Bundesgerichtshof
FamFG §§ 17 Abs. 2, 39, 113 Abs. 1 Satz 2; ZPO §§ 160 Abs. 3 Nr. 7, 165, 311 Abs. 2
a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer inhaltlich unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung setzt die Kausalität zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumung voraus; diese kann bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten entfallen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und deshalb – ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Grundkenntnissen des Verfahrensrechtes und des Rechtsmittelsystems – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 23. Juni 2010 – XII ZB 82/10 – FamRZ 2010, 1425).
b) Urteilsersetzende Beschlüsse in Ehesachen und Familienstreitsachen sind gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 311 Abs. 2 ZPO durch das Verlesen der Beschlussformel oder durch die Bezugnahme auf die Beschlussformel zu verkünden; der Nachweis für die erfolgte Verkündung kann in diesen Fällen nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. §§ 165 Satz 1, 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO nur durch das Protokoll geführt werden.

BGH, Beschluss vom 13. 6. 2012 – XII ZB 592/11; OLG Jena (lexetius.com/2012,2717)

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juni 2012 durch die Richter Dose, Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 1. Familiensenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 17. Oktober 2011 aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird die Sache unter Aufhebung des auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2011 den Beteiligten zugestellten Beschlusses zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der beiden Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht – Familiengericht – Sondershausen zurückverwiesen.
Wert: 5.310 €
[1] Gründe: I. Der minderjährige Antragsteller nimmt den Antragsgegner in einem im November 2009 eingeleiteten Verfahren auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch.
[2] Am 31. Mai 2011 hat vor dem Amtsgericht die letzte mündliche Verhandlung stattgefunden. Das hierüber aufgenommene Sitzungsprotokoll schließt mit der Festsetzung des Verfahrenswertes und der Ankündigung, dass eine Entscheidung am Schluss der Sitzung ergehen solle. In der Gerichtsakte nachgeheftet befindet sich ein vom Familienrichter unterschriebener Beschluss, durch den der Antragsgegner verpflichtet wurde, rückständigen und laufenden Kindesunterhalt an den Antragsteller zu zahlen. Der Entscheidung, die ausweislich eines auf der Urschrift befindlichen – nicht unterschriebenen – Geschäftsstellenvermerks am 31. Mai 2011 durch Verlesen der Beschlussformel erlassen worden sein soll, ist eine Rechtsbehelfsbelehrung des Inhalts beigegeben, dass die Beteiligten durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle auch dann persönlich Beschwerde einlegen könnten, wenn das Beschwerdeverfahren im Übrigen dem Anwaltszwang unterliege.
[3] Der Beschluss ist dem erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 15. Juli 2011 zugestellt worden. Am 28. Juli 2011 ist bei dem Amtsgericht eine privatschriftliche Beschwerdeschrift des Antragsgegners eingegangen, mit der er im Wesentlichen geltend machte, dass er nicht leistungsfähig und die Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung in weiten Teilen nicht nachvollziehbar sei. Nach Eingang der Akten bei dem Oberlandesgericht hat der Vorsitzende des Familiensenats durch Verfügung vom 9. September 2011 den im Einzelnen begründeten rechtlichen Hinweis erteilt, dass die Einlegung der Beschwerde in selbständigen Familienstreitsachen nicht vom Anwaltszwang ausgenommen und die Rechtsbehelfsbelehrung daher unzutreffend sei. Dem Antragsgegner ist in der Verfügung abschließend nahegelegt worden, sein unzulässiges Rechtsmittel zur Vermeidung einer Verwerfung der Beschwerde binnen zwei Wochen zurückzunehmen. Durch Beschluss vom 17. Oktober 2011 hat das Oberlandesgericht die Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig verworfen, weil diese nicht durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt eingelegten Beschwerdeschrift eingelegt worden sei und es ihr daher an der gesetzlichen Form der Einlegung ermangele.
[4] Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners. Er ist der Auffassung, dass er die Frist zur Einlegung einer formwirksamen Beschwerde in Ansehung der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung schuldlos versäumt habe und das Oberlandesgericht ihn auf die Möglichkeit der Anbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist habe hinweisen müssen.
[5] II. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). In der Sache führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, allerdings nicht aus den von ihr geltend gemachten Gründen.
