Europäischer Gerichtshof
"Befristeter Arbeitsvertrag – Richtlinie 1999/70/EG – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Rolle des nationalen Richters"
Paragraf 5 Nr. 1 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass der Begriff "enger sachlicher Zusammenhang zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber" in § 14 Abs. 3 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vom 21. Dezember 2000 auf Sachverhalte anzuwenden ist, in denen einem befristeten Vertrag nicht unmittelbar ein unbefristeter Vertrag mit demselben Arbeitgeber vorausgegangen ist und zwischen diesen Verträgen ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, wenn während dieser gesamten Zeit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis für dieselbe Tätigkeit und mit demselben Arbeitgeber durch eine ununterbrochene Folge befristeter Verträge fortgeführt worden ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts im Rahmen des Möglichen im Einklang mit Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung auszulegen.

EuGH, Urteil vom 10. 3. 2011 – C-109/09 (lexetius.com/2011,570)

[1] In der Rechtssache C-109/09 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. Oktober 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 23. März 2009, in dem Verfahren Deutsche Lufthansa AG gegen Gertraud Kumpan erlässt DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas und U. Lõhmus sowie der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin), Generalanwältin: V. Trstenjak, Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2010, unter Berücksichtigung der Erklärungen – der Deutschen Lufthansa AG, vertreten durch Rechtsanwältinnen K. Streichardt und A.-C. Ebener, – von Frau Kumpan, vertreten durch Rechtsanwalt A. Dittmann, – der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte, – der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte, – Irlands, vertreten durch D. O'Hagan und N. Donnelly als Bevollmächtigte, – der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Grave als Bevollmächtigte, – der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth als Bevollmächtigten im Beistand von D. Wyatt, QC, – der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil (*):
[2] 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Verbots der Altersdiskriminierung, der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16) und der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175, S. 43).
[3] 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Deutschen Lufthansa AG (im Folgenden: Lufthansa) und Gertraud Kumpan über den zwischen ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrag (im Folgenden: streitiger Vertrag).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
[4] 3 Den Erwägungsgründen 3, 6, 7, 13 bis 15 und 17 der Richtlinie 1999/70 sowie den ersten drei Absätzen der Präambel und den Nrn. 3, 5 bis 8 und 10 der Allgemeinen Erwägungen der am 18. März 1999 zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen (EGB, UNICE und CEEP) geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) im Anhang dieser Richtlinie ist Folgendes zu entnehmen:
- Die Verwirklichung des Binnenmarkts muss zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft führen, und zwar durch eine Angleichung dieser Bedingungen auf dem Wege des Fortschritts, namentlich in Bezug auf andere Arbeitsformen als das unbefristete Arbeitsverhältnis, um ein besseres Gleichgewicht zwischen der Flexibilität der Arbeitszeit und der Sicherheit der Arbeitnehmer zu erreichen.
- Diese Ziele können auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden, so dass es angemessen erschien, auf eine gesetzlich bindende Gemeinschaftsmaßnahme zurückzugreifen, die in enger Zusammenarbeit mit den repräsentativen Sozialpartnern erarbeitet worden ist.
- Die Unterzeichnerparteien der Rahmenvereinbarung erkennen an, dass unbefristete Verträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses darstellen und weiter darstellen werden, da sie zur Lebensqualität der betreffenden Arbeitnehmer und zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit beitragen, dass jedoch befristete Beschäftigungsverträge unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entsprechen.
- Die Rahmenvereinbarung legt die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge nieder und schafft damit vor allem einen allgemeinen Rahmen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichern und den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge verhindern soll, wobei es den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern überlassen bleibt, die Anwendungsmodalitäten dieser Grundsätze und Vorschriften im Einzelnen zu definieren, um so die besonderen Gegebenheiten der jeweiligen nationalen, sektoralen und saisonalen Situation zu berücksichtigen.
