Europäischer Gerichtshof
"Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit – Begriff 'Teilzeitbeschäftigte, die einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen' – Teilzeitrichter, die auf der Basis von Tagesgebühren vergütet werden – Versagung einer Altersrente"
1. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, den Begriff "[B] eschäftigte, die … einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen" in Paragraf 2 Nr. 1 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 geänderten Fassung zu definieren und insbesondere zu bestimmen, ob Richter unter diesen Begriff fallen, vorausgesetzt, dass dies nicht dazu führt, dass diese Kategorie von Personen willkürlich von dem Schutz ausgeschlossen wird, der durch die Richtlinie 97/81 in der durch die Richtlinie 98/23 geänderten Fassung und durch diese Rahmenvereinbarung gewährt wird. Ein Ausschluss von diesem Schutz kann nur dann zugelassen werden, wenn das zwischen den Richtern und dem Ministry of Justice bestehende Rechtsverhältnis seinem Wesen nach erheblich anders ist als dasjenige, das Beschäftigte, die nach dem nationalen Recht zur Kategorie der Arbeitnehmer gehören, mit ihren Arbeitgebern verbindet.
2. Die am 6. Juni 1997 geschlossene Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81 in der durch die Richtlinie 98/23 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass das nationale Recht für die Zwecke des Zugangs zum Altersversorgungssystem nicht zwischen Vollzeit- und auf der Basis von Tagesgebühren vergüteten Teilzeitrichtern unterscheiden darf, es sei denn, dass objektive Gründe eine solche unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, was zu beurteilen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

EuGH, Urteil vom 1. 3. 2012 – C-393/10 (lexetius.com/2012,469)

In der Rechtssache C-393/10 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court of the United Kingdom (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 28. Juli 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 4. August 2010, in dem Verfahren Dermod Patrick O'Brien gegen Ministry of Justice, vormals Department for Constitutional Affairs, erlässt DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev (Berichterstatter), Generalanwältin: J. Kokott, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2011, unter Berücksichtigung der Erklärungen – von Herrn O'Brien, vertreten durch R. Allen, QC, und R. Crasnow, Barrister, – des Council of Immigration Judges, vertreten durch I. Rogers, Barrister, – der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Behzadi-Spencer als Bevollmächtigte im Beistand von T. Ward, QC, – Irlands, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von B. Doherty, Barrister, – der lettischen Regierung, vertreten durch M. Borkoveca und Z. Rasnaa sowie durch I. Kalniš als Bevollmächtigte, – der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten, – der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und N. Yerrell als Bevollmächtigte, nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 17. November 2011 folgendes Urteil (*):
[1] 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 2 Nr. 1 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (im Folgenden: Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit) im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. 1998, L 14, S. 9) in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 (ABl. L 131, S. 10) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 97/81).
[2] 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn O'Brien, Queen's Counsel und ehemaliger Recorder des Crown Court, und dem Ministry of Justice, vormals Department for Constitutional Affairs, über die Weigerung des Ministry of Justice, Herrn O'Brien eine Altersrente zu zahlen, die unter Bezugnahme auf die Altersrente eines Vollzeitrichters, der mit 65 Jahren in den Ruhestand tritt und dieselbe Arbeit wie er geleistet hat, zeitanteilig berechnet wird.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
[3] 3 Gemäß der Richtlinie 98/23 zur Ausdehnung der Richtlinie 97/81 auf das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ist die diesem Mitgliedstaat zur Umsetzung dieser Richtlinie gesetzte Frist am 7. April 2000 abgelaufen.
[4] 4 Gemäß Art. 1 der Richtlinie 97/81 soll mit dieser Richtlinie die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit durchgeführt werden.
[5] 5 Der elfte Erwägungsgrund dieser Richtlinie lautet:
"Die Unterzeichnerparteien wollten eine Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit schließen, in der die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für die Teilzeitarbeit niedergelegt sind. Sie haben ihren Willen bekundet, einen allgemeinen Rahmen für die Beseitigung der Diskriminierungen von Teilzeitbeschäftigten zu schaffen und einen Beitrag zur Entwicklung der Teilzeitarbeitsmöglichkeiten auf einer für Arbeitgeber und Arbeitnehmer akzeptablen Grundlage zu leisten."
[6] 6 Im 16. Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:
"Bezüglich der in der Rahmenvereinbarung [über Teilzeitarbeit] verwendeten, jedoch nicht genauer definierten Begriffe überlässt es die Richtlinie – wie andere im Sozialbereich erlassene Richtlinien, in denen ähnliche Begriffe vorkommen – den Mitgliedstaaten, diese Begriffe entsprechend ihrem nationalen Recht und/oder ihrer nationalen Praxis zu definieren, vorausgesetzt, diese Definitionen entsprechen inhaltlich [diesem] Rahmenabkommen."
