Bundesgerichtshof

BGH, Beschluss vom 15. 12. 2015 – II ZR 144/14; OLG Frankfurt a. M. (lexetius.com/2015,4140)

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart und den Richter Sunder beschlossen:
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
[1] Gründe: Das Verfahren ist von den Parteien durch Schriftsatz der Klägerin vom 6. November 2015 und durch Schriftsatz der Beklagten vom 20. November 2015 übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen sind die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen (§ 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
[2] 1. Die Erledigung der Hauptsache kann in der Rechtsmittelinstanz, auch noch während des Revisionsverfahrens, erklärt werden (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 91a Rn. 18 mwN). Da durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien der Rechtsstreit insgesamt erledigt ist, ist über alle bisher entstandenen Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Vorinstanzen, gemäß § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 – II ZR 262/08, ZIP 2013, 1691 Rn. 10 mwN).
[3] 2. Die Klägerin hat danach die Kosten zu tragen, da nach dem Sach- und Streitstand bei Eintritt des erledigenden Ereignisses die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin nicht zum Erfolg geführt hätte.
[4] a) Im vorliegenden Verfahren war das Begehren der Klägerin, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, darauf gerichtet, der Beklagten, ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin (Komplementärin), die Befugnis zu entziehen, die Geschäfte zu führen und sie zu vertreten. Die Klägerin hat ihre Klage dabei auf den auf der Hauptversammlung vom 10. September 2012 zum Tagesordnungspunkt 8 gefassten Beschluss gestützt, der Beklagten die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zu entziehen. Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil es an einem wirksamen Beschluss der Hauptversammlung der Klägerin fehle. Der am 10. September 2012 gefasste Beschluss sei nichtig, weil die Hauptversammlung, zu der die Beklagte eingeladen gehabt habe, von ihr wirksam abgesagt worden sei. Falls man die Absage der Hauptversammlung für unwirksam und die Versammlung für eröffnet halten wollte, wäre die Beschlussfassung jedenfalls wegen eines einem Einberufungsmangel gleichstehenden Verfahrensfehlers gemäß § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar.
[5] b) Die Revision der Klägerin wäre ohne Erfolg geblieben, weil für die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und der Vertretungsmacht eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien gemäß § 278 Abs. 2 AktG, §§ 117, 127 HGB ein wirksamer Beschluss der Hauptversammlung erforderlich ist, an dem es, wie das Berufungsgericht im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen hat, hier fehlt.
[6] aa) Gemäß § 278 Abs. 2 AktG bestimmt sich das Rechtsverhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre sowie gegenüber Dritten, namentlich die Befugnis der persönlich haftenden Gesellschafter zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft. Gemäß §§ 117, 127, 161 Abs. 2 HGB können einem persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft die Befugnis zur Geschäftsführung und die Vertretungsmacht auf Antrag der übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
[7] Bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien setzt die Klage auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und der Vertretungsmacht nach einhelliger Ansicht einen (mit Mehrheit zu fassenden) Beschluss der Hauptversammlung voraus (vgl. Assmann/Sethe in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 278 Rn. 165; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 278 Rn. 83; MünchKommAktG/Perlitt, 4. Aufl., § 278 Rn. 188; Spindler/Stilz/Bachmann, AktG, 3. Aufl., § 278 Rn. 75; Hölters/Müller-Michaels, AktG, 2. Aufl., § 278 Rn. 14). Auch dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien kann die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht entzogen werden (RGZ 74, 297, 301; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 278 Rn. 84 mwN).
[8] bb) Der Senat hat in dem zwischen denselben Parteien geführten Verfahren II ZR 142/14 durch Urteil vom 30. Juni 2015 den auf der Hauptversammlung der Klägerin vom 10. September 2012 zum Tagesordnungspunkt 8 gefassten Beschluss, der Beklagten die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zu entziehen, wegen Vorliegens eines Anfechtungsgrunds für von Anfang an nichtig erklärt (BGH, Urteil vom 30. Juni 2015 – II ZR 142/14, ZIP 2015, 2069 Rn. 20). Die Nichtigerklärung des Beschlusses wirkt, wie sich aus § 241 Nr. 5 AktG ergibt, auf den Beschlusszeitpunkt zurück (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2013 – II ZR 56/12, BGHZ 196, 195 Rn. 13).