- Deshalb war nach Ansicht des Rates der Europäischen Union der geeignete Rechtsakt zur Durchführung dieser Rahmenvereinbarung eine Richtlinie, da sie für die Mitgliedstaaten hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, ihnen jedoch die Wahl der Form und der Mittel überlässt.
- Was konkret die Begriffe betrifft, die in der Rahmenvereinbarung verwendet, dort jedoch nicht genau definiert werden, so überlässt es die Richtlinie 1999/70 den Mitgliedstaaten, diese entsprechend ihrem nationalen Recht und/oder ihrer nationalen Praxis zu präzisieren, vorausgesetzt, sie halten sich dabei an die Rahmenvereinbarung.
- Nach Ansicht der Unterzeichnerparteien der Rahmenvereinbarung hilft die aus objektiven Gründen erfolgende Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge, Missbrauch zulasten der Arbeitnehmer zu vermeiden.
[5] 4 Mit der Richtlinie 1999/70 soll nach ihrem Art. 1 die Rahmenvereinbarung durchgeführt werden.
[6] 5 Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
"Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens am 10. Juli 2001 nachzukommen, oder vergewissern sich spätestens zu diesem Zeitpunkt, dass die Sozialpartner im Wege einer Vereinbarung die erforderlichen Vorkehrungen getroffen haben; dabei haben die Mitgliedstaaten alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch die Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden …"
[7] 6 Nach ihrem Paragraf 1 soll die Rahmenvereinbarung
"… a) durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern;
b) einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse verhindert."
[8] 7 Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung sieht vor:
"1. Um Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, ergreifen die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:
a) sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;
b) die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinander folgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse;
c) die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse. …"
Nationales Recht
Rechtsvorschriften zur Befristung von Arbeitsverträgen
[9] 8 Die Umsetzung der Richtlinie 1999/70 in deutsches Recht erfolgte mit dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge vom 21. Dezember 2000 (BGBl. 2000 I S. 1966, im Folgenden: TzBfG). Dieses Gesetz ist am 1. Januar 2001 in Kraft getreten.
[10] 9 § 14 TzBfG bestimmte:
"(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn
- der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
- die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
- der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
- die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
- die Befristung zur Erprobung erfolgt,
- in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
- der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
- die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.
(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
(3) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt.
(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform."
[11] 10 Mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. 2002 I S. 4607) wurde § 14 Abs. 3 TzBfG geändert. Die Neufassung, die am 1. Januar 2003 in Kraft trat, sah vor:
"Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf keines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat. Die Befristung ist nicht zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt. Bis zum 31. Dezember 2006 ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des 58. Lebensjahres das 52. Lebensjahr tritt."
[12] 11 Das Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen wurde am 19. April 2007 verabschiedet. Mit seinem Inkrafttreten am 1. Mai 2007 wurde § 14 Abs. 3 TzBfG neu gefasst.
Tarifvertrag
[13] 12 § 19 des Manteltarifvertrags Nr. 1 für das Kabinenpersonal der Lufthansa (MTV Nr. 1 Kabine, im Folgenden: Tarifvertrag) bestimmt:
"Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Altersgrenze
(1) Das Arbeitsverhältnis endet – ohne dass es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird.
(2) Das Arbeitsverhältnis des Kabinenmitarbeiters kann bei körperlicher und beruflicher Eignung in beiderseitigem Einvernehmen über das 55. Lebensjahr hinaus verlängert werden.
Wird das Arbeitsverhältnis des Kabinenmitarbeiters verlängert, so endet es – ohne dass es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Kabinenmitarbeiter ein weiteres Lebensjahr vollendet hat. Eine wiederholte Verlängerung ist zulässig. In jedem Fall endet das Arbeitsverhältnis – ohne dass es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Kabinenmitarbeiter das 60. Lebensjahr vollendet hat.
(3) Kabinenmitarbeiter können nach Erreichen der Altersgrenze, wenn und so lange sie noch voll leistungsfähig sind, in einer anderen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft weiter beschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Bordmitarbeiter kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht weder auf Seiten der [Lufthansa] noch auf Seiten des Kabinenmitarbeiters."