[7] 7 Die für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Bestimmungen der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit sind folgende:
"Paragraf 1: Ziel
Diese Rahmenvereinbarung soll
a) die Beseitigung von Diskriminierungen von Teilzeitbeschäftigten sicherstellen und die Qualität der Teilzeitarbeit verbessern;
b) die Entwicklung der Teilzeitarbeit auf freiwilliger Basis fördern und zu einer flexiblen Organisation der Arbeitszeit beitragen, die den Bedürfnissen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Rechnung trägt.
Paragraf 2: Anwendungsbereich
1. Die vorliegende Vereinbarung gilt für Teilzeitbeschäftigte, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen.
2. Nach Anhörung der Sozialpartner gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, den Tarifverträgen oder Gepflogenheiten können die Mitgliedstaaten und/oder die Sozialpartner auf der entsprechenden Ebene in Übereinstimmung mit den einzelstaatlichen Praktiken im Bereich der Arbeitsbeziehungen aus sachlichen Gründen Teilzeitbeschäftigte, die nur gelegentlich arbeiten, ganz oder teilweise ausschließen. Dieser Ausschluss sollte regelmäßig daraufhin überprüft werden, ob die sachlichen Gründe, auf denen er beruht, weiter vorliegen.
Paragraf 3: Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Vereinbarung ist
1. 'Teilzeitbeschäftigter' ein Arbeitnehmer, dessen normale, auf Wochenbasis oder als Durchschnitt eines bis zu einem Jahr reichenden Beschäftigungszeitraumes berechnete Arbeitszeit unter der eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten liegt;
2. 'vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter' ein Vollzeitbeschäftigter desselben Betriebs mit derselben Art von Arbeitsvertrag oder Beschäftigungsverhältnis, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit/Beschäftigung tätig ist, wobei auch die Betriebszugehörigkeitsdauer und die Qualifikationen/Fertigkeiten sowie andere Erwägungen heranzuziehen sind. …
Paragraf 4: Grundsatz der Nichtdiskriminierung
1. Teilzeitbeschäftigte dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt.
2. Es gilt, wo dies angemessen ist, der Pro-rata-temporis-Grundsatz.
3. Die Anwendungsmodalitäten dieser Vorschrift werden von den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern unter Berücksichtigung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und der einzelstaatlichen gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen und Gepflogenheiten festgelegt.
4. Wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist, können die Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten und/oder die Sozialpartner gegebenenfalls den Zugang zu besonderen Beschäftigungsbedingungen von einer bestimmten Betriebszugehörigkeitsdauer, der Arbeitszeit oder Lohn- und Gehaltsbedingungen abhängig machen. Die Zugangskriterien von Teilzeitbeschäftigten zu besonderen Beschäftigungsbedingungen sollten regelmäßig unter Berücksichtigung des in Paragraf 4 Nummer 1 genannten Grundsatzes der Nichtdiskriminierung überprüft werden. …"
Nationales Recht
[8] 8 Das Vereinigte Königreich setzte die Richtlinie 97/81 und die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit mit den Part-time Workers (Prevention of Less Favourable Treatment) Regulations 2000 (Verordnung von 2000 über Teilzeitbeschäftigte [Verhinderung von ungünstigerer Behandlung], im Folgenden: Verordnung über Teilzeitbeschäftigte) um, die am 8. Juni 2000 erlassen wurden und am 1. Juli 2000 in Kraft traten.
[9] 9 Regulation 1 (2) der Verordnung über Teilzeitbeschäftigte enthält u. a. die folgenden Begriffsbestimmungen:
"'Arbeitsvertrag' bezeichnet einen Dienst- oder Ausbildungsvertrag, unabhängig davon, ob dieser ausdrücklich oder stillschweigend bzw. (im Fall eines ausdrücklichen Abschlusses) mündlich oder schriftlich geschlossen wird;
'Arbeitnehmer' bezeichnet eine Person, die einen der nachfolgenden Verträge abgeschlossen hat oder aufgrund eines solchen Vertrags arbeitet oder, wenn die Beschäftigung beendet ist (und soweit nach den Bestimmungen dieser Verordnung keine anderen Erfordernisse gelten), gearbeitet hat:
a) ein Arbeitsvertrag oder
b) jeder sonstige Vertrag, unabhängig davon, ob dieser ausdrücklich oder stillschweigend bzw. (im Fall eines ausdrücklichen Abschlusses) mündlich oder schriftlich geschlossen wird, durch den sich die Person zur persönlichen Erbringung oder Durchführung von Arbeits- oder Dienstleistungen für einen Vertragspartner verpflichtet, soweit dessen Rechtsstellung nach dem Vertrag nicht diejenige eines Kunden im Rahmen einer von der Person ausgeübten beruflichen Tätigkeit oder eines von ihr betriebenen geschäftlichen Unternehmens ist."
[10] 10 Regulation 5 der Verordnung über Teilzeitbeschäftigte enthält das Verbot einer ungerechtfertigten ungünstigeren Behandlung von Teilzeitbeschäftigten.
