Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 6. 3. 2013 – III ZR 261/12; OLG München (lexetius.com/2013,674)

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. März 2013 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Hucke, Tombrink und Dr. Remmert beschlossen:
Das Verfahren ist weiterhin unterbrochen.
[1] Gründe: I. Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde in zweiter Instanz zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 20.119,33 € nebst Zinsen an den Kläger wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einer Beteiligung des Klägers an der C. Gesellschaft mbH & Co. KG verurteilt.
[2] Das Oberlandesgericht ließ die Revision nicht zu. Dagegen legte die Beklagte Beschwerde ein. Das beim Senat anhängige Beschwerdeverfahren (III ZR 308/08) wurde gemäß § 240 Satz 2 ZPO dadurch unterbrochen, dass das Amtsgericht – Insolvenzgericht – M. durch Beschluss vom 5. August 2010 der Beklagten ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegte. Am 10. Dezember 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet.
[3] Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2011 trat die H. AG auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit bei. Im Insolvenzverfahren widersprach sie als Gläubigerin der Beklagten der von dem Kläger in Höhe von 56.218,42 € zur Tabelle angemeldeten Forderung. Ein weiterer Widerspruch wurde – allerdings nur in Höhe von 13.019,77 € vom Insolvenzverwalter erhoben. Mit Schriftsätzen vom 13. August und 13. Dezember 2012 hat der Kläger das unterbrochene Verfahren ausdrücklich nur gegen die Streithelferin der Beklagten als widersprechende Gläubigerin gemäß § 180 Abs. 2 InsO in Höhe von 53.308,70 € aufgenommen. Zugleich hat er einen zwischen seinen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten und dem Insolvenzverwalter am 29. November 2012 geschlossenen Vergleich vorgelegt. Darin verpflichten sich die Prozessbevollmächtigten, die einen großen Teil der am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger (geschädigte Anleger) vor Gericht vertreten haben, keine Feststellungsrechtsstreitigkeiten aufgrund des Teilwiderspruchs des Insolvenzverwalters gegen diesen zu führen. Im Gegenzug verpflichtet sich der Insolvenzverwalter, das Ergebnis eines rechtskräftig entschiedenen Feststellungsprozesses gegen die bestreitenden Gläubiger gegen sich gelten zu lassen. Weiter heißt es in § 2 Satz 2 des Vergleichs wie folgt:
"Der Insolvenzverwalter nimmt, aufschiebend bedingt durch die rechtskräftige Entscheidung des Gerichts, in Höhe des ausgeurteilten Betrages seinen Teilwiderspruch gegen die angemeldete Forderung zurück."
[4] Die Streithelferin der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 10. Januar 2013 beantragt festzustellen, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist. Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2013 hat der Kläger einen zwischen ihm selbst und dem Insolvenzverwalter am 15. /25. Januar 2013 geschlossenen Vergleich vorgelegt, der im Übrigen mit dem Vergleich vom 29. November 2012 übereinstimmt.
[5] II. Der Antrag der Streithelferin der Beklagten ist zulässig und begründet.
[6] Das Verfahren ist durch die Erklärungen des Klägers in seinen Schriftsätzen vom 13. August und 13. Dezember 2012 nicht wirksam aufgenommen worden und daher weiterhin unterbrochen.
[7] 1. Der Antrag der Streithelferin der Beklagten ist zulässig. Sie und der Kläger streiten über die Frage, ob das vor dem Senat anhängige, gemäß § 240 ZPO unterbrochene Verfahren über die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil des Oberlandesgerichts M. mit den Schriftsätzen des Klägers vom 13. August und 13. Dezember 2012 gegen die Streithelferin aufgenommen werden konnte und damit fortzusetzen ist. Es handelt sich somit um einen Zwischenstreit über die Wirksamkeit der von dem Kläger erklärten Aufnahme, über den im Beschwerdeverfahren entsprechend § 303 ZPO durch Beschluss zu entscheiden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Oktober 2012 – III ZR 204/12, NJW 2012, 3725 Rn. 5, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
[8] 2. Der Antrag der Streithelferin ist auch begründet. Das Verfahren ist mit den Erklärungen des Klägers vom 13. August und 13. Dezember 2012 nicht wirksam aufgenommen worden und daher weiterhin unterbrochen.
[9] a) Ist – wie vorliegend – in einem Insolvenzverfahren eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es gemäß § 179 Abs. 1 InsO dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung gemäß § 180 Abs. 2 InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Zwar obliegt es gemäß § 179 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn für eine Forderung – wie hier – ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt. Es ist aber auch der Gläubiger der Forderung zur Aufnahme befugt, wenn – wie bisher vorliegend – der Bestreitende seinen Widerspruch nicht verfolgt (Senat aaO Rn. 7 mwN).
[10] b) Die Aufnahme des Rechtsstreits ist auch möglich, wenn der Rechtsstreit zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Revisionsinstanz anhängig war. Dies gilt auch für den Fall einer in der Revisionsinstanz anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde (Senat aaO Rn. 8 mwN).