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
[14] 13 Frau Kumpan wurde am 12. April 1945 geboren. Sie trat am 15. März 1971 als Flugbegleiterin in den Dienst der Fluggesellschaft PanAmerican World Airways Inc. (im Folgenden: PanAm).
[15] 14 Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung übernahm Lufthansa im Rahmen des Erwerbs der Vermögenswerte der PanAm einen Teil der Mitarbeiter der PanAm, darunter Frau Kumpan. Frau Kumpan und Lufthansa schlossen am 15. März 1991 einen Arbeitsvertrag, in den die Bestimmungen des Tarifvertrags, einschließlich § 19 betreffend die Altersgrenzen für das Kabinenpersonal, einbezogen wurden.
[16] 15 Zum 1. Mai 1991 wurde Frau Kumpan in das Lufthansa-Kabinenpersonal aufgenommen.
[17] 16 Am 12. April 2000 vollendete Frau Kumpan ihr 55. Lebensjahr. Von diesem Zeitpunkt an schloss sie nach Angaben des vorlegenden Gerichts jährlich gemäß § 19 des Tarifvertrags einen neuen befristeten Arbeitsvertrag über die Beschäftigung als Flugbegleiterin in Teilzeit für den Zeitraum von einem Jahr.
[18] 17 Der streitige Vertrag wurde am 23. Januar 2004, dem Jahr, in dem Frau Kumpan ihr 59. Lebensjahr vollendete, geschlossen. Dieser Vertrag, der eine Laufzeit von einem Jahr hatte, sollte am 30. April 2005, dem letzten Tag des Monats, in dem sie ihr 60. Lebensjahr vollendete, auslaufen.
[19] 18 Mit Schreiben vom 25. November 2004 bat Frau Kumpan erfolglos um eine Verlängerung ihres Arbeitsvertrags über den 30. April 2005 hinaus.
[20] 19 Am 13. April 2005 erhob Frau Kumpan beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main Klage auf Weiterbeschäftigung bei Lufthansa; sie vertrat die Auffassung, dass die Befristung zum 30. April 2005 unwirksam sei. Sie machte zum einen geltend, dass die in § 19 Abs. 2 des Tarifvertrags enthaltene Altersgrenze von 60 Jahren für das Kabinenpersonal nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt sei. Zum anderen verstoße § 14 Abs. 3 TzBfG in seiner bei Abschluss des streitigen Vertrags geltenden Fassung gegen das Unionsrecht und dürfe somit nicht auf ihren Fall angewandt werden.
[21] 20 Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht hob auf die Berufung das erstinstanzliche Urteil auf. Lufthansa legte beim Bundesarbeitsgericht Revision ein und beantragt die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
[22] 21 In der Vorlageentscheidung führt das Bundesarbeitsgericht aus, es habe mit Urteil vom 31. Juli 2002 entschieden, dass eine in einem Tarifvertrag für Kabinenpersonal enthaltene Klausel über die automatische Beendigung von Arbeitsverhältnissen, sobald der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet habe, nicht sachlich gerechtfertigt sei. Dies ergebe sich daraus, dass anders als bei Cockpitpersonal Fälle, in denen der altersbedingte Ausfall eines Mitglieds des Kabinenpersonals die Flugpassagiere und das Flugpersonal in ernste Gefahr bringen könnten, derart theoretisch und unwahrscheinlich seien, dass sie nicht geeignet seien, zur Rechtfertigung einer generellen Altersgrenze von 55 Jahren für diese Arbeitnehmergruppe zu dienen.