[11] 11 In Teil IV ("Besondere Personenkategorien") dieser Verordnung sieht Regulation 12 ("Beschäftigung bei der Krone") in Paragraph 1 vor, dass diese Verordnung auf die Beschäftigung bei der Krone und die Bediensteten der Krone in gleicher Weise wie auf andere Beschäftigungsverhältnisse und andere Angestellte und Arbeitnehmer anwendbar ist. In Paragraph 2 dieser Regulation wird klargestellt, dass "Beschäftigung bei der Krone" die Beschäftigung bei oder für ein Ministerium oder solche Amtsträger oder Einrichtungen bedeutet, die kraft Gesetzes mit der Ausübung von Aufgaben der Krone befasst sind.
[12] 12 Regulation 17 ("Personen, die richterliche Ämter ausüben") der Verordnung über Teilzeitbeschäftigte sieht jedoch vor, dass diese Verordnung nicht anwendbar ist "auf Personen, die für die Ausübung eines richterlichen Amts auf der Basis von Tagesgebühren vergütet werden".
[13] 13 Section 21 des Courts Act 1971 (Gerichtsgesetz von 1971) bestimmte in seiner ursprünglichen Fassung:
"(1) Ihre Majestät kann regelmäßig qualifizierte, als Recorders zu bezeichnende Personen ernennen, die als Teilzeitrichter bei den Crown Courts fungieren und sonstige gerichtliche Aufgaben erfüllen, die ihnen nach diesem oder einem anderen Gesetz übertragen werden.
(2) Zum Recorder werden Personen ernannt, die Ihrer Majestät durch den Lord Chancellor (Justizminister) empfohlen werden; zum Recorder können nur Barristers oder Solicitors mit mindestens zehnjähriger Berufserfahrung ernannt werden.
(3) Bei Ernennung einer Person zum Recorder ist seine Amtszeit ebenso wie die Häufigkeit und Dauer der Dienstverpflichtungen festzulegen, für die die Person zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Recorder während ihrer Amtszeit zur Verfügung stehen soll. …
(7) Die Bezüge und Vergütungen der Recorders werden aus Mitteln gezahlt, die das Parlament bereitstellt, und vom Lord Chancellor in Abstimmung mit dem Minister for the Civil Service (Minister für den öffentlichen Dienst) festgelegt."
[14] 14 Wie sich aus dem Vorlagebeschluss ergibt, wird das Altersversorgungssystem der Angehörigen der Richterschaft hauptsächlich durch den Judicial Pensions Act 1981 (Gesetz von 1981 über die Altersrenten der Angehörigen der Richterschaft) in der durch den Judicial Pensions and Retirement Act 1993 (Gesetz von 1993 über die Altersrenten und den Ruhestand der Angehörigen der Richterschaft) geänderten Fassung geregelt. Nach Section 1 (6) dieses Gesetzes in seiner geänderten Fassung versteht man unter einem für den Zugang zum Altersversorgungssystem der Angehörigen der Richterschaft "einschlägigen richterlichen Amt" jedes der in Anhang 1 dieses Gesetzes aufgezählten Ämter, wenn dieses Amt als Gehaltsempfänger ausgeübt wird. Das vorlegende Gericht gibt außerdem an, dass es keine ausdrückliche Vorschrift über die Altersrente der Recorders oder anderer auf der Basis von Tagesgebühren vergüteter Richter gibt.
[15] 15 Wie aus der Akte hervorgeht, hat das Vereinigte Königreich keine Maßnahmen gemäß Paragraf 2 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit erlassen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
[16] 16 Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ergibt sich, dass im Vereinigten Königreich Richter historisch als "Amtsträger" beschrieben werden und außerhalb eines arbeitsvertraglichen Rahmens arbeiten.
[17] 17 Seit dem Gerichtsgesetz von 1971 hat die Zahl der Teilzeitrichter erheblich zugenommen. Bei den Teilzeitrichtern ist zwischen den auf der Basis von Tagesgebühren vergüteten Richtern, zu denen die Recorders wie Herr O'Brien gehören, und den Richtern zu unterscheiden, die ein Gehalt beziehen. Die Recorders arbeiten hauptsächlich in den Crown Courts. Ihre Tagesvergütung beträgt 1/20 des Gehalts eines in Vollzeit tätigen Circuit Judge (Bezirksrichter). Im Gegensatz zu den Vollzeitrichtern und den ein Gehalt beziehenden Teilzeitrichtern haben die Recorders keinen Anspruch auf eine Altersrente.
[18] 18 Herr O'Brien wurde 1962 zur Anwaltschaft zugelassen und 1983 zum Queen's Counsel ernannt. Er arbeitete von 1978 an als Recorder, bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2005, als er sein 65. Lebensjahr vollendete. Zu diesem Zeitpunkt beantragte er unter Berufung auf die Richtlinie 97/81 und die Verordnung über Teilzeitbeschäftigte eine Altersrente, die zeitanteilig nach der Altersrente zu berechnen sei, auf die ein in Vollzeit tätiger Circuit Judge, der zum selben Zeitpunkt in den Ruhestand getreten sei, Anspruch hätte. Das Department for Constitutional Affairs lehnte den Antrag ab, da Herr O'Brien keinen Anspruch auf eine Altersrente habe.