[6] 1. Denn es erscheint zweifelhaft, ob der Antragsgegner durch die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung tatsächlich daran gehindert gewesen ist, innerhalb eines Monats nach der am 15. Juli 2011 an seinen erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten erfolgten Zustellung des Beschlusses eine Beschwerde in Form einer durch einen Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift einzulegen.
[7] a) Im rechtlichen Ausgangspunkt ist es zutreffend, dass die durch das Gericht zu erteilende Rechtsbehelfsbelehrung insbesondere über einen bestehenden Anwaltszwang informieren muss (Senatsbeschluss vom 23. Juni 2010 – XII ZB 82/10 – FamRZ 2010, 1425 Rn. 14) und nach § 17 Abs. 2 FamFG ein Fehlen des Verschuldens vermutet wird, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder – wie hier – fehlerhaft ist. Zwar ist eine unmittelbare Anwendung von § 17 FamFG in Ehesachen und Familienstreitsachen wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG ausdrücklich ausgeschlossen; die in diesen Fällen über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG bzw. klarstellend über § 117 Abs. 5 FamFG an die Stelle des § 17 FamFG tretende Vorschrift des § 233 ZPO kennt eine dem § 17 Abs. 2 FamFG entsprechende Regelung nicht. Da indessen die Verpflichtung des Gerichts zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung nach § 39 FamFG unterschiedslos für alle nach dem FamFG geführten Verfahren besteht, wird die gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 FamFG in systemkonformer Analogie auch in Ehesachen und Familienstreitsachen zu gelten haben (Keidel/Meyer- Holz FamFG 17. Aufl. § 39 Rn. 15). Für das Vorliegen einer unbewussten Regelungslücke spricht im Übrigen auch, dass nach Art. 1 Nr. 4 des vorgelegten Regierungsentwurfes für das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess (BR-Drucks. 308/12) beabsichtigt ist, § 233 ZPO um eine dem § 17 Abs. 2 FamFG entsprechende wortgleiche Regelung zu ergänzen.
[8] b) Allerdings war der Antragsgegner in erster Instanz anwaltlich vertreten. Es gehört zu den Pflichten eines mit der Vertretung im erstinstanzlichen Verfahren beauftragten Rechtsanwaltes, seinen Mandanten über den Inhalt einer im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidung zu informieren und zutreffend über die formellen Voraussetzungen des gegebenen Rechtsmittels zu belehren; erst danach endet sein Auftrag (BGH Beschlüsse vom 27. März 2003 – IX ZR 399/99NJW 2003, 2022, 2023 und vom 29. Juni 2006 – IX ZR 176/04NJW 2006, 2779; MünchKommBGB/Heermann 5. Aufl. § 675 Rn. 32). Die Einführung der obligatorischen Rechtsbehelfsbelehrung in Verfahren nach dem FamFG hat daran nichts Grundsätzliches geändert, denn es gehört zu den allgemeinen Pflichten des Rechtsanwaltes, Fehlleistungen des Gerichts zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken (BGH Urteil vom 6. Juli 1989 – IX ZR 75/88NJW-RR 1989, 1109). Auch wenn das Gericht des ersten Rechtszuges entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung überhaupt keine oder nur eine unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung erteilt, wird es bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten deshalb in der Regel am ursächlichen Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumung fehlen, weil ein anwaltlich vertretener Beteiligter für die zutreffende Information über seine Rechtsmittelmöglichkeiten keiner Unterstützung durch eine Rechtsbehelfsbelehrung bedarf (Senatsbeschluss vom 23. Juni 2010 – XII ZB 82/10 – FamRZ 2010, 1425 Rn. 11; BGH Beschluss vom 23. November 2011 – IV ZB 15/11FamRZ 2012, 367 Rn. 11).
[9] Die Fälle einer gesetzlich vorgeschriebenen, aber fehlenden bzw. unvollständigen Rechtsbehelfsbelehrung können allerdings nicht ohne weiteres mit der – hier vorliegenden – Konstellation einer inhaltlich unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung gleichgesetzt werden. Auch ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen (vgl. BGH Beschlüsse vom 23. September 1993 – LwZR 10/92NJW 1993, 3206, vom 16. Oktober 2003 – IX ZB 36/03NJW-RR 2004, 408 und vom 12. Januar 2012 – V ZB 198/11MDR 2012, 362 Rn. 10). Gleichwohl muss von einem Rechtsanwalt erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Juli 1985 – IVb ZB 40/85 – VersR 1985, 1183, 1184; BGH Beschluss vom 11. Juni 1996 – VI ZB 10/96VersR 1996, 1522). Das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann er deshalb nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwaltes geführt hat (BGH Beschluss vom 12. Januar 2012 – V ZB 198/11MDR 2012, 362 Rn. 10; OLG Rostock FamRZ 2011, 986; OLG Hamm FamRZ 2011, 233; vgl. auch BR-Drucks. 308/12, S. 21). Auch in den Fällen einer inhaltlich unrichtigen Rechtsmittelbelehrung kann es daher an der Ursächlichkeit zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumung fehlen, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und deshalb – ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (BGH Beschluss vom 11. Juni 1996 – VI ZB 10/96VersR 1996, 1522).