[23] 22 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts lässt sich dieses Ergebnis auf die in § 19 Abs. 2 des Tarifvertrags festgelegte Altersgrenze von 60 Jahren übertragen. Die Gefährdung der Luftverkehrssicherheit durch das Alter des Kabinenpersonals werde nur im Fall der Noträumung eines Flugzeugs relevant. Zudem gebe es anders als beim Cockpitpersonal auf dem Gebiet der Luftverkehrssicherheit keine nationale oder internationale Regelung, die ein Höchstalter für das Kabinenpersonal vorsehe. Demnach könnten sich die Tarifvertragsparteien für die Rechtfertigung ihrer Beurteilung über eine mögliche Gefährdungslage durch das nachlassende Leistungsvermögen aufgrund des Alters des Kabinenpersonals auf keine internationale Norm berufen.
[24] 23 Folglich sei weder die Befristung des Arbeitsvertrags vom 23. Januar 2004 noch die in § 19 Abs. 2 des Tarifvertrags vorgesehene Altersgrenze durch einen sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt.
[25] 24 Das Bundesarbeitsgericht ist zudem der Auffassung, dass § 14 Abs. 2 TzBfG auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar sei.
[26] 25 Der Abschluss des streitigen Vertrags könne daher nur nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG gerechtfertigt sein, wenn ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen diesem Vertrag und einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber nicht bestehe.
[27] 26 In Anbetracht des Urteils vom 22. November 2005, Mangold (C-144/04, Slg. 2005, I-9981), hat das vorlegende Gericht aber Zweifel an der Vereinbarkeit des § 14 Abs. 3 TzBfG mit den Bestimmungen des Unionsrechts über Altersdiskriminierung und an seiner Anwendbarkeit auf den Ausgangsrechtsstreit.
[28] 27 Ebenso hat es Zweifel an der Vereinbarkeit des § 14 Abs. 3 TzBfG mit Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, der Arbeitnehmer vor Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse schützen soll.
[29] 28 Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Sind Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 und/oder die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts so auszulegen, dass sie einer am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Regelung des nationalen Rechts entgegenstehen, wonach befristete Arbeitsverträge ohne weitere Voraussetzungen mit Arbeitnehmern vereinbart werden können, nur weil diese das 58. Lebensjahr vollendet haben?
2. Ist Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin gehend auszulegen, dass er einer Regelung des nationalen Rechts entgegensteht, die ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt eine uneingeschränkte Anzahl aufeinanderfolgender sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge zulässt, nur weil der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet hat und nicht zu einem vorangegangenen unbefristeten Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht?
3. Für den Fall, dass die Fragen 1 und/oder 2 bejaht werden:
Haben die nationalen Gerichte die Vorschrift des nationalen Rechts unangewendet zu lassen?
Zu den Vorlagefragen
Zur zweiten und zur dritten Frage
[30] 29 Mit seiner zweiten und dritten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die für Arbeitnehmer, die älter als 58 Jahre sind, den Abschluss einer unbeschränkten Zahl aufeinanderfolgender sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge zulässt, sofern zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber kein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Für den Fall, dass dies bejaht wird, fragt das vorlegende Gericht, ob es die dem Unionsrecht entgegenstehende nationale Regelung unangewendet zu lassen hat.
[31] 30 Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Rahmenvereinbarung von der Prämisse ausgeht, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses sind (vgl. Urteil vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a., C-212/04, Slg. 2006, I-6057, Randnr. 61). Der Rückgriff auf befristete Verträge hat daher gegenüber unbefristeten Verträgen Ausnahmecharakter.
[32] 31 Der Gerichtshof hat ebenfalls entschieden, dass feste Beschäftigungsverhältnisse einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellen (vgl. Urteile Mangold, Randnr. 64, und Adeneler u. a., Randnr. 62). Er hat daraus geschlossen, dass die Rahmenvereinbarung dem wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge, der als eine Quelle potenziellen Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einen Rahmen setzen soll, indem sie eine Reihe von Mindestschutzbestimmungen vorsieht, die die Präkarisierung der Lage der Beschäftigten verhindern sollen (Urteil Adeneler u. a., Randnr. 63).
