Bundesgerichtshof
VVG a. F. § 6 Abs. 3; AVB Wohngebäudeversicherung (hier Nr. 13, 14 und 17 VGB 98)
1. Mit der Erklärung des Versicherers, die Leistung abzulehnen, endet die Sanktion der Leistungsfreiheit wegen schuldhaft begangener Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheitsverletzungen.
2. Will der Versicherer nach einer Leistungsablehnung wieder in die Sachprüfung eintreten und dafür den Schutz vertraglich vereinbarter Obliegenheiten erneut in Anspruch nehmen, muss er dies gegenüber dem Versicherungsnehmer zweifelsfrei klarstellen.
3. Die in Nr. 17 VGB 98 geregelte Verwirkung des Leistungsanspruchs infolge einer vom Versicherungsnehmer versuchten oder vollendeten arglistigen Täuschung des Versicherers greift nicht ein bei Angaben des Versicherungsnehmers, die dieser erst nach einer Leistungsablehnung des Versicherers in einem Wiederaufnahmeantrag macht (Fortführung des Senatsurteils vom 7. Juni 1989 – IVa ZR 101/88, BGHZ 107, 368, 370 f. m. w. N.).

BGH, Urteil vom 13. 3. 2013 – IV ZR 110/11; OLG Schleswig (lexetius.com/2013,903)

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsi tzende Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2013 für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 19. Mai 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[1] Tatbestand: Der Kläger hält bei der Beklagten seit Januar 2000 eine Wohngebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert nach Maßgabe Allgemeiner Versicherungsbedingungen der Beklagten (… VGB 98, im Folgenden: VGB 98), welche Versicherungsschutz unter anderem gegen Leitungswasserschäden (Nr. 4. 1. 2 i. V. m. Nr. 6 VGB 98) und Rohrbruchschäden durch Frost (Nr. 7. 1 VGB 98) an Rohren der Wasserversorgung (Nr. 7. 1. 1 VGB 98) gewähren. Die Parteien streiten um Versicherungsleistungen nach einem durch Frostbruch verursachten Leitungswasseraustritt.
[2] In den VGB 98 heißt es unter anderem:
"13 Welche Sicherheitsvorschriften müssen Sie beachten?
13. 1 Sie müssen …
13. 1. 3 nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genügend häufig kontrollieren und alle darin befindlichen wasserführenden Anlagen und Einrichtungen absperren, entleeren und entleert halten;
13. 1. 4 in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile beheizen und dies genügend häufig kontrollieren oder in nicht beheizten oder genügend kontrollierten Gebäuden oder Gebäudeteilen alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen absperren, entleeren und entleert halten. …
14 Welche Obliegenheiten sind zu beachten und welche Rechtsfolgen entstehen aus einer Verletzung? …
14. 2 Bei Eintritt des Versicherungsfalles haben Sie …
14. 2. 2 uns – soweit möglich – jede Untersuchung über die Ursachen und die Höhe des Schadens und über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten. Außerdem haben Sie uns … jede Auskunft zu erteilen und die angeforderten Belege … einzureichen;
14. 2. 4 Verletzen Sie eine der … beschriebenen Obliegenheiten, tritt Leistungsfreiheit für uns ein, wenn die Verletzung der Obliegenheit auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht. …
17 Wann wird der Anspruch auf Entschädigung verwirkt?
Haben Sie oder Ihr Repräsentant uns arglistig über Tatsachen getäuscht, die für den Grund oder
die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, so sind wir von der Entschädigungspflicht frei.
Auch der Versuch einer solchen Handlung führt zu unserer Leistungsfreiheit."
[3] Für die Zeit nach Auszug des letzten Mieters im Jahre 2005 ist der Umfang der nachfolgenden Nutzung des versicherten Gebäudes zwischen den Parteien streitig. Unstreitig wurde das Gebäude vom Kläger zwar beheizt, während einer Kälteperiode im Januar 2006 fiel die He izung jedoch aus. Am Abend des 13. Januar 2006 entdeckte eine Nachbarin, dass Wasser auf die Straße lief. Ursache war ein Wasseraustritt aus einem durch Frostbruch beschädigten Einhebelmischer des linken Waschbeckens des im Obergeschoss belegenen Badezimmers.