[10] Gemessen an diesen Maßstäben erscheint die vom Amtsgericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung kaum geeignet, bei einem Rechtsanwalt einen nachvollziehbaren oder gar unvermeidbaren Rechtsirrtum über die Form der Beschwerdeeinlegung hervorzurufen. Das Wissen um das Bestehen und die Reichweite des Anwaltszwanges in selbständigen Familienstreitsachen gehört zu den Grundkenntnissen des familiengerichtlichen Verfahrens, mit denen ein auf dem Gebiet des Familienrechts tätiger Rechtsanwalt ohne weiteres vertraut sein muss. Dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners musste sich daher auch ohne vertiefte Sachprüfung die evidente Unrichtigkeit (arg. §§ 114 Abs. 1, 64 Abs. 2 Satz 1 und 2 FamG) der vom Amtsgericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung aufdrängen, soweit dieser zu entnehmen war, dass die Beschwerde in einer selbständigen Familienstreitsache auch privatschriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden könnte. Dass der Antragsgegner von seinem erstinstanzlichen Bevollmächtigten die gebotene Information über die formellen Voraussetzungen für die Einlegung der Beschwerde und den damit verbundenen Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung erhalten hat, macht die Rechtsbeschwerde schon nicht geltend.
[11] c) Unter diesen Umständen wäre es auf die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob das Oberlandesgericht mit der Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 9. September 2011 gegen seine verfahrensrechtlichen Fürsorgepflichten verstoßen hat, nicht mehr angekommen, weil sich die Verwerfungsentscheidung des Oberlandesgerichts jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dargestellt hätte. Denn wäre die Frist zur Einlegung einer Beschwerde tatsächlich am 15. August 2011 abgelaufen gewesen, hätte dem Antragsgegner aus den oben genannten Gründen auch dann keine Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelfrist bewilligt werden können, wenn das Oberlandesgericht den Antragsgegner am 9. September 2011 ausdrücklich auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung hingewiesen und der Antragsgegner anschließend innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen nach Form und Inhalt wirksamen Wiedereinsetzungsantrag angebracht hätte.
[12] 2. Indessen kann der Verwerfungsbeschluss aus anderen Gründen keinen Bestand haben.
[13] a) Das Oberlandesgericht hat nicht beachtet, dass es sich bei dem Schriftstück, welches den Verfahrensbevollmächtigten der beiden Beteiligten durch das Amtsgericht zugestellt worden ist, tatsächlich nur um einen Beschlussentwurf handelt und das Verfahren im ersten Rechtszug demzufolge noch nicht abgeschlossen ist.
[14] aa) Nach der Terminologie des FamFG verlässt der Beschluss durch seinen "Erlass" das Stadium des Beschlussentwurfs, indem er entweder der Geschäftsstelle zum Zwecke schriftlicher Bekanntgabe übergeben oder seine Beschlussformel verlesen wird (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG).
[15] bb) Entscheidungen in Ehesachen und Familienstreitsachen müssen allerdings in einem Termin "verkündet" werden (vgl. § 142 Abs. 3 FamFG; Senatsbeschluss vom 19. Oktober 2011 – XII ZB 250/11FamRZ 2012, 106 Rn. 13). Handelt es sich um eine urteilsersetzende Endentscheidung, erfolgt die Verkündung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 311 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO durch Vorlesung der Entscheidungsformel oder durch Bezugnahme auf die Entscheidungsformel (Prütting/Helms FamFG 2. Aufl. § 116 Rn. 12, 17; MünchKommZPO/Heiter 3. Aufl. § 142 FamFG Rn. 24; Musielak/Borth FamFG 3. Aufl. § 41 Rn. 7; Hütter/Kodal FamRZ 2009, 917, 919). Der Nachweis für die erfolgte Verkündung kann gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. §§ 165 Satz 1, 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO nur durch das Protokoll geführt werden (vgl. Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 38 Rn. 94).