[33] 32 Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung zielt speziell darauf ab, Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden. Zu diesem Zweck sind die Mitgliedstaaten nach dieser Vorschrift verpflichtet, mindestens eine der in Nr. 1 Buchst. a bis c aufgeführten Maßnahmen in ihr nationales Recht aufzunehmen, wenn es im betreffenden Mitgliedstaat noch keine gleichwertigen Rechtsvorschriften gibt, um den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge wirksam zu verhindern (Urteile Adeneler u. a., Randnrn. 64 und 65, sowie vom 7. September 2006, Marrosu und Sardino, C-53/04, Slg. 2006, I-7213, Randnr. 44, und Vassallo, C-180/04, Slg. 2006, I-7251, Randnr. 35).
[34] 33 Die drei dort aufgeführten Maßnahmen betreffen sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen, die insgesamt maximal zulässige Dauer dieser aufeinanderfolgenden Verträge oder Verhältnisse und die zulässige Zahl ihrer Verlängerungen.
[35] 34 Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung gibt den Mitgliedstaaten ein allgemeines Ziel – die Verhinderung derartigen Missbrauchs – vor, lässt ihnen jedoch zugleich die Wahl der Mittel, um dieses Ziel zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. April 2008, Impact, C-268/06, Slg. 2008, I-2483, Randnr. 70).
[36] 35 Nach dieser Vorschrift steht es nämlich im Ermessen der Mitgliedstaaten, ob sie dafür auf eine oder mehrere der dort genannten Maßnahmen oder aber auf gleichwertige bestehende gesetzliche Maßnahmen zurückgreifen, und zwar unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien (Urteil Impact, Randnr. 71).
[37] 36 Somit verfügen die Mitgliedstaaten nach dieser Vorschrift zur Erreichung dieses Ziels über einen Ermessensspielraum, allerdings unter der Bedingung, dass sie das unionsrechtlich vorgegebene Ergebnis gewährleisten, wie sich nicht nur aus Art. 288 Abs. 3 AEUV, sondern auch aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil Adeneler u. a., Randnr. 68, Beschluss vom 12. Juni 2008, Vassilakis u. a., C-364/07, Randnr. 87, und Urteil vom 23. April 2009, Angelidaki u. a., C-378/07 bis C-380/07, Slg. 2009, I-3071, Randnr. 80).
[38] 37 Die Mitgliedstaaten müssen bei der Ausübung des ihnen mit Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung eingeräumten Ermessens auch das Unionsrecht beachten, insbesondere dessen allgemeine Grundsätze und die übrigen Bestimmungen der Rahmenvereinbarung (vgl. in diesem Sinne Urteile Mangold, Randnrn. 50 bis 54 und 63 bis 65, und Angelidaki u. a., Randnr. 85).
[39] 38 Wie den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts und den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen zu entnehmen ist, soll § 14 Abs. 3 TzBfG die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer fördern, da diese erhebliche Schwierigkeiten haben, wieder einen Arbeitsplatz zu finden.
[40] 39 Es ist festzustellen, dass § 14 Abs. 3 TzBfG als Mittel zur Erreichung dieses legitimen beschäftigungspolitischen Ziels nicht nur für arbeitslose ältere Arbeitnehmer gilt, sondern für alle Arbeitnehmer, die die Altersgrenze erreichen.
[41] 40 Obwohl § 14 Abs. 3 TzBfG erlassen wurde, um die Rückkehr arbeitsloser älterer Arbeitnehmer in die Erwerbstätigkeit zu fördern, führt er dazu, dass das soziale Schutzniveau aller älteren Arbeitnehmer gesenkt wird, indem ihnen alle Schutzmaßnahmen vorenthalten werden, die in Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung genannt sind und einen missbräuchlichen Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge verhindern sollen.
[42] 41 Für die Personen, die in seinen Anwendungsbereich fallen, sieht § 14 Abs. 3 TzBfG nämlich keine der Schutzmaßnahmen vor, die in Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannt sind und den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge wirksam verhindern sollen. In § 14 Abs. 3 TzBfG ist im Gegenteil bestimmt, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags mit Arbeitnehmern, die ein bestimmtes Alter erreicht haben, keines sachlichen Grundes bedarf. Bedingungen hinsichtlich der insgesamt maximal zulässigen Dauer aufeinanderfolgender befristeter Verträge oder der zulässigen Zahl der Verlängerungen solcher Verträge enthält diese Bestimmung nicht.