[11] c) Die uneingeschränkte Aufnahme eines Rechtsstreits durch den Gläubiger einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung ist jedoch, wenn der Forderung mehrere Personen im Sinne von § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO (teilweise) widersprochen haben, nur wirksam, wenn der Rechtsstreit gegenüber allen Widersprechenden aufgenommen wird (Senat aaO Rn. 23 ff). Dies folgt für den Fall, dass – wie hier – schon ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig ist, aus dem Zweck der Regelung des § 180 Abs. 2 InsO, Zeit und Kosten zu sparen und den Rechtsstreit rasch zu Ende zu bringen. Die Aufnahme gegenüber allen Widersprechenden im Sinne von § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO ist deshalb geboten, weil – anders als im Fall des Bestreitens der Forderung durch den Schuldner nach § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO – der Widerspruch die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle hindert; die vom Gläubiger begehrte Feststellung setzt damit voraus, dass vorher sämtliche Widersprüche, die ihr entgegenstehen, beseitigt sind (Senat aaO mwN).
[12] Vorliegend hat der Kläger das Verfahren nicht gegen den ebenfalls der Feststellung der streitgegenständlichen Forderung zur Insolvenztabelle widersprechenden Insolvenzverwalter aufgenommen. Dies steht nach den vorstehenden Grundsätzen der Wirksamkeit der Verfahrensaufnahme entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob eine Aufnahme des Rechtsstreits gegen alle Widersprechenden ausnahmsweise dann entbehrlich ist, wenn auf andere Weise sichergestellt ist, dass nach Beendigung des nur gegen einen Widersprechenden aufgenommenen Verfahrens dieses nicht ein weiteres Mal gegen weitere Widersprechende aufgenommen werden muss, damit eine Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle erfolgen kann. Denn dieses Ergebnis wird durch den zwischen dem Kläger und dem Insolvenzverwalter geschlossenen Vergleich vom 15. /25. Januar 2013 nicht erreicht.
[13] aa) Keiner Entscheidung bedarf es in diesem Zusammenhang, ob die in dem Vergleich vom Insolvenzverwalter aufschiebend bedingt erklärte Rücknahme seines (Teil-) Widerspruchs wirksam ist, wenn sie – wie hier – ausschließlich gegenüber den anmeldenden Gläubigern erfolgt (Rücknahme nur gegenüber Insolvenzgericht: AG Bremen, Beschluss vom 4. Februar 2005 – 40 IN 881/02, Juris Rn. 5 f; Graf-Schlicker in Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl., § 176 Rn. 21 mwN; Rücknahme gegenüber Anmelder ausreichend: MünchKomm InsO/Schumacher 2. Aufl., § 178 Rn. 43 mwN; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 178 Rn. 23; Gerhardt in Jaeger, InsO, 5. Aufl., § 176 Rn. 18). Ebenfalls dahinstehen kann, ob eine gegenüber dem Insolvenzgericht erklärte Rücknahme des Widerspruchs wirksam wäre, wenn sie nur aufschiebend bedingt erfolgt (verneinend: MünchKommInsO/Schumacher aaO).
[14] bb) Denn selbst wenn die von dem Insolvenzverwalter aufschiebend bedingt erklärte Rücknahme seines Widerspruchs wirksam sein sollte, wäre dennoch nicht sichergestellt, dass nach Beendigung des nur gegen einen Widersprechenden aufgenommenen Verfahrens dieses nicht ein weiteres Mal gegen weitere Widersprechende aufgenommen werden muss, damit eine Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle erfolgen kann. Die in dem Vergleich vom 15. /25. Januar 2013 vereinbarte Bedingung für die Rücknahme des Widerspruchs würde im Fall einer Beendigung des aufgenommenen Verfahrens ohne rechtskräftige gerichtliche Entscheidung nicht eintreten. Nähme etwa aufgrund eines Prozessvergleichs die widersprechende Gläubigerin ihren Widerspruch (teilweise) zurück und erklärten sie und der Kläger anschließend den Rechtsstreit, soweit er gegen die widersprechende Gläubigerin aufgenommen wurde, für erledigt, fehlte es an einer Entscheidung des Gerichts, die Rechtskraft erlangen könnte. Mangels Rücknahme des Widerspruchs durch den Insolvenzverwalter müsste der Rechtsstreit sodann vom Kläger auch gegen ihn aufgenommen werden, um eine Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle zu erreichen. Dies ist mit Sinn und Zweck der Regelung des § 180 Abs. 2 InsO, Zeit und Kosten zu sparen und den Rechtsstreit rasch zu Ende zu bringen, nicht zu vereinbaren.
[15] Aus der Entscheidung des IX. Zivilsenats vom 2. April 2009 (IX ZR 236/07, ZIP 2009, 1080 Rn. 40), auf die der Kläger in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 13. Februar 2013 hingewiesen hat, ergibt sich nichts anderes. Abgesehen davon, dass sie eine Tabellenfeststellungsklage nach § 179 Abs. 1 InsO und nicht – wie hier – die Aufnahme eines bereits anhängigen Rechtsstreits nach § 180 Abs. 2 InsO betrifft, wird der genaue Wortlaut des dieser Entscheidung zugrunde liegenden Vergleichs nicht wiedergegeben. Soweit im Urteil des IX. Zivilsenats davon die Rede ist, dass sich die Beteiligten darauf geeinigt hätten, den "Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits" gegen sich gelten zu lassen, lässt dies – im Unterschied zu dem hier maßgeblichen Vergleich vom 15. /25. Januar 2013 – auch die Deutung zu, dass man auch einen etwaigen Prozessvergleich hinnehmen wolle.
[16] 3. Angesichts der seitens des Klägers somit nicht wirksam erfolgten Aufnahme des Verfahrens war auf den Antrag der Streithelferin der Beklagten festzustellen, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist.