Bundesverfassungsgericht

BVerfG, Beschluss vom 7. 7. 2014 – 1 BvR 1063/14 (lexetius.com/2014,4688)

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn K …, – Bevollmächtigte: Hopfgarten Rechtsanwälte, Ohligsmühle 11, 42103 Wuppertal – gegen das Anerkenntnisurteil des Landgerichts Wuppertal vom 18. Februar 2014 – 16 S 33/11 – hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Gaier, Schluckebier, Paulus am 7. Juli 2014 einstimmig beschlossen:
Die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils des Landgerichts Wuppertal vom 18. Februar 2014 – 16 S 33/11 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Kostenentscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird insoweit an das Landgericht Wuppertal zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
[1] Gründe: I. Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Rechtsstreit aus dem Nachbarschaftsrecht. Die Parteien des Ausgangsverfahrens stritten zuletzt allein noch über die Kosten des Rechtsstreits, die sich auf ca. 8.000 € belaufen, nachdem der Beschwerdeführer als Beklagter des Ausgangsverfahrens den zuletzt formulierten Klageantrag der Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Klägerin) in der zweiten Instanz anerkannt hatte. Das Landgericht als Berufungsgericht hat die Anwendbarkeit der Vorschrift über die Kostentragung des Klägers bei sofortigem Anerkenntnis des Beklagten (§ 93 ZPO) verneint und dem Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog auferlegt. Der Beschwerdeführer sieht darin einen Verstoß gegen das Verbot objektiver Willkür.
[2] 1. Die Parteien sind Eigentümer (Klägerin) und Nutzungsberechtigter (Beschwerdeführer) aneinandergrenzender Grundstücke. Die Klägerin, eine Immobilienverwaltung in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, plante Renovierungs- und Sanierungsarbeiten an der Giebelwand des Gebäudes, das auf ihrem Grundstück ebenfalls an das von dem Beschwerdeführer genutzte Grundstück angrenzt. Mit Schreiben vom 7. April 2009 kündigte sie dem Beschwerdeführer ihre Absicht an, näher bezeichnete Arbeiten ab der ersten Juniwoche 2009 in einem Zeitraum von zwei bis drei Wochen durchzuführen. Sie bat den Beschwerdeführer, dazu die Nutzung seines Grundstücks, unter anderem zur Aufstellung eines Gerüsts, zu ermöglichen. Später teilte sie ihm mit, dass die Arbeiten in einem Zeitraum von etwa vier Wochen durchgeführt werden sollten. Der Beschwerdeführer stimmte der Nutzung des Grundstücks nicht zu.
[3] Die Klägerin erhob Klage und beantragte die Verurteilung des Beschwerdeführers, es zu dulden, dass sie auf dem Nachbargrundstück für die Dauer von einem Monat an ihrer Hauswand ein Gerüst zur Durchführung von Sanierungsarbeiten errichtet sowie das Nachbargrundstück für die Durchführung der Arbeiten betritt und benutzt. Das Amtsgericht gab der Klage mit Versäumnisurteil statt und hielt dieses nach Einspruch des Beschwerdeführers aufrecht. Das Landgericht bestätigte auf die Berufung des Beschwerdeführers das Versäumnisurteil mit der Maßgabe, dass die Duldungsverpflichtung des Beschwerdeführers unter der Bedingung stehe, dass die Klägerin Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten im Einzelnen mindestens einen Monat vor deren Beginn schriftlich anzeige. Hinsichtlich der unbedingten Verurteilung zur Duldung hob es das Versäumnisurteil des Amtsgerichts auf und wies die Klage ab.
[4] Auf die von dem Landgericht zugelassene Revision des Beschwerdeführers hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurück (veröffentlicht u. a. in NZM 2013, S. 243 = MDR 2013, S. 396). Zur Begründung führte der Bundesgerichtshof aus, das Berufungsgericht habe nach den bisherigen Feststellungen zu Unrecht einen Duldungsanspruch der Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 NachbG NRW angenommen. Feststellungen dazu, ob die Klägerin Instandsetzungsarbeiten im Sinne der vorgenannten Vorschriften ausführen wolle und ein Anlass für die Durchführung der beabsichtigten Arbeiten bestehe, habe das Berufungsgericht nicht getroffen. Es fehle somit an der Grund- voraussetzung für das Bestehen des Duldungsanspruchs der Klägerin, weshalb das Berufungsurteil keinen Bestand haben könne. Die fehlenden Feststellungen habe das Berufungsgericht nachzuholen. Es müsse klären, ob die von der Klägerin beabsichtigten Arbeiten Instandsetzungsarbeiten im Sinne von § 24 Abs. 1 NachbG NRW seien und, sollte dies der Fall sein, ob die in § 24 Abs. 1 Nr. 1—4 NachbG NRW genannten zusätzlichen Voraussetzungen vorlägen. Erst wenn diese Prüfung zugunsten der Klägerin ausfalle, bestehe der Duldungsanspruch. Das Berufungsgericht habe sie bisher mangels ausreichender Darlegungen der Klägerin zu Art und Umfang der Arbeiten im Einzelnen und zu dem räumlichen Umfang der gewünschten Inanspruchnahme des benachbarten Grundstücks nicht vornehmen können.