[19] 19 Herr O'Brien erhob daher im September 2005 Klage beim Employment Tribunal. Dieses Gericht gab seiner Klage statt, doch im Rechtsmittelverfahren vor dem Employment Appeal Tribunal unterlag Herr O'Brien, weil er die Klage verspätet erhoben habe. Später wurde angeordnet, dass sowohl die materiell-rechtliche Frage als auch die Frage der Verfristung vor dem Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) als Testklageverfahren ("test case") verhandelt werden sollte. Im Dezember 2008 gab dieses Gericht dem von Herrn O'Brien eingelegten Rechtsmittel hinsichtlich der Frage der Verfristung statt, gab dem Employment Tribunal jedoch auf, die Klage in der Sache abzuweisen. Daraufhin legte Herr O'Brien Rechtsmittel bei dem vorlegenden Gericht ein.
[20] 20 Der Supreme Court of the United Kingdom hebt hervor, dass das Richteramt zu den ältesten und wichtigsten Ämtern im nationalen Recht gehöre. Ein Recorder sei Inhaber eines Amts, das ihm ein hohes Maß an Unabhängigkeit in der Entscheidung verleihe und in dem er keinen Weisungen einer übergeordneten Stelle hinsichtlich der Art und Weise, in der er seine richterliche Tätigkeit erfülle, unterliege. Gleichwohl weise das Richteramt die meisten Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses auf.
[21] 21 Der Supreme Court leitet aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ab, dass es keine einheitliche Definition des Begriffs "Arbeitnehmer" gebe. Außerdem weist er darauf hin, dass Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in Verbindung mit dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/81 zur Folge habe, dass dem nationalen Recht die Auslegung des Begriffs "Arbeitnehmer" überlassen bleibe; das nationale Recht dürfe aber die dem Unionsrecht zugrunde liegenden Grundsätze nicht in der Weise verdrängen, dass es sie zunichtemache.
[22] 22 Dieses Gericht stellt sich die Frage, ob die Zulässigkeit einer Abweichung des nationalen Rechts von einer eventuellen Norm des Unionsrechts anhand einzelner oder aller folgenden Kriterien zu prüfen sei: erstens der Zahl der betroffenen Personen, zweitens der besonderen Stellung der rechtsprechenden Gewalt, für deren Ausübung die Unabhängigkeit in der Entscheidung ein wesentliches Merkmal sei, und drittens der Frage, inwieweit diese Abweichung beabsichtigt sei. Im Hinblick auf das letztgenannte Kriterium weist der Supreme Court of the United Kingdom darauf hin, dass der Ausschluss der auf der Basis von Tagesgebühren vergüteten Teilzeitrichter durch Regulation 17 der Verordnung über Teilzeitbeschäftigte ein gezielter Ausschluss einer bestimmten Kategorie sein könnte, wohingegen die in Vollzeit oder in Teilzeit, aber auf Gehaltsbasis tätigen Kollegen, die die gleichen oder ähnliche Tätigkeiten ausübten, Anspruch auf eine Altersrente hätten.
[23] 23 Vor diesem Hintergrund hat der Supreme Court of the United Kingdom beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Bestimmt es sich nach nationalem Recht, ob Richter in ihrer Gesamtheit im Sinne von Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit als Beschäftigte, die einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen, anzusehen sind, oder gibt es eine gemeinschaftsrechtliche Bestimmung, nach der diese Frage zu entscheiden ist?
2. Wenn Richter in ihrer Gesamtheit im Sinne von Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit als Beschäftigte anzusehen sind, die einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen, darf dann das nationale Recht hinsichtlich der Gewährung von Pensionsansprüchen a) zwischen Vollzeit- und Teilzeitrichtern oder b) zwischen verschiedenen Arten von Teilzeitrichtern unterscheiden?
Zu den Vorlagefragen
Zur Zulässigkeit
[24] 24 Die lettische Regierung bezweifelt die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens. Die Ansicht, dass die Richtlinie 97/81 auf einen Sachverhalt Anwendung finden könne, der sich hauptsächlich vor deren Inkrafttreten im Vereinigten Königreich abgespielt und nur für kurze Zeit nach diesem Inkrafttreten angedauert habe, verstoße gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, zumal der von Herrn O'Brien geltend gemachte Altersrentenanspruch nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 97/81 entstanden sei.
[25] 25 Der Gerichtshof hat in Bezug auf die zeitliche Anwendbarkeit der genannten Richtlinie bereits festgestellt, dass eine neue Vorschrift, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, unmittelbar auf die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts anzuwenden ist, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist. Daraus folgerte er, dass für die Berechnung der Beitragszeiten, die für den Erwerb eines Anspruchs auf Altersversorgung erforderlich sind, die Bestimmungen der Richtlinie 97/81, und zwar auch in Bezug auf vor dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens liegende Beschäftigungszeiten, anwendbar sind (Urteil vom 10. Juni 2010, Bruno u. a., C-395/08 und C-396/08, Slg. 2010, I-5119, Randnrn. 53 bis 55).