[4] Gegenüber dem Regulierungsbeauftragten der Beklagten gab der Kläger unter anderem an, letztmalig am 9. oder 10. Januar 2006 im Gebäude gewesen zu sein, wobei ihm Kälte nicht aufgefallen sei. Die vom Kläger geforderten Versicherungsleistungen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 7. Februar 2006 unter Berufung auf Nr. 13. 1 VGB 98 ab und kündigte den Versicherungsvertrag. Das versicherte Gebäude habe leer gestanden, es sei weder ausreichend beheizt, noch seien die Wasserleitungen entleert worden.
[5] In einer unter dem 14. Februar 2006 an die Beklagte gerichteten schriftlichen anwaltlichen Aufforderung, ihre Entscheidung zu überdenken, ließ der Kläger vortragen, seine Ehefrau sei letztmalig am 12. Januar 2006 gegen 15. 00 Uhr im Gebäude gewesen, das zu dieser Zeit noch warm gewesen sei. Die Heizung habe noch funktioniert. Mit Schreiben vom 20. Februar 2006 erwiderte die Beklagte dem Rechtsanwalt des Klägers:
"Es ist noch eine Rückfrage erforderlich, um Ihren Schaden weiter bearbeiten zu können. Hierfür benötigen wir noch etwas Zeit. Bitte haben Sie dafür Verständnis. Wir kommen wieder auf Sie zu."
[6] Mit gleichem Datum übersandte die Beklagte dem Kläger persönlich eine Bestätigung der Stornierung der Wohnhauspolice und eine Schlussabrechnung über die Erstattung überzahlter Prämie in Höhe von 64,48 €.
[7] Der Kläger begehrt neben bezifferten Versicherungsleistungen in Höhe von 41.501 € die Feststellung, die Beklagte sei zur Erstattung weiterer Schäden und – im Falle des Nachweises der Wiederherstellung bzw. Wiederbeschaffung bestimmter zerstörter Gegenstände – einer Neuwertspitze von 7.412 € verpflichtet. Weiter verlangt er die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.761,08 €.
[8] Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil die Angabe, die Ehefrau des Klägers sei noch am 12. Januar 2006 im zu dieser Zeit noch warmen Hause gewesen, falsch sei. Darauf dürfe sie sich ungeachtet ihrer Leistungsablehnung vom 7. Februar 2006 berufen, denn zum einen habe das nachfolgende Anwaltsschreiben vom 14. Februar 2006 lediglich vorangegangenes Vorbringen des Klägers aus dessen Schreiben vom 25. Januar 2006 konkretisiert, zum anderen gelte die Verwirkungsklausel des § 17 VGB 98 auch für arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers nach einer Leistungsablehnung.
[9] Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
[10] Entscheidungsgründe: Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[11] I. Nach dessen Auffassung ist die Beklagte gemäß § 6 Abs. 3 VVG a. F. infolge einer vorsätzlichen Auskunftsobliegenheitsverletzung (Nr. 14. 2. 2 VGB 98) leistungsfrei. Der Versicherungsnehmer sei insoweit auch zu wahren Angaben verpflichtet. Die im Anwaltsschreiben vom 14. Februar 2006 aufgestellte Behauptung, die Ehefrau des Klägers sei noch am 12. Januar im Gebäude gewesen, wo es damals nicht kalt gewesen, sondern die Heizung gelaufen sei, treffe nicht zu. Die Heizung sei vielmehr am 10. Januar 2006 ausgefallen.