[5] Das Landgericht gab nach Eingang der Akten der Klägerin auf, binnen drei Wochen einen Schriftsatz vorzulegen, der hinsichtlich des Antrags wie des Tatsachenvortrags und der Beweisangebote den Vorgaben des Revisionsurteils des Bundesgerichtshofs Rechnung trage. Dem wurde die Klägerin mit ihrem darauf eingereichten Schriftsatz nach Ansicht des Landgerichts nicht gerecht. Es wies die Parteien deshalb mit Beschluss darauf hin, dass der bisherige Klageantrag in mehreren Punkten von den Vorgaben des Bundesgerichtshofs im Revisionsurteil abweiche, was derzeit zur Unbegründetheit der Klage führe. Der Beschwerdeführer rüge zu Recht, dass die Klägerin die beabsichtigten Maßnahmen nicht so konkret bezeichnet habe, dass geprüft werden könne, ob es sich um duldungspflichtige Instandsetzungsarbeiten handele. Wenn die Klägerin allen Hinweisen Rechnung trage und die beabsichtigten Arbeiten konkretisiere, wozu die Kammer eine Darstellung in Form eines Leistungsverzeichnisses anrege, werde nach dem bisherigen Streitstand eine Beweisaufnahme dazu erforderlich werden, bei welchen der beabsichtigten Arbeiten es sich einerseits um duldungspflichtige Instandsetzungsmaßnahmen und andererseits um nicht duldungspflichtige Verschönerungsarbeiten handele. Die Klägerin konkretisierte und ergänzte daraufhin ihren Vortrag und formulierte ihren Klageantrag, wobei auch bis dahin aufgeführte Arbeiten entfielen, vollständig neu. Nunmehr erkannte der Beschwerdeführer den Klageanspruch in einem innerhalb der ihm gewährten Fristverlängerung eingegangenen Schriftsatz unter Protest gegen die Kostenlast an.
[6] Das Landgericht erließ daraufhin ein Anerkenntnisurteil, änderte dabei das Urteil des Amtsgerichts teilweise ab und fasste es unter Berücksichtigung des geänderten Klageantrags der Klägerin neu. Die Kosten des Rechtsstreits erlegte es dem Beschwerdeführer auf. Die Vorschrift zur Kostenbelastung des Klägers bei sofortigem Anerkenntnis des Beklagten (§ 93 ZPO) sei nicht anzuwenden. Es könne offenbleiben, ob das Anerkenntnis des Beschwerdeführers "sofort" im Sinne der Vorschrift erfolgt sei. Jedenfalls fehle es an der weiteren Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer keinen Anlass zur Klage gegeben habe, da er sich im vorprozessualen Schriftverkehr auf ihm zum Teil nicht zustehende Verweigerungsgründe berufen habe. Die Klägerin habe deshalb zu Recht angenommen, ohne Klage nicht zu ihrem Recht kommen zu können, was durch das Verhalten des Beschwerdeführers nach der Klageerhebung noch bestätigt worden sei. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass es für eine unbegründete Klage keine Klageveranlassung geben könne, gehe fehl. Das Gesetz stelle nicht darauf ab, ob Veranlassung zu einer begründeten Klage, sondern ob Veranlassung zur Erhebung einer Klage bestanden habe. Diese Frage entscheide sich nicht am Ende eines Prozesses möglicherweise nach Durchlaufen vieler Instanzen, sondern nach der Sach- und Rechtslage, wie sie sich bei der Einreichung und Zustellung einer Klageschrift darstelle. Sie könne deshalb nicht davon abhängen, ob der Klageantrag bereits in der Klageschrift oder erst nach richterlichen Hinweisen hinreichend konkret gefasst werde.
[7] 2. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts in seinem Anerkenntnisurteil. Er rügt einen Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG und führt dies näher aus. Unter anderem macht er geltend, die Kostenentscheidung stehe im evidenten Widerspruch zur Auslegung des § 93 ZPO durch den Bundesgerichtshof.