[43] 42 Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass eine nationale Vorschrift, die sich darauf beschränkt, den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge allgemein und abstrakt durch Gesetz oder Verordnung zuzulassen, nicht den in Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung niedergelegten Erfordernissen entspricht (vgl. Urteil Adeneler u. a., Randnr. 71).
[44] 43 Eine solche Vorschrift, die die Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge nicht mit objektiven Faktoren, die mit den Besonderheiten der betreffenden Tätigkeit und den Bedingungen ihrer Ausführung zusammenhängen, spezifisch rechtfertigt, birgt die konkrete Gefahr eines missbräuchlichen Rückgriffs auf diese Art von Verträgen und ist daher mit dem Ziel und der praktischen Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung unvereinbar (Urteil Adeneler u. a., Randnr. 72).
[45] 44 Wie sich jedoch aus Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung ergibt, kann eine nationale Regelung, die aufeinanderfolgende befristete Verträge zulässt, ohne einen sachlichen Grund zu fordern und ohne die insgesamt maximal zulässige Dauer der aufeinanderfolgenden Verträge oder die zulässige Zahl der Verlängerungen vorzugeben, als mit der Rahmenvereinbarung vereinbar angesehen werden, wenn das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats eine andere gleichwertige und wirksame Maßnahme bereitstellt, um den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden (vgl. in diesem Sinne Urteile Adeneler u. a., Randnr. 105, Marrosu und Sardino, Randnr. 49, und Vassallo, Randnr. 34).
[46] 45 Hierzu ist festzustellen, dass § 14 Abs. 3 TzBfG dem Rückgriff auf befristete Verträge bei Personen, die die vorgeschriebene Altersgrenze erreicht haben, eine Schranke setzt. Er schließt nämlich eine Befristung dann aus, "wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber ein enger sachlicher Zusammenhang besteht" und präzisiert, dass "[e] in solcher enger sachlicher Zusammenhang … insbesondere anzunehmen [ist], wenn zwischen den Arbeitsverträgen ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten liegt".
[47] 46 Diese Schranke ist in Übereinstimmung mit der Zielsetzung der Rahmenvereinbarung und in der Weise auszulegen, dass der Grundsatz, wonach unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses sind, nicht ausgehöhlt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Adeneler u. a., Randnr. 73).
[48] 47 Den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts ist zu entnehmen, dass diese in § 14 Abs. 3 TzBfG vorgesehene Schranke auf den streitigen Vertrag keine Anwendung findet. Das vorlegende Gericht vertritt die Auffassung, dass der streitige Vertrag, obwohl er für eine identische Tätigkeit und im unmittelbaren zeitlichen Anschluss zu den zuvor bestehenden Arbeitsverträgen abgeschlossen worden sei, keinen "engen sachlichen Zusammenhang zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag" im Sinne von § 14 Abs. 3 TzBfG aufweise, da die Klägerin seit dem 1. Mai 2000 auf der Grundlage von befristeten Verträgen beschäftigt gewesen sei.
[49] 48 Diese Auslegung liefe darauf hinaus, den Anwendungsbereich der einzigen Beschränkung der in § 14 Abs. 3 TzBfG vorgesehenen Möglichkeit, eine unbeschränkte Zahl aufeinanderfolgender sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge abzuschließen, zu begrenzen. Diese Schranke wäre nämlich auf Situationen, in denen dem befristeten Arbeitsvertrag nicht unmittelbar ein unbefristeter Vertrag mit demselben Arbeitgeber vorausgegangen ist und zwischen diesen Verträgen ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, nicht anwendbar, auch wenn während dieser gesamten Zeit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis für dieselbe Tätigkeit und mit demselben Arbeitgeber durch eine ununterbrochene Folge befristeter Verträge fortgeführt worden ist.