[12] Der Leistungsfreiheit stehe nicht entgegen, dass die Beklagte eine Regulierung bereits mit Schreiben vom 7. Februar 2006 abgelehnt habe, denn sie habe mit ihrem an den Rechtsanwalt des Klägers gerichteten Schreiben vom 20. Februar 2006 zu erkennen gegeben, dass sie noch prüfungs- und verhandlungsbereit sei. Die Kündigungsabwicklung vom gleichen Tage stamme ersichtlich von einer anderen Abteilung der Beklagten und ändere nichts daran, dass die Beklagte wieder in die Leistungsprüfung eingetreten sei. Da die Falschangaben des Klägers gerade in dem darauf gerichteten "Wiederaufnahmeantrag" enthalten gewesen seien und im Übrigen in einem späteren anwaltlichen Erinnerungsschre iben vom 17. März 2006 noch einmal auf das Schreiben vom 20. Februar 2006 Bezug genommen worden sei, dürfe sich die Beklagte auf die Verletzung der Auskunftsobliegenheit berufen. Die Obliegenheitsverletzung könne nur vorsätzlich begangen worden sein; im Sinne der Relevanzrechtsprechung sei sie auch geeignet, die Interessen der Beklagten zu verletzen. Dass ihn kein erhebliches Verschulden treffe, habe der Kläger nicht bewiesen.
[13] Zugleich habe er arglistig i. S. des § 17 VGB 98 über Tatsachen getäuscht oder zu täuschen versucht, die für die Entscheidung der Beklagten von Bedeutung gewesen seien. Das Ziel, die Beklagte zu einer Regulierung zu bewegen, zeige sich daran, dass die falschen Behauptungen nach der Leistungsablehnung der Beklagten aufgestellt worden seien. Mithin sei die Versicherungsleistung auch verwirkt.
[14] Ob der Kläger eine vor dem Versicherungsfall zu erfüllende Obliegenheit verletzt habe, könne offen bleiben.
[15] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[16] 1. Die Beklagte kann sich nicht gemäß § 6 Abs. 3 VVG a. F. i. V. m. Art. 1 Abs. 2 EGVVG auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Auskunftsobliegenheit aus Nr. 14. 2. 2 VGB 98 berufen.
[17] a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat ein Versicherungsnehmer nach dem Versicherungsfall Aufklärungs- oder Auskunftsobliegenheiten nur solange zu erfüllen, wie er es mit einem Versicherer zu tun hat, der noch prüfungs- und damit verhandlungsbereit ist. Mit der endgültigen Leistungsablehnung des Versicherers enden, solange der Versicherer an ihr festhält, die Verhandlungen über eine Entschädigungsleistung, während derer der Versicherer auf Angaben eines redlichen Versicherungsnehmers angewiesen ist. Nur bis zu der Erklärung, die Leistung abzulehnen, besteht mithin die besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherers, der im Versicherungsrecht mit der – dem übrigen Schuldrecht unbekannten – Sanktion der Leistungsfreiheit wegen schuldhaft begangener Obliegenheitsverletzungen Rechnung getragen werden darf (vgl. nur Senatsurteil vom 7. Juni 1989 – IV ZR 101/88, BGHZ 107, 368, 370 f. m. w. N.).
[18] b) Allerdings kann dieser Schutz für den Versicherer wieder aufleben, wenn er dem Versicherungsnehmer unmissverständlich (Senat aaO S. 371; BGH, Urteil vom 8. Juli 1991 – II ZR 65/90, VersR 1991, 1129 unter 2 a; Senatsurteil vom 12. November 1997 – IV ZR 338/96, VersR 1998, 228 unter II 1 c) zu erkennen gibt, dass er an seiner Leistungsablehnung nicht festhalten, sondern erneut in die Prüfung der Leistungspflicht eintreten und dazu die Verhandlungen über die Schadenregulierung wieder aufnehmen wolle. Weiter muss der Versicherer dem Vers icherungsnehmer in diesem Falle klar zu erkennen geben, inwieweit für ihn noch ein Aufklärungsbedürfnis besteht (Senatsurteil vom 12. November 1997 aaO).
[19] c) Daran gemessen kann sich die Beklagte nicht mehr auf die Verletzung der Obliegenheit aus Nr. 14. 2. 2 VGB 98 berufen. Bereits vor dem Anwaltsschreiben vom 14. Februar 2006, welches die beanstandete Auskunft enthielt, hatte die Beklagte ihre Leistung mit Schreiben vom 7. Februar 2006 abgelehnt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung hat sie dem Kläger nicht unmissverständlich ihre Bereitschaft signalisiert, von der Leistungsablehnung Abstand zu nehmen und wieder in die Leistungsprüfung einzutreten.