[8] 3. Zu der Verfassungsbeschwerde hat die Klägerin des Ausgangsverfahrens Stellung genommen und die angegriffene Kostenentscheidung verteidigt. Sie vertritt die Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei bereits unzulässig, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO erhoben und deshalb den Rechtsweg nicht erschöpft habe. Die Entscheidung sei auch nicht willkürlich. Das Landgericht habe zutreffend auf den Gesetzeswortlaut des § 93 ZPO abgestellt, wonach lediglich Veranlassung zur Klageerhebung bestanden haben müsse. Einer Auseinandersetzung mit der abweichenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe es nicht bedurft, da diese nicht entscheidungserheblich sei.
[9] Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akte des Ausgangsverfahrens liegt der Kammer vor.
[10] II. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.
[11] 1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere hat der Beschwerdeführer den Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ordnungsgemäß erschöpft. Der Erhebung einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO bedurfte es nicht, weil der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht.
[12] 2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Das Landgericht hat mit der angegriffenen Kostenentscheidung gegen Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung als Willkürverbot verstoßen.
[13] a) Ein Richterspruch verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (vgl. BVerfGE 89, 1 [13 f.]; 96, 189 [203]). Eine Begründung der Entscheidung ist verfassungsrechtlich dann geboten, wenn ein Gericht von dem eindeutigen Wortlaut oder von der höchstrichterlichen Auslegung einer Norm abweicht (vgl. BVerfGE 71, 122 [135 f.]; 81, 97 [106]). Das ist gerade deshalb erforderlich, weil die Gerichte nur dem Gesetz unterworfen sind und bei der Auslegung und Anwendung von Normen weder einer vorherrschenden Meinung folgen noch den von einem übergeordneten Gericht vertretenen Standpunkt zugrunde legen müssen, sondern ihre eigene Rechtsauffassung vertreten können. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gebundenheit des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) verlangt das Willkürverbot jedoch, dass die eigene Auffassung begründet wird (vgl. BVerfGE 71, 122 [135 f.]). Jedenfalls muss die Begründung erkennen lassen, dass das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat; außerdem darf seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehren (vgl. BVerfGE 87, 273 [279]).
[14] b) Nach diesen Maßstäben verletzt die angegriffene Kostenentscheidung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung als Willkürverbot.
[15] aa) Nach dem Gesetz und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fallen dem Kläger gemäß § 93 ZPO die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat. Veranlassung zur Klage wird durch ein Verhalten gegeben, welches vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt. Daraus folgt, dass es für die Frage, ob der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, grundsätzlich auf sein Verhalten vor dem Prozess ankommt. Fehlt es aber zunächst an einer schlüssigen Klage, kann die beklagte Partei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trotz angezeigter Verteidigungsbereitschaft und trotz eines bereits gestellten Klageabweisungsantrags nach Behebung des Mangels durch entsprechend ergänzten Sachvortrag den Anspruch im Sinne des § 93 ZPO noch sofort anerkennen. Ein unschlüssiger Klagevortrag indiziert somit die fehlende Klageveranlassung. Für eine Differenzierung zwischen einem unbegründeten und einem lediglich unschlüssig dargelegten Anspruch ist kein Raum. Eine Partei ist nicht gehalten, einen erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits substantiiert vorgetragenen Klageanspruch schon zuvor – gleichsam auf Verdacht – als begründet anzuerkennen, nur um sich der Kostentragungslast entziehen zu können (vgl. BGH, NJW-RR 2004, S. 999; NZI 2007, S. 283 Rn. 11 f.). Diese Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs wird von der Literatur (Herget, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 93 Rn. 6 Stichwort: unschlüssige Klage; Lackmann, in: Musielak, ZPO, 11. Aufl., § 93 Rn. 27; Schulz, in: Münchener Kommentar, ZPO, 4. Aufl., § 93 Rn. 15; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl., § 93 Rn. 59; Gierl, in: Saenger, ZPO, 5. Aufl., § 93 Rn. 12; Schneider, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 6. Aufl., § 93 Rn. 3; Jaspersen/Wache, in: Beck'scher Online-Kommentar, ZPO, Stand: 15. März 2014, § 93 Rn. 37; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl., § 93 Rn. 12; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 93 Rn. 10), dem Bundesarbeitsgericht (NZA 2008, S. 1086 Rn. 48) und der obergerichtlichen Rechtsprechung (u. a.: OLG Karlsruhe, FamRZ 2012, S. 1967; OLG Hamm, FamRZ 2006, S. 1770; OLG Naumburg, FamRZ 2003, S. 1576; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 13 W 29/11 –, juris, Rn. 9) geteilt. Soweit vereinzelt die Berücksichtigung der Schlüssigkeit des Klagevorbringens für unerheblich gehalten und vom Beklagten auch das Anerkenntnis im Falle der Unschlüssigkeit gefordert wird, um in den Genuss der Kostenfolge des § 93 ZPO zu gelangen (vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 2007, S. 1346 [1347 m. w. N. zur älteren OLG-Rechtsprechung]; Looff, JurBüro 2008, S. 65 [68 f.]), verkennen diese Stimmen, dass die beklagte Partei keine Veranlassung zur Klage geben kann, solange der Sachvortrag den Klageanspruch nicht begründet. Eine Partei muss sich vielmehr gegen einen nicht schlüssig begründeten Anspruch oder einen nicht hinreichend bestimmten Klageantrag verteidigen dürfen, ohne deswegen eine negative Kostenfolge bei Klageerhebung für sich befürchten zu müssen.