[26] 26 Das Vorabentscheidungsersuchen ist folglich zulässig.
Zur Beantwortung der Fragen
Zur ersten Frage
[27] 27 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, den Begriff "[B] eschäftigte, die … einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen", in Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit zu definieren.
[28] 28 Es ist darauf hinzuweisen, dass der persönliche Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in Paragraf 2 Nr. 1 dieser Vereinbarung definiert wird. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung gilt diese Vereinbarung "für Teilzeitbeschäftigte, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen". Weder die Richtlinie 97/81 noch die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit enthalten eine Definition der Begriffe "Beschäftigter" "Arbeitsvertrag" oder "Arbeitsverhältnis".
[29] 29 Im 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/81 heißt es, dass bezüglich der in der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit verwendeten, jedoch nicht genauer definierten Begriffe die Richtlinie 97/81 – wie andere im Sozialbereich erlassene Richtlinien, in denen ähnliche Begriffe vorkommen – es den Mitgliedstaaten überlässt, diese Begriffe entsprechend ihrem nationalen Recht und/oder ihrer nationalen Praxis zu definieren, vorausgesetzt, diese Definitionen entsprechen inhaltlich der Rahmenvereinbarung.
[30] 30 Wie die Parteien des Ausgangsverfahrens sind sich auch alle Regierungen, die Erklärungen eingereicht haben, und die Europäische Kommission darin einig, dass die Bedeutung des Arbeitnehmerbegriffs im Unionsrecht nicht einheitlich ist, sondern vom jeweiligen Anwendungsbereich abhängt (Urteile vom 12. Mai 1998, Martínez Sala, C-85/96, Slg. 1998, I-2691, Randnr. 31, und vom 13. Januar 2004, Allonby, C-256/01, Slg. 2004, I-873, Randnr. 63).
[31] 31 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass, wie aus dem Wortlaut des elften Erwägungsgrundes der Richtlinie 97/81 hervorgeht, das Ziel der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit nicht darin besteht, alle nationalen Vorschriften über Teilzeitarbeitsverträge oder -verhältnisse zu harmonisieren, sondern lediglich darin, durch Festlegung allgemeiner Grundsätze und Mindestvorschriften "einen allgemeinen Rahmen für die Beseitigung der Diskriminierungen von Teilzeitbeschäftigten zu schaffen".
[32] 32 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass dieser Richtlinie davon ausgegangen ist, dass der Begriff "Teilzeitbeschäftigte, die einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen" im Sinne des nationalen Rechts ausgelegt werden sollte.
[33] 33 Der Gerichtshof hat diesen Ansatz schon mit dem Hinweis darauf bestätigt, dass ein Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit fällt, wenn er nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem betroffenen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag hat oder in einem Arbeitsverhältnis steht (vgl. Urteil vom 12. Oktober 2004, Wippel, C-313/02, Slg. 2004, I-9483, Randnr. 40).
[34] 34 Das den Mitgliedstaaten durch die Richtlinie 97/81 eingeräumte Ermessen bei der Definition der in der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit verwendeten Begriffe ist jedoch nicht unbegrenzt. Wie die Generalanwältin in den Nrn. 36 und 37 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, dürfen bestimmte der in dieser Rahmenvereinbarung verwendeten Begriffe zwar entsprechend dem nationalen Recht und/oder der nationalen Praxis definiert werden, vorausgesetzt allerdings, die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie und der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts wird gewahrt.
[35] 35 Die Mitgliedstaaten dürfen nämlich keine Regelung anwenden, die die Verwirklichung der mit einer Richtlinie verfolgten Ziele gefährden und sie damit ihrer praktischen Wirksamkeit berauben könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2011, El Dridi, C-61/11 PPU, Slg. 2011, I-0000, Randnr. 55).
[36] 36 Insbesondere kann ein Mitgliedstaat nicht unter Verletzung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie 97/81 nach seinem Belieben bestimmte Personalkategorien von dem durch diese Richtlinie und durch die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit bezweckten Schutz ausnehmen (vgl. entsprechend zur Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge [ABl. L 175, S. 43, im Folgenden: Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge] Urteil vom 13. September 2007, Del Cerro Alonso, C-307/05, Slg. 2007, I-7109, Randnr. 29).
