Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 3. 6. 2015 – 4 StR 193/15 (lexetius.com/2015,1614)

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 3. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 5. Februar 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben a) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II. 21 bis 26 der Urteilsgründe, b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
[1] Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 20 Fällen, schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision erzielt mit der allgemeinen Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
[2] 1. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht den Angeklagten in den Fällen II. 21 bis 25 der Urteilsgründe wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen verurteilt.
[3] a) Nach den den Einzelfällen vorangestellten Feststellungen kam der Angeklagte spätestens im November 2013 "u. a. mit Z., dessen Bruder E., K. und G. überein, zukünftig fortlaufend in einer Vielzahl von Fällen durch ein defektes Fenster in das – nicht mehr in Betrieb befindliche, sondern zum Abriss bestimmte – Schalthaus der Firma St. Go. an der W. Straße in Ge. einzudringen, um dort Kupfer zu stehlen und sich aus dessen Verkauf eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen".
[4] b) Zwar richtete sich danach die Abrede der Beteiligten auf den Diebstahl von Kupfer aus einem feststehenden und begrenzten Vorrat. Gleichwohl sind die Begriffsmerkmale der Bande im Sinne des § 244a Abs. 1 StGB erfüllt:
[5] aa) Eine Bande im Sinne der §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a Abs. 1 StGB ist der Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Diebes- oder Raubtaten zu begehen (BGH – Großer Senat –, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 244 Rn. 34 ff.). Erforderlich ist eine – ausdrücklich oder konkludent getroffene – Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung von Straftaten in der Zukunft für eine gewisse Dauer zusammenzutun (BGH, Urteil vom 14. April 2011 – 4 StR 571/10). Dabei genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich die Bandenmitglieder für einen überschaubaren Zeitraum von nur wenigen Tagen zur "fortgesetzten" Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1992 – 3 StR 431/92, BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 Bande 1). Daraus ergibt sich zugleich, dass es weder einer "gewissen Regelmäßigkeit" noch der Absprache einer "zeitlichen Dauer" der zu begehenden Straftaten bedarf (BGH, Urteil vom 11. September 1996 – 3 StR 252/96, NStZ 1997, 90, 91). Die Beschränkung auf eine bestimmte Begehungsart (BGH, Urteil vom 18. April 1978 – 1 StR 815/77, bei Holtz, MDR 1978, 624) gegen denselben Gewahrsamsinhaber (RG, Urteil vom 18. Dezember 1923 – 4 D 875/23, JW 1924, 816 f.; NK-StGB/Kindhäuser, 4. Aufl., § 244 Rn. 39) oder nach Zeit, Ort und zu erbeutenden Gegenständen (BGH, Urteil vom 29. August 1973 – 2 StR 250/73, GA 1974, 308; Fischer, aaO, § 244 Rn. 40) steht der bandenmäßigen Begehung nicht entgegen.
[6] bb) Danach unterfällt die hier von den Beteiligten getroffene Abrede dem Begriff der Bande. Durch die wiederholte Wegnahme des in dem zum Abriss bestimmten Schalthauses befindlichen Kupfers in der Zeit vom 30. November 2013 bis zum 8. Januar 2014 begingen der Angeklagte und seine Tatgenossen jeweils selbständige Diebstahlstaten, die untereinander im Verhältnis der Tatmehrheit stehen; für die Annahme natürlicher Handlungseinheit bieten die Feststellungen keinen Anhaltspunkt. Eine Beschränkung auf wenige, von vornherein d. h. im Zeitpunkt der Bandenabrede – individuell bestimmte Taten ist den Feststellungen nicht zu entnehmen; im Gegenteil richtete sich die Abrede auf eine "Vielzahl" entsprechender Diebstahlstaten, die als "dauerhafte Einnahmequelle" geplant waren. Damit ist auch der Grund für die Strafschärfung des Bandendiebstahls gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1955 – 3 StR 279/55, BGHSt 8, 205, 209; Beschluss vom 3. April 1970 – 2 StR 419/69, BGHSt 23, 239, 240; Kindhäuser, aaO, § 244 Rn. 34).
[7] 2. In den Fällen II. 21 bis 26 der Urteilsgründe können die Einzelstrafaussprüche nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die Möglichkeit einer Strafmilderung nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB nicht geprüft hat. Hierzu hätte indes nach den Urteilsgründen Anlass bestanden:
[8] Die Strafkammer hat bei den abgeurteilten Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz (Fälle II. 1 bis 20, 27 und 28 der Urteilsgründe) dem Angeklagten jeweils die Strafmilderung des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG gutgebracht. Das beruht auf folgender Feststellung: "Der Angeklagte ließ sich schon in seiner ersten Beschuldigtenvernehmung geständig ein und machte zudem umfangreiche Angaben zu weiteren Beteiligten und Taten, zu denen bis dahin noch keine so weitreichenden Erkenntnisse vorgelegen hatten." Dieser pauschalen Mitteilung muss der Senat entnehmen, dass der Angeklagte zu allen ihm vorgeworfenen Taten weitere Beteiligte benannt hat. Dann aber drängte sich die Erörterung einer "Aufklärungshilfe" nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 StGB auf. Der Angeklagte hat in den Fällen II. 21 bis 26 der Urteilsgründe jeweils eine Straftat begangen, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist. Die Offenbarung betraf die im Katalog des § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j und k StPO genannten Straftaten des schweren Bandendiebstahls und der (besonders schweren) räuberischen Erpressung; der nach der Neufassung des § 46b StGB erforderliche Zusammenhang mit den Taten des Aufklärungsgehilfen steht hier außer Frage.
[9] Auf diesem Rechtsfehler beruht die Bemessung der jeweiligen Einzelstrafe in den genannten Fällen; denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht den jeweils angenommenen Strafrahmen noch weiter gemildert oder geringere Strafen verhängt hätte.
[10] 3. Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen II. 21 bis 26 der Urteilsgründe – und damit auch der Einsatzstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe – entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.