[16] bb) Nach der hier gegebenen Ausgangslage handelt es sich deshalb bei dem Anerkenntnis des Beschwerdeführers um ein sofortiges im Sinne des § 93 ZPO. Das Landgericht hat nach dem Eingang der Akten vom Bundesgerichtshof der Klägerin aufgegeben, binnen drei Wochen einen Schriftsatz vorzulegen, der hinsichtlich des Antrags wie des Tatsachenvortrags und der Beweisangebote den Vorgaben des Revisionsurteils des Bundesgerichtshofs Rechnung trägt. Dem wurde die Klägerin mit ihrem darauf eingereichten Schriftsatz nach Ansicht des Landgerichts nicht gerecht, so dass die Kammer einen umfassenden Hinweisbeschluss erließ. Den daraufhin – knapp vier Jahre nach Zustellung der Klageschrift – erstmals schlüssig formulierten Klagevortrag und hinreichend bestimmt gefassten Klageantrag der Klägerin erkannte der Beschwerdeführer mit seinem dazu innerhalb einer ihm gewährten Fristverlängerung eingegangenen Schriftsatz – und damit "sofort" im Sinne des § 93 ZPO (vgl. BGH, NJW-RR 2004, S. 999 a. E.; NZI 2007, S. 283 Rn. 15) – an. Zuvor bestand für den Beschwerdeführer weder Grund noch Anlass, ein berechtigtes Klagebegehren der Klägerin anzuerkennen. Das verkennt das Landgericht, welches sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der ihm folgenden obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur zu dem Anerkenntnis eines zunächst unschlüssigen und erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits substantiiert vorgetragenen Klageanspruchs nicht auseinandersetzt. Eine Abweichung von dieser gefestigten und in der Literatur ganz überwiegend geteilten Rechtsprechung hätte aber zumindest der Begründung bedurft (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 19. Juli 1995 – 1 BvR 1506/93 –, NJW 1995, S. 2911 [2912]). Auch die von der ganz herrschenden Meinung abweichenden vereinzelten Stimmen führt das Landgericht im Rahmen seiner Begründung nicht an. Es fehlt somit zudem an einer hier unabweislich gebotenen Auseinandersetzung mit der Rechtslage. Ebenso wenig geht das Landgericht auf den Umstand ein, dass die Klägerin zu dem nach der Zurückverweisung in die Berufungsinstanz erfolgten Hinweisbeschluss des Landgerichts weder die Klage schlüssig begründet noch einen stattgabefähigen Klageantrag formuliert hatte, mithin der Sachvortrag weder den bis dahin konkret formulierten noch einen den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Nr. 1—4 NachbG NRW gerecht werdenden Klageantrag rechtfertigte. Auch die abschließende Erwägung des Landgerichts zu der angegriffenen Kostenentscheidung, es könne nicht darauf ankommen, ob der Klageanspruch bereits in der Klageschrift oder erst nach richterlichen Hinweisen hinreichend konkret gefasst werde, lässt nicht erkennen, dass es eine eigene, von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichende tragfähige Auffassung zu § 93 ZPO entwickelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte. Das Landgericht verkennt dabei zudem, dass es allein in die Sphäre der Klägerin fiel, ihren Klageantrag hinreichend bestimmt zu fassen und ihren Klageanspruch schlüssig zu begründen.
[17] c) Aus den vorstehenden Gründen erweist sich die Entscheidung des Landgerichts, dem Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, mit der von ihm gegebenen Begründung als schlechterdings unvertretbar. Es hat sich nicht mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auseinandergesetzt, von der es abgewichen ist. In diesem Übergehen der entscheidungsbedeutsamen höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt sich der Eindruck einer an objektiv nicht sachgemäßen Erwägungen orientierten Entscheidung.
[18] III. 1. Die angegriffene Kostenentscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist daher nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen.
[19] 2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG; die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 [366 ff.]).