[37] 37 Diese Auslegung wird durch die Vorschriften dieser beiden Rechtsakte bestätigt, die keinen Anhaltspunkt dafür enthalten, dass bestimmte Arbeitsplatzkategorien von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen wären. Wie schon aus dem Wortlaut von Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit hervorgeht, ist deren Anwendungsbereich vielmehr weit gefasst und erfasst allgemein Teilzeitbeschäftigte, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen. Die Definition des Begriffs "Teilzeitbeschäftigter" im Sinne dieser Rahmenvereinbarung in deren Paragraf 3 Nr. 1 erfasst alle Arbeitnehmer, ohne danach zu unterscheiden, ob sie an einen öffentlichen oder an einen privaten Arbeitgeber gebunden sind (vgl. entsprechend die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, Urteil vom 22. Dezember 2010, Gavieiro Gavieiro und Iglesias Torres, C-444/09 und C-456/09, Slg. 2010, I-0000, Randnrn. 39 und 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
[38] 38 Mit der Kommission ist davon auszugehen, dass die Definition der "[B] eschäftigte [n], die … einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen", für die Zwecke von Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit Auswirkungen auf den Umfang und die praktische Wirksamkeit des in dieser Rahmenvereinbarung verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes haben wird.
[39] 39 Im vorliegenden Fall hat die Regierung des Vereinigten Königreichs vorgetragen, im nationalen Recht sei seit Langem anerkannt, dass Richter nicht aufgrund eines Arbeitsvertrags beschäftigt würden und dass im nationalen Recht auch keine Kategorie von Arbeitsverhältnissen anerkannt sei, die sich von vertraglich geschaffenen Verhältnissen unterschieden. Aus diesen Gründen falle nach der vom Ministry of Justice und von dieser Regierung vertretenen Ansicht die Kategorie der Richter in ihrer Gesamtheit nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 97/81. Regulation 17 der Verordnung über Teilzeitbeschäftigte, in der klargestellt werde, dass diese Verordnung auf Teilzeitrichter, die auf der Basis von Tagesgebühren vergütet werden, nicht anwendbar sei, sei daher überflüssig.
[40] 40 Nach der im nationalen Recht vorgenommenen Auslegung des Begriffs "Beschäftigter, der einen Arbeitsvertrag hat oder in einem Arbeitsverhältnis steht", wie sie die Regierung des Vereinigten Königreichs vorschlägt, schließt die Ausübung eines Richteramts von vornherein die Existenz eines Arbeitsvertrags oder eines Arbeitsverhältnisses aus, wodurch den Richtern der mit der Richtlinie 97/81 und der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit bezweckte Schutz vorenthalten wird.
[41] 41 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der bloße Umstand, dass Richter als Inhaber eines Richteramts eingestuft werden, für sich genommen nicht ausreicht, um ihnen die in dieser Rahmenvereinbarung vorgesehenen Rechte zu entziehen.
[42] 42 Aus den Randnrn. 34 bis 38 des vorliegenden Urteils und insbesondere aus der Notwendigkeit, die praktische Wirksamkeit des in dieser Rahmenvereinbarung verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes zu wahren, ergibt sich nämlich, dass ein solcher Ausschluss nur dann zugelassen werden kann, wenn das in Rede stehende Arbeitsverhältnis seinem Wesen nach erheblich anders ist als dasjenige, das zwischen den Beschäftigten, die nach dem nationalen Recht zur Kategorie der Arbeitnehmer gehören, und ihren Arbeitgebern besteht, da andernfalls dieser Ausschluss als willkürlich zu betrachten wäre.
[43] 43 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, abschließend zu prüfen, inwiefern das zwischen den Richtern und dem Ministry of Justice bestehende Rechtsverhältnis seinem Wesen nach erheblich anders ist als das Arbeitsverhältnis, das einen Beschäftigten mit seinem Arbeitgeber verbindet. Der Gerichtshof kann jedoch dem vorlegenden Gericht einige Grundsätze und Kriterien aufzeigen, die dieses im Rahmen seiner Prüfung zu berücksichtigen hat.
[44] 44 In diesem Zusammenhang ist festzustellen – wie die Generalanwältin dies in Nr. 48 ihrer Schlussanträge getan hat –, dass das vorlegende Gericht bei der Prüfung der Frage, ob dieses Rechtsverhältnis seinem Wesen nach erheblich anders ist als das Arbeitsverhältnis, das die Beschäftigten, die nach dem nationalen Recht zur Kategorie der Arbeitnehmer gehören, mit ihren Arbeitgebern verbindet, nach dem Sinn und Zweck der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit die Abgrenzung zwischen der Kategorie der Arbeitnehmer und der Kategorie der selbständig Beschäftigten zu berücksichtigen haben wird.
[45] 45 In dieser Hinsicht sind die Modalitäten der Ernennung und der Abberufung der Richter, aber auch die Art und Weise, in der ihre Arbeit organisiert ist, zu berücksichtigen. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich insofern, dass von Richtern erwartet wird, dass sie zu bestimmten Zeiten und während bestimmter Zeiträume arbeiten, auch wenn sie sich ihre Arbeit mit größerer Flexibilität einteilen können als Angehörige anderer Berufe.
