Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 18. 10. 2012 – IX ZB 263/10; LG Oldenburg (lexetius.com/2012,4688)

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring am 18. Oktober 2012 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 3. Dezember 2010 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 7.993,52 € festgesetzt.
[1] Gründe: I. In dem am 13. Juli 2005 eröffneten Insolvenzverfahren hat das Insolvenzgericht dem Schuldner nach Durchführung des Schlusstermins mit Beschluss vom 16. Oktober 2006 die Restschuldbefreiung angekündigt und das Verfahren mit Beschluss vom 13. November 2006 aufgehoben. Während der Abtretungszeit hat das Thüringer Landesverwaltungsamt mit Bescheid vom 28. September 2010 dem Schuldner für zu Unrecht erlittene Haft in der Zeit vom 28. September 1968 bis 27. Oktober 1970 gemäß § 17 StrRehaG einschließlich nach § 6 StrRehaG erstatteter Kosten eine Entschädigung von 7.993,52 € zuerkannt.
[2] Das Insolvenzgericht hat die Nachtragsverteilung über diesen Betrag angeordnet. Die von dem Schuldner dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ist zurückgewiesen worden. Mit seiner Rechtsbeschwerde möchte der Schuldner die Aufhebung der Nachtragsverteilungsanordnung und die Auskehrung des an den Treuhänder überwiesenen Betrages an sich erreichen.
[3] II. Die gemäß §§ 6, 7, 204 Abs. 2 Satz 1 InsO in Verbindung mit Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
[4] 1. Die von der Rechtsbeschwerde für grundsätzlich gehaltene Frage, ob ein Anspruch aus § 17 StrRehaG als pfändbarer Bestandteil des Vermögens des Schuldners in die Insolvenzmasse fällt, oder aufgrund seiner Unpfändbarkeit an den Schuldner ausgekehrt werden muss, ist geklärt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein dem Schuldner wegen rechtsstaatswidriger Strafverurteilung und zu Unrecht in der ehemaligen DDR erlittener Haft gemäß § 17 StrRehaG zuerkannter Entschädigungsanspruch pfändbar und gehört deshalb in die Insolvenzmasse (BGH, Beschluss vom 10. November 2011 – IX ZA 99/11, ZInsO 2012, 147 Rn. 4). Entsprechend dieser nach Begründung der Rechtsbeschwerde in dem vorliegenden Verfahren ergangenen Entscheidung gehörte der dem Schuldner zuerkannte Betrag zur Insolvenzmasse, so dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom 13. November 2006 eine Nachtragsverteilung des am 28. September 2010 festgesetzten Betrages anzuordnen war. Eine Gestaltung, in der eine Beschränkung der Pfändbarkeit unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung in Betracht kommt, weil der für rechtsstaatswidrige Maßnahmen verantwortliche Staat wegen eigener Forderungen auf die dem Schuldner gewährte Entschädigung zuzugreifen sucht (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 – VII ZB 17/10, WM 2011, 1141 Rn. 8 ff), liegt nicht vor.
[5] 2. Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, die Entscheidung des Beschwerdegerichts weiche von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, weil sie davon ausgehe, dass ungeachtet der während des eröffneten Insolvenzverfahrens noch ausstehenden Festsetzung der Entschädigung der nachträglich durch das Thüringer Landesverwaltungsamt festgesetzte Betrag in die Insolvenzmasse falle, geht fehl. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von der Begründung einer Forderung im Sinne des Insolvenzrechts dann auszugehen, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2011 – IX ZB 121/11, NZI 2011, 953 Rn. 3 mwN). Gemäß dieser Rechtsprechung kommt es nicht darauf an, ob der Entschädigungsanspruch des Schuldners schon vor oder während des Insolvenzverfahrens festgesetzt worden ist. Vielmehr ist entscheidend, dass der Schuldner diesen Anspruch ab Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht vom 29. Oktober 1992 (BGBl. I S. 1814) hätte geltend machen können. Ab Inkrafttreten dieses Gesetzes gehörte der Anspruch zum Vermögen des Schuldners.