Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 19. 6. 2012 – 3 StR 206/12 (lexetius.com/2012,2683)

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. Januar 2012 im Strafausspruch – unter Aufrechterhaltung der Feststellungen – aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
[1] Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit "unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition" zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Entscheidung im Adhäsionsverfahren getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
[2] Während der Schuldspruch und die Adhäsionsentscheidung rechtlicher Nachprüfung standhalten, kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
"Die Strafkammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 224 Abs. 1 letzter Hs. StGB nicht erörtert, obwohl hierzu Anlass bestand. Nach den Feststellungen (UA S. 5 f.) und der eigenen rechtlichen Würdigung der Strafkammer (UA S. 11) ist der Angeklagte vom Geschädigten zur Tat provoziert worden. Zwar trifft die Auffassung der Revision, dass beim Vorliegen der Voraussetzungen des für Totschlagsdelikte geltenden § 213 1. Alt. StGB bei Körperverletzungsdelikten zwingend ein minder schwerer Fall anzunehmen sei (RB S. 5 f.), nicht zu. Zu Unrecht beruft die Revision sich zum Beleg ihrer Auffassung auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus den 80er Jahren. Diese bezogen sich auf die damaligen Strafrahmen von Gewaltdelikten, die durch das 6. Strafrechtsreformgesetz einer grundlegenden Änderung unterzogen worden sind. Zudem hat der Bundesgerichtshof seit dem Urteil vom 24. September 1998 – 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196) anerkannt, dass vollendete Körperverletzungsdelikte durch versuchte Tötungsdelikte nicht verdrängt werden. Nach zutreffender Ansicht ist daher die Tatprovokation bei Körperverletzungsdelikten als Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen; sie kann zur Annahme eines minder schweren Falles führen, muss dies aber nicht (vgl. Fischer StGB 59. Aufl. § 224 Rdnr. 15 m. w. N.). Liegt allerdings eine Tatprovokation vor, wird die Annahme eines minder schweren Falles regelmäßig nicht derart fernliegen, dass eine Erörterung rechtlich entbehrlich würde (vgl. BGH Beschluss vom 10. August 2004 – 3 StR 263/04, StV 2004, 654).
So war es hier, zumal die Kammer weitere Milderungsgründe für die Zumessung der Strafe als bestimmend angesehen hat, namentlich das Geständnis und die bisherige Straffreiheit des Angeklagten (UA S. 11).
Angesichts dieser Umstände ist auch nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Prüfung des minder schweren Falls zu einem milderen Strafrahmen und einer milderen Strafe gelangt wäre."
[3] Dem schließt sich der Senat an.