Bundesgerichtshof
BGB § 138
Ein Rechtsgeschäft, welches die Parteien in der Absicht schließen, einen Dritten zu schädigen, erfüllt nicht den Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB, wenn es für den Dritten objektiv nicht nachteilig ist.

BGH, Urteil vom 28. 10. 2011 – V ZR 212/10; OLG Oldenburg (lexetius.com/2011,5683)

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterin Dr. Brückner für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 5. Oktober 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[1] Tatbestand: Mit notariellem Vertrag vom 18. Dezember 2001 verpflichtete sich der Beklagte, ein Grundstück unentgeltlich an seinen Sohn, den Kläger, zu übertragen. In dem Vertrag wurde die Auflassung erklärt sowie die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch bewilligt und beantragt. Hintergrund des Vertrages war ein – inzwischen abgeschlossenes – Scheidungs- und Unterhaltsverfahren zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau, in dem unklar war, ob und inwieweit der Grundbesitz des Beklagten bzw. Mieteinnahmen hieraus für Zugewinn- und Unterhaltsansprüche von Bedeutung sein würden.
[2] Durch schriftliche Erklärung vom 20. Dezember 2001 widerriefen die Parteien gegenüber dem Notar den Auftrag zum Vollzug des Vertrages. Sie wiesen den Notar an, den Vertrag erst auf erneute gemeinsame Weisung hin zu vollziehen.
[3] Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Durchführung des Übertragungsvertrages. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
[4] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht meint, der Kläger könne die Übertragung des Grundstücks nicht verlangen, weil der Vertrag vom 18. Dezember 2001 nach § 138 BGB sittenwidrig sei. Die Parteien hätten bewusst zum Nachteil der Ehefrau des Beklagten zusammengewirkt, um deren Zugewinn- bzw. Unterhaltsansprüche zu schmälern. Unabhängig davon habe der Kläger auch deshalb keinen Anspruch auf Vollzug des Übertragungsvertrages, weil dieser von den Parteien bis zu einer gemeinsamen – bislang nicht erfolgten – Anweisung an den Notar zurückgestellt worden sei.
[5] II. Die Revision ist begründet.
[6] 1. Es kann offen bleiben, ob das Berufungsurteil schon deswegen aufgehoben werden muss, weil den Parteien eine mit der Urschrift übereinstimmende Fassung des Urteils bislang nicht zugestellt worden ist. Die Abweichungen zwischen der sich in der Gerichtsakte befindlichen beglaubigten Abschrift der Urschrift und der von dem Kläger eingereichten – und hier zugrunde gelegten – Urteilsfassung legen dies allerdings nahe.
[7] 2. Das Berufungsurteil ist jedenfalls in der Sache von Rechtsfehlern beeinflusst.
[8] a) Zu Unrecht hält das Berufungsgericht den Übertragungsvertrag vom 18. Dezember 2001 für unwirksam.
[9] aa) Richtig ist allerdings, dass der Vertrag nicht als Scheingeschäft nichtig ist. Ein Scheingeschäft (§ 117 Abs. 1 BGB) setzt voraus, dass das Vereinbarte nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien keine Geltung haben soll (Senat, Urteil vom 5. Juli 2002 – V ZR 229/01, NJW-RR 2002, 1527). So liegt es hier nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts diente der Vertrag dazu, das Vermögen des Beklagten um das Grundstück und die Einnahmen daraus zu verringern, um so die Grundlage für Zugewinn- und Unterhaltsansprüche seiner Ehefrau zu schmälern. Dieses Ziel konnte nur erreicht werden, wenn das Grundstück tatsächlich, also nicht nur zum Schein, auf den Kläger übertragen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 – XII ZR 156/90, NJW-RR 1993, 367).
[10] bb) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, der Übertragungsvertrag sei sittenwidrig. Zwar verstößt ein Vertrag, durch den die Vertragsparteien einen Dritten bewusst schädigen, gegen die guten Sitten und ist deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig (BGH, Urteil vom 18. März 1996 – II ZR 10/95, NJW-RR 1996, 869). Hierzu reicht eine gemeinsame Schädigungsabsicht (subjektiver Tatbestand) aber nicht aus. Erforderlich ist außerdem, dass der Vertrag die Rechtsstellung des Dritten tatsächlich verschlechtert (objektiver Tatbestand).
[11] Ein für den Dritten objektiv nicht nachteiliges Rechtsgeschäft erfüllt den Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB nicht (vgl. Soergel/Hefermehl, BGB 12. Aufl., § 138 Rn. 29).
[12] (1) Feststellungen dazu, ob sich die Grundstücksübertragung auf die Rechtsstellung der Ehefrau des Beklagten im Scheidungsverfahren auswirken konnte, sind von dem Berufungsgericht nicht getroffen worden. Hierzu bestand jedoch Anlass, da es sich keineswegs von selbst versteht, dass eine Verringerung des Vermögens des Beklagten nachteiligen Einfluss auf die Zugewinn- und Unterhaltsansprüche seiner Ehefrau haben würde. Zum einen konnte die Übertragung des Grundstücks den Anspruch nicht schmälern, wenn der Vertrag zeitlich nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags und damit nach dem für die Berechnung des Endvermögens der Ehegatten maßgeblichen Zeitpunkt geschlossen worden sein sollte (§ 1384 BGB). Zum anderen wäre wegen der Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts auch eine frühere Übertragung für die Berechnung des Zugewinnanspruchs ohne nachteilige Folgen gewesen. Denn nach § 1375 Abs. 2 Nr. 1 BGB wird dem Endvermögen eines Ehegatten der Betrag hinzugerechnet, um den dessen Vermögen dadurch vermindert worden ist, dass er nach Eintritt des Güterstands unentgeltliche Zuwendungen gemacht hat, durch die er nicht einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen hat. Darüber hinaus hat der Kläger vorgetragen, dass die Eheleute den Zugewinnausgleich bereits durch einen notariellen Vertrag vom 25. Juli 2001 (richtig: 25. Juli 2000) geregelt hatten. Träfe dies zu, wäre die zeitlich später erfolgte Grundstücksübertragung auch aus diesem Grund nicht geeignet gewesen, Ansprüche der Ehefrau zu schmälern.
