Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 20. 5. 2015 – 1 StR 578/14 (lexetius.com/2015,1638)

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 355 StPO analog beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 12. Juni 2014 a) in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und b) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Bestechlichkeit in sechs Fällen schuldig ist.
2. Die Sache wird, soweit sie die Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe betrifft, an das Amtsgericht Hannover verwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
[1] Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in sechs Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Im Hinblick auf eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat es ausgesprochen, dass hiervon drei Monate als vollstreckt gelten. Zudem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 63.149,65 Euro angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
[2] 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung (Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe, UA S. 71 ff.) hat wegen eines bestehenden Verfahrenshindernisses keinen Bestand. Das Landgericht Hannover war insoweit für die Entscheidung nicht zuständig.
[3] Den Tatvorwürfen der Steuerhinterziehung lag eine Anklage an das Amtsgericht Hannover vom 31. Juli 2013 – 4242 Js – zugrunde.
[4] Zwar hat das Landgericht Hildesheim das beim Amtsgericht Hannover anhängige Verfahren übernommen, durch Beschluss vom 3. Februar 2014 zu dem bei ihm wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit gegen den Angeklagten anhängigen Verfahren verbunden und das Verfahren insoweit auch eröffnet. Der bezüglich der übernommenen Sache erlassene Eröffnungsbeschluss entbehrt jedoch – da die Anklage an das Amtsgericht Hannover gerichtet war – der notwendigen Grundlage. Er ist gegenstandslos und die Verbindung unwirksam (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 – 3 StR 166/13, wistra 2013, 473; vom 25. April 2007 – 2 StR 25/07, wistra 2007, 306; vom 7. April 2005 – 3 StR 347/04, NStZ 2005, 464 und vom 26. Juli 1995 – 2 StR 74/95, BGHR StPO § 4 Verbindung 9 mwN).
[5] Die Verbindung von Strafsachen, die nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit betrifft, kann nicht durch eine Vereinbarung der beteiligten Gerichte nach § 13 Abs. 2 Satz 1 StPO geschehen. Eine solche Verbindung kann vielmehr in den Fällen, in denen – wie hier – die verschiedenen Gerichte nicht alle zu dem Bezirk des ranghöheren gehören, nur durch Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts – hier des Oberlandesgerichts Celle – herbeigeführt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH aaO).
[6] Daran fehlt es. Die Sache ist hinsichtlich der Tatvorwürfe der Steuerhinterziehung nicht bei dem Landgericht Hildesheim rechtshängig geworden.
[7] Es besteht daher hinsichtlich dieser Taten ein Verfahrenshindernis, das zwar zu einer entsprechenden Teilaufhebung, nicht jedoch zur Verfahrenseinstellung führt, da die Rechtshängigkeit des Verfahrens bei dem Amtsgericht Hannover fortbesteht (vgl. BGH aaO). Das Verfahren ist danach noch beim Amtsgericht Hannover anhängig, das wegen der Gegenstandslosigkeit des Eröffnungsbeschlusses auch noch über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden hat. Da die Prozessvoraussetzung der sachlichen Zuständigkeit nach § 6 StPO von Amts wegen zu beachten ist und eine Nachholung der Verbindungsentscheidung durch den Senat nicht erfolgen konnte (vgl. u. a. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 – 4 StR 562/13), ist die Sache daher, soweit sie die Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe betrifft, entsprechend § 355 StPO an das Amtsgericht Hannover zu verweisen.
[8] 2. Das Verfahrenshindernis zieht die Teilaufhebung des Urteils in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe und die entsprechende Abänderung des Schuldspruchs nach sich. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils weder zum Schuldspruch noch zum Rechtsfolgenausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
[9] 3. Trotz der Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe hat die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten Bestand.
[10] Die übrigen Einzelstrafen sind jeweils rechtsfehlerfrei festgesetzt; vom Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe sind sie nicht beeinflusst. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne die für die Steuerdelikte verhängten Einzelgeldstrafen von 30 bzw. 120 Tagessätzen zu je 65 Euro zu einer niedrigeren Gesamtfreiheitsstrafe als drei Jahre und drei Monate gelangt wäre. Damit beruht der Strafausspruch nicht auf dem Rechtsfehler (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 7. April 2005 – 3 StR 347/04, NStZ 2005, 464 und vom 25. Juli 2001 – 2 StR 290/01).
[11] Der Angeklagte ist auch nicht dadurch beschwert, dass durch die Senatsentscheidung die vom Landgericht Hildesheim verhängte Gesamtfreiheitsstrafe rechtskräftig wird, obwohl das Verfahren wegen der Tatvorwürfe in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe noch nicht abgeschlossen ist. Zwar wäre das Amtsgericht Hannover, an welches das Verfahren wegen dieser Taten verwiesen wird, nicht gehindert, bei Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten diesen wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu verurteilen und dafür Einzelstrafen zu verhängen (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO). Indes müsste sodann – unter Auflösung der durch die vorliegende Entscheidung rechtskräftig gewordenen Gesamtfreiheitsstrafe – erneut eine Gesamtfreiheitsstrafe aus der vom Amtsgericht Hannover neu verhängten und den sechs rechtskräftigen Einzelstrafen gebildet werden. Diese könnte wegen § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO wiederum nicht höher sein als drei Jahre und drei Monate (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2005 – 3 StR 347/04, NStZ 2005, 464).
[12] Das Verbot der Schlechterstellung schützt somit den Angeklagten, der allein Revision eingelegt hat, vor einer höheren Bestrafung. Es lässt auch eine Verfahrenseinstellung vor dem Amtsgericht Hannover nach § 154 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StPO als sachdienlich erscheinen – eine Entscheidung, die der Senat selbst nicht treffen kann, da die Sache insoweit nicht bei ihm anhängig geworden ist.
[13] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Der Erfolg des Rechtsmittels besteht allein darin, dass die Verurteilung wegen zweier von acht Taten aufgehoben wird, ohne dass sich dies auf den Gesamtstrafausspruch auswirkt. Dieser geringfügige Erfolg lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des Verfahrens zu belasten (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2005 – 3 StR 347/04).