[16] Eine Verkündung der amtsgerichtlichen Entscheidung ist im Sitzungsprotokoll nicht festgestellt worden, weil es die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2011 mit der Ankündigung bewenden lässt, dass eine Entscheidung am Ende der Sitzung ergehen solle. In einer solchen Anordnung ist (lediglich) die Bestimmung eines Verkündungstermins zu sehen (vgl. BGHZ 158, 37, 39 f.; OLG München NJW 2011, 689, 690). Auch im Übrigen bestehen mit Ausnahme des – nicht unterschriebenen – Geschäftsstellenvermerks keine weiteren Anhaltspunkte dafür, dass am 31. Mai 2011 eine Entscheidung verkündet worden ist. Der Erlassvermerk der Geschäftsstelle über die Verkündung einer Entscheidung hat aber auch dann, wenn er unterschrieben ist, keine dem Protokoll vergleichbare Beweiskraft und kann deshalb die in Ehesachen und Familienstreitsachen nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. §§ 165 Satz 1, 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO erforderliche Feststellung der Verkündung in einem Protokoll nicht ersetzen (vgl. bereits BGH Beschluss vom 16. Februar 1989 – III ZB 38/88VersR 1989, 604; OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 511 f.; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 467 f.).
[17] cc) Zwar kann selbst dann, wenn – wie hier – eine Verkündung der Entscheidung in einem Termin gesetzlich vorgeschrieben ist, in Ausnahmefällen auch ohne Verkündung ein rechtlich existenter Beschluss entstanden sein. Davon ist dann auszugehen, wenn das Gericht bei einer an sich dem Verkündungserfordernis nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 310 Abs. 1 ZPO unterfallenden Endentscheidung deren schriftliche Bekanntgabe durch Zustellung an Verkündungs Statt verfügt, weil auch dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch in Ehesachen und Familienstreitsachen anderen Endentscheidungen vorbehaltene (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 310 Abs. 3 ZPO) Verlautbarungsform erfüllt (vgl. BGH Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 37/03FamRZ 2004, 1187, 1188). Indessen wurde die Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses von der Geschäftsstelle auf Grund einer im Termin am 31. Mai 2011 vermeintlich bereits erfolgten Verkündung und nicht an deren Stelle veranlasst. Der hier vorliegende Fall einer unterbliebenen bzw. nicht feststellbaren Verlautbarung kann daher nicht wie der Fall einer (lediglich) verfahrensfehlerhaft falsch gewählten Form der Verlautbarung behandelt werden (vgl. BGH Beschluss vom 16. Oktober 1984 – VI ZB 25/83VersR 1984, 1192, 1193; OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 511 f.).
[18] b) Durch die äußerlich gesetzmäßige Zustellung des Beschlussentwurfs ist allerdings der Rechtsschein einer gerichtlichen Entscheidung ("Scheinbeschluss") erzeugt worden. Ein Scheinbeschluss kann mit denjenigen Rechtsmitteln angefochten werden, welche gegen eine rechtlich existente Entscheidung gleichen Inhalts statthaft wären (BGHZ 10, 346, 349; BGH Beschluss vom 5. Dezember 2005 – II ZB 2/05NJW-RR 2005, 565, 566). Da hiermit aber nur der Rechtsschein einer Entscheidung beseitigt werden soll, kann eine dahingehend klarstellende Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nicht vom Vorliegen der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines "echten" Rechtsmittelverfahrens – insbesondere nicht von der Beobachtung von Formvorschriften – abhängig gemacht werden (BGH Beschluss vom 3. November 1994 – LwZB 5/94 – NJW 1995, 404). Das Beschwerdegericht hätte daher mangels einer abschließenden erstinstanzlichen Entscheidung die Beschwerde des Antragsgegners nicht als unzulässig verwerfen dürfen, sondern die rechtliche Nichtexistenz eines erstinstanzlichen Beschlusses durch die Aufhebung der den Beteiligten zugegangenen Entscheidung klarstellen und die Sache an das Amtsgericht zwecks Beendigung des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens zurückverweisen müssen.
[19] c) Entsprechend ist nunmehr vom Senat zu verfahren (vgl. BGH Beschluss vom 3. November 1994 – LwZB 5/94 – NJW 1995, 404).