konnte, eben dieses Gesetz einzuhalten. Es hätte deshalb nahe gelegen, den bereits vor der Wahl erhobenen Bedenken zunächst nachzugehen. Es drängte sich auch nicht auf, gegen die in Ergebnis und Begründung überzeugende Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs ein Rechtsmittel einzulegen, die zudem auch schon einen Hinweis auf den später von dem Senat aufgezeigten Weg enthielt, wie eine Rückkehr zu dem gesetzlich vorgeschriebenen Turnus technisch zu erreichen war.
[8] 3. Billigem Ermessen entspricht es auch, der Antragsgegnerin die Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Auslagen der – entsprechend § 62 Abs. 2 VwGO am Verfahren zu beteiligenden – Beigeladenen zu 1 bis 7 und 9 aufzugeben. Das ist bei dem Beigeladenen zu 8 nicht gerechtfertigt, weil er selbst und wie die Antragsgegnerin in der Sache erfolglos sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Anwaltsgerichtshofs eingelegt hat.