[46] 46 Außerdem ist festzustellen, dass Richter nach dem Vorlagebeschluss Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschafts- bzw. Vaterschaftsgeld und ähnliche Leistungen haben.
[47] 47 Es ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass Richter Dienstvorschriften unterliegen und möglicherweise als Beschäftigte im Sinne von Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit zu betrachten sind, in keiner Weise den Grundsatz der Unabhängigkeit der Justiz und die Befugnis der Mitgliedstaaten, für den Richterstand einen besonderen Status vorzusehen, berührt.
[48] 48 Wie der Supreme Court of the United Kingdom in Randnr. 27 seines Vorlagebeschlusses hervorgehoben hat, bleiben Richter bei der Ausübung der Richtertätigkeit als solcher unabhängig im Sinne von Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
[49] 49 Diese Feststellungen werden nicht durch das Vorbringen der lettischen Regierung in Frage gestellt, wonach die Anwendung des Unionsrechts auf die rechtsprechende Gewalt die nationalen Identitäten der Mitgliedstaaten nicht beachten würde, was gegen Art. 4 Abs. 2 EUV verstoßen würde. Es ist nämlich festzustellen, dass die Anwendung der Richtlinie 97/81 und der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit auf Teilzeitrichter, die auf der Basis von Tagesgebühren vergütet werden, keine Auswirkungen auf die nationale Identität haben kann, sondern nur dazu dienen würde, ihnen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung, der eines der Ziele dieser Vorschriften darstellt, zugutekommen zu lassen und sie somit vor Diskriminierungen von Teilzeitbeschäftigten zu schützen.
[50] 50 Das Gleiche gilt für das Vorbringen, wonach Richter in ihrer Gesamtheit nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 97/81 und der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit fallen sollen, da nach Art. 51 AEUV die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht für Tätigkeiten gelte, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden seien. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Rahmenvereinbarung nicht die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betrifft.
[51] 51 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, den Begriff "[B] eschäftigte, die … einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen" in Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit zu definieren und insbesondere zu bestimmen, ob Richter unter diesen Begriff fallen, vorausgesetzt, dass dies nicht dazu führt, dass diese Kategorie von Personen willkürlich von dem Schutz ausgeschlossen wird, der durch die Richtlinie 97/81 und diese Rahmenvereinbarung gewährt wird. Ein Ausschluss von diesem Schutz kann nur dann zugelassen werden, wenn das zwischen den Richtern und dem Ministry of Justice bestehende Rechtsverhältnis seinem Wesen nach erheblich anders ist als dasjenige, das Beschäftigte, die nach dem nationalen Recht zur Kategorie der Arbeitnehmer gehören, mit ihren Arbeitgebern verbindet.
Zur zweiten Frage
[52] 52 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob in dem Fall, dass Richter nach dem nationalen Recht unter den Begriff "[B] eschäftigte, die … einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen" in Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit fallen sollten, diese Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass das nationale Recht für die Zwecke des Zugangs zum Altersversorgungssystem nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitrichtern oder zwischen Teilzeitrichtern, die ihre Tätigkeit nach unterschiedlichen Regelungen ausüben, unterscheiden darf.
[53] 53 Wie aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervorgeht, ergibt sich diese Frage daraus, dass Regulation 17 der Verordnung über Teilzeitbeschäftigte ausdrücklich vorsieht, dass diese Verordnung nicht auf Personen anwendbar ist, die für die Ausübung eines richterlichen Amts auf der Basis von Tagesgebühren vergütet werden, wie die Recorders. Diese können sich daher nicht auf Regulation 5 dieser Verordnung berufen, wonach die ungerechtfertigte schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten untersagt ist, so dass Recorders sich im Gegensatz zu Vollzeitrichtern und ein Gehalt beziehenden Teilzeitrichtern nicht dem Altersversorgungssystem der Angehörigen der Richterschaft anschließen und bei ihrer Versetzung in den Ruhestand keine Altersrente aus diesem Versorgungssystem erhalten können.
[54] 54 Nach Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit ist es untersagt, Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten schlechter zu behandeln, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Nach Paragraf 4 Nr. 2 dieser Rahmenvereinbarung gilt der Pro-rata-temporis-Grundsatz, wo dies angemessen ist.
[55] 55 Der Begriff "Beschäftigungsbedingungen" in Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit erfasst Versorgungsbezüge, wenn sie von einem Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abhängen (vgl. u. a. Urteil Bruno u. a., Randnr. 42).
[56] 56 Die unterschiedliche Behandlung, die auf der Basis von Tagesgebühren vergütete Teilzeitrichter erfahren sollen, ergibt sich daraus, dass sie aufgrund ihres Vergütungsmodus bei ihrer Versetzung in den Ruhestand weder Anspruch auf eine Altersrente aus dem Altersversorgungssystem der Angehörigen der Richterschaft noch auf den durch Regulation 17 der Verordnung über Teilzeitbeschäftigte gewährten Schutz haben.