[50] 49 Diese Auslegung liefe zudem darauf hinaus, einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens allein deshalb zu billigen, weil zwischen dem Abschluss des streitigen Vertrags und dem des ersten befristeten Vertrags ein Zeitraum von vier Jahren liegt, und das, obwohl das Beschäftigungsverhältnis von Frau Kumpan, die auf ihrer Arbeitsstelle über ein hohes Dienstalter verfügt, für die Wahrnehmung derselben Aufgaben in eine ununterbrochene Folge von fünf Verträgen mit jeweils einjähriger Laufzeit umgewandelt worden ist.
[51] 50 Eine solche Auslegung läuft der Zielsetzung der Rahmenvereinbarung und ihres Paragrafen 5 Nr. 1 zuwider, die darin besteht, die Arbeitnehmer gegen unsichere Beschäftigungsverhältnisse zu schützen und den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu verhindern.
[52] 51 Der Gerichtshof hat allerdings bereits entschieden, dass sich Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung inhaltlich nicht als unbedingt und genau genug darstellt, damit sich ein Einzelner vor einem nationalen Gericht darauf berufen kann. Nach dieser Vorschrift steht es nämlich im Ermessen der Mitgliedstaaten, ob sie zur Vermeidung von Missbrauch durch befristete Arbeitsverträge auf eine oder mehrere der dort genannten Maßnahmen oder aber auf gleichwertige bestehende gesetzliche Maßnahmen zurückgreifen, und zwar unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien. Außerdem ist es nicht möglich, den Mindestschutz, der in jedem Fall nach Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung gewährt werden müsste, hinreichend zu bestimmen (Urteil Angelidaki u. a., Randnr. 196).
[53] 52 Aus der ständigen Rechtsprechung geht aber hervor, dass die nationalen Gerichte bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der fraglichen Richtlinie auslegen müssen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen. Diese Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung betrifft das gesamte nationale Recht, unabhängig davon, ob es vor oder nach der Richtlinie, um die es geht, erlassen wurde (Urteile vom 13. November 1990, Marleasing, C-106/89, Slg. 1990, I-4135, Randnr. 8, und Angelidaki u. a., Randnr. 197).
[54] 53 Das Gebot einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ist dem AEU-Vertrag immanent, da den nationalen Gerichten dadurch ermöglicht wird, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden (Urteil Angelidaki u. a., Randnr. 198).
[55] 54 Zwar findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere im Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot, ihre Schranken und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (Urteil Angelidaki u. a., Randnr. 199).
[56] 55 Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt jedoch, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der danach anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteil Angelidaki u. a., Randnr. 200).
[57] 56 Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts im Rahmen des Möglichen und bei Vorliegen eines Missbrauchs durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge so auszulegen und anzuwenden, dass eine angemessene Ahndung des Missbrauchs und die Beseitigung der Folgen des Unionsrechtsverstoßes möglich ist.
[58] 57 Demnach ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass der Begriff "enger sachlicher Zusammenhang zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber" in § 14 Abs. 3 TzBfG auf Sachverhalte anzuwenden ist, in denen einem befristeten Vertrag nicht unmittelbar ein unbefristeter Vertrag mit demselben Arbeitgeber vorausgegangen ist und zwischen diesen Verträgen ein Zeitraum von mehreren Jahren liegt, wenn während dieser gesamten Zeit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis für dieselbe Tätigkeit und mit demselben Arbeitgeber durch eine ununterbrochene Folge befristeter Verträge fortgeführt worden ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts im Rahmen des Möglichen im Einklang mit Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung auszulegen.
[59] 58 In Anbetracht der Antwort auf die zweite und die dritte Frage braucht die erste Frage nicht beantwortet zu werden.
Kosten
[60] 59 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
* Verfahrenssprache: Deutsch.