[20] aa) Dem knappen Wortlaut des an den Rechtsanwalt des Klägers gerichteten Schreibens vom 20. Februar 2006 kann schon nicht sicher entnommen werden, dass die Beklagte wieder in die Sachprüfung eintreten wollte. Das Schreiben kann ebenso gut dahin verstanden werden, nicht die Entscheidung über die Entschädigung, sondern die Entsche idung über den Wiedereintritt in die Sachprüfung solle vom Ergebnis der weder inhaltlich noch hinsichtlich ihres Adressaten näher konkretisierten Rückfrage abhängig gemacht werden. Der Kläger konnte dem Schreiben mithin auch nicht entnehmen, inwieweit die Beklagte in der Sache noch Aufklärungsbedarf sah.
[21] bb) Hinzu kommt, dass die Beklagte mit zwei weiteren, ebenfalls auf den 20. Februar 2006 datierten und an den Kläger persönlich adressierten Schreiben die aus Anlass der vermeintlichen Obliegenheitsverle tzung erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages in der Weise bestätigte, dass sie dem Kläger eine Stornomitteilung nebst Schlussabrechnung über die Rückerstattung überzahlter Prämie übersandte. Das konnte der Kläger nur dahin verstehen, sie halte daran fest, dass er eine Obliegenheit aus Nr. 13. 1 VGB 98 verletzt habe.
[22] cc) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Abwicklung der Kündigung sei – für den Kläger ungeachtet identischer Faksimile-Unterschriften derselben Vorstandsmitglieder auf allen drei Schreiben vom 20. Februar 2006 erkennbar – von einer anderen Abteilung der Beklagten veranlasst worden, welcher der Schriftwechsel mit dem Rechtsanwalt des Klägers offensichtlich nicht bekannt gewesen sei, verkennt die Anforderungen, die an eine unmissverständliche Mitteilung der Wiederaufnahme der Leistungsprüfung zu stellen sind. Will der Versicherer nach einer Leistungsablehnung wieder in die Sachprüfung eintreten und dafür den Schutz vertraglich vereinbarter Obliegenheiten erneut in Anspruch nehmen, muss er dies gegenüber dem Versicherungsnehmer zweifelsfrei klarstellen. Gibt er – wie hier – unklare oder gar einander widersprechende Erklärungen ab, ist der Versicherungsnehmer weder gehalten, daraus erwachsende Missverständnisse nach Kräften etwa dadurch auszuräumen, dass er Erwägungen zur – ihm nicht näher bekannten – inneren Organisation des Geschäftsbetriebes des Versicherers anstellt, noch trägt er das Risiko solcher Missverständnisse.
[23] dd) Ist ein für den Versicherungsnehmer erkennbarer Wiedereintritt in die Leistungsprüfung nicht erfolgt, kommt es auf die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts zur erneuten Geltung der Auskunftsobliegenheit bereits im "Wiederaufnahmeantrag" des Klägers vom 14. Februar 2006 und zur Bezugnahme auf dieses Schreiben in einem späteren Anwaltsschriftsatz nicht mehr an. Vielmehr verbleibt es bei der durch die Leistungsablehnung der Beklagten beendeten Obliegenheitsbindung.
[24] 2. Aus den vorgenannten Gründen begegnet auch die Annahme des Berufungsgerichts durchgreifenden rechtlichen Bedenken, der Kläger habe die Versicherungsleistung wegen vollendeter oder versuchter arglistiger Täuschung über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, nach Nr. 17 VGB 98 verwirkt.