[13] Ebenso wenig hat sich das Berufungsgericht mit dem Vortrag des Klägers befasst, das ihm übertragene und von ihm bewohnte Grundstück habe damals und in absehbarer Zukunft keine Nettoerträge erbracht, weil mit der von ihm an den Beklagten gezahlten Miete Kredite bedient worden seien, die für eine Erweiterung des auf dem Grundstück befindlichen Wohnhauses aufgenommen worden waren. Erwiese sich dieser Vortrag als richtig, konnte sich der Übertragungsvertrag auch nicht nachteilig auf die Berechnung eines möglichen Unterhaltsanspruchs der Ehefrau auswirken.
[14] (2) Feststellungen dazu, ob das Rechtsgeschäft der Parteien geeignet war, sich nachteilig auf die Rechtsstellung der Ehefrau des Beklagten auszuwirken, erübrigten sich nicht deshalb, weil das Grundstück infolge einer Übertragung auf den Kläger jedenfalls als Haftungsobjekt für nacheheliche Ansprüche aus dem Vermögen des Beklagten ausgeschieden wäre. Ein Rechtsgeschäft, das ein Schuldner in der dem anderen Teil bekannten Absicht vornimmt, den Vollstreckungszugriff auf sein Vermögen zu vereiteln oder zu erschweren, ist nämlich nicht nichtig, sondern nur nach den Bestimmungen über die Gläubigeranfechtung anfechtbar (vgl. § 3 AnfG). Als speziellere Regelungen gehen diese Bestimmungen der Vorschrift des § 138 BGB grundsätzlich vor (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1971 – II ZR 176/68, BGHZ 56, 339, 355; BGH, Urteil vom 13. Juli 1995 – IX ZR 81/94, BGHZ 130, 314, 331; BGH, Urteil vom 23. April 2002 – XI ZR 136/01, WM 2002, 1186 Rn. 33 mwN).
[15] b) Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die Annahme des Berufungsgerichts, einem Anspruch des Klägers auf Vollzug des Übertragungsvertrages stehe jedenfalls die privatschriftliche Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 entgegen, ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
[16] Richtig ist zwar, dass es der Vereinbarung nicht an der erforderlichen Form mangelt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedürfen Änderungen eines Grundstückskaufvertrages, die – wie hier – der Auflassung zeitlich nachfolgen, nicht der Form des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB (Senat, Urteil vom 28. September 1984 – V ZR 43/83, NJW 1985, 266 mwN).
[17] Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht die bereits erstinstanzlich unter Beweisantritt aufgestellte Behauptung des Klägers unberücksichtigt gelassen hat, der Vollzug des Übertragungsvertrages sei nur für einen absehbaren Zeitraum zurückgestellt worden, nämlich solange, bis abzusehen war, dass der neu eingerichtete Betrieb des Klägers gut lief und das Grundstück deshalb nicht aufgrund geschäftlicher Risiken verloren zu gehen drohte. Dieser in der Berufungsinstanz in Bezug genommene Vortrag des Klägers ist erheblich. Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, ergibt sich aus der schriftlichen Vereinbarung vom 20. Dezember 2001 nämlich nicht, dass es im Belieben des Beklagten stehen sollte, ob und wann der Vertrag vollzogen wird. Deren Inhalt erschöpft sich in dem Widerruf des dem Notar ursprünglich erteilten Vollzugsauftrags und in der Anweisung an den Notar, den Vollzug bis zu einer erneuten gemeinsamen Anweisung zurückzustellen. Darüber, was die Parteien zur Abgabe dieser Erklärungen bewogen hat bzw. welche – formlos möglichen – Vereinbarungen sie in diesem Zusammenhang getroffen haben, verhält sich die Urkunde nicht; sie steht daher nicht in Widerspruch zu der von dem Kläger aufgestellten Behauptung.
[18] III. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Dieses wird zunächst klären müssen, ob den Parteien bislang nur ein Urteilsentwurf zugestellt worden ist.
[19] In der Sache ist die Frage, ob der Übertragungsvertrag gegen die guten Sitten verstößt, erneut zu prüfen. Zu einer Unwirksamkeit des Vertrages könnte ferner die von dem Beklagten der Sache nach behauptete Treuhandabrede führen. Ging die ursprüngliche Vereinbarung der Parteien dahin, dass der Kläger das Grundstück nach Abschluss des Scheidungsverfahrens des Beklagten an diesen zurückübertragen sollte, hätte diese Abrede, weil sie mit dem Kaufvertrag untrennbar verknüpft war, mitbeurkundet werden müssen (§ 313 Satz 1 BGB aF; vgl. Senat, Urteil vom 9. Juli 1993 – V ZR 144/91, NJW-RR 1993, 1421). Darlegungs- und beweispflichtig für eine entsprechende Abrede ist der Beklagte.
[20] Sollte sich der Vertrag als wirksam erweisen, muss der Behauptung des Klägers nachgegangen werden, dass dessen Vollzug nach einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung nur solange zurückgestellt werden sollte, wie bei dem Kläger die Gefahr eines Verlusts des Grundstücks infolge geschäftlicher Risiken bestand, und dass diese Gefahr heute nicht mehr gegeben ist.