[57] 57 Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht hierzu geltend, die Richtlinie 97/81 und die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit beträfen lediglich Diskriminierungen zwischen Teilzeitrichtern und Vollzeitrichtern und nicht zwischen verschiedenen Kategorien von Teilzeitbeschäftigten, die ihre Tätigkeit nach unterschiedlichen Regelungen ausübten.
[58] 58 Dazu ist festzustellen, dass, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt hat, zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung über Teilzeitbeschäftigte die Teilzeitrichter von wenigen Ausnahmen abgesehen alle auf der Basis von Tagesgebühren vergütet wurden. Die Situation der auf einer solchen Basis vergüteten Teilzeitrichter ist also vor diesem Hintergrund zu sehen. Wenn somit die nationalen Bestimmungen das Recht, sich dem Altersversorgungssystem der Angehörigen der Richterschaft anzuschließen, denen, die ein Gehalt beziehen, vorbehalten, läuft dies darauf hinaus, dieses Recht den Vollzeitrichtern vorzubehalten und dadurch Teilzeitrichter auszuschließen, da diese von wenigen Ausnahmen abgesehen auf der Basis von Tagesgebühren vergütet werden.
[59] 59 Bei dieser Sachlage ist der Umstand, dass ein Gehalt beziehende Teilzeitrichter hinsichtlich der Altersrentenansprüche genauso wie Vollzeitrichter behandelt werden, irrelevant. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die im nationalen Recht für die Definition der Altersrentenansprüche eingeführten Unterscheidungen zwischen Teilzeitrichtern, die ihre Tätigkeit nach unterschiedlichen Regelungen ausüben, nach der Richtlinie 97/81 und der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit zulässig sind.
[60] 60 Folglich ist zu prüfen, ob die Weigerung, Teilzeitrichtern, die auf der Basis von Tagesgebühren vergütet werden, eine Altersrente zu gewähren, dazu führt, dass diese gegenüber Vollzeitbeschäftigten, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, schlechter behandelt werden.
[61] 61 Paragraf 3 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit enthält insoweit Kriterien für die Definition des "vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten". Dieser wird in Paragraf 3 Nr. 2 Abs. 1 definiert als "ein Vollzeitbeschäftigter desselben Betriebs mit derselben Art von Arbeitsvertrag oder Beschäftigungsverhältnis, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit/Beschäftigung tätig ist, wobei auch die Betriebszugehörigkeitsdauer und die Qualifikationen/Fertigkeiten sowie andere Erwägungen heranzuziehen sind". Es ist festzustellen, dass diese Kriterien auf die inhaltliche Tätigkeit der betroffenen Personen abstellen.
[62] 62 Daher lässt sich nicht die Auffassung vertreten, dass sich Vollzeitrichter und Recorders aufgrund ihrer unterschiedlichen beruflichen Laufbahn und der den Recorders jederzeit offenstehenden Möglichkeit, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben, nicht in einer vergleichbaren Situation befänden. Entscheidend ist nämlich vielmehr, dass sie im Wesentlichen dieselbe Tätigkeit ausüben. Die Beteiligten einschließlich der Regierung des Vereinigten Königreichs haben in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass Recorders und Vollzeitrichter dieselben Aufgaben erfüllten. Ihre Arbeit sei nämlich identisch und werde in denselben Gerichten und in denselben Sitzungen ausgeübt.
[63] 63 Nach Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit und dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung kann die unterschiedliche Behandlung eines Teilzeitbeschäftigten gegenüber einem vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nur aus objektiven Gründen gerechtfertigt werden.
[64] 64 Der Begriff "objektive Gründe" im Sinne des Paragrafen 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit ist aber so zu verstehen, dass eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass sie in einer allgemeinen und abstrakten Norm vorgesehen ist. Vielmehr muss nach diesem Begriff die in Rede stehende Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entsprechen und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich sein (vgl. entsprechend zu Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge Urteil Del Cerro Alonso, Randnrn. 57 und 58).
[65] 65 Da im Verfahren vor dem Gerichtshof kein Rechtfertigungsgrund geltend gemacht wurde, wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob die Ungleichbehandlung von Vollzeit- und auf der Basis von Tagesgebühren vergüteten Teilzeitrichtern gerechtfertigt werden kann.
[66] 66 Es ist darauf hinzuweisen, dass Haushaltserwägungen eine Diskriminierung nicht rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Oktober 2003, Schönheit und Becker, C-4/02 und C-5/02, Slg. 2003, I-12575, Randnr. 85, und vom 22. April 2010, Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols, C-486/08, Slg. 2010, I-3527, Randnr. 46).
[67] 67 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit dahin auszulegen ist, dass das nationale Recht für die Zwecke des Zugangs zum Altersversorgungssystem nicht zwischen Vollzeit- und auf der Basis von Tagesgebühren vergüteten Teilzeitrichtern unterscheiden darf, es sei denn, dass objektive Gründe eine solche unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, was zu beurteilen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Kosten
[68] 68 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
* Verfahrenssprache: Englisch.