[25] a) Die in Nr. 17 VGB 98 und ähnlichen Klauseln (etwa § 22 Abs. 1 VHB 84) geregelte Verwirkung des Leistungsanspruchs infolge arglistiger Täuschung des Vertragspartners konkretisiert den in § 242 BGB wurzelnden Rechtsgedanken des redlichen Umgangs der Vertragspartner miteinander und fußt in der Erwägung, dass sich gerade das Versicherungsverhältnis in besonderem Maße auf wechselseitiges Vertrauen be ider gründet. Allerdings belegen die Regelungen des § 6 VVG a. F. /§ 28 VVG n. F., dass eine letztlich auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Leistungsfreiheit auf Ausnahmefälle von besonderem Gewicht beschränkt bleiben muss, in denen es dem Versicherer nicht zugemutet werden kann, an der Erfüllung der von ihm übernommenen Vertragspflichten festgehalten zu werden. Denn selbst bei vorsätzlicher Verletzung ausdrücklich vereinbarter Obliegenheiten tritt nach dem dafür geltenden Sanktionenregime Leistungsfreiheit nur unter den in den §§ 6 VVG a. F. oder 28 VVG n. F. geregelten Voraussetzungen ein (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1991 – II ZR 65/90, VersR 1991, 1129 unter 2 a und b).
[26] Da sich auch die Sanktion der Leistungsfreiheit nach § 17 VGB 98 aus dem Schutzbedürfnis des sachprüfungs- und verhandlungsbereiten Versicherers ableitet, der bei seiner Entscheidungsfindung in besonderem Maße auf wahrheitsgemäße Angaben eines redlichen Versicherungsnehmers angewiesen ist, kann die Klausel nicht mehr auf Angaben des Versicherungsnehmers angewendet werden, die erst nach einer Leistungsablehnung des Versicherers gemacht werden, und damit auch nicht auf Angaben in einem Schreiben, mit dem der Versicherungsnehmer um eine Wiederaufnahme der Prüfung ersucht. Der durch die Leistungsablehnung eingetretene Konflikt der Vertragsparteien rechtfertigt es nicht mehr, dem Versicherer weiterhin eine besondere Schutzwürdigkeit zuzubilligen, deren Missachtung die Verwirkung des gesamten Leistungsanspruchs nach sich zieht (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Juni 1989 – IVa ZR 101/88, BGHZ 107, 368, 370 f.; vom 22. September 1999 – IV ZR 172/98, VersR 1999, 1535 unter II mit zust. Anm. Knappmann, NVersZ 2000, 68 ff.; OLG Hamm VersR 1992, 301, 302 m. Anm. Bach; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 31 VHB 2000 Rn. 2; Lücke in Anm. zu BGH, Urteil vom 8. Juli 1991 – II ZR 65/90, VersR 1992, 182).
[27] Nur so wird in ausgewogener Weise den berechtigten Belangen beider Vertragsseiten Rechnung getragen (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 1989 – IVa ZR 101/88, BGHZ 107, 368, 371).
[28] Soweit deshalb der Versicherungsnehmer in einem anschließenden Rechtstreit um die Versicherungsleistung oder auch außerprozessual mit unlauteren Mitteln eine Änderung der Entscheidung ohne erneute Verhandlungen mit seinem Versicherer zu erreichen versucht, räumt das Gesetz dem Versicherer die gleichen Befugnisse und Möglichkeiten ein wie jedem anderen Beteiligten eines schuldrechtlichen Vertrages, aber auch nicht mehr (Senatsurteil vom 7. Juni 1989 aaO S. 371 f.).
[29] b) Auf die vom Berufungsgericht nicht erörterte Frage, ob eine Verwirkung der gesamten Versicherungsleistung gemäß Nr. 17 VGB 98 nach § 242 BGB auch dann angemessen erscheint, wenn die falschen Angaben des Versicherungsnehmers nur zu einem Punkt erfolgt sind, den der Versicherer zu Unrecht als entscheidungserheblich angesehen hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Juni 2008 – IV ZR 233/06, VersR 2008, 1207 Rn. 13 ff. zu den Anforderungen an eine genügend häufige Kontrolle der Beheizung von Wohngebäuden im Winter), mithin lediglich der untaugliche Versuch einer arglistigen Täuschung über für die Entscheidung des Versicherers bedeutsame Tatsachen vorliegt, kommt es nicht mehr an.
[30] III. Die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Das Berufungsgericht wird nunmehr unter anderem zu klären haben, ob dem Kläger die Verletzung einer vor dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheit aus Nr. 13. 1 VGB 98 